Brief an vertraute person

      Brief an vertraute person

      Hallo Leute, diese Email habe ich einer sehr vertrauten Person geschrieben.
      Es kommen viele Fragen darin vor, Zweifel, Ängste etc.
      Wer weiß, viell habt ihr Tipps, Anregungen um mir Helfen zu können!?!

      Liebe XX

      Diese Mail wird überwiegend aus purem Selbstmitleid bestehen. Aber ich muss das einfach loswerden und wissen, das Jemand sie liest und mir vielleicht einen Arschtritt verpasst.

      Ich bin am durchdrehen, am Rande des Wahnsinns. Desto näher das Abi kommt, desto mehr Panik breitet sich in mir aus. Ich kann seit Tagen nicht mehr schlafen, träume jede Nacht davon, wie ich vor der Prüfung sitze und ein leeres Blatt vor mir liegt , wie meine Chemie Lehrerin vor mir steht und mich mit den Blick anschaut: „Mädel, ich habe schon immer gewusst, das du zu blöd bist und nichts wert bist!“
      Mittlerweile habe ich sogar Angst vorm schlafen weil ich ganz genau weiß, dass mich diese Träume verfolgen.

      Ich lerne den ganzen Tag durch und trotzdem habe ich abends das Gefühl nichts getan zu haben, zu wenig getan zu haben. Die Tatsache, dass ich den kompletten Chemie- Stoff begreife und jeden Begriff dem jeweiligen Thema zuordnen kann, müsste mich beruhigen.
      Aber nein, es macht mir Angst und der Gedanke, dass dies einfach nicht wahr sein kann, führt dazu, dass ich von morgens bis abends davor sitze und wiederhole bis ich letztendlich wirklich nichts mehr begreife...

      Ich weiß nicht. Vielleicht betreibe ich dieses „intensiv Lernen“ auch mit dem Ziel, an nichts anderes wie beispielsweise an meine Thera denken zu müssen, die momentan verdammt schwer ist.
      Ich habe so lange alles für mich behalten und jetzt, gerade jetzt, kommt alles zur Sprache.
      Eigentlich müsste ich mich nach 5 Jahren Thera darüber freuen, endlich mal über die Sachen reden zu können, welche mich jahrelang (unbewusst) geplagt haben.
      Aber ich kann mich einfach nicht darüber freuen, momentan nicht.
      Jahrelang habe ich mir gewünscht, mich an meine Kindheit ansatzweise erinnern zu können und habe mich gehasst, weil ich absolut keine Erinnerungen hatte.
      Jetzt merken wir in den Thera- Stunden immer wieder, dass ich mich an einzelne Dinge wieder erinnern kann. Endlich „Beweise“ der Erinnerungen, die meine heutige Situation erklären, für mich verständlicher machen und mich diesen immensen Selbsthass etwas abbauen lassen, mich begreifen lassen, dass ich nicht an allem Schuld bin...

      Aber mit einem großen Teil der Erinnerungen komme ich einfach nicht klar, möchte mir nicht eingestehen, dass ich doch keine wunderschöne Kindheit hatte, wie ich es bisher immer vermutet habe. Ich will das nicht hören, das zerstört irgendwie alle Illusionen. Ich möchte nicht wissen, dass ich ein ängstliches, schweigendes Kind war, dessen Ängste absichtlich übersehen worden sind oder müde belächelt wurden.
      Ich hasse sie. Warum haben sie meine Ängste nicht ernst genommen? Warum haben sie mich behandelt wie eine Erwachsene? Warum musste ich immer perfekt sein? Warum wurde ich immer verglichen, (unbewusst) schlecht gemacht weil ich eben noch nicht so weit war wie mein Bruder und in gewissen Dingen einfach mehr Unterstützung, LIEBE gebraucht hätte.
      Warum waren Nähe, Zuwendung oder simple Worte, die einem gezeigt haben, dass man etwas wert ist „Mangelware“? Müssten nicht alle Menschen wissen, dass man solche Gesten, Worte, nicht durch materielle Dinge ersetzen kann?
      Sie haben mir beigebracht, dass es wichtig ist respektvoll zu sein, aber das es genauso wichtig ist, die eigene Meinung zu vertreten. Warum durfte ich das nur „fremden“ gegenüber?
      Warum durfte ich mich von anderen nicht „fertig machen lassen“, aber ihre Meinung ohne Widerspruch als richtig hinnehmen müssen?

      Ahhhhhhhhhhh, warum kann ich so was nicht einfach vergessen? Ich hatte es doch erfolgreich verdrängt. Warum ist mein doofer Kopf der Meinung, dass ich jetzt darüber reden muss indem er mir stückchenweise Erinnerungen bildhaft vor Augen führt??????
      ICH WILL DOCH EINFACH NUR MEINE RUHE! vor Anderen, vor Allem, aber vor allem vor mir selbst. Ich steh mir grad selber im Weg und würde mir am liebsten wünschen gegen eine Wand zu laufen um alles vergessen zu können, meine Gehirnzellen in Alkohol ertränken, irgendetwas nehmen, was meinen Kopf abschaltet....

      Warum kommt immer alles auf einmal! Warum rede ich erst seit einigen Wochen über den Vorfall mit XY? (eine Vergewaltigung)
      Warum hab ich jetzt meine Gefühle nicht unter Kontrolle? Ich schwanke den ganzen tag zwischen „Du musst glücklich sein, du hast keine Probleme“ und „Ich hasse mich und möchte mich verletzen"...

      Angst, dass meine Thera bald rum ist? Angst, noch mal eine Therapie ohne Erfolg beenden zu müssen oder einfach nur weil ich „mein altes Leben“ beenden und ein neues beginnen möchte?

      ...
      ...



      Ganz liebe Grüße ...
      Sage nie all dass, was du weist. Wisse aber immer, was du sagst!

      RE: Brief an vertraute person

      Hey...beruhig dich erst mal...dass du noch keine Antwort auf die Mail bekommen hast, ist doch weder ein gutes, noch ein schlechte Zeichen...versuche dich auf dein Abi zu konzentrieren...du schaffst dass, da bin ich mir sicher...
      *in Arm nehmen*
      Es gibt drei Wörter, die beschreiben, was ich über das Leben gelernt habe: es geht weiter
      Hey Liebes!!

      *inarmnehm*

      Ich hab dir shcon mal gesagt, ich glaub schon 100 mal^^, das du das Abi schaffst, amch dich nich verrückt, versuch dich zu beruhigen!!
      Mehr als den ganzen tag lernen kannst du nciht und das ist auch genug!!
      Angsti hat Recht, es ist ncih schlimm dass XX noch nich zurückgeschrieben hat, vll brauchst diese Perosnon Zeit um sich en Antwort zu Überlegen!!
      Das mit deiner Vergangenheit und der Thera ist schlimm, aber auch das schaffst du!! Und diese Thera wirst du nich ohne Erflog beenden, denn du kannst immerhin darüber reden, was passiert is!!

      *nommalganzfestdrück*

      Bloodywings
      Du aber gehst. Gehst einsam und allein
      und weißt nicht, sollst du lachen oder weinen.
      Und hier und da sind Sonnenstrahlen , die scheinen,
      als ginge sie der Regen gar nichts an.

      [Regen - Selma Meerbaum-Eisinger]