Zukunftsangst

      Zukunftsangst

      Hi,

      meinereiner ist nun 19, macht Anfang April ihr Abi und sollte dann, ab September eine Ausbildung, Studium oder sonstiges machen. Bisher war es mir relativ egal, was im September sein wird. Mein nächstes Ziel ist das Abi und danach nochmal stationäre Thera. Gesund werden, einen weiteren großen Schritt nach vorne gehn. Und danach?
      Danach endet mein Leben.

      Es mag banal sein, aber für mich endet mein Leben, wenn der dritte Klinikaufenthalt vorbei ist und ich ein wenig später gesund geworden bin. Ich werde schaun, dass ich auszieh. Und wohl irgendwo erstmal arbeiten oder für Studium anmelden oder sonst was. Es dürfte mir dann relativ gut gehn. Bin hier daheim schon relativ stabil und wenn dieser Blastungsfaktor erstmal wegfällt, dürfte es noch ein großes Stück nach oben gehn. Das habe ich nun realisiert und gleich Angst bekommen. Eine Zukunft ohne das tägliche Kämpfen, ohne die Stabilisierungstechniken, ohne diesen "Sinn", all den Mist endlich loszuwerden? Was kommt danach, was kommt wenn ich gesund bin, wenn ich gewonnen habe? So weit habe ich noch nie gedacht und nun macht mir der Gedanke Angst - als würde ich mich verlieren, sobald ich gesund bin.
      Eigentlich müsste gerade ich wissen, dass ich mich nicht verliere sondern nur verändere, dass die Krankheit ein Teil ist, der nur umgedreht und nicht weggenommen wird. Aber plötzlich habe ich Angst davor.. Es ist so vertraut, seit 19 Jahren läuft mein Leben so. Es ist für mich unvorstellbar, dass es mal anders sein soll. Beinahe möchte ich mich an die PTBS klammern. Das ist sicheres Terrain, es ist mir vertraut. Ich bin es so gewohnt, täglich beeinträchtigt zu sein, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie es einmal sein soll. Ich habe panische Angst davor - weshalb auch immer. Ich versteh mich nicht, ich weiß nur, dass ich das nicht möchte. Dann bin ich nicht mehr ich, dann ist alles leer und ohne Sinn. Vollkommen leer. Das macht mir Angst. Ich wüsste nicht, was ich dann mit meinem Leben anfangen sollte, wenn ich den Kampf gewonnen habe. So viel Zeit - aber wofür? So viel Kraft - aber wofür? Es erscheint mir danach sinnlos, leer, trostlos, als würde dann ein Teil von mir fehlen und ich nur noch agieren und handeln wie eine Marionette für Vater Staat, denn mein Ziel habe ich dann erreicht und ein anderes gibt es nicht.
      Es ist doof und banal, ich weiß es. Aber ich fühle es nicht.
      Gedanken, Meinungen dazu...? "Ich kenn das auch, bei mir ist das so und so" hilft mir nicht. Aber andere Ansichten, sonstige Gedankengänge, neue Blickwinkel, Erfahrungen...

      Liebe Grüße

      an-shin
      Liebe T.,

      zum einen möchte ich voranstellen, dass man meine Sitaution ja eigentlich nicht mit deiner vergleichen kann. Ich war weder bei Therapeuten noch in einer Klinik und hatte auch nie so etwas "ernstes".
      Deswegen bezieh ich das ganze nicht so stark auf die Krankheit an sich, sondern auf das danach.

      Im Moment macht mir mein Abitur keine Angst mehr. Es sind noch 2 Monate bis dahin, und ich bin völlig ruhig. Aber sobald ich weiter darüber hinaus denke, zeigt sich mir auch so eine Planlosigkeit. Schemenhaftes "Dann werde ich dies tun und jenes, hier und dort arbeiten, da und dort Praktikum machen, irgendwann vielleicht mein Studium beginnen, vorher vielleicht mal hierhin reisen."

      Vielleicht ist es völlig normal, dass, wenn man ein großes Ziel vor der Nase hat, eins, das man offensichtlich bald erreichen wird, man sich erstmal wie mitten in die Landschaft gesetzt fühlt.

      Aber: Hat der Mensch nur ein Ziel, nur einen Traum? Wenn du in diesen letzten Klinikaufenthalt gehst, vielleicht hilft er dir, dich zu orientieren? Vielleicht bringt dich die Tatsache, dass du den letzten Schritt zum Ziel machst, auch gleichzeitig dazu, wieder ein Stück weiter zu denken?

      Soviel Kraft und soviel Zeit - Für einen Berufswunsch? Dafür, ein selbstständiges Leben aufzubauen? Sicher, vielleicht werden die Hürden nie so groß sein wie jene, gesund zu werden. Und trotzdem bleibt es doch eine Herausforderung, auszuziehen, sein Leben komplett allein zu führen. Es bleibt eine Herausforderung, sein Studium zu beginnen und durchzuziehen.
      Humans have a knack for choosing precisely the things that are worst for them. [ Dumbledore ]

      Blumentopflerin

      Barriers don't keep others out - They fence you in [ Grey's Anatomy ]
      Hi,

      ich hab nach meiner Therapie gleich mit nem Studium angefangen und es war das beste was mir passieren konnte. Plötzlich hatte ich eine Aufgabe, war weg von zu Hause, neues Umfeld... da war viel weniger Platz für Krankheit.

      Also ich würd mich für den Gedanken stark machen, dass da viele Chancen vor dir liegen..

      Außerdem hat es mir geholfen zu merken, dass so gut wie alle die da neu an die Uni kamen irgendwie unsicher waren wie`s jetzt weitergeht...

      lg manuelisdoof

      RE: Zukunftsangst

      hallo..

      es werden neue situationen auf dich zukommen, für die es auch gilt zu kämpfen. sei es ein gutes studium oder eine arbeit, in der du dich verwirklichen kannst. der unterschied zum svv liegt darin, dass es deine entscheidungen sind, nicht wie svv, dass du gegen etwas kämpfst, dessen ursache nicht deine entscheidung war.

      du hast recht, du verlierst dich nicht, du veränderst dich.. nach 19 jahren bist du dabei, neuland zu betreten. und dass da die angst mitkommt, kann ich schon verstehen.

      (und während ich hier tippel, stehen schon 2 antworten da, die dasselbe meinen wie ich es auch tue - ich setz sie trotzdem mal rein :) )

      gehe schritt für schritt. erst abi, dann klinik - und danach wirst du weitersehen..

      mfg sabine
      Liebste T,
      lass´es auf Dich zurollen und genieße die Zeit nach den Hürden, die Du erfolgreich meistern wirst (das weiß man doch). Und immerhin siehst Du schon bis "wenn ich gesund bin". Ich sehe nicht mal bis zum Herbst.
      Keine Sorge, T. mit 20, T. mit 30, T. mit 40- das ist alles vorstellbar.
      Ich glaube eher, dass diese Angst, eher Besorgnis "was ist in xy Jahren" ganz normal für Dein, unser Alter ist, weniger hat das mit Krankheit als vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass sich ein vertrauter und formal sehr geregelter Lebensabschnitt dem Ende entgegenstreckt und nun der kommende von DIR und nicht von irgendjemandem, der das schon irgendwie regelt gefüllt wird. Habe keine Angst vor der Verantwortung- vertraue in Dich und Deine Fähigkeiten. Und: die Ideen, was nach "gesund werden" kommt, werden Dir ganz von alleine einfallen, einfach abwarten.

      Grüße,
      S.
      tick tock, tick tock, what's reality compared to me? (Timekiller/ Project Pitchfork)
      Die Zeit "danach". Eigentlich ist es ein Neuanfang, alle Karten werden neu gemischt, alle Wege stehen offen. Eine Art Freiheit ohne Fesseln die Beeinträchtigen. Nur warum jetzt schon schon planen?
      Weißte du machst das alles hier nur für dich, du gehst für dich in die Klinik, du machst für dich dein Abi. Und ich glaube du machst dann für dich das was dann richtig ist. Ich glaube nicht das es einen bestimmten Punkt gibt ab dem es heißt ab hier gesund, aber ich denke du wirst es merken wenn gewisse Dinge einfach ihren Frieden finden und aufhören zu quälen.

      Und warum solltest du dann nicht mehr du sein? Weil das wegfällt was dich einengt?
      "Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen glücklich zu sein!"
      Voltaire
      *Prachtmädchen*
      Hi,

      oh wie bekannt mir das grad vorkommt, was du schreibst.

      Aber weißt du, T., du musst versuchen etwas zu finden, was du an die Stelle der Sachen tun kannst. Etwas positives.
      Und das musst du nich allein. Da kannst du inner Klinik überlegen, was an die Stelle rücken soll. Welche Aufgaben oder Ziele du dir setzen kannst.
      Die Ausbildung, das Studium, alleine wohnen usw.
      Und vor allem sie stolz auf die Ziele, die du erreicht hast. Du brauchst ie Krankheit nich. Es gibt so viele schöne Dinge, es wär doch mist, wenn du die dein ganzes Leben hinten anstellen müsstest wegen deiner Krankheit.

      Re: Zukunftsangst

      Hallo liebe an-shin

      Es ist sicher natürlich, Angst vor der Zukunft zu haben, wenn man in die Vergangenheit gelebt hat. Eine 180° Wende.
      Hat aber auch positives. Man geht nicht mit dem Rücken voran. Geht nicht mehr rückwärts, Blick in die Vergangenheit. Ist eigentlich doch viel sicherer, man sieht Stolpersteine rechtzeitig. Das Leben im Gesicht und nicht mehr im Nacken. Die Gegenwart kommt in der Gegenwart an, nicht mehr verspätet. Dieser Punkt kann allerdings auch angst machen --> da weniger Zeit um sich die Gegenwart, "die schon vergangen ist", so zurecht zu legen, wies einem grad passen möchte. Dennoch ists besser sich zu drehen. Das weißt du auch selber ganz gut. Einfach, das man das Leben spüren kann –vollzeit- (waren das nicht deine Worte? Die sind nämlich wahr und die darfst du ruhig auch auf dich anwenden).

      Das Drehen selbst ist sehr schwer. Da sieht man wohl so ziemlich nichts vom Weg. Das Leidige an 180°.
      Wenn die Drehung aber mal gemacht ist, wirst du wieder was sehen. Sicher. Jede Menge Dinge. Die du wählst (aktiv!) und die nicht von dir gewählt werden (passiv!).
      Nach der Wende wirst endlich du kommen. Und zu dir werden dir genügend Lebenswerte entgegenfliegen. Es gibt glückliche Menschen, die ein ausgefülltes Leben haben. Besser –nur wer ein ausgefülltes Leben hat, ist glücklich. Füllung liegt genug herum. Man muss sie nur sehen. Und das Sehen kommt mit den 180°.

      Liebe Grüsse
      S. (die das –von den VorgängerInnen- Gesagte nochmals wiederholen möchte -in eigenen Worten)

      edit: Rechtschreibung
      sonnenaufgang

      ...wie der Phönix aus der Asche der Vergangenheit...

      { .} (ev. trigger)

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „phönixwesen“ ()

      +lächelnd+
      Danke für jede Antwort! Es tat gut - sehr gut - sie zu lesen. Die Angst hat sich ein wenig gelegt, nachdem ihc nun alles durchgelesen habe, ist sie kaum noch spürbar. Vielen Dank.
      +in die Zukunft schauend+

      an-shin