Meine Mutter und ich

      Meine Mutter und ich

      So, nach einiger Zeit auch mal wieder ein Thread von mir...

      Vor einer Woche war die Beerdigung meiner Oma. Ich bin deswegen nachhause zu meinen Eltern gefahren und irgendwie hatte ich schon ein komisches Gefühl bei der Sache. Am Morgen der Trauerfeier wach ich auf und schau auf die Uhr: Es war schon viel zu spät, wieso hat mich meine Mutter nicht geweckt, dachte ich. Und als ich sie dann gesehen hab, war mir alles klar: sie war so blau, dass sie nicht mal mehr stehen konnte. Wir konnten sie dann natürlich nicht mit zur Feier nehmen. Als mein Vater und ich gegangen sind, hat sie geheult und geheult, es war schrecklich.

      Dazu muss man sagen: Meine Mutter ist Alkoholikerin seit ich denken kann, schon vor meiner Geburt hat das angefangen. An allen wichtigen Ereignissen meines Lebens war sie entweder blau oder nicht anwesend, weil sie blau oder mal wieder auf Entzug in der Klinik war. Meine Einschulung, meine Firmung, die Taufe meines Neffen.....und jetzt eben auch die Beerdigung meiner Oma. Die Feier an sich war furchtbar. In der ersten Reihe saßen die Kinder meiner Oma: Mein Onkel mit seiner Frau, meine Tante mit ihrem Mann, der seit Jahren keinen Kontakt zu meiner Oma hatte - und dazwischen mein Vater, ganz allein. Als er die Fürbitten vorgelesen hat, musste er mehrmals neu anfangen, weil er so geweint hat. Ich hab meinen Vater noch nie so gesehen, er ist sonst so verschlossen....

      Ich selbst hab versucht für alle da zu sein. Neben mir stand meine Schwester ( 37 ) und hat geheult. Ich hab ihre Hand gehalten, sie gestreichelt. Auf meiner anderen Seite mein kleiner Neffe ( 8 ), der geheult hat, weil seine Mutter so weinen musste. Ich hab sie alle getröstet, meine Schwester, meinen Neffen, meinen Vater..und dann war da immer diese Angst, was meine Mutter wohl gerade anstellt. Ihr ist schon so einiges passiert im Suff, auch schwerere Verletzungen. Als wir zuhause waren, hatte sie sich in mein Zimmer eingeschlossen, in mein Bett verkrochen und hat nicht reagiert. Erst Tage später hab ich überhaupt ein Lebenszeichen bekommen.

      Und eigentlich ist bis hierhin alles wie immer: Meine Mutter ertrinkt jetzt natürlich in Selbstmitleid und droht, sich umzubringen, wenn nur irgendjemand wagt, ihr Vorhaltungen zu machen. So war das immer, die letzten 20 Male. Aber in mir regt sich immer mehr der Widerstand. Ich hab das alles so satt! Seit ich 12 bin, musste ich mich ständig um meine besoffene Mutter kümmern. Hallo? Ich bin die Tochter, nicht sie! Wann kümmert sie sich mal um mich? Als ich ihr erzählte, dass ich vergewaltigt wurde, da sagte sie: Stell dich nicht so an! Wann hab ich das je zu ihr gesagt, wenn sie besoffen war, wenn sie ein Häufchen Elend war, wenn ich die Wohnung hinter ihr aufgeräumt hab?

      Ich kann das nicht mehr. Früher als sie so besoffen war, da hatte ich Mitleid, ich hab sie getröstet, mich um sie gekümmert. Als ich sie jetzt gesehen hab, total blau, mit diesem dümmlichen Gesichtsausdruck, da war das alles vorbei. Ich glaube, ich hab seitdem jeglichen Respelt vor ihr verloren, sie widert mich einfach nur an. Ich will sie nicht sehen, ich will nichts mit ihr zu tun haben, dieses Mal ist sie einfach zu weit gegangen.

      Aber was soll ich tun? Am Wochenende soll ich zu meinen Eltern fahren, aber ich will nicht! Meine Mutter hat kein Wort über den Vorfall verloren, wie immer eben. Aber warum darf sie sich das so einfach machen? Ich will, dass sie Stellung nehmen muss, dass sie anerkennt, was sie ihrer Familie antut, dass sie sich schämt! Immer geht es nur um sie, um ihre Probleme, ich will auch mal an der Reihe sein. Ich überlege, ihr alles an den Kopf zu werfen, aber was erwarte ich? Was soll sich ändern? Mit meiner Mutter kann man nicht diskutieren. Entweder sie macht einen fertig oder sie heult. Und was will ich von ihr hören? Eine Entschuldigung reicht nun mal nicht. Muss ich mich mit meinen 24 Jahren einfach damit abfinden, dass meine Mutter nichts als eine Säuferin ist und dass ich nie eine Familie wie andere haben werde?

      Was ich jetzt erwarte? Ratschläge, Potritte, was auch immer ihr beisteuern könnt. Ich weiß einfach nicht, wie ich mich da jetzt verhalten soll. Werde wohl heute Abend erstmal mit meiner Schwester telefonieren.

      Danke fürs Lesen!
      Nassi
      Wenn ich spüre ,dass ich sterbe,dann will ich leise sein.
      Wenn ich fühle das ich lebe,dann will ich lauter schreien.

      Freiheit…

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Nassi“ ()

      Hm..sehr erschreckend zu lesen.Wirklich, ich kann dich nur bewundern wie du das jahrelang aushälst.

      Es mag jetzt hart klingen, aber das beste denke ich wäre wenn du deine Mutter mal fallen lassen würdest.Meist merkt man erst wenn man unten am boden liegt und keinen mehr hat was man mit seinem verhalten anrichtet.
      Zumindest das du da nicht mehr hinfährst für eine geraume zeit.mit deinem vater kannst du dich ja treffen.Wie kommt er denn mit all dem klar??

      Ist sie denn in Therapie??

      Du mußt dich nicht um deine Mutter kümmern, und ich finde es immer wieder zum ko**en wenn ich lese das manche kinder sich verantworltich für ihre eltern fühlen das alles in den griff zu kriegen-das sie jegliche schuld auf sich nehmen.

      Bist du in Thera?Ich kann dir wieterhin nur alles gute wünschen und vorallem viel, viel kraft.

      Nalia
      Danke dür deine Antwort, Nalia!

      Mein Vater, naja, wie kommt er damit klar? Liebe ist da wohl nicht mehr im Spiel, nur noch Verantwortungsgefühl. Er will meine Mutter nicht verlassen, weil er denkt, dass sie alleine zugrundegeht. (Was stimmen könnte!) Glücklich ist er natürlich nicht, schon lange nicht mehr. Neulich meinte er, er hofft, dass sie sich zu Tode säuft....

      Meine Mutter war in Therapie, ambulant und stationär, in Kliniken, Krankenhäusern...nichts hat was gebracht. Wie auch, wenn sie selbst einfach nichts einsehen will!

      Ich selbst bin seit 2,5 Jahren in Therapie, was mir auch sehr hilft. Nur auf das Thema Eltern komme ich irgendwie ständig zurück. Keine Ahnung, wie ich das endgültig lösen soll!

      Nassi
      Wenn ich spüre ,dass ich sterbe,dann will ich leise sein.
      Wenn ich fühle das ich lebe,dann will ich lauter schreien.

      Freiheit…
      Na das ist natürlcih echt scheiße wenn deine Mutter in der hinsicht keinerlei einsicht zeigt.

      und die aussagen von deinem Vater ist zwr hart aber ich kanns verstehen.und ich kann auch verstehen das ihr sie nicht alleine lassen könnt, aber das beste wäre es wohl.

      das deine eltern dich immer wieder einholen ist auch kein wunder....du befindest dich ja immer mittendrin wenn du heim fährst.

      Was meint denn dein thera dazu?

      lg Nalia
      Mein Thera hat mir schon mal geraten, den Kontakt zu ihnen abzubrechen, aber ich pack das irgendwie nicht. Sie sind doch trotz allem meine Eltern, oder?
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      Freiheit…

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Nassi“ ()

      Hey Nassi,

      Das erste, was mir bei deinem Beitrag auffiel, waren die vielen Fragezeichen zwischendrin - und die kamen häufig nach Fragen, die darauf hinausliefen, ob du wütend sein darfst auf deine Mutter. Du darfst - du musst sogar! - sehr wütend auf sie sein. Sie war und ist eine schlechte Mutter für dich, sie vernachlässigt dich und auch deinen Vater, zu dem du ja anscheinend eine bessere Bindung hast. Sie hat dir die wichtigsten Tage in deinem Leben mit einem Schatten überzogen, weil sie nicht da war - alles wegen ihrem Suff. Sie stellt sich selbst in den Vordergrund und vergisst dich dabei. Ja, du darfst wütend sein. Sie hat es falsch gemacht, war dir kein Vorbild, keine liebende Mutter. Du darfst wütend sein. Es ist nicht deine Schuld.

      Du hast viel für sie getan, zu viel sogar - denn durch deine "Mitsucht" [die sich darin zeigt, dass du zB für sie die Wohnung aufgeräumt hast, wenn sie zu blau war, dass du ihr geholfen hast, ins Bett zu kommen, wenn sie kaum mehr laufen konnte, dass du nicht mal jetzt was gesagt hast, als sie dein Zimmer belegte] hast du unterbewußt ihre Sucht unterstützt und dich selbst ein Stück weit aufgegeben. Trotzdem ist das, was da passiert, nicht deine Schuld - sie trinkt und sie macht die Fehler. Und tut damit deinem Vater und besonders auch dir eine Menge an...

      Nalia hat Recht - du musst dich von ihr lösen. Diese Frau ist keine Mutter für dich, und nur weil sie dich geboren hat, musst du dich nicht über alle Grenzen hinaus vernatwortlich fühlen und dankbar sein - im Gegenteil, denn schließlich hat sie aus etwas so wunderbarem wie einem Kind nicht die Kraft gezogen, endlich mit dem Trinken aufzuhören! - Sie hat es nicht für deinen Vater, nicht für sich selber und nicht mal für dich getan... und da sie ja anscheinend schon in mehreren Entzugskliniken war, scheint sie dies auch gar nicht zu wollen.

      Lass die Verantwortungsgefühle für sie fallen - sie hat dich teilweise zu einem Komplizen ihrer Sucht gemacht und dich als Kind damit in eine Ecke gedrängt, aus der zu entkommen dir immer schwer fallen wird... Aber sag dir bitte, dass du nun ein eigenes Leben hast, dass du nie hättest für sie da sein brauchen, weil sie Fehler macht, immer und immer wieder. Es ist nicht deine Schuld. Und sei ruhig wütend, dass kann ein guter Antrieb sein, dich zu lösen und ihr vllt. auch mal deine Verzweiflung, deine Wut, den Schmerz, den sie dir beigebracht hat, ins Gesicht zu schreien.

      Nassi, sie sind deine Eltern, ja. Aber deine Erzeugerin ist keine Mutter für dich, nur weil du ihre Gene besitzt, verstehst du? ...Und du bist das Kind, du müsstest dich auf sie verlassen können, nicht andersrum. Wenn dir was an deinem Leben, an deiner Gesundheit und deinem Seelenwohl liegt, dann löse dich, auch wenn es weh tut und dir schwer fällt. Rede mit deiner Thera auch über die dadurch evtl. entstehenden Schuldgefühle, das ist wichtig, um sie aus dem Weg zu räumen.

      Du kannst das schaffen - also tu es auch. Für dich, und ganz allein für dich.

      Torah! Torah! Torah!

      Schlachtruf der Kamikaze-Rabbis


      don't tell me what i can't do.
      because to live boldly is the proof that you're living life to its full extent.
      hi,

      ich kenne wie du dich fühlst...
      ich musste als Kind ertragen wie sich mein Vater den Verstand weg gesoffen hat. Er trinkt heute noch, aber ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm.
      Du musst es nicht ertragen, Nassi.

      ich stimme Nalia zu. Du solltest sie einfach mal nicht beachten, sie abblitzen lassen. vielleicht merkt sie dann was sie sich selber und ihrer Familie damit antut.

      mfg Bine


      Die Welt mit Staub bedeckt, doch ich will sehn wo's hingeht.
      Steig auf den Berg aus Dreck, weil oben frischer Wind weht.
      Hey, alles glänzt, so schön neu.
      (Peter Fox - Alles neu)

      Danke für Eure Antworten!

      Ich hab gestern mit meiner Schwester telefoniert und ihr alles erklärt. Sie sagt, sie versteht mich. Naja, meiner Mutter geht es wohl im Moment sehr schlecht, sie ist psychisch völlig daneben, kriegt die einfachsten Dinge nicht hin und nimmt auch noch Tabletten. Keine Ahnung, wie das weitergehen soll, aber ich fahr wohl erstmal nicht nachhause.
      Wenn ich spüre ,dass ich sterbe,dann will ich leise sein.
      Wenn ich fühle das ich lebe,dann will ich lauter schreien.

      Freiheit…
      ja das ist wohl besser so...
      auch wenn es einem sehr schwer fällt, es ist besser so. lass sie einfach mal machen. deine mutter hat menschen um sich, die versuchen ihr zu helfen. deinen vater, deine schwester.
      sie ist nicht allein.

      lg, bine

      ps. freiheit von unheilig ~ ein himmlisches lied... ;)


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