Hallo,
ich hatte vor dem Crash folgenden Brief schon mal zum gegenlesen gepostet, und habe jetzt den Mut gefunden,
diesen allen Angehörigen zur Verfügung zu stellen.
Bin übrigens für sowohl Kritik, als auch für Zustimmung zu meiner ! sehr subjektiven ! Meinung zu diesem Thema offen.
Viele Grüße,
forgotten_soul
-- ------------------------------------------------------ --
Hallo, ihr Angehörigen und Freunde,
ein großes, aber sehr leises hallo auch an die Betroffenen,
(egal, ob jetzt SVV, Depressionen, Selbsthass, oder was auch immer)
als ich hier im Forum etwas mitgelesen habe,
meinte ein Schreiberling, die Betroffenen sollten
"sich nicht so anstellen".
(Und auf Stammtischen und hinter vorgehaltener Hand ist so etwas auch öfters zu hören)
Dazu würde ich gerne ein paar Zeilen schreiben.
Ich selbst kenne beide Seiten, sowohl die des Betroffenen,
Aber eben auch die einer Person, die in ihren starken Momenten
oft genug die Rolle des guten Freundes inne hatte.
Um zu verdeutlichen, was ich ausdrücken will, ziehe ich den jungen Nationalspieler Sebastian Deisler heran,
einfach deswegen, weil seine Krankheit und deren Auswirkungen ein passendes Beispiel ist, das hat mit der Person oder dem Verein nichts zu tun.
Aus der Sicht eines Angehörigen ist es natürlich unendlich schwer, zu sehen, wie eine Freundschaft oder
eine Beziehung oder das allgemeine Leben einer geliebten Person "den Bach runter" geht.
Und ich kann es nachfühlen, nachempfinden, verstehen, dass man am liebsten diese Person am Kragen packen möchte,
dass man sie am liebsten schütteln möchte, anschreien möchte, sie fragen möchte,
"Warum tust du dir das an ?" - "Warum kannst du nicht einfach ('normal') sein, wie alle anderen ?"
"Warum kannst du dich nicht einfach zusammenreißen", "Stell Dich (gefälligst!) nicht so an !"
Wie schon gesagt, ich kann die Versuchung verstehen, diese Worte zu benutzen, in der Hoffnung,
dass sie wirken.
Ich kann auch die Hilflosigkeit verstehen, wenn man sieht, dass man nichts tun kann, dass nichts etwas hilft.
Nur leider ist es nicht so einfach, dass es mit ein paar Worten getan wäre.
Wäre es so einfach,
dass ein paar Worte genügen würden, um so viel zu ändern, dann wären der (Fußball)Kaiser und die restlichen Spieler nicht angestanden und hätten mal schnell den jungen Fußballer diese gesagt.
Wäre es so einfach, hätten der Nationaltrainer und bestimmt auch der Bundeskanzler zu unserem Fußballer gesagt : "Wenn du Probleme hast, Anruf genügt".
Wäre es so einfach, hätte der Verein weder Kosten noch Mühen gescheut, den australischen Wunderheiler, oder den Tibetanischen Mönch einfliegen lassen, damit der mal "ganz einfach" seine paar Worte spricht.
(wahrscheinlich wurde sogar alles, bis auf den tibetanischem Mönch natürlich ;), versucht, um dem jungen Mann zu helfen)
Wäre es so einfach, stünde der Spieler inzwischen wieder auf dem Platz.
Aber wir sind hier im echten Leben, und in diesem ist eben nichts einfach.
Und genau deswegen, weil nichts so einfach ist, dass ein schnelles "Stell dich nicht so an" hilft, steht der Nationalspieler eben NICHT auf dem Fußballplatz.
Es ist sogar so krass, dass sein Therapeut in einem Interview meinte, er werde dem Spieler nicht von sich aus vorschlagen, das nächste Fußballspiel "seines" Vereins anzusehen.
Das drückt meines Erachtens sehr gut die Dimension dessen aus, was Betroffene durchmachen.
Aktive Teilnahme am Spiel <> nicht einmal mehr zuschauen KÖNNEN.
Hinzu kommen (natürlich) noch die Selbstvorwürfe, denn die Betroffenen sehen das ja auch, was mit ihnen passiert. Sie sehen ja auch, dass sie nicht mehr "spielen" können.
Viele werden sich auch in Gedanken diesen Satz vorwerfen, "ich hätte mich ja nicht so anstellen zu brauchen", "was wäre denn schon dabei gewesen", "früher ist das ja auch gegangen", "alle anderen tun's doch auch", "ich hätte ja nur richtig wollen brauchen" und so weiter.
In so einem Moment dann auch noch von Angehörigenseite diese Selbsrvorwürfe bestätigt zu kriegen, ist schlimm. Denn die Angehörigen werden ja recht haben, in dem, was sie sagen. Und "man hätte sich ja wirklich nicht so anstellen müssen", ist dann das, was viele Betroffene in so einem Moment fühlen.
Nicht nur das stehen am Seitenrand des Spiels,
nicht nur die Vorwürfe der gegnerischen Fankurve (damit hat man gelernt zu leben),
sondern dann eben auch noch das "... Du Looser", aus dem eigenen Fan-Block, dem Freundeskreis,
von Leute, deren Meinung man achtet und respektiert,
von Leuten, denen man vertraut, und die bei eigenen Unsicherheiten gefragt werden können, was man denn tun soll.
Deshalb, liebe Angehörige,
möchte ich euch hier bitten :
Erliegt nicht der Versuchung, die Betroffenen noch mehr fertig zu machen, als sie eh schon sind.
Wenn ihr wirklich richtig glaubt, dass für alle Betroffenen, für alle Spieler, die derzeit nicht einmal Fußball schauen können (um beim Beispiel zu bleiben), und die früher mal Top gespielt haben,
das alles nur eine große Show ist.
Wenn ihr wirklich richtig glaubt, wir tun das nur, um etwas Aufmerksamkeit, etwas Medienecho, eine Titelzeile in der Bild, und einen Kommentar auf der Seite 3 der "Süddeutschen" (Fußball),
oder vielleicht eine Doppel-Seite in der Bravo (SVV-Themen) zu bekommen,
DANN schleicht euch.
DANN habt ihr im Leben und Umkreis eines Betroffenen nichts verloren.
Versucht vielleicht, euren letzten Rest an Toleranz zusammenzukratzen, und euch die Bemerkungen und das hämische Grinsen zu verkneifen, wenn ihr einen Betroffenen seht, und lebt euer ach-so-einfaches und natürlich-viel-besseres Leben weiter.
Falls ihr aber "einfach nur hilflos" seid, und nicht wisst, was ihr tun sollt,
falls ihr wirklich helfen wollt, und nicht nur dumme Sprüche machen,
empfehle ich folgendes :
Seid einfach für die Spieler am Spielfeldrand da.
Bringt ihnen ein paar Hot Dogs mit, wenn ihr welche kauft.
Sorgt für kleine, überschaubare Lichtblicke in deren Leben.
Eine Stunde Kaffe trinken gehen am Sonntag nachmittag zum Beispiel.
Oder den Telefonanruf zu übernehmen, vor dem die Person so viel Angst hat.
Mal SMS schreiben, und fragen, wie's denn so geht, und vorher sagen, dass es
eben nicht gut gehen MUSS, sondern dass es ganz ok ist, wenns nicht so gut geht.
Gemeinsam die passenden CDs auswählen und dann ins Sonnenstudio gehen,
oder eine Stunde Sport machen, wo die Narben egal sind,
weil in der gemieteten Halle es eh keiner sieht, oder weil man lange Klamotten tragen darf.
(z.B. Bowling)
Bietet ihnen an, weil zufälligerweisebei Aktivität X jemand abgesagt hat, ob sie nicht mitkommen wollen (dann haben nicht sie, sondern die absagende Person die Umstände verursacht)
Betont, dass euch diese Sachen keine Umstände machen, und dass es euch keine Umstände macht, für sie da zu sein.
Es verlangt keiner von euch, euch ausnutzen zu lassen,
aber eine gute Zwischenlösung hilft beiden Seiten.
(z.B. Arbeit aufteilen, auch wenn zum Anfang diese noch etwas "angehörigen-lastig" verteilt ist, oder sagen : "aber wir brauchen noch [kleinigkeit, wie chips oder so]" )
Letzlich müssen die Betroffenen da selbst durch.
Das Einzige, was ihr tun könnt, ist sie aus der Schrei-Weite der gegnerischen Fans zu bringen,
und ihnen zu zeigen, dass sie jemanden haben, der für sie da ist, sobald sie dazu bereit sind,
ihre Selbstzweifel hinter sich zu lassen, und wieder auf andere zuzugehen.
Viel Kraft wünscht euch,
Forgotten_soul
ich hatte vor dem Crash folgenden Brief schon mal zum gegenlesen gepostet, und habe jetzt den Mut gefunden,
diesen allen Angehörigen zur Verfügung zu stellen.
Bin übrigens für sowohl Kritik, als auch für Zustimmung zu meiner ! sehr subjektiven ! Meinung zu diesem Thema offen.
Viele Grüße,
forgotten_soul
-- ------------------------------------------------------ --
Hallo, ihr Angehörigen und Freunde,
ein großes, aber sehr leises hallo auch an die Betroffenen,
(egal, ob jetzt SVV, Depressionen, Selbsthass, oder was auch immer)
als ich hier im Forum etwas mitgelesen habe,
meinte ein Schreiberling, die Betroffenen sollten
"sich nicht so anstellen".
(Und auf Stammtischen und hinter vorgehaltener Hand ist so etwas auch öfters zu hören)
Dazu würde ich gerne ein paar Zeilen schreiben.
Ich selbst kenne beide Seiten, sowohl die des Betroffenen,
Aber eben auch die einer Person, die in ihren starken Momenten
oft genug die Rolle des guten Freundes inne hatte.
Um zu verdeutlichen, was ich ausdrücken will, ziehe ich den jungen Nationalspieler Sebastian Deisler heran,
einfach deswegen, weil seine Krankheit und deren Auswirkungen ein passendes Beispiel ist, das hat mit der Person oder dem Verein nichts zu tun.
Aus der Sicht eines Angehörigen ist es natürlich unendlich schwer, zu sehen, wie eine Freundschaft oder
eine Beziehung oder das allgemeine Leben einer geliebten Person "den Bach runter" geht.
Und ich kann es nachfühlen, nachempfinden, verstehen, dass man am liebsten diese Person am Kragen packen möchte,
dass man sie am liebsten schütteln möchte, anschreien möchte, sie fragen möchte,
"Warum tust du dir das an ?" - "Warum kannst du nicht einfach ('normal') sein, wie alle anderen ?"
"Warum kannst du dich nicht einfach zusammenreißen", "Stell Dich (gefälligst!) nicht so an !"
Wie schon gesagt, ich kann die Versuchung verstehen, diese Worte zu benutzen, in der Hoffnung,
dass sie wirken.
Ich kann auch die Hilflosigkeit verstehen, wenn man sieht, dass man nichts tun kann, dass nichts etwas hilft.
Nur leider ist es nicht so einfach, dass es mit ein paar Worten getan wäre.
Wäre es so einfach,
dass ein paar Worte genügen würden, um so viel zu ändern, dann wären der (Fußball)Kaiser und die restlichen Spieler nicht angestanden und hätten mal schnell den jungen Fußballer diese gesagt.
Wäre es so einfach, hätten der Nationaltrainer und bestimmt auch der Bundeskanzler zu unserem Fußballer gesagt : "Wenn du Probleme hast, Anruf genügt".
Wäre es so einfach, hätte der Verein weder Kosten noch Mühen gescheut, den australischen Wunderheiler, oder den Tibetanischen Mönch einfliegen lassen, damit der mal "ganz einfach" seine paar Worte spricht.
(wahrscheinlich wurde sogar alles, bis auf den tibetanischem Mönch natürlich ;), versucht, um dem jungen Mann zu helfen)
Wäre es so einfach, stünde der Spieler inzwischen wieder auf dem Platz.
Aber wir sind hier im echten Leben, und in diesem ist eben nichts einfach.
Und genau deswegen, weil nichts so einfach ist, dass ein schnelles "Stell dich nicht so an" hilft, steht der Nationalspieler eben NICHT auf dem Fußballplatz.
Es ist sogar so krass, dass sein Therapeut in einem Interview meinte, er werde dem Spieler nicht von sich aus vorschlagen, das nächste Fußballspiel "seines" Vereins anzusehen.
Das drückt meines Erachtens sehr gut die Dimension dessen aus, was Betroffene durchmachen.
Aktive Teilnahme am Spiel <> nicht einmal mehr zuschauen KÖNNEN.
Hinzu kommen (natürlich) noch die Selbstvorwürfe, denn die Betroffenen sehen das ja auch, was mit ihnen passiert. Sie sehen ja auch, dass sie nicht mehr "spielen" können.
Viele werden sich auch in Gedanken diesen Satz vorwerfen, "ich hätte mich ja nicht so anstellen zu brauchen", "was wäre denn schon dabei gewesen", "früher ist das ja auch gegangen", "alle anderen tun's doch auch", "ich hätte ja nur richtig wollen brauchen" und so weiter.
In so einem Moment dann auch noch von Angehörigenseite diese Selbsrvorwürfe bestätigt zu kriegen, ist schlimm. Denn die Angehörigen werden ja recht haben, in dem, was sie sagen. Und "man hätte sich ja wirklich nicht so anstellen müssen", ist dann das, was viele Betroffene in so einem Moment fühlen.
Nicht nur das stehen am Seitenrand des Spiels,
nicht nur die Vorwürfe der gegnerischen Fankurve (damit hat man gelernt zu leben),
sondern dann eben auch noch das "... Du Looser", aus dem eigenen Fan-Block, dem Freundeskreis,
von Leute, deren Meinung man achtet und respektiert,
von Leuten, denen man vertraut, und die bei eigenen Unsicherheiten gefragt werden können, was man denn tun soll.
Deshalb, liebe Angehörige,
möchte ich euch hier bitten :
Erliegt nicht der Versuchung, die Betroffenen noch mehr fertig zu machen, als sie eh schon sind.
Wenn ihr wirklich richtig glaubt, dass für alle Betroffenen, für alle Spieler, die derzeit nicht einmal Fußball schauen können (um beim Beispiel zu bleiben), und die früher mal Top gespielt haben,
das alles nur eine große Show ist.
Wenn ihr wirklich richtig glaubt, wir tun das nur, um etwas Aufmerksamkeit, etwas Medienecho, eine Titelzeile in der Bild, und einen Kommentar auf der Seite 3 der "Süddeutschen" (Fußball),
oder vielleicht eine Doppel-Seite in der Bravo (SVV-Themen) zu bekommen,
DANN schleicht euch.
DANN habt ihr im Leben und Umkreis eines Betroffenen nichts verloren.
Versucht vielleicht, euren letzten Rest an Toleranz zusammenzukratzen, und euch die Bemerkungen und das hämische Grinsen zu verkneifen, wenn ihr einen Betroffenen seht, und lebt euer ach-so-einfaches und natürlich-viel-besseres Leben weiter.
Falls ihr aber "einfach nur hilflos" seid, und nicht wisst, was ihr tun sollt,
falls ihr wirklich helfen wollt, und nicht nur dumme Sprüche machen,
empfehle ich folgendes :
Seid einfach für die Spieler am Spielfeldrand da.
Bringt ihnen ein paar Hot Dogs mit, wenn ihr welche kauft.
Sorgt für kleine, überschaubare Lichtblicke in deren Leben.
Eine Stunde Kaffe trinken gehen am Sonntag nachmittag zum Beispiel.
Oder den Telefonanruf zu übernehmen, vor dem die Person so viel Angst hat.
Mal SMS schreiben, und fragen, wie's denn so geht, und vorher sagen, dass es
eben nicht gut gehen MUSS, sondern dass es ganz ok ist, wenns nicht so gut geht.
Gemeinsam die passenden CDs auswählen und dann ins Sonnenstudio gehen,
oder eine Stunde Sport machen, wo die Narben egal sind,
weil in der gemieteten Halle es eh keiner sieht, oder weil man lange Klamotten tragen darf.
(z.B. Bowling)
Bietet ihnen an, weil zufälligerweisebei Aktivität X jemand abgesagt hat, ob sie nicht mitkommen wollen (dann haben nicht sie, sondern die absagende Person die Umstände verursacht)
Betont, dass euch diese Sachen keine Umstände machen, und dass es euch keine Umstände macht, für sie da zu sein.
Es verlangt keiner von euch, euch ausnutzen zu lassen,
aber eine gute Zwischenlösung hilft beiden Seiten.
(z.B. Arbeit aufteilen, auch wenn zum Anfang diese noch etwas "angehörigen-lastig" verteilt ist, oder sagen : "aber wir brauchen noch [kleinigkeit, wie chips oder so]" )
Letzlich müssen die Betroffenen da selbst durch.
Das Einzige, was ihr tun könnt, ist sie aus der Schrei-Weite der gegnerischen Fans zu bringen,
und ihnen zu zeigen, dass sie jemanden haben, der für sie da ist, sobald sie dazu bereit sind,
ihre Selbstzweifel hinter sich zu lassen, und wieder auf andere zuzugehen.
Viel Kraft wünscht euch,
Forgotten_soul
Und er bürdete dem Buckel des weißen Wales die Summe der Wut und des Hasses der ganzen Menschheit auf.
Wäre sein Leib eine Kanone, er hätte sein Herz auf ihn geschossen. (Moby Dick)
Wäre sein Leib eine Kanone, er hätte sein Herz auf ihn geschossen. (Moby Dick)
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „forgotten_soul“ ()