Verhaltenstherapie für Tiere

      Verhaltenstherapie für Tiere

      Belohnung statt Strafe Verhaltenstherapie für Tiere

      Hilfe, mein Hund hat ’ne Macke!

      Wenn Herr und Hund Probleme haben, steckt oft ein Missverständnis dahinter. Tipps, wie beide wieder besser miteinander klarkommen


      Ringo ist völlig aus dem Häuschen. Wie jeden Vormittag gegen zehn Uhr knurrt und bellt der vierjährige Labrador den Briefträger nach Leibeskräften an. Auf das resigniert klingende „Pfui“ seines Herrchens hört er nicht. Nach wenigen Sekunden ist der Spuk vorbei – der Postbote hat die Briefe eingeworfen und zieht weiter. Ringo blickt ihm kurz nach und rollt sich zufrieden in sein Körbchen.

      Warum Hunde Briefträger hassen
      Seinem Herrchen ist das ein Rätsel: Warum mag Ringo den Briefträger nicht? Er hat ihm doch nichts getan. Für Dr. Ursula Bonengel, Fachtierärztin für Verhaltenskunde und Tierverhaltenstherapie aus dem niederbayerischen Gerzen, ist das einfach zu erklären: „Erstens sieht der Briefträger in seiner Uniform anders aus als die meisten anderen Menschen. Und zweitens ist es ein Erfolgserlebnis für den Hund, wenn der Briefträger gleich wieder verschwindet. Der Hund weiß ja nicht, dass der Briefträger nur mal schnell die Post einwirft, sondern er denkt, dass er ihn durch sein Bellen vertrieben hat.“ Für einen Hund ist das ein ganz normales Verhalten, das im Zusammenleben mit dem Menschen aber als oft störend empfunden und daher schnell als Verhaltensstörung abgestempelt wird.

      Ausraster sind oft selbst verschuldet
      Meistens ist solches „Fehlverhalten“ vom Menschen selbst verursacht. „Der größte Fehler vieler Hundehalter besteht darin, dass sie ihren Hund nicht wie einen Hund, sondern wie einen kleinen Menschen betrachten und behandeln“, beklagt Dr. Bonengel. „Tiere haben aber ihre eigenen Verhaltensmuster. Wenn ich einen Hund wie einen Menschen behandle, führt das zu einem Missverständnis und damit sehr schnell zu einem Verhaltensproblem beim Tier.“ Die Lösung wäre eigentlich recht einfach. So rät die Tierärztin, im Beisein des Hundes mit dem Briefträger zu reden und den Hund vor ihm Platz machen zu lassen. Bekommt das Tier für sein artiges Verhalten vom Postboten dann ein Leckerli, wird es sein vermeintlich aggressives Verhalten sicher schnell ablegen. Der Hund lernt, dass nicht er Herr der Situation ist, sondern sein Besitzer und der Briefträger.

      Angriff auf den Staubsauger: Aus Fehlern werden Ängste
      „Doch aus einem Fehlverhalten kann sich auch eine handfeste Angststörung entwickeln“, weiß Dr. Frauke Nößler, promovierte Verhaltensbiologin und Tierpsychotherapeutin aus München. Ein gutes Beispiel ist die Angst vor dem Staubsauger, die viele Haustiere dem fleißigen Helfer im Haushalt entgegenbringen. Er ist laut, bewegt sich eigenartig und riecht furchtbar. Wenn der Hund im Welpenalter dieses „Untier“ mit Gebell verjagen will, glauben manche Besitzer, es wäre ein Spiel für den Welpen, und „spielt“ mit. Er bewegt die Düse immer wieder auf den Hund zu und schafft damit eine bedrohliche Situation für ihn. Irgendwann, wenn der Sauger mal in der Ecke steht, wird ihn das Tier vielleicht auch angreifen. Ist der Hund groß genug, übersteht das Gerät die Attacke nicht. Und wer will sich schon ständig einen neuen Staubsauger kaufen. Um dieses Verhalten zu ändern, braucht der Hund genügend Zeit, den „bösen Staubsauger“ zu erforschen. Schalten Sie das Gerät ein, und bewegen Sie es nicht. Wenn der Hund irgendwann angekrochen kommt, um es zu erkunden, geben Sie ihm ein Leckerli zur Belohnung. Irgendwann hat das Tier dann verstanden, dass der Sauger ihm nichts anhaben will.

      Ist das Tier vielleicht krank?
      Wenngleich die meisten Verhaltensstörungen dem Hundebesitzer „nur“ ein Dorn im Auge sind, gibt es doch auch schwere psychische Störungen beim Vierbeiner, die behandelt werden müssen. „Das Tier ist dann richtig krank“, erklärt Dr. Bonengel. Hunde, die durch stereotypes Kreislaufen oder Bellen, zwanghaftes Kahllecken oder das Jagen des eigenen Schwanzes auffallen, benötigen unbedingt fachärztliche Behandlung. So ein Verhalten komme ausschließlich bei Haustieren vor, nicht jedoch bei ihren wild lebenden Artverwandten, weiß Dr. Bonengel. Wichtig ist, dass bei schwer wiegenden Störungen der Tierarzt eingeschaltet wird, denn zunächst einmal müssen körperliche Ursachen ausgeschlossen werden. So können zum Beispiel Krankheiten wie Gehirntumoren, massive Stoffwechselstörungen, Epilepsie oder schwere Nervenentzündungen ebenfalls zu derartigen Verhaltensstörungen führen.

      Fachmännische Hilfe suchen
      Leichtere Unarten eines Tieres können Sie oft mit Hilfe eines erfahrenen Tierverhaltenstherapeuten
      in den Griff bekommen. Zwar bieten besonders im Internet zahlreiche „Tierpsychologen“ ihre Dienste an, allerdings sollten Sie deren fachliche Befähigung prüfen. „Tierpsychologe ist kein anerkannter eigenständiger Beruf“, warnt Dr. Bonengel, die auch Vorsitzende der Gesellschaft für Tier-Verhaltenstherapie e.V. ist. Es gebe aber gute Leute, die zwar keine Tierärzte seien, dafür aber Verhaltensspezialisten aus Biologie, Zoologie oder Humanmedizin, die über hervorragende Kenntnisse verfügten, um den Halter bei störenden Verhaltensweisen seines Tieres zu unterstützen. Bei massiven Verhaltensstörungen sollten Sie den Tierarzt einschalten, der – sofern keine organische Erkrankung vorliegt – Ihnen die Adresse eines erfahrenen Verhaltenstherapeuten nennen kann.

      Belohnung statt Strafe
      Wie Sie einen Hund von Anfang an richtig erziehen und unerwünschte Verhaltensweisen vermeiden, erfahren Sie auch bei einer der vielen Hundeschulen, die unbedingt nach modernen Richtlinien mit positiver Verstärkung (Belohnung) arbeiten muss. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für Dr. Nößler: „Wenn Sie mit Belohnung statt Strafe arbeiten, können Sie das Verhalten des Hundes am ehesten verändern.“ Der richtige Umgang mit Tieren ist nicht schwer, muss aber gelernt werden. „Immerhin sind inzwischen die Verhaltensmuster aller Tierarten bekannt, die hierzulande als Haustiere gehalten werden“, erklärt Verhaltensexpertin Dr. Nößler. Und Tierärztin Dr. Bonengel resümiert: „Die gesamte Tierverhaltenstherapie ist ganz logisch, wenn man sich überlegt, wie ein Tier überhaupt funktioniert. Und wenn Sie den Hund auch behandeln wie einen Hund.“


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