Matt Ruff - Ich und die anderen

      Matt Ruff - Ich und die anderen

      Ich und die anderen
      geschrieben von Matt Ruff


      Gebundene Ausgabe - 624 Seiten - Hanser
      24,90 € [aber bei amazon sieht es so aus, als ob es demnnächst auch ein taschenbuch für 9,99€ gibt]
      Erscheinungsdatum: August 2004
      Auflage: 1
      ISBN: 3446205357

      Kategorien: psychische Krankheiten (multiple Persönlichkeit)

      Kurzbeschreibung: (Verlagsankündigung)
      Mouse erwacht in Betten fremder Männer, ohne sich an den Weg dahin erinnern zu können. Andrew hingegen teilt seinen Körper mit einem sexbesessenen Teenager, einer tollen Tante, grummeligen Cousins und anderen Gestalten. Mit großem Einfühlungsvermögen und schrägem Humor erzählt Matt Ruff die Geschichte zweier junger Menschen mit multipler Persönlichkeitsstörung. Mit jeder Menge Begleitpersonal brechen die beiden zu einem wilden Road Trip in ihre verstörende Vergangenheit auf ...

      Wie flieht man ein Haus voller Geister, wenn sich das Haus im eigenen Kopf befindet?
      Die klinische Diagnose von Penny und Andrew, den Protagonisten von Matt Ruffs Roman, lautet Multiple Persönlichkeitsstörung. Andy hat für seine "Seelen" im Kopf ein Haus errichtet und versucht, sie dort in Schach zu halten. Das gelingt ihm halbwegs, bis er Penny trifft.
      Auf der Suche nach den Ursachen der Krankheit gerät die LeserIn mit auf einen schrägen und manchmal zum Brüllen komischen Roadtrip quer durch Amerika und durch die merkwürdige und manchmal schreckenerregende Landschaft der menschlichen Psyche. Mit großem Einfühlungsvermögen zeichnet Matt Ruff die Welt zweier verstörter junger Menschen, denen am Ende vielleicht doch noch geholfen werden kann. Und wie Penny will die LeserIn herausfinden, "wie man das Böse anerkennt, ohne davon aufgefressen zu werden".

      Matt Ruff - Ich und die Anderen

      Ein lustiges Buch über Dissoziative Identitätssstörung? Sakrileg! :evil:
      Von Matt Ruff? Hmm... könnte ja gut sein. :rolleyes:

      Man ist fast versucht eine alte Bindenwerbung zu zitieren, indem man sagt, der DIS sei eine Geschichte voller Missverständnisse. Hollywood-Produktionen in der Machart von „Identity" mögen zwar nettes Popcornkino abgeben, aber tragen sonst eher wenig dazu bei, den Menschen, die alleine in ihrem Körper sind, dieses Thema näher zu bringen, noch dazu bei, dass weniger Multiple glauben, sie wären einfach irgendwie verrückt.

      Hätte ich mich nicht zufällig mit dem Host eines multiplen Systems angefreundet, das sich dankenswerterweise den Mund fusselig geredet hat, um meine Neugier zu stillen, hätte ich auch keinen Gedanken mehr an DIS verschwendet. Nachdem ich über dem ersten wissenschaftlichen Fachbuch schon eingeschlafen bin, stolperte ich in der Bahnhofsbuchhandlung über ein neues Buch von Matt Ruff, dessen letztes Werk „G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke" (1998 in Deutschland erschienen) ebenso abgedreht wie gut zu lesen ist. Der Klappentext von „Ich und die anderen" war, wie für die deutsche Ausgabe eines Romans üblich, zwar relativ wirr zu lesen, aber von sowas lässt man sich ja nicht abschrecken. Ganz auf die acht Buchstaben auf dem Cover vertrauend, ließ ich das Geld für ein Hardcover im Laden und verschlang das Buch innerhalb weniger Tage.

      „Denken wir an einen Rosenstrauch, der von einem Sturm entwurzelt und in mehrere Teile gerissen wird. Die einzelnen Teile werden über den ganzen Garten getrieben, bis sie sich irgendwo verhaken. [...] Zehn, zwanzig Jahre nach dem Sturm hat man nicht mehr einen, sondern eine Vielzahl an Rosensträuchern."

      Erzähler dieser Geschichte ist ein junger Mann namens Andrew. Er ist die Seele im multiplen System, dass einmal Andy Gage war, die sich die meiste Zeit um die Außengeschäfte kümmert. Den Körper aus dem Bett hievt, zur Arbeit geht, Behördengänge erledigt, und so weiter. Die „Hausgemeinschaft", die Seelen, die nicht außen sind, lebt die meiste Zeit in der Innenwelt, einem geografischen Raum, den eine andere Seele namens Aaron mit Hilfe der Psychotherapeutin Dr. Grey baute, um Ordnung in das Chaos zu bringen, und in der sich auch das namensgebende Haus befindet . Dort bestimmt Aaron die Regeln, an die sich alle zu halten haben. Alles scheint seinen gewohnten Trott zu gehen, bis Andrews Chefin und gute Freundin Julie Sivik, ausgesprochene Chaotin und Leiterin eines Unternehmens für Virtual Reality Projekte, nicht ohne Nebengedanken eine junge Programmiererin mit dem Spitznamen Mouse einstellt. Soweit sie sich zurückerinnern kann, verliert Penny „Mouse" Driver Zeit, es fehlen ihr Minuten, Stunden, teilweise sogar Monate ihres Lebens. Sie findet mysteriöse Hinweise in ihrer Umgebung, die ihr helfen, ihr Leben zusammenzuhalten, mitunter auch Umschläge der „English Society of International Correspondents", einer nicht existierenden Gesellschaft von Brieffreunden, die besonders wichtige Botschaften enthalten. Nachdem Julie Penny aufgrund der Erfahrungen mit Andrew als instabiles multiples System erkannt hat, versucht sie ihn dazu zu bringen, ihr zu helfen. Andrew und die anderen Mitglieder der Hausgemeinschaft sind zuerst dagegen, eigentlich nur zu verständlich, nachdem er nicht nur Emails von den anderen Mitgliedern der Society erhalten hat, sondern eine der Beschützerseelen auch mit etwas ruppigeren Methoden versucht hat, ihn zur Kooperation zu bewegen. Um Julie einen Gefallen zu tun, schlägt er die Warnungen jedoch in den Wind. Die erneute Begegnung mit Dr. Grey, die inzwischen wegen ihres Gesundheitszustands nicht mehr praktizieren kann, lässt jedoch Zweifel in ihm aufkommen, ob Aaron immer ganz ehrlich mit ihm war. Und schon bald sind es Penny und ihre neugewonnenen Verbündeten der „Society", die ihn auf seinem Weg, wichtige Lücken in der Vergangenheit von Andy Gage zu schliessen, zur Seite stehen müssen.

      Hat man die letzte Seite von „Ich und die anderen" umgeschlagen, hat man nicht nur eine spannende, gut recherchierte Geschichte miterlebt, die ebenso humorvoll wie aufrührend ist, sondern quasi nebenher auch eine Menge darüber gelernt, wie das ist, wenn man Viele ist. Um den Roman zu mögen, muss man natürlich nicht unbedingt mit dem Thema etwas anfangen können, aber geraden den Lesern, die mit DIS bereits irgendwie in Berührung gekommen sind, möchte ich das Buch empfehlen. Gerade seit es als günstiges Taschenbuch erschienen ist, wird es doch gerne mal von Multis als "Aufklärungslektüre" an Freunde und Verwandte verschenkt.

      Soweit ich das mangels direktem Vergleich zur amerikanischen Ausgabe beurteilen kann, ist die Übersetzung ins Deutsche sehr gut gelungen. Zwar bin ich hier und da andere Begrifflichkeiten gewöhnt und der Originaltitel „Set This House in Order" nimmt stärkeren Bezug auf die eigentliche Geschichte, aber das sind alles nur Kleinigkeiten.

      set this house in order

      ich habe das buch - im zweiten versuch - endlich ganz gelesen und hätte es wie beim ersten mal nach den ersten 20 seiten beinahe wieder weggelegt, weil ich den anfang so entsetzlich konstruiert fand.

      man muss dazu sagen: ich habe nicht viel erfahrung mit betroffenen von DIS, allerdings kommt mir gerade der anfang, bis die geschichte so richtig "losgeht" (also die beiden protagonisten sich treffen) mehr wie die konstruktion eines laien vor als wie ein ernsthaft recherchierte fallgeschichte. da kann ich mich aber täuschen - wie gesagt: so furchtbar viel erfahrung hab ich damit nicht.

      mangels alternativen (nur zwei bücher im urlaub dabei gehabt) hab ich mich weiter voran"gequält" und muss sagen, dass sich die geschichte für meinen geschmack etwas später sehr gut weiterentwickelt, sowohl was die handlung als auch was den erzählstil und die sprache angeht. [habe das buch allerdings auf englisch gelesen]. vielleicht fand ich es auch sympathisch, dass die persönlichkeitsstörung der beiden hauptfiguren mehr und mehr "ans geschehen heranrückt", also dass nicht mehr so separiert davon berichtet wird [im stil von: "jetzt stellen wir dem leser mal jede einzelne innenperson vor"], sondern man eben einfach mehr über den alltag und das tägliche leben mit den verschiedenen innenpersonen erfährt.

      ich glaube, dass das buch sehr triggern kann [es geht natürlich auch um die traumata, die die beiden durchlitten haben], ich weiß auch nicht, ob man es menschen, die unter einer DIS leiden, so wirklich "empfehlen" kann, aber es ist unterhaltsam und macht die DIS durchaus greifbarer für nichtbetroffene. die story ist spannend und es gibt immer wieder überraschende wendungen, und bei den zahlreichen innenpersonen wird jeder so seine lieblingsfigur(en) finden ;)
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//