Ulla Fröhling - Vater unser in der Hölle

      Moment - in Bezug auf das False-Memory-Syndrome tobt ein heftiger Streit, das ist richtig. Irgendwann wird es einen Konsens der Wissenschaftler geben, derzeit beharken sich beide Lager in einer ziemlichen Schlammschlacht.

      Aber in diesem Thread ( und meinem Beitrag ) geht es ausschliesslich um diese Autorin und dieses spezielle Buch. Weder bestreitet jemand Mißbrauchsfälle, noch die Existenz von unterdrückten Erinnerungen, erst Recht nicht meine Wenigkeit ; aber das bestimmte Organisationen und bestimmte Personen weit über das Ziel hinausschiessen, mit Methoden die nur noch unserös zu nennen sind, mit dem Ergebnis von zerstörten Leben und Todesfällen unter den Opfern, lässt sich nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht leugnen.

      Es ist nun einmal ein Unterschied ob ich sachlich über Mißbrauch berichte, oder von satanischen Kulten schwadroniere, die mit Hilfe von CIA-Techniken Opfer programmieren. So etwas schadet den wahren Opfern, die durch solche Machenschaften als unglaubwürdig dargestellt werden.



      Edit: Meinetwegen können die Beiträge gelöscht werden, mir ist es inzwischen nur noch egal. Keine Ahnung warum ich mir die Mühe überhaupt gemacht habe.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „Boarder“ ()

      Original von Boarder
      Irgendwann wird es einen Konsens der Wissenschaftler geben, derzeit beharken sich beide Lager in einer ziemlichen Schlammschlacht.

      bei der beide seiten den blick für das wesentliche, die realität und die mitte verloren haben scheinen.
      gibts zu dem thema eigentlich irgendeinen seriösen, mit wirklichen nicht verdrehten fakten fundierten text? irgendwelche ersten ergebnisse?
      man ließt immer entweder 'die bösen leute von der fms-irgendwas' oder 'die bösen therapeuten und die lügenden angeblichen opfer'.

      und um nochwas zum thema zu fragen:
      zweifelst du die richtigkeit des 'berichtes' nur an, oder weißt du sicher, dass es erfunden oder extrem ausgeschmückt ist?
      Das Thema lasse ich jetzt ruhen. Es bringt anscheinend nichts, und ich habe keine Lust mich noch einmal als jemand hinstellen zu lassen, der Mißbrauch verharmlost.

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      Literatur gibt es viel, auch ein, zwei Standardwerke. Die Frage ist ob du die Möglichkeit hast da heranzukommen und wie leidensfähig du in Bezug auf Fachtermina bist. Wenn du Glück hast, hat eine Uni in deiner Nähe eine gutsortierte Bibliothek.

      Standardwerk in der neueren Ausgabe ist der Brown: Memory, Trauma Treatment and the law: An Essential Reference on Memory for Clinicians, Researchers, Attorneys and Judges.

      Ansonsten Cognitive Neuropsychology of False Memories von Prof. Schacter.

      Beides sehr unaufgeregte Werke, die natürlich in eine Richtung tendieren - aber nicht fanatisch. Der Brown eher gegen die FM-Anhänger, Prof. Schacter zur anderen Seite.
      Ich sage das an dieser Stelle nur ungern, aber ich muss Boarder Recht geben und weise mit Nachdruck darauf hin, dass solche Bücher sehr, sehr kritisch gelesen werden sollten. Gerade auch dann, wenn man sich als Opfer sexuellen Missbrauchs fühlt und sich gut in die schreckliche Lage der in solchen und ähnlichen Büchern beschriebenen Menschen eindenken kann. Tatsachenberichte ohne nachprüfbare Quellen sind wertlos, und es war nicht nur der desaströse Prozess von Worms, der da die Öffentlichkeit erreicht hat. In der ZEIT erschienen in den letzten Jahren gleich mehrere kritische Artikel zum False-Memory-Syndrom, von dem man aus meiner Sicht offenbar auszugehen hat. Aber das ist ein anderes Thema.

      Ich kann nicht nachprüfen, ob in Deutschland Menschen von satanischen Sekten mit CIA-Methoden konditioniert und systematisch vernichtet werden. Aber gerade das ist das Problem bei der Sache. Sollte es ernsthafte Anzeichen dafür geben - und es gibt viele sehr schlimme Dinge, die täglich geschehen -, dann würde mich der Sachverhalt sehr interessieren. Aber wovon man sicher ausgehen kann, ist, dass es das Phänomen falscher Erinnerungen gibt, die durch die besondere Art des menschlichen Gehirns, die Umwelt wahrzunehmen und Vergangenheit zu konstruieren, bedingt ist. Das kann jeder Mensch im Selbstversuch testen, denn ich bin mir sicher, dass sich jeder hier im Forum mindestens an eine Situation meint zu erinnern, die er oder sie niemals erlebt haben kann.
      Ich erinnere mich beispielsweise gut an meinen Schulweg von der Grundschule nach Hause; es gibt da eine Erinnerung, in der ich mich selbst von oben beobachte, wie ich nach Hause laufe. Und ich würde bis heute sagen, dass ich das wahrhaftig erlebt habe - wüsste ich es nicht besser. Und da habe ich mich sicherlich nicht in einer emotionalen Notsituation befunden und wollte etwas sehen.

      Es geht nicht darum, psychische Leiden bei Menschen zu leugnen. Aber gerade in Fällen von Traumatisierungen wäre ich sehr vorsichtig, irgendwelche (vielleicht noch spektakulären) Ereignisse vorschnell und ohne Überprüfung für die erlittenen Leiden verantwortlich zu machen. Wir nehmen die Umwelt nie so wahr, wie sie ist. Menschen interpretieren ihre Wahrnehmung und konstruieren sich tagtäglich ihre eigene Vergangenheit. Das ist ein Phänomen des Alltags, das auch empirisch nachweisbar ist.

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von „regentropfen“ ()

      ich möchte auch noch mal kurz (off-topic, sorry) auf die false-memory-geschichte eingehen.

      es geht sicher nicht darum, allen therapeuten zu unterstellen, sie würden nur auf die faktoren achten, die für einen eventuellen missbrauch sprechen und dass sie das dem patienten dann einreden, bzw noch weniger geht es darum, traumatische erlebnisse als ungeschehen darzustellen. aber es scheint einfach beides eine _möglichkeit_ zu sein.

      damit sich das einige leute vielleicht besser vorstellen können mit der false-memory-geschichte:
      es gibt ein "harmloses" experiment, von loftus (die dame wurde von boarder schon erwähnt). da wurden fotos konstruiert/bearbeitet, sodass die versuchsteilnehmer ein bild zu sehen bekamen, auf dem sie im movie park oder sonstwo waren als kleines kind, und hände schütteln mit mickey mouse/bugs bunny. dazu wurden die versuchspersonen dann befragt, und sie gaben an, sich an das geschehen zu erinnern, _obwohl_ die fotos, wie gesagt, konstruiert wurden, und so ein besuch bei bugs bunny mit dem verbundenen händeschütteln niemals stattgefunden hat. wie caretaker schon sagte, man rekonstruiert täglich seine eigene vergangenheit.

      ein anderes experiment, auch von loftus (und da wirds etwas "härter"): die versuchsleiter haben menschen davon überzeugt, dass sie als kleines kind im supermarkt/einkaufszentrum verloren gegangen sind (für ein kleines kind keine schöne erfahrung, um es mal so zu sagen), was real _nicht_ geschehen ist. später wurden die versuchsteilnehmer von anderen untersuchern befragt, ob sie in ihrer kindheit ein traumatisches erlebnis hatten, und sie gaben dann an, dass sie als kleines kind im supermarkt verloren gegangen sind. (natürlich wurden die leute später über das experiment aufgeklärt)

      soweit ich weiss, sind das durchaus valide untersuchungen. für mehr infos kann man mir gerne ne pn schreiben, ich guck dann nach den klausuren in meinen büchern, wegen quellenangaben und so, falls das jemand im speziellen noch nachlesen möchte.


      wie gesagt, es geht _nicht_ darum, opfern jedweder missbrauchsformen ihre erinnerungen abzusprechen, sondern es ist einfach vorsicht geboten, weil leuten ohne solche erfahrungen eben diese "unterstellt"/angedichtet werden _können, und das weder für das vermeintliche opfer noch für familien-/bekanntenkreis gesund ist.

      lg,
      cat
      hej,

      bitte findet zu der buchbesprechung zurück, ich denke, warnungen wie boarder und caretaker sie aussprachen sind dabei durchaus angebracht, allerdings sollte nun nicht das thema false-memory-syndrom (wahr/falsch/gut/böse) diskutiert werden, sondern eben das angesprochene buch.

      lg
      solaine
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      also ich habe das buch ebenfalls und muss mich teilweise meinen vorrednern anschliesen das man bei manchen mom es wirklich weglegen musste weil es nicht zu ertragen war

      aber trotz alle dem sehr gut geschrieben und nicht um den heißen brei drum rum geredet

      finde es trotz alle dem empfehlenswert
      Trau nicht jedem Menschen der sagt:...
      ...Ich mag Dich!...
      ...Trau dem Menschen, bei dem Du das Gefühl hast das,...
      ...Er Dich Mag!...
      ...Denn Gefühlen kann man vertrauen!!!...
      ...Tust Du es nicht, Belügst Du Dich selber!!!...
      ...Und manchmal reicht nur eine kleine Frage,.....
      Du mußt Sie nur stellen!!!!
      das Buch ist jetzt grad ne aufgelegt worden, die erste Ausgabe war ja kaum noch zu bekommen.
      Es ist jetzt als Taschenbuch zu erhalten, im Bastei Lübbe Verlag, ist dementsprechend auch viel billiger (8,95€).
      Außerdem ist es erweitert bzw. aktualisiert worden. Es gibt ein neues Kapitel "ten years after", wo halt geschildert wird, wie es sich weiter entwickelt hat, seit dem ersten Buch. Außerdem sind Kopien Handschriftlicher Briefe verschiedener Persönlichkeiten abgedruckt.