Normalität?

      Normalität?

      Ich schon wieder....

      Ich denke in letzter Zeit mal wieder viel nach und da hab ich mich etwas gefragt: Kann man nach bestimmten Erlebnissen wieder zur Normalität zurückkehren? Ich mein das jetzt gar nicht so allgemein, sondern eher konkret. Ich hatte neulich zum Beispiel ein Seminar und da ging es um Kindesmißbrauch. Und ich saß da in dem Raum und hätte beinahe die Krise gekriegt. Erstens, weil mich das Thema belastet hat und zweitens weil meine Kommilitonen so viel Mist darüber geredet haben. Ich konnte in dem Moment aber auch nichts sagen. Wäre am liebsten im Erdboden versunken. Nächste Woche wird das wieder Thema sein und ich hab Anwesenheitspflicht. Was mache ich jetzt?

      Ist es denn grundsätzlich gut, sich mit Dingen zu konfrontieren? Wann muss man auf seine eigenen Grenzen achten und sagen: Nö, ich geh da jetzt nicht hin; das tut mir nicht gut? Ich dachte immer, Konfrontation sei wichtig. Nur so kann man geheilt werden. Aber kann man das auch übertreiben? Ich hab immer viele Bücher zum Thema SVV oder Vergewaltigung gelesen, weil ich mich damit auseinandersetzen wollte. Neulich hat mich mein Freund gefragt, warum ich mich damit so quäle. Hat er recht? Quäle ich mich zu sehr? Die Bücher belasten mich schon, aber muss das denn nicht so sein?

      Noch etwas: Wie lerne ich wieder normal mit Rasierklingen umzugehen? Ich mein, zum nass Rasieren braucht man die nun mal. Ich habs in den letzten Monaten einfach vermieden, welche im Haus zu haben, weil ich nicht wusste, ob ich die nicht benutzen werde. Aber ist das ne dauerhafte Lösung? Muss ich es nicht lernen? Aber was ist, wenn ich mich dann doch wieder verletze? Klar, irgendwie muss ich es hinkriegen, die Klinge als das zu sehen, was sie ist, in ihrem ursprünglichen Zweck. Aber wie geht das? Hat da jemand Erfahrung damit?

      Liebe Grüße
      Nassi
      Wenn ich spüre ,dass ich sterbe,dann will ich leise sein.
      Wenn ich fühle das ich lebe,dann will ich lauter schreien.

      Freiheit…

      RE: Normalität?

      hi nassi

      also mit k*ind*sm*ssbr**ch kenn ich mich jetzt nicht aus, aber was svv betrifft kann ich nur sagen, dass mir konfrontation mit diesem thema schon irgendwie hilft. je mehr ich darüber lese, desto mehr schreckt es mich ab. der druck is zwar da, aber ich kann irgendwie besser widerstehn und damit umgehen. also ich würd sagen, konfrontation is gut und auch notwendig, aber nicht im übertriebenen maße, sonst nimmt das thema einfach überhand, es muss auch noch andere sachen im leben geben. und ob du ins seminar gehen sollst, hm, dass hängt von deiner verfassung an dem tag ab, wenn du dich stark genug fühlst, dann geh hin, wenn nicht, dann lass es sein, einmal unentschuldigt fehlen geht doch auf jeden fall, oder?

      und was den normalen umgang mit r*s**rkl*ng*n betrifft, sorry, kein plan, da bräucht ich auch nen rat.

      alles liebe
      kara

      RE: Normalität?

      hej,

      schon wieder so eine interessante frage *g*.

      wenn es um alltagsdinge geht wie zb einen rasierer zu benutzen, würde ichs doch immer mal wieder ausprobieren. aber wenn du merkst, das ist im moment zu schwierig, dann lass es und versuchs in nem jahr nochmal - es gibt so viele möglichkeiten diese haare wegzukriegen(enthaarungscremes, elektrisch rasieren, warmwachs...) es muss echt nich die klinge sein.

      zu allem anderen: was dir nicht gut tut, was dich belastet, lass es sein.
      sicher muss man sich mit dingen auseinandersetzen, aber das heißt ja nur, sie in einem gewissen sicheren rahmen bearbeiten, sich über sie bewusst werden, sich nicht von ihnen steuern oder mitreißen lassen. es heißt aber nicht, sich ständig selbst damit zu konfrontieren oder sich leistungen abzuverlangen, die einen belasten.

      ich denke, über gewisse dinge wirst du (werden wir alle) nie richtig hinwegkommen, dh in dem sinn, dass wir uns vehalten könnten als wäre es nie passiert. (und selbst wenn: "irgendwann" ist eh nie der maßstab - es soll dir JETZT gut gehen!)
      insofern: es ist okay, dass einem bestimmte sachen was ausmachen, schließlich gehört die erinnerung ja zu uns. mit den jahren wird sie sowieso immer schwächer, aber warum so ungeduldig? was ist schlimm daran, dieses seminar dann eben nicht (jetzt) zu machen (oft kann man den schein ja noch woanders bekommen) bzw solange zu schwänzen, bis dieses thema durch ist?

      ich hab zb früher immer gedacht, ich MÜSSTE straßenbahn fahren, und auch wenns gedrängt voll wird und ich nen schlechten tag hab und anfange zu dissoziieren wg dem ganzen körperkontakt, MUSS ich drinbleiben und bis zum ziel fahren. aber das ist wieder dieses übersteigerte "panikdenken", von dem ich im anderen thread schon gesprochen habe. ich dachte immer "wenn du jetzt schon anfängst dich um die situation zu drücken, dann fährst du irgendwann gar nicht mehr bahn, das wächst sich zu ner angststörung aus, du MUSST endlich normal werden..." - völliger quatsch! erstens gehts mir nicht immer gleich, meine tagesform ist durchaus unterschiedlich, zweitens ist die bahn nicht immer so voll, und drittens entscheide immer noch ICH wie ich mich verhalte, dh wenn ich echt knapp dran bin kann ich mich auchmal da durchzwingen, und ansonsten steige ich inzwischen aus und nehm die nächste bahn oder laufe. ich bin an diesem punkt halt nicht wie alle, es gibt tage, da machts mir was aus - und das ist okay so.

      achtsamkeit sich sebst gegenüber heißt auch mal nachsichtig sein, mit sich selbst nicht härter umgehen als mit anderen und vor allem: sich vor dem schützen was einen belastet.

      lg
      s.
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „solaine“ ()

      RE: Normalität?

      Liebe solaine,

      erstmal danke (mal wieder :] ) für deine Antwort!

      Original von solaine
      zu allem anderen: was dir nicht gut tut, was dich belastet, lass es sein.
      sicher muss man sich mit dingen auseinandersetzen, aber das heißt ja nur, sie in einem gewissen sicheren rahmen bearbeiten, sich über sie bewusst werden, sich nicht von ihnen steuern oder mitreißen lassen. es heißt aber nicht, sich ständig selbst damit zu konfrontieren oder sich leistungen abzuverlangen, die einen belasten.


      Was genau verstehst du unter einem sicheren Rahmen? Therapie? Mein Therapeut meinte auf meine Frage wegen der Klingen zum Beispiel, er könnte doch in der nächsten Sitzung einfach eine auf den Tisch legen, damit ich dem ausgesetzt bin. Ehrlich gesagt hab ich Angst davor. Ist das jetzt normal und ich sollte die Angst aushalten oder ein Zeichen dafür, dass ich noch nicht so weit bin? Und in welchem Rahmen kann ich das noch beanrbeiten? Geht das auch in einem nicht-professionellen und wie?

      aber warum so ungeduldig? was ist schlimm daran, dieses seminar dann eben nicht (jetzt) zu machen (oft kann man den schein ja noch woanders bekommen) bzw solange zu schwänzen, bis dieses thema durch ist?


      Ja, was ist schlimm daran....ich komme mir einfach so schwach vor, wie ein Verlierer. Und da sind diese Gedanken daran, dass ich es damals nicht geschafft habe, mich zu wehren, weil ich so unglaublich schwach war. Ich will nie wieder so schwach sein und jedes kleine Anzeichen von Schwäche lässt mich an damals denken und ich ekle mich unendlich vor mir selbst!

      achtsamkeit sich sebst gegenüber heißt auch mal nachsichtig sein, mit sich selbst nicht härter umgehen als mit anderen und vor allem: sich vor dem schützen was einen belastet.


      Schön gesagt...wenn das nur so einfach wäre...warum kann man bei anderen die Grenzen so gut wahrnehmen und ignoriert sie bei sich selbst so oft?

      Liebe Grüße
      Nassi
      Wenn ich spüre ,dass ich sterbe,dann will ich leise sein.
      Wenn ich fühle das ich lebe,dann will ich lauter schreien.

      Freiheit…

      RE: Normalität?

      Liebe Kara,

      auch dir danke für die Antwort!

      Original von ~Kara~
      je mehr ich darüber lese, desto mehr schreckt es mich ab. der druck is zwar da, aber ich kann irgendwie besser widerstehn und damit umgehen.


      Aber ist es nicht auch so - bei mir zumindest - dass es nicht nur ein Abschrecken ist, sondern irgendwo auch eine Faszination? Wenn ich ein Buch über SVV lese, dann quält mich das oft und schreckt mich auch ab, andererseits erinnert es mich wieder an die Zeit, als ich mich noch verletzt habe, an die Emotionen dabei und irgendwie zeiht mich diese Erinnerung trotz allem in ihren Bann. So wie SVV an sich ja auch eine Mischung aus leiden und - in diesem Moment - Trost oder Hilfe für mich ist. Und die Grenzen sind da eben ganz fließend, ich kann so ein Buch nicht nur abschreckend lesen!

      und ob du ins seminar gehen sollst, hm, dass hängt von deiner verfassung an dem tag ab, wenn du dich stark genug fühlst, dann geh hin, wenn nicht, dann lass es sein, einmal unentschuldigt fehlen geht doch auf jeden fall, oder?


      Ja, an sich geht das schon. Es käme mir eben, wie ich oben schon geschrieben habe, wie ein Verlieren vor, ein Zu-schwach-sein....auch wenn das vielleicht Blödsinn ist!

      Liebe Grüße
      Nassi
      Wenn ich spüre ,dass ich sterbe,dann will ich leise sein.
      Wenn ich fühle das ich lebe,dann will ich lauter schreien.

      Freiheit…

      RE: Normalität?

      Original von Nassi
      Liebe solaine,

      erstmal danke (mal wieder :] ) für deine Antwort!


      erstmal: bitte! mail bekommst du später ;)

      Was genau verstehst du unter einem sicheren Rahmen? Therapie? Mein Therapeut meinte auf meine Frage wegen der kl*ng*n zum Beispiel, er könnte doch in der nächsten Sitzung einfach eine auf den Tisch legen, damit ich dem ausgesetzt bin. Ehrlich gesagt hab ich Angst davor. Ist das jetzt normal und ich sollte die Angst aushalten oder ein Zeichen dafür, dass ich noch nicht so weit bin?


      ja, therapie meinte ich, oder andere geschützte rahmen, die vorstellbar sind (zb wenn man mit einem nahestehenden menschen über diese ängste redet, verarbeitet man dabei ja auch... oder wenn du dinge aufschreibst die dich beschäftigen, muster an dir beobachtest, dir gegenstrategien ausdenkst und notierst etc... das geht alles auch ohne thera...)
      wenn du angst davor hast MUSS das nichts heißen. vllt besprichst du mit deinem thera vorher nochmal, was du befürchtest und wie du dich vor dem schützen kannst. welche strategien du inzwischen hast um einen trigger auszuhalten ohne dich zu verletzen etc. und wenn du das mal ne woche sich hast setzen lassen, kann er ja vllt die stunde drauf mal ne klinge auf den tisch legen, vorausgesetzt deine angst hat sich verringert.
      grundsätzlich heißt es zwar "wo die angst ist, geht es lang", aber das gilt nur wenn man sich zutrauen kann, mit dieser angst irgendwie umzugehen, sonst lähmt sie ja nur.

      Ja, was ist schlimm daran....ich komme mir einfach so schwach vor, wie ein Verlierer. Und da sind diese Gedanken daran, dass ich es damals nicht geschafft habe, mich zu wehren, weil ich so unglaublich schwach war. Ich will nie wieder so schwach sein und jedes kleine Anzeichen von Schwäche lässt mich an damals denken und ich ekle mich unendlich vor mir selbst!


      so wie damals wirst du nie wieder schwach sein. und auch damals warst du nicht schwach, sondern der andere war einarsch. (oder würdest du es schwach von mir finden wenn ich sterbe weil jemand mich erschießt?)
      das jetzt ist eine andere art von "schwäche", nämlich eine die eigentlich aus stärke resultiert: du musst die stärke haben anzuerkennen, dass dir etwas passiert ist was niemand so leicht wegsteckt und dass du daher anders reagierst als andre leute. und das musst du dir zugestehen. weil es nämlich okay ist. das erfordert kraft und mut, klar - zu sagen "nee, das kann ich jetzt nicht, deshalb tu ichs mir nicht an." braucht man rückgrat für. ist aber ganz wichtig.

      Schön gesagt...wenn das nur so einfach wäre...warum kann man bei anderen die Grenzen so gut wahrnehmen und ignoriert sie bei sich selbst so oft?


      jetzt könnte ich dich grad mit deinen eigenen worten bombardieren... du hast es doch oben gesagt: weil du dir einredest, dir wären schlimme dinge passiert weil du schwach warst und deshalb dürftest du nie wieder schwach sein.

      alles liebe,
      solaine
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      RE: Normalität?

      Original von solaine
      so wie damals wirst du nie wieder schwach sein. und auch damals warst du nicht schwach, sondern der andere war einarsch. (oder würdest du es schwach von mir finden wenn ich st*rb* weil jemand mich erschießt?)


      Naja, was heißt schwach...ich war auf jeden Fall nicht in der Lage, klar meine Grenzen und mich selbst zu verteidigen. Das empfinde ich schon als Fehler, als was soll ich es denn bezeichnen?
      Wenn ich spüre ,dass ich sterbe,dann will ich leise sein.
      Wenn ich fühle das ich lebe,dann will ich lauter schreien.

      Freiheit…

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Nassi“ ()

      RE: Normalität?

      Original von Nassi
      Naja, was heißt schwach...ich war auf jeden Fall nicht in der Lage, klar meine Grenzen und mich selbst zu verteidigen. Das empfinde ich schon als Fehler, als was soll ich es denn bezeichnen?


      ich glaub ich hab einfach ein problem damit, es als fehler oder schwäche deinerseits zu sehen wenn jemand ein verbrechen an dir begeht. das wäre wie (ja, mein geliebter vergleich): "tja, er hat mich nur erschossen weil ich zu schwach war um rechtzeitig zu deeskalieren..."

      die frage ob es ein fehler war die grenzen nicht deutlicher zu ziehen erübrigt sich auch, wenn es sich um eine gezielte grenzüberschreitung handelt (und verbrechen sind ja nichts anderes als das).

      lg
      s.
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      Ja, da hast du sicher recht. Das ist wohl etwas, dass ich unbedingt noch lernen muss. Ich bin ja in meiner Therapie schon recht weit vorangekommen, aber mit diesem Punkt hab ich einfach noch Probleme...aber danke fürs Warnehmung-zurecht-rücken!
      Wenn ich spüre ,dass ich sterbe,dann will ich leise sein.
      Wenn ich fühle das ich lebe,dann will ich lauter schreien.

      Freiheit…