'da muss man dann drüber stehen...'

      'da muss man dann drüber stehen...'

      nein, es geht mir nicht darum, dass ich glaube, manche leute machen es sich zu einfach mit ihrem (nicht borderline-spezifisch gemeintem) schwarz-weiss-denken.

      es geht auch nicht darum, dass man sein leben zu sehr an dem, was andere sagen, ausrichten könnte - wobei es keine rolle spielt, ob 'andere' menschen ohne svv-kontakt/wissen/erfahrung whatsoever sind oder leute zb hier.

      es geht mir noch weniger darum, einzelne user im speziellen zu kritisieren oder zu denunzieren, oder auch nur jemandem meine meinung aufdrücken zu wollen...

      ...

      ...aaaaber :D mir ist da gerade eine formulierung aufgestoßen, die ich hier häufiger lese.

      'da muss man drüber stehen.' 'hör nicht darauf, was die leute sagen.' 'der hat eh keine ahnung.'

      sprüche aus der richtung. was mir akut aufgefallen ist und mich auf diesen thread gebracht hat ist der derzeit letzte beitrag in einem topic im svv-board 'ewig stulpen und lange hosen tragen' oder ähnlich, von darja, darin wiederum das besagte post von igelchen (glaube ich jetzt) in dem u.a. die aussage kam, man müsse wenn man narben offen zeigt mit kommentaren und blicken rechnen, da dann aber drüber stehen.

      sicher ein gut gemeinter rat... aber dann hab ich mir die formulierung angeguckt und... mh...

      meiner meinung nach ist es keine gute idee, auszublenden was auch nur irgendwer sonst wie unbedacht von sich gibt.

      folgende situation, rein fiktiv - ich laufe mit kurzen ärmeln durch die stadt. ein fremder steht neben mir vor einem schaufenster, sein blick streift meinen arm und er sagt etwas wie 'oh gott, was ist _das_ denn?!'

      situation genauer betrachtet. ich laufe also mit auffälligen narben an den armen gut sichtbar durch öffentlichen raum. jemand sieht es, er hat mich wie tausend andere menschen auch mit blicken gestreift und etwas entdeckt, das er selten sieht. vielleicht fällt ihm sowas zum ersten mal auf? vielleicht hat er es schon mal irgendwo gesehen und sich später gefragt, was das war? ...vielleicht kennt er das aus seinem umfeld und reagiert impulsiv auf einen wunden punkt...?

      in diesem forum verlangen so viele leute gehör. schreiben an kinos, damit potentiell triggernde trailer nicht ausgestrahlt werden, halten referate an schulen, lesen und schreiben bücher, erstellen foren, suchen kontakt zu freunden um verstanden zu werden...

      klar, jeder mensch will, dass man ihm zuhört, denn hinter jedem gesprochenen wort steht eine praktische ebene, etwas, das der sprecher damit bezwecken will. das muss nicht immer bewußt oder auch durchdacht sein - aber es ist da.

      und wer sind wir, einem menschen dieses recht abzusprechen? sicher, wenn es mir unangenehm ist, mich runterzieht oder verletzt, dann blende ich aus - aber ist es nicht trotzdem sinnvoll, sich anzuhören, oder für sich zu durchdenken was andere sagen? ich kann doch, durch kritik oder reaktion andere auf mich, quasi die denk-kapazität anderer menschen für mich mitnutzen, andere blickwinkel kennen lernen und so mein wissen - auch das therapieziel wissen über mich selbst - erweitern.


      ...nur mal so, als denkanstoss. wer das nicht hören will, kann auch gern drüber stehen, aber ich denke, man kann aus jeder kritik etwas konstruktives holen, und wenn es nur menschenkenntnis und mitleid für den aggressiven sind.

      tn1
      Liebe Trustno,

      muss dir da Recht geben. Habe so Sätze wie "da musst du einfach drüber stehen" oder "lass dich doch davon nicht runterziehen" und so weiter schon so oft hören müssen und das nervt mit der Zeit. Denn sie helfen einem überhaupt nicht! Im Gegenteil sie tun weh. Denn man fühlt sich unverstanden und hat das Gefüh das die Menschen einem einfach nicht zuhören.

      Da ist es mir schon viel lieber, wenn jemand einfach gar nichts sagt...

      Danke dass du hier auf diese Sache aufmerksam machst!

      Liebe Grüße
      Tränental
      "In mir ist nichts mehr wie es war, zwar spürst du mich doch bin ich unsichtbar..." Samsas Traum - Liebeslied

      tränental
      Hallo Trustno,

      Deine Worte haben mich berührt...
      ganz ehrlich...

      Ich stimme dir zu... du hast vollkommen recht!

      Danke für deine Worte,

      Fee
      ... Die Ironie des Lachens ist der erbitterte Kampf des Überlebens ...

      Höre die Schreie der Verzweiflung,
      Fühle die Schm*rz*n
      Denn etwas will st*rb*n
      Jede Nacht.
      .
      hej,

      darüber habe ich auch schon mal nachgedacht und ich für meinen teil denke, dass du vollkommen recht hast.

      allerdings hängt es ja auch vom ausmaß der der betroffenheit, dem persönlichen selbstbewusstsein etc. ab inwieweit sich xy auf die jewalige kritik / reaktion seines gegenübers einlassen kann. manchmal braucht es eben ein wenig zeit und als übergangslösung kann das "ausblenden vermeintlich negativer konfrontation" m.E
      möglicherweiser ganz hilfreich sein, solange man sich keinen bösen unterstellungen bedient und niemanden vorschnell verurteilt.

      lg,

      c.
      You're awful bright, you're awful smart.
      I must admit you broke my heart.
      The awful truth is really sad.
      I must admit I was awful bad.
      Hi Trustno1 !

      Ich finde es ist ein Unterschied, ob jem. wildfremdes aus der U-Bahn mich nach meinen Narben fragt. oder ob ich hier im geschützten Rahmen etwas dazu erzähle. Auch wenn ich ein referat darüber halte oder sonst was ist was anderes.
      Wenn jemand den ich kenne auf mich zukommt und etwas über (mein) SVV erfahren will ist das ok, aber fremde Leute geht das meiner Meinung nach echt nichts an...
      And my scars reminds me, that the past is real... :evil:
      Gegen psychische Leiden hilft nur physischer Schmerz. Karl Marx
      Es ist schon sinnvoll, über Kommentaren wie "uuuuh, Ritzer/in" oder dummen Witzeleien zu stehen.
      Jeder geht anders mit seinem SvV um, die einen operieren verdeckt, die anderen zeigen, was sie sich antun. Und wer der Meinung ist, dass es die Außenwelt nichts angeht, der soll ruhig über dem schweben, was man ihm rät, kann dabei gerne ignorant sein.
      Wichtig und ´heilbar´sind offene Menschen:
      und wer sind wir, einem menschen dieses recht abzusprechen? sicher, wenn es mir unangenehm ist, mich runterzieht oder v*rl*tzt, dann blende ich aus - aber ist es nicht trotzdem sinnvoll, sich anzuhören, oder für sich zu durchdenken was andere sagen? ich kann doch, durch kritik oder reaktion andere auf mich, quasi die denk-kapazität anderer menschen für mich mitnutzen, andere blickwinkel kennen lernen und so mein wissen - auch das therapieziel wissen über mich selbst - erweitern.

      Und wer so denkt, kann sich glücklich schätzen. Wer nicht, tut es trotzdem. Will sagen: eine gute Anregung, die leider auf den Punkt hinauslaufen wird, dass der eine sich angegriffen fühlt und sich zu verteidigen sucht, der andere sich bestätigt fühlt.
      tick tock, tick tock, what's reality compared to me? (Timekiller/ Project Pitchfork)
      Original von Kanonenfleisch
      [...]eine gute Anregung, die leider auf den Punkt hinauslaufen wird, dass der eine sich angegriffen fühlt und sich zu verteidigen sucht, der andere sich bestätigt fühlt.


      jaein, genau da wollte ich ja ansetzen.

      dafür muss man imho gar nicht so weit gehen, unterschiedlichen persönlichkeiten zu unterscheiden - jeder mensch, denke ich zumindest, hat stärkere und schwächere momente.

      in den schwachen ist es sicher nachvollziehbar, dass man schnell defensiv wird und nichts durch den ohnehin geschwächten panzer lassen will. ist vermutlich auch gut, sowohl um sich zu schützen als auch, um ein stück weit aus der passiven rolle heraus zu kommen - bevor jemand etwas mit mir macht, agiere ich lieber und ziehe mich aus der affaire.

      ...das heißt aber nicht, dass man nicht trotzdem in stärkeren momenten, die zweifellos auch wieder kommen, darüber nachdenken sollte, ob man nicht etwas von dem gesagten für sich nutzen kann. dabei spielt kaum eine rolle, ob besagte aussage wirklich etwas über einen selbst, oder eher über die sprechende person verrät - schaden kann das, in meinen augen, in den wirklich seltensten fällen, spontan viele mir eigentlich sogar keiner ein.

      ich denke nicht, das wer so denkt sich... unbedingt 'glücklich' schätzen kann, denn es ist arbeit (selbstreflektion eben) aus dem muster der defensive auszubrechen und sich einfach mal einzulassen - aber es kann helfen.

      my point...

      tn1
      Nun, ich glaube, ich habe verstanden, was du meinst. Wenn ich das wirklich verstanden habe.

      So wie ich es verstanden habe, geht es dir darum, dass wir "Nicht-Betroffene" quasi "nicht zu wort kommen lassen" oder besser gesagt, ihnen nicht wirklich zuhören.?

      Nun, da finde ich das Beispiel bisschen blöd, muss ich sagen, denn in dem Beispiel ging es glaub ich um wildfremde, die wirklich einfach nur dumme Fragen stellen. Da muss man abblenden in bestimmten Momenten. Ich weiß selber, wie im sportunterricht ein Mädchen plötzlich durch die gesamte Halle schrie: "Oh mein Gott, was ist DAS denn?" Und sie hat geschrien, ja. Und vor 30 Schülern möchte man da echt nicht diskutieren.

      Aber wenn Leute so etwas dazu sagen, ist es sinnvoll, sich deren Meinung und Standpunkte anzuhören. Einfach zu sagen: "Der hat keine Ahnung" Ist Schwachsinn. Man denkt oft gar nicht daran, wie schwierig so ein Thema für Angehörige und Freunde ist. Und man kann viel aus solchen Gesprächen ziehen.

      Ich habe mich mal mit jemandem unterhalten, der nicht wusste, dass ich ritze und sich darüber ausgelassen hat, wie scheisse er das findet. Erstmal habe ich ihn dezent auf ein paar Dinge hingewiesen ohne zu sagen, dass ich selber betroffen bin, andererseits mir seine Standpunkte näher angesehen und es hat geholfen. Nicht mir direkt. Sondern eher darin zu sehen, wie manch anderer denkt. Was einem auch hilft, weil man dann ein bisschen vorbereitet ist und die Denkweise auch irgendwo versteht... und den Leuten dann auch gezielt zeigen kann, wo sie falsch stehen mit den richtigen Worten....



      Also ich weiß nicht, Trustno, ob es dir wirklich darum ging... hoffe doch *gg*
      * You know I say, that I'm just fine, but I hope you wonder from time to time. *
      * Humor ist, wenn man trotzdem lacht! *


      liebe trustno1
      dein thread spricht mir aus dem herzen, denn das war ja eigentlich auch eine frage von mir: ist es überhaupt verantwortbar jedem x-beliebigen seine narben einfach so unter die nase zu setzen?
      ist nicht das ein bischen ignorant? ich mein, viele leute beschweren sich hier über die ignoranz der menschen, aber sind nicht wir auch selbst ignorant, wenn wir einfach voraussetzen, dass jeder mit diesem thema konfrontiert werden sollte? ein bischen exibithionismus geht schon manchmal mit der symptomatik der selbstverletzung einher, sieh sich einer einige blogs an, wo ästhetisierte fotos von svv auftauchen. oder- wie ihr auch schon angesprochen habt, die referate, die briefe an kinos etc...
      manchmal setzen wir einfach voraus, dass jeder einzelne mensch die symptomatik svv begreifen sollte aber andererseits sind wir mit gewissen inhalten überfordert:
      dieser ohrringe-thread geht ins selbe. svv als "schmucktrend" vorgesetzt zu bekommen triggert. ja klar. ist nicht oke.
      aber narben anderen leuten zb. in einem geschäft oder an einer party vorzusetzen, die evt auch betroffen sind und selbst davon getriggert werden, ist in ordnung.

      es ist ein so heikles thema und ich frag mich immer wieder wie viel von dem, was für uns alltag ist, ist einfach zu viel für andere? wie viel ist zumutbar und was überschreitet die grenze.

      was müssen wir für uns behalten, verstecken, weil es andere befremdet und wir sie überfordern und was dürfen wir zeigen. wie weit müssen wir uns in unserem alltag einschränken, narben verstecken und wo dürfen wir einfach annehmen, dass es unser recht ist auf ein "normales leben"....
      Original von Darja
      ist nicht das ein bischen ignorant? ich mein, viele leute beschweren sich hier über die ignoranz der menschen, aber sind nicht wir auch selbst ignorant, wenn wir einfach voraussetzen, dass jeder mit diesem thema konfrontiert werden sollte?


      Klingt so, als wären "wir" keine Menschen, bzw. irgendetwas anderes als die "vielen Leute". :rolleyes:

      TrustNo1
      in diesem forum verlangen so viele leute gehör. schreiben an kinos, damit potentiell triggernde trailer nicht ausgestrahlt werden, halten referate an schulen, lesen und schreiben bücher, erstellen foren, suchen kontakt zu freunden um verstanden zu werden...


      ...und andere demonstrieren auf der Straße gegen/wegen zu niedrige Gehälter (z.B.), starten Unterschriftaktionen für XY, etc. pp. "Wir" sind nicht die Einzigen, die sagen und vortragen, wenn uns etwas 'stört'...

      [Nur so nebenbei und vorneweg: Wir sind alle Menschen. Menschen.]

      Meine Rede ist ja immer, dass sich jede/r an der eigenen Nase packen und sich - sein/ihr Denken, Handeln - nüchtern reflektieren* sollte, bevor man auf andere Menschen zugeht und sie dazu bewegen möchte, etwas zu (ver-) ändern.
      Das ausgerechnet das* bei Menschen oft nicht möglich ist, sie in den seltesten Fällen aufrichtig sich selbst, geschweige denn anderen gegenüber sind und sich lieber mit anderen Artgenossen vergleichen, messen... na ja... das ist das eigentliche Problem, an dem es zu arbeiten gilt.

      Gute Nacht,
      Mia
      Keine Dienerin der Masse;
      meine größte Kritikerin;
      kein Püppchen...

      ...stolze Mama von (bald) zwei Töchtern.

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