Nebelglas

      Schlafes Ranken

      Unter Mondes fließend, wolkenlosem Blick
      Und Abends greisen Klängen
      Weben wir unser Geschick
      Um Bandes feste Ketten zu verdrängen

      Bäume weinen weiter grüne Blütentropfen
      Während über uns'ren Köpfen Dunstgebärden drohen
      Die beständig Schreie klopfen
      Doch längst aus den Gedanken flohen

      Schattenlinien zeichnen diesen Abend
      Umso schöner wenn die Sonne endlich singt
      An blutend Himmelsrelief sich labend
      Und jeden Traum flammend verschlingt

      Klagend stimmen Gedanken ein zum Trauerlied
      Töne tropfen in die Wolkentore
      Wo schon längst die Illusion verschied
      Alle Regenbögen tragen Trauerflore

      Schatten malen blauem Leinen Fratzen
      Und bunte Edelsteine perlen in die Stadt
      Kann die Nacht den Tag zerkratzen?
      Nur wenn das Firmament die Träume hat ...


      (20.5.07)
      Leere

      Wie Blut gerinnen die Sätze
      Wie Dornen reißt die Leere
      Leer die Welten, die ich einst schätzte
      Die Worte in unverkannter Schwere

      Keine Worte für die Narben
      Keine Worte auf's Papier
      Kein Wort über jene, die starben
      Keine Worte gegen das Wir

      Sind es bloss Lügen
      Oder ist's doch wahr?
      Muss ich mich fügen
      Oder will ich's sogar?

      Geflügelte Wörter gebrochen
      Mein Vertrauen verwehrt
      Zerfetzte Schwüre versprochen
      Und immer aufs neue entehrt
      Weißgeweinte Tintenseiten

      Starre Augenblickgesponnene
      Ruhelose Regentropfenlieder
      Über regungslos geronnene
      Herzensdornenflieder

      Längst verwelkte Blütenfälle
      Gefror'ne Klauenhoffnungsgeste
      Neben einer Lieblosquelle
      Wo einst die Welt verweste

      Hingesunk'ne Blumendamen
      Frönen kalten Wolkenweben
      Die den Himmel rahmen
      Und nach Träumen streben

      Rubingetupfte Leinenstreifen
      Schweben durch die Puzzlepolywelt
      In der unerkannte Tinten reifen
      Denen der Zerfall gefällt

      Ewigzehrende Tränentön'de Sphären
      Schmieren Fragen in die Fensterbögen
      Welche jedes Widerwort verwehren
      Und keine Filigrane mögen

      Blindgebor'nes Widerweltensehnen
      Und hohl getrunk'ne Zeilenbahnen
      Die die Einsamkeiten dehnen
      Und die Herzen warnen
      Nackt

      Worte hämmern hinter der Stirn,
      Doch nichts lässt sie frei.
      Die Lampe spiegelt sich in der Nacht,
      Drei Glühbirnen sind kaputt.
      Die Kreuzung ist leer,
      Ich sehe sie so fast nie.
      Nebenan schläft mein Freund,
      Den ich liebe.
      Ich sitze hier,
      Ich bin psychisch nackt.

      Was gibt es zu sehen?
      Bitte gehen Sie weiter.
      Ich habe Fragen,
      Wer wird sie anhören?
      Ja ich bin allein,
      Aber wen kümmert es schon?
      Ja ich habe meinen Freund,
      den ich liebe.
      Aber ich bräuchte,
      ganz dringend,
      Noch wen anders zum reden.

      Die Ampel ist rot,
      Es ist kein Autofahrer da,
      Den es aufregen könnte.
      Dort drüben ist das Krankenhaus.
      Ich war schonmal da,
      Wegen meinem Rücken.
      Ich hätte gerne nochmal diese Pille,
      Tetracepam.
      Oder vielleicht auch zwei,
      Damit ich besser schlafe.

      Es ist nicht so,
      Dass ich Schlafstörungen habe.
      Ich schlafe gerne,
      Den ganzen Tag.
      Dann ist die Welt nicht so gemein.
      Sondern ganz leise und weit weg.

      Ich hasse es so nackt zu sein.
      Ich will all die Worte freilassen, doch alles was da ist, ist dies.
      Das Finstermeer

      durch Spiegelregen zum Scherbentor
      als das Blüteneis erfror
      Nebelglas zerbarst in tausend Sonnentränen
      und rief, hinfort ! den Trauerschwänen !
      Weißgoldschwingen lügen nicht
      doch trotzen, ach ! dem Licht
      und Perlenmonde auf der Sternenschnur
      es sei als träumt' ich nur
      ein stilles Wimmerlicht webt leise
      und schöpft und stirbt auf diese Weise ...

      (21/22.12.2005)
      Kulisse

      Worte brechen sich im blauen Glas
      Eine Seele irrt durch eine blaugerisste Welt
      In der das Kind die Pfade fraß
      Und jedes kranke Herz herbeibestellt

      (Horizontalen Malen den Mund verbunden)
      "Du weißt gar nichts", sagt der Mond
      "Der See ertrinkt seit Stunden
      Kein Herz und keine Seele bleibt verschont."

      Die Wolken haben Worte ausgewürgt
      Nur um mir keinen Regen zu schenken
      "Wer weiß wer für die Tränen bürgt?"
      Ich will das Meer gleich mitertränken

      Zerschliss'ne zartgemalte Zufallszeichen
      Verraten vor dem Horizont nun alle Bäume
      "Niemand kann das Herz der Welt erweichen"
      Und niemand kommt in meine Träume.
      Die Grenzen der Welt

      Außerweltlich Sehnsüchte pflegen
      Innerherzlich Gärten hegen
      Und jeden Morgen Minztau schmecken
      Und jeden Tag aufs neue Ungeheuer wecken
      Und jeden Abend zittersüße Tränen lecken
      Doch in der Sonne jedes Wort verstecken
      Gedanken übertonen
      Der verlockend' Leere frönen
      In meinem Land gibt's keinen Regen
      Obwohl Wolken doch das Land belegen
      Konturen im Schnee ...

      Bemalte Frostgeheilte Hände strecken
      In das hohe Himmelsfirmament
      Gierig kahle Kummertropfen lecken
      - Doch so, wie's niemand kennt.

      Requisiten klauen und zerbrechen
      Kulissen niederreißen und verkennen
      Die Hauptfigur erstechen
      Und so die ganze Farce verbrennen

      Stets in Rätseln sprechen
      Stets den Mund vernähen
      Alle Bande brechen
      Stille säen
      Verständnisambivalenz

      du machst immer weiter
      du weißt nicht wann ich nicht mehr kann
      du siehst meine Hilflosigkeit nicht
      du sieht meinen Schmerz nicht
      du siehst nur dass ich mich dagegen wehre
      Schmerzen zu haben
      hilflos zu sein
      ich habe es dir schon so oft gesagt
      Immer hast du genickt
      und gesagt,
      du verstehst es jetzt
      aber du verstehst es nicht
      nicht jetzt
      nicht eben
      nicht in Zukunft
      Aber immer wirst du nicken
      und sagen,
      ich verstehe es jetzt
      Und selbst wenn du zu mir kommst
      machst du immer weiter
      aber du sagst,
      du wolltest dich vertragen
      Nur ich war diejenige die es nicht wollte
      ich habe gegen den Schmerz gekämpft ...
      Du wirst nur nicken
      und sagen,
      dass du es verstehst ...
      Und wenn ich weg bin
      wirst du den Kopf schütteln
      und sagen,
      dass du es nicht verstehst

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      Eine Novelle lesen

      Gefühle brennen ihre Klagen
      In ein hohlgespiegeltes Holunderherz
      Ein Raunen lässt mich nicht verzagen
      Trotz diesem baren Daseinsschmerz

      Tiefberauschend' Zeilenwahn
      Klopfende Herzen zwischen den Saiten
      Stürzende Blicke in gleißender Bahn
      Werden's unauslöschlich bereiten

      Diamantgeheuchelte Lichtersplitter
      Erhellen diese Fängerworte
      Greifen nach dem Alltagsgitter
      Und zerreißen jene Seitensorte
      Fliehende Hohlgebete

      Fehlgefühlte Fieberfäule
      Gegen rege Redewellen
      Packen die Gedankenknäule
      Lassen mich die Welt verstellen

      Hochverhasste Hadesherren
      Gieren nach den Hohefürsten
      Neu verschlossen zum Verzerren
      Alt verflossen um zu dürsten

      Gelbgeron'ne Geifergalle
      Giftet diese Schlangenpfade
      Zerschellt nun an der Tagesfalle
      Bettelt nie und immer noch um Gnade

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      Ich / Ambivalenz

      Ich kratze Schneeflocken in die Bäume
      Ich schreibe Lichter in die Wasserfälle
      Ich phantasiere Regenbögen in die Räume
      Ich rufe Nebel in jede Meereswelle

      Ich rieche die Porzellanvasen
      Ich schmecke die harten Stufen
      Ich höre die vielen Seifenblasen
      Ich fühle dein beständiges Rufen

      Ich kann nicht mehr
      Ich könnte ewig leben
      Ich lache so sehr
      Ich kann doch nur Tränen geben
      Ver-lassen

      Flachgeweinte Terrorsteine
      Taubverletzte Regentropfenfühle
      Schwarzgetret’ne Grabgebeine
      Umronnen von der Kupferschwüle

      Und ewig weiter regne ich den Schnee
      Und ewig tupft das Eis die Wunden
      Und niemals mehr bad’ ich im Wolkensee
      Und niemals mehr wähl’ ich die Ruhestunden

      Bloss immer vorwärts, kreischt die Stille fürchterlich
      Tu’ einen Schritt noch weiter, tu’ noch einen Schritt
      Und lach’ dazu beflissentlich
      Tu’ noch einen Schnitt, bloss einen Schnitt

      Es rührt mich vielfach an und lässt mich dennoch kalt
      Es erregt die Sinne und tötet sie doch
      Es ist der Regen in Nebelgestalt
      Es ist der Höllenschlund als Pfützenloch

      Unsichtbare Neonlichter auf der Stirn
      Ungeseh’ne Regenbögen in dem Blut
      Oft verkannte Leben lassen mich die Welt verlier’n
      Und stolz verreckte Leiden füllen mich mit Wut

      Lass mich doch leben,
      Lass mich doch beben.
      Und streben,
      Schlussendlich - vergeben
      Prost.

      Es erklingt bloss phrasenloses Floskelfutter
      Umringt von gähnend' Nebenblicken
      (Perfekt für eine kinderlose Rabenmutter
      aber lässt mich doch einen Augenblick ersticken)

      Nein, guter Rat ist teuer,
      (und ich bin reichlich arm)
      Entsetzt sich über bare Abenteuer
      und schlägt um fünf Alarm.

      Jambus kotzt nicht meinen Kopf
      bloss seinen Namen manchmal aus,
      und ach, - des Reimes Willen - dieser arme Tropf
      aus der neuen Mode ist er gänzlich raus.

      Schubladendenken praktizieren nur die Schränke
      Pustekuchen!
      Auch unter Intellektuellen gibt's brachiales Rumgezänke
      Um 'ne einz'ge Schublade herzusuchen