Ein wunderschöner Tag in Koblenz (2-Teiler)

      Ein wunderschöner Tag in Koblenz (2-Teiler)

      Teil 1

      Seit etwas über einem Monat mache ich jetzt die Hyposensibilisierungstherapie gegen Hausstaub und Milben. Deswegen fahre ich jetzt einmal die Woche mit dem Zug nach Koblenz, um mir dort die Spritze geben zu lassen. Da ich sonst nie nach Koblenz komme, genieße ich den Tag in der Woche dort immer und schlender durch die Löhrstraße (vllt sagt die ja einem was?!).
      Als ich die Spritze in den Arm bekommen hatte, wird man vom Arzt gebeten, noch eine halbe Stunde (evtl. mit Kühlakku) im Wartezimmer zu bleiben, falls etwas passiert wie eine allergische Reaktion zum Beispiel.
      Ich setzte mich mit meinem Kühlakku ins Wartezimmer gleich an die Türe und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Eine ältere Frau öffnete die Tür und stellte eine Tasche unter den Kleiderständer neben mir. Sie sah mich an, lächelte und fragte: „Sind Sie bitte so freundlich und passen kurz auf meine Tasche auf?“
      Ich nickte und lächelte zurück. Sie schloss die Tür von außen.
      Kurze Zeit später kam sie zurück, nahm ihre Tasche und setzte sich neben sie. Sie bedankte sich freundlich und wühlte in ihrer Tasche. Dort nahm sie dann schließlich eine kleine Netzpackung heraus und entnahm dieser etwas, das sie mir kurz danach entgegen hielt. „Hier, für Sie.“ Ich öffnete die Hand und sie ließ ein rotes Glasei mit gelben Schlieren hineinfallen. Ich drehte es herum und sah es mir an. Es war wunderschön. Ich lächelte. „Danke schön. Es ist wirklich wunderschön.“
      Sie sah mein Kühlakku und gab mir einen Tipp, wie ich es befestigen konnte mit meinem Pullover, ohne dass es abrutschte, wenn ich es nicht mehr fest hielt. Ich konnte endlich meinen linken Arm runter nehmen – der tat nämlich schon weh.
      Wir unterhielten uns über alles Mögliche. Krankheiten, Kliniken und wie es uns so zurzeit ging. Ihr ging es weniger gut als mir. Meine Allergien und mein Asthma waren zurzeit mehr als ruhig, aber ihre Allergien schlugen zurzeit volle Kanne zu. Sie berichtete von anderen Krankheiten, die sich aneinander reihten.
      Als sie kurz auf Toilette ging, sprach mich ein Typ mit Notebook auf den Knien an und meinte geradezu angewidert: „Dass alte Leute einen immer so dumm anquatschen und uns mit ihrem Leid zumüllen müssen. Die Alte sucht doch nur jemanden, den sie totlabern kann mit ihren ach so schlimmen Wehwehchen!“ Er rollte genervt mit den Augen.
      Ich sah ihn überrascht an und meinte nur trocken: „Was haben Sie für ein Problem? Sie hat doch gar kein Wort mit Ihnen gewechselt. Sie hat sich mit MIR unterhalten – nicht mit ihnen! Und hören Sie auf mit den Beleidigungen. Das heißt nicht ‚die Alte’, sondern die Frau oder die Dame. Also, mässigen Sie sich in Ihrer Wort- und Tonwahl.“ Ich sah ihn herablassend an.
      Er sah mich pikiert an und hämmerte wieder auf seinem armen Notebook ein. Mir war aufgefallen, dass er rot angelaufen war.
      Die anderen Leute grinsten sich einen Wolf und auch die ältere Frau, die sich mit mir unterhalten hatte, war wieder herein gekommen und hatte wohl meine Antwort mitbekommen. Sie setzte sich leicht beschämt wieder neben mich und sagte leise „Danke.“.
      „Nicht dafür...“ erwiderte ich mit einem Lächeln auf den Lippen und wir führten die Unterhaltung fort, nachdem ich ihr versichert hatte, dass sie mich keineswegs nervte, sondern ich es fesselnd fand, ihr zuzuhören. Das beschämte sie fast wieder auf ein Neues.
      Ich fand es sehr interessant, mich mit ihr zu unterhalten, denn sie erzählte auch von ihrer Jugend. Das finde ich sowieso immer sehr großartig, wenn die ältere Generation von ihrer Jugend damals erzählt. Da könnte ich stundenlang zuhören.

      Plötzlich ertönte die Stimme der Arztschwester im Lautsprecher und meine Gesprächspartnerin wurde aufgerufen.
      Ich verabschiedete mich von meiner Gesprächspartnerin, denn meine Wartezeit war auch vorbei. Ich war sogar etwas über eine Stunde länger geblieben als nötig war, aber es war einfach zu interessant, ihr zuzuhören.
      Wir verabschiedeten uns freundlich. „Vielleicht sehen wir uns wieder.“ meinte sie fast schon ein wenig traurig.
      Ich nickte fröhlich. „Gerne, es war sehr schön, Ihnen zuzuhören.“
      Sie lächelte und ihre Augen glänzten, als sie zur Schwester ging, um ihre Behandlung zu beginnen.


      Mit dem hübschen Glasei und einem glücklichen Lächeln auf den Lippen ging ich raus und Richtung Löhrstraße, um dort, wie nach jedem Spritzentermin, einen Schaufensterbummel zu machen.
      An dem heutigen Tag konnte mir keiner mehr was... Mir hatte jemand etwas Gutes getan, denn ich hatte etwas geschenkt bekommen, und ich gab etwas zurück an die ältere Frau, in dem ich ihr zuhörte und es genoss.


      Gut, vielleicht hatte der Mann mit dem Notebook im Wartezimmer recht damit, dass sie nur jemanden zum Reden brauchte, aber wenn es mich genervt hätte, dann wäre es doch auch meine Entscheidung gewesen, ob ich ihr zuhören wollte oder nicht. Ich hatte es sehr genossen.
      Lass die Flügel nicht hängen, kleiner Engel, sonst verlernst du das Fliegen! :] =)

      Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare. (Christian Morgenstern)

      Ein wunderschöner Tag in Koblenz (2-Teiler)

      Teil 2

      Als ich an dem Nachmittag in die Stadt ging, standen vor der Einkaufsstraße zwei Punks. Der eine hatte rote Stacheln als Haarschmuck, trug Nietenketten, Hals- und Armbänder mit Nieten versehen, und zerrissene, dunkle Kleidung, wo allerlei Sprüche und Anarchie-Zeichen drauf gemalt waren. Der zweite Punk hatte zwar auch rote Haare, aber einen kurzen, stacheligen Iro-Haarschnitt. Die Klamotten blieben in etwa gleich. Auch der Schmuck unterschied sich nicht von dem ersten Punk.
      Die Jungs fielen auf – keine Frage, aber irgendwie strahlten sie auch sowas wie Selbstsicherheit und Stolz aus. Sie „schnorrten“, wie sie es so schön nennen. *gg*
      [ Ja, ich weiß, jetzt kommen wieder die Leute, die sagen, sollen sich Arbeit suchen, Wohnung und und und, aber das ist nicht ihr Ziel. Und wenn sie so leben wollen, wer will es ändern? Ich nicht. Wenn ich die Punks in der Fußgängerszene in Koblenz sehe, dann gehe ich immer gerne zu ihnen hin und unterhalte mich mit ihnen. Und sie sind immer sehr freundlich, offen und nett. Keine Vorurteile, keine blöden Sprüche wie von „normalen“ Menschen so frei nach dem Motto „Du bist zu fett. Ich seh nix. Mach mal Platz!“. Alles schon erlebt. Leider. :( Ich mag die Punks so wie sie sind: offen, manchmal aufmüpfig ;), durchsetzungsfähig, rebellisch, freundlich, und immer da, wo sie nicht gern gesehen werden von gewissen Leuten. ;) :) ]

      Einer der beiden Punks stand bei ihren Sachen und der andere war ein paar Schritte entfernt und schnorrte bei den vorbeiziehenden Menschen.
      Ich ging zum Punk, der bei den Klamotten stand. Ich griff in meine Hosentasche und holte mein ganzes Kleingeld heraus. Ich drückte ihm alles in die Hand, was ich fand. Ich habe nicht viel, aber ich teile trotzdem gerne mit Leuten, die es brauchen können. Denn ich weiß, wie es ist, gar nichts zu haben.
      Er zählte nach und sah mich dann mit offen stehendem Mund an. „Wow, Ratte, guck mal. Über 3 Euro. Geil. Danke!“ Er grinste und zwinkerte mir zu. Sein Kumpel kam zu uns herüber, als er seinen Kumpel rufen hörte und sah mich überrascht an. „Cool. Danke schön. Dann gibt’s endlich was zu essen, Beso.“
      Ich grübelte über den Namen Beso nach. Im Spanischen heißt Beso soviel wie Küßchen. Ich grinste. Meine Gedanken schweiften jedoch wieder zu ihrer Freude über meine Geldspende. Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich über „so wenig“ Geld freuen würden und sagte ihnen das auch.
      Aber Beso, der „Klamottenpunk“, schüttelte den Kopf. „Hey, wenn wir jeden Tag soviel Geld bekommen würden wie von dir gerade, dann wären wir reich.“
      Für die Punks ist es wohl auch so, dass sie sich über wenig Geld freuen – wie meine Wenigkeit. Wenn ich es habe, genieß ich es. Aber ich gebe auch gerne ab, aber das sagte ich ja schon. ;) *grins*

      Ich lächelte, verabschiedete mich und war bereits im Gehen, als die Beiden sich nochmals bedankten auf ihre ganz persönliche Art und Weise. Sie liefen mir hinterher und stellten sich vor mich. Dann ließen sie sich auf die Knie fallen und küssten den Boden. Mir war das fast peinlich, aber ich musste auch lachen. Die Leute um uns rum haben nur die Köpfe geschüttelt, nur einige junge Leute lachten ebenfalls.
      Ich machte artig einen Hofknicks und ging lachend weiter. Ich hörte die Beiden noch lachen, als ich bei den nächsten Geschäften ankam, und mir die Auslagen ansah.
      Ich lungerte noch gut zwei Stunden in der Einkaufspassage herum, dann machte ich mich auf den Rückweg zum Bahnhof. Als ich an dem „Eingang“ zur Löhrstraße ankam, wo die Punks sich aufgehalten hatten, waren sie nicht mehr da. Auf dem Weg zum Bahnhof machte ich noch einen Abstecher in „meinen“ Obstladen, wo ich mir 3 Schalen Erdbeeren und 2 Schalen Ananas kaufte.

      Ich ging weiter Richtung Bahnhof. Und wer stand ungefähr 100 m davon entfernt vor eine Apotheke und Bäckerei??? Die Punks!
      Ich musste grinsen und als mich die Punks sahen, grinsten sie nicht weniger. Ich ging gleich zu ihnen hin und wühlte abermals in meinen Taschen. Beim Obstkauf war ja wieder Kleingeld angefallen. *grins* Ich drückte Beso zum zweiten Mal Geld in die Hände und bat ihn, nicht noch einmal einen Kniefall vor mir zu machen.
      „Wie die holde Maid wünscht...“ orakelte er lachend, griff meine Hand und gab mir einen Kuss auf den Handrücken. Ich rollte mit den Augen und konnte nicht anders. Ich musste lachen. Die Jungs waren nach meinem Geschmack; durchgeknallt, offen, lustig und gut drauf.
      Ich unterhielt mich noch ein wenig mit den Beiden, warum sie den Platz gewechselt hatten, weil ich der Meinung war, vor der Löhrstraße müssten sie doch mehr bekommen, aber Beso widersprach mir und meinte: „Wir verstehen selbst nicht, warum wir hier mehr bekommen.“
      Ich gab die Vermutung kund, dass viele Leute von der Bahn kommen, ein Ticket gekauft hatten oder aus der Apotheke bzw der Bäckerei kamen und Restgeld über hatten, das sie abgaben.
      Ich wollte dann schließlich gehen, weil ich auch müde war und war schon einige Meter weiter, als ich inne hielt und mich noch einmal umdrehte. Ich winkte den zweiten Punk namens Ratte zu mir. „Wollt ihr Obst?“ fragte ich ihn, der mich erstaunt ansah.
      „Obst?“ echote mein Gegenüber verwundert.
      „Ja, ich hab hier Erdbeeren und Ananas.“ erwiderte ich.
      „Ey, Beso, wollen wir Obst haben?“ fragte er seinen Kumpel grinsend.
      „Ähm... Klar... Ich meine, wenn du das ernst meinst...“ grübelte Beso unsicher. Er dachte wohl, ich wolle sie veräppeln. So sprachlos und platt „kannte“ ich Beso ja gar nicht. Schüchtern kam mir eher Ratte vor.
      „Nein, ich meine das ernst. Wirklich. Wollt ihr?“ Ich nahm ein Päckchen Erdbeeren heraus und hielt es ihnen hin.
      Ratte nahm es und lächelte. „Cool. Danke. Erst ohne Ende Geld und jetzt noch gesundes Futter. Geil.“ Er öffnete die Packung und warf seinem Kumpel eine Erdbeere zu, die der geschickt auffing und vorsichtig hinein biss. „Lecker Dingelchen.“ grinste er und verputzte das Obststück genüsslich.
      „Wollt ihr noch eine? Oder Ananas?“ erkundigte ich mich.
      „Noch mehr?“ kam es überrascht zurück. „Willst du denn gar nix?“
      „Doch, aber ich hab dreimal Erdbeeren und zweimal Ananas. Also mehr als genug. Ich bin allein und ihr zu zweit.“ grinste ich.
      „Cool. Gern.“ Beso kam zu uns herüber und schnappte sich die Erdbeerenschale, die ich ihm hinhielt. „Auch Ananas?“ fragte ich.
      Beide nickten fröhlich und der zweite Punk nahm die Ananasschale an.
      „Spart das Geld. Da könnt ihr später anständiges oder was zu trinken von kaufen. Eure Vitamine sind gesichert.“ lachte ich.
      „Geil, McDonald´s wir kommen!!!“ rief Ratte aufgekratzt.
      „McDonalds? Gesund? Was paßt jetzt nicht so wirklich?“ grinste ich und zog eine Augenbraue hoch.
      „Die haben doch Salat, oder nicht?“ grinste Ratte zurück.
      Ich lachte vergnügt. Um Antworten verlegen waren die wohl nie.

      Sie bedankten sich noch mehrmals und ich lächelte. Ich wollte mich verabschieden, als Ratte mich aber mit einem „Halt!“ zurück hielt.
      Was war denn nun? War das Obst schlecht?!
      Ich hörte ihn fluchen und drehte mich zu ihm um. Kurz danach hielt er mir eines seiner Armbänder entgegen. „Für dich. Als Danke schön für das viele Geld von dir und das ganze Obst hier.“ Er deutete auf die Obstschalen, die Beso in der Hand hielt.
      Ich war sprachlos und sah ihn wohl etwas dümmlich an. Die beiden lachten. „Na los, nimm schon.“ drängte er mich freundlich und fordernd.
      Ich nahm sein Geschenk dankend entgegen und wandte mich um zum Gehen. „Bis zum nächsten Mal.“ sagte ich und ging.

      Ich bin mir sicher, ich werde die Beiden wieder sehen. Vielleicht sogar schon nächste Woche... Wer weiß? Ich freu mich auf das nächste Treffen.


      Als ich so des Wegs zum Bahnhof ging, war ich irgendwie glücklich. Ein Gefühl durchströmte mich. Ich weiß nur nicht welches. Ich glaube, ich war endlich mal wieder – seid langer Zeit – zufrieden oder gar im Reinen mit mir. Den ganzen lieben langen Tag konnte mir wirklich keiner mehr was. Mir gings einfach nur gut. Ich hatte einfach nur ein fettes :D oder zufriedenes :] =) im Gesicht.



      Ich will damit sagen:
      Man kann mit so vielen Kleinigkeiten anderen Leuten eine große Freude machen. Ich habe mich über das Glasei, das Armband des Punks und die schönen Gespräche und freundlichen Worte gefreut, und die ältere Dame darüber, dass ich auf ihre Tasche aufgepasst und mit ihr etwas gesprochen habe und die Punks über mein Kleingeld und das Obst.

      Wir sollten öfter mal darüber nachdenken und uns auf Kleinigkeiten besinnen... Wenn es mir mal nicht so gut geht, dann werde ich an diesen Tag gerne wieder zurück denken und mich an mein Gefühl erinnern, dass die kleinen guten Taten ausgelöst hat.



      So, das wars. :D Ich denke, das reicht auch, wenn es überhaupt wer liest. ;) :D

      LG Nighty
      Lass die Flügel nicht hängen, kleiner Engel, sonst verlernst du das Fliegen! :] =)

      Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare. (Christian Morgenstern)