Teufelskreis Perfektion

Hallo solaine,

dieses Unvernünftige /Bedürftige kenn ich schon. Hatte mal vor längerer Zeit, als ich mein ersten Geld verdiente, einen ganz verrückten (und teuren) Wunsch. Etwas was ich mir leisten konnte und damit geliebäugelt hatte, es mir zu kaufen. Aber dann schlug die "Vernunft" meiner näheren Umwelt zu. Ich hab mir den Wunsch kaputt reden lassen, weil ja teuer, nicht vernünftig, unpraktisch, gibt Vergleichbares zu gleichem Preis aber praktischer, etc., etc.

Ich glaube, du/ihr könnt euch vorstellen, dass es da irgendwann Klick gemacht hat. Seitdem gibt es diesen Wunsch nicht mehr, gibt es aber auch das Bestreben, eigene Bedürfnisse zu realisieren, nicht mehr. Seitdem taucht bei mir auch permanent das innere Verbotsschild auf, riesengroß, sobald ich nur andeutungsweise in so einer Richtung denke: ich habe kein Recht dazu.

Es war ein Boot. ich hatte "Lust", mir einfach ein Boot zu kaufen. Es hätte wieder Leben für mich bedeutet. Genau wie du schreibst: irrational, bedürfnis-gesteuert. Damit auf irgend nem See rumschippern, allein oder mit Freundinnen Spass haben, etc. etc. Eigene Lust und Bedürfnisse wahrnehmen - ohne die blöde Ratio.

Heute spür ich dazu noch die Traurigkeit in mir, aber diesen Traum gibt es nicht mehr. Ich hab ihn mir rausgerissen. Ich glaub, das ist die richtige Ausdrucksweise, verzeih mir. Gab auch nur einen enzigen Arbeitskollegen damals, der sagte: mach es. Gönn dir den Spaß. Selbst meine damalige beste Freundin redete dagegen. Aus der Traum.

So wie dieser Traum sind zwischenzeitlich viele kleine Träume von mir zerstört worden - SVV.

Ich wünsche mir solche wahrnehmbaren Impulse, nur leider ist es mit einem Eisbecher nicht getan . Im Moment ist wohl nur noch "Funktionieren" angesagt. Auch mein Partner ist da eher vernunft-gesteuert, leider.

Liebe solaine, du hast den Finger in eine der Wunden gelegt. Danke, dir dafür.

lg die Elfe

ps.s. Heute bekam ich schon mal die gelbe Karte. Hab dann auch "5 gerade sein lassen". Mal sehen, wie's morgen weiter geht? Das Projekt dauert noch mindestens 1 Woche. Puuh

hej,

dann will ich dich unbedingt nochmal ermuntern, jeden noch so kleinen impuls wahr- und erstmal anzunehmen. wenns ein eisbecher ist auch das.
aber, vielleicht hilft dir das, ich leiste mir jedes jahr vom ersparten eine unvernünftige sache, und das sind nie "kleine" ausgaben.

ein verrückter urlaub, saxophon, teures zubehör für den foto oder gleich eine ganz neue kamera, war alles schon dabei.

man muss ja nicht sofort, wenn die idee das erste mal kommt, losrennen und das geld auf den kopf hauen. ich bin schon fan von ausprobieren, informieren, abwägen. aber nicht abbringen lassen, sondern gerade auch solche dinge erstmal da sein und reifen lassen, und wenn man es wichtig findet über mehr als ein paar wochen, dann machen.

ich kanns nur nochmal sagen, denn ich erlebe es gerade sehr, sehr schwierig und traurig in meinem engsten umfeld: das leben kann morgen vorbei sein. ich will mich nicht erinnern müssen an alles, was ich mir habe kaputt machen lassen und was ich mir nicht gegönnt hab, sondern an das, was ich mir erlaubt habe und was aufregend, atemlos, bunt, vielleicht auch mal tränenreich, bekloppt und völlig sinnlos, aber eben lebendig war.

in diesem sinne, ermutigung zum wahrnehmen und dann das pflänzchen hüten und gießen, damit bald wieder wilde, tolle ideen blühen.

solaine

Hallo solaine,
ich werde mir gleich morgen eine kleine Gießkanne kaufen - versprochen,
Lieben Dank für deine mutmachenden Worte.
So was könnte ich öfters brauchen, aber dann wär's ja inflationär .

die Elfe

Hallo solaine,
ich möchte noch mal auf deinen Beitrag von gestern eingehen.

Zu deinem letzten Absatz - gelbe Karte/roter Punkt: glaub ich auch, dass das direkter wirkt. Mal sehen: Projekt läuft und ich hab mir Mühe gegeben, nicht perfekt zu sein. War auch nicht so schwer, weil ziemlich anstrengend und irgendwann ging mir dann die Puste aus. Also konnte ich auch gar nicht mehr "perfekt" sein, ohne Puste geht sowieso nichts.

Aber jetzt kommt's: hat doch mein Schatz angefangen und nach gearbeitet. Ich hätte mich fast vor Lachen hingelegt. Er schaute nur sehr fragend???? Und dann meine Antwort: "wer ist jetzt perfektionistisch?"
1-0 für mich !

Ich weiß jedoch, dass das sicher nur eine Ausnahme ist, und damit mein grundsätzliches Problem nicht löst. Denn in der Arbeit muss ich sehr genau sein, denn sonst treten mir ca. 20 Kollegen/Innen anderer Fachbereiche auf die Füße, wenn etwas nicht stimmt. Und da man gewohnt ist, dass ich gute Arbeit leiste (pfui Eigenlob ) liegt die Messlatte sehr hoch. Nur die Abgrenzung zu meinem restlichen Leben, das ist es, was ich mehr relativieren muss.

Zu deinem Hauptteil bzgl. inneres Kind oder so, da muss ich sehr viel in meiner Vergangenheit graben, denn dort stammen ein Teil der Sperrmechanismen her. Als Kind habe ich erlebt, dass die Freuden des Einen (Vater) das Leid des Anderen (Mutter) sind. Besonders dann, wenn durch solche Ausgaben kein Geld zum Leben da ist. Insofern fällt es mir heute, obwohl meine eigene wirtschaftliche Situation ok ist, das Geldausgeben für mich extrem schwer. Nicht wenn es notwendig ist wie bei Berufskleidung oder so, aber immer dann wenn es den anderen Teil von mir betrifft. Ich glaube, ich brauche noch einige Zeit, um hier einen Schritt für mich weiter zu kommen.

Lieben Dank für deine treffenden Gedanken und deine Ermunterung.
die Elfe