Vermeidungsfrage

      Vermeidungsfrage

      Hallöchen,

      ich erstelle ein neues Thema, in dem ich gerne so viele verschiedene Meinungen und Eindrücke wie möglich sammeln möchte. Es geht um die "Vermeidungsfrage" von A. Adler, auf die ich beim Lesen gestoßen bin. Die Vermeidungsfrage lautet:
      "Was wäre, wenn du morgen plötzlich gesund wärst?"

      Therapeuten stellen diese Frage oft, um hinter ein Geheimnis zu kommen: sie wollen wissen, welchen Nutzen die Patienten neben dem Schaden aus ihrer Krankheit ziehen, was sie ihnen bringt und weswegen sie nicht von ihr loslassen können.

      Ich stelle mir diese Frage ("Was wäre, wenn ich morgen plötzlich gesund wäre?") in letzter Zeit sehr oft und komme auf immer neue, interessante Aspekte, was mir meine Krankheit alles bringt und wieso es vielleicht (mir) so schwer fällt, sie endgültig gehen zu lassen.

      Wie ist das also bei euch? Was würde euch fehlen, wenn ihr plötzlich gesund wärt? Welchen Sinn/Nutzen hat eure Krankheit für euch?
      Ich hoffe auf anregende und interessante Gedanken - vielleicht hilft dem ein oder anderen diese Frage auch ein erhebliches Stück weiter :).
      Mit freundlichen Grüßen

      c.n.

      RE: Vermeidungsfrage

      Hi,

      die Idee für diesen Thread finde ich total gut! Habe während meiner Ausbildung auch davon gehört, es mich aber selber nie wirklich gefragt.

      Habe jetzt ewig überlegt, aber finde keine Antwort. Nur positive Aspekte, dass ich dann endlich wieder ausgehen könnte, endlich wieder verbindliche Termine mit Freunden für Treffen machen könnte, endlich meine Wohnung in Ordnung halten könnte... etc.
      Heißt das vielleicht, dass ich aus meiner Krankheit nicht wirklich einen Nutzen ziehe??? Hm, weiß ich gerade nicht. Früher hätte ich mehrere Antworten gehabt, warum die Krankheit für mich auch wichtig ist, aber jetzt... ????

      Naja, bin ja mal gespannt, was den anderen so einfällt.

      Viele Grüße
      Feejaa
      "Auschwitz beginnt da, wo einer im Schlachthaus steht
      und denkt, es sind ja nur Tiere."

      Theodor W. Adorno
      Eine schwierige Frage, die ich mir auch schon sehr oft gestellt habe.

      Ich bin mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem ich normal leben kann.
      Diese Krankheit die ich habe tritt bei mir nur noch in extrem-situationen auf.
      bei mir ist das begleitet von stress, starker psychischer belastung etc.

      das problem, dass viele haben, ist wahrscheinlich, dass sie damit etwas positives verknüpfen.

      - stresslösung, aggressionsabbau
      - aufmerksamkeit
      - etwas besonderes zu sein
      - sorge der anderen um mich

      können solche punkte sein...

      auf der anderen seite gibt es auch viele dinge, die dafür sprechen, loszulassen:
      - ein selbstbestimmtes leben führen
      - herr der eigenen gefühle sein
      - sinnvoll mit aggressionen umgehen können
      - keine angstzustände mehr
      - auf dauer ein besseres verhältnis zu mitmenschen (eben weil man nicht mehr in einer abhängigkeit steht - ein gleichberechtigtes verhältnis, anstatt andere menschen zum "retter" zu stilisieren, was kein mensch auf dauer aushält)
      - ausgeglichener sein
      - dem leben einen sinn geben
      und viele mehr...

      so eine krankheit ist ein teufelskreis - wenn man unter depressionen neigt, wirkt sich dass negativ auf den stoffwechsel aus - was widerum dazu führt, dass man sich noch schlechter fühlt...
      um gesund zu werden muss man zunächst einmal diesen teufelskreis durchbrechen...

      das widerum ist aber anstrengend und kostet kraft (was widerum mit schmerz und negativen folgen kurzfristig assoziiert wird).
      Der weg des geringsten widerstandes ist also: ich bleibe bei meiner krankheit, denn um sie zu überwinden müsste ich kurzfristige negative folgen aushalten...
      langfristig würde es einem dabei dann besser gehen, aber die meisten menschen denken nunmal sehr kurzfristig...

      das ist meine theorie zu dem thema, aber ich bin natürlich nicht allwissend...nunja :)
      Ich bin ein Teil des Teils der anfangs alles war.
      Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar.
      Ein Teil der alten Mutter Nacht, der nun den Raum
      den Rang ihr streitig macht...
      Sehr schöner Beitrag! :) Vor allem den unten zitierten Satz möchte ich noch einmal hervorheben:


      Original von Engel-der-Nacht

      Der weg des geringsten widerstandes ist also: ich bleibe bei meiner krankheit, denn um sie zu überwinden müsste ich kurzfristige negative folgen aushalten...
      langfristig würde es einem dabei dann besser gehen, aber die meisten menschen denken nunmal sehr kurzfristig...

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „regentropfen“ ()

      Die Überlegung ist eine sehr gute und ist es auf jeden Fall wert, sich mal Gedanke darüber zu machen.

      Um erstmal spezifisch auf das Thema SVV zu kommen:
      Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass SVV (und Sucht allgemein) häufig eine Art Überlebensstrategie ist. Sie bietet einen mehr oder minder sinnvollen Ausweg aus einer Krise, lässt einen sich selbst wieder finden, was durch viele negative Eindrücke die in einer Situation übereinanderkommen schwer ist. Sie gibt die möglichkeit wenigstens auf eine gewisse Weise den Kopf frei zu bekommen und Gefühle und Handlungen zu erleben, die man "nüchtern" in schlechten Zeiten nie erlebte.
      Deshalb gibt Sucht Geborgenheit.
      Allerdings sollte man irgendwann davon loslassen. Und was ist dann?
      Die Individuumsfindung, das gewohnte Ritual, der Stressabbau, all das fällt weg.

      Mit psychischen Krankheiten verhält es sich ähnlich. Denn was sind sie anderes, als eine Reaktion auf Umstände, mit denen die Psyche überfordert ist?

      Psychische Leiden lassen leiden. Und an dieses Leiden gewöhnt man sich. Und manchmal ist dieser gewohnte Schm*rz das einzige, was einen an sich selbst erinnert.


      Nun tut man alles erdenklich mögliche, um dagegen anzukämpfen, weil es auf Dauer schädlich ist.


      Weitermachen möchte ich nur mit einer Selbsteinschätzung, weil ich nicht pauschal einschätzen kann.



      Nachdem ich SVV aufgegeben habe bin ich in eine gewisse Krise gefallen. Warum? Sehnsucht und Vernunft bekriegen sich. Die Vernunft weiss, dass man darüber hinweg ist, weiss, dass es so besser ist. Und die Sehnsucht schaut sich regelmäßig die vern*rbten Arme an. Sie sind doch so schön. Es war doch MEINS. Es war dieses Ritual, in dem man keine Gefühle nennen musste, um ihnen Ausdruck zu verleihen. Und das soll weg sein? HILFE!
      Wenn man sich aber ein wenig damit ausseinandergesetzt hat, die Sehnsucht analystischer und Objektiver betrachtet bemerkt man, dass sie ein gesteurtes Verlangen ist. Und kein Mensch will gesteuert verlangen, das ist es doch was uns intelligent macht und von den tieren unterscheidet. Und man bemerk, dass man ohne Verlangen freier lebt, sich der Geist besser entfalten kann.
      Soviel zu Punkt 1.

      Nun zu Punkt 2. Was wäre, wenn meine Depressionen, mein Angstsyndrom, einfach "weg" wären? Hm...
      Es ist paradox, wenn man doch die ganze Zeit auf die Heilung hinarbeitet, sich aber nichtmal im klaren darüber ist, was danach ist. :rolleyes:
      Ich glaube, ich würde freier leben, würde selbstbewusster sein und keine Zeit mit meiner "Krankheit" verschwenden, sondern _leben_ .

      Allerdings bestünde Anfangs die Angst vor dem unbekannten. "Der Mensch ist ein Gewohnheitstier", und meiner Meinung nach ist das in diesem Punkt nicht anders. Ein befreites Denken und Handeln machte mir, wenn man es selbstreflektierend betrachtet, eindeutig Angst.

      Allerdings soltle man sich Zeit geben. Zum umgewöhnen. Und in dieser Zeit auch ein wenig Distanz zum alten, "kranken" Leben wahren, ansonsten wäre man glaube ich überfordert.


      Huch, ist das viel und wirr. :rolleyes:
      Ich hoffe, mein Standpunkt kam ansatzweise zur Geltung.


      LG, QK
      Der Trick ist atmen,
      die Antwort einfach nicht zu fragen

      Casper - Auf und Davon
      dankeschön.

      ich bin jetzt im nachhinein sehr dankbar dafür, dass ich eben nicht den weg des geringsten widerstandes gegangen bin sondern für mich und für mein leben gekämpft habe und immer noch kämpfe, wenn ich einen rückfall hatte...

      das ist manchmal sehr anstrengend und nervenaufreibend, aber es lohnt sich immer, ein positives leben anzustreben -- wir leben nunmal auf dieser welt und wir werden dieses leben auch nur einmal leben... es wäre falsch, dieses kostbare leben fremdbestimmt zu lassen...
      im endeffekt liegt es an uns selbst, welches leben wir leben...

      gott, es fällt mir hier immer schwer die richtigen worte zu finden, weil ich angst habe, jemanden vor den kopf zu stoßen...

      ich hab mal einen sehr weisen satz gelesen:
      "Wenn du ein Problem hast, hast du zwei Möglichkeiten, zu reagieren: entweder löst du es, oder du änderst deine Einstellung dazu."

      Damit meine ich jetzt nicht, wer v*rg*w*lt*gt wurde, soll das jetzt toll finden.
      Aber es meint halt: wenn in meiner vergangenheit etwas schlimmes passiert ist, dass ich nicht lösen oder ändern kann, dann muss ich eben meine einstellung zu dem problem ändern...Im sinne von: Ich denke nicht mehr, dass dieses Problem mich auffrisst, mein Leben für immer hinüber ist, die Angstzustände ein normales Leben unmöglich machen...
      Sondern ich denke mir: Da ist etwas passiert, was sehr schlimm war. Aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und es ändern. Also versuche ich zu verarbeiten, was dort gelaufen ist, das hat aber ab sofort keinen einfluss mehr auf mein jetziges und mein zukünftiges leben. Ich lasse mein Leben davon nicht zerstören und ich werde ab sofort alles dafür tun, dass soetwas schlimmes mir nicht mehr wieder passieren wird....


      ganz ehrlich, ich hab wirklich angst, dass das jetzt falsch rüberkommt...Ich bringe dieses beispiel nicht um hier jemanden das gefühl zu vermitteln, dass man schlimme dinge einfach so hinnehmen muss... ich schrieb es um Mut zu machen, dass eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen.
      Auch wenn es schwierig und schmerzvoll sein kann.
      Das Resultat ist es wert.
      Ich bin ein Teil des Teils der anfangs alles war.
      Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar.
      Ein Teil der alten Mutter Nacht, der nun den Raum
      den Rang ihr streitig macht...
      @Engel der Nacht
      Ich finde den Satz "Wenn du ein Problem hast, hast du zwei Möglichkeiten, zu reagieren: entweder löst du es, oder du änderst deine Einstellung dazu." sehr schön.
      Den werde ich mir merken :)

      Nur das ist eben das, was dieser Thread eigentlich meint.... dass man es eben oft nicht kann, weil man durch seine Krankheit auch einen Gewinn hat.
      "Auschwitz beginnt da, wo einer im Schlachthaus steht
      und denkt, es sind ja nur Tiere."

      Theodor W. Adorno
      da hast du vollkommen recht feejaa... weißt du, manchmal wünsche ich mir, ich könnte anderen diese last abnehmen...
      Ich bin ein Teil des Teils der anfangs alles war.
      Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar.
      Ein Teil der alten Mutter Nacht, der nun den Raum
      den Rang ihr streitig macht...
      Original von Engel-der-Nacht
      "Wenn du ein Problem hast, hast du zwei Möglichkeiten, zu reagieren: entweder löst du es, oder du änderst deine Einstellung dazu."

      Damit meine ich jetzt nicht, wer v*rg*w*lt*gt wurde, soll das jetzt toll finden.
      Aber es meint halt: wenn in meiner vergangenheit etwas schlimmes passiert ist, dass ich nicht lösen oder ändern kann, dann muss ich eben meine einstellung zu dem problem ändern...Im sinne von: Ich denke nicht mehr, dass dieses Problem mich auffrisst, mein Leben für immer hinüber ist, die Angstzustände ein normales Leben unmöglich machen...
      Sondern ich denke mir: Da ist etwas passiert, was sehr schlimm war. Aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und es ändern. Also versuche ich zu verarbeiten, was dort gelaufen ist, das hat aber ab sofort keinen einfluss mehr auf mein jetziges und mein zukünftiges leben. Ich lasse mein Leben davon nicht zerstören und ich werde ab sofort alles dafür tun, dass soetwas schlimmes mir nicht mehr wieder passieren wird....


      Gut, dass du es geschrieben hast.
      Ich finde, diese Wort sind ein Volltreffer!




      Aber ich möchte den Thread doch noch in eine etwas andere Richtung lenken. Ich möchte nicht bei diesem Spekulieren verbleiben, sondern wirklich sammeln, was euch eure Krankheit neben dem Leid gebracht hat.
      Jeder zieht einen Nutzen aus seiner Krankheit. Niemand leidet nur an seiner Krankheit. Wenn wir ehrlich sind - irgendwo lieben wir doch alle unsere Krankheit, so sehr wir auch darunter leiden, oder nicht? Ich denke, es gibt wirklich ganz konkrete Dinge, die uns die Krankheit bringt.
      Wer depressiv ist, muss nicht zur Arbeit gehen.
      Wer sich selbst verletzt, bekommt Aufmerksamkeit, man sorgt sich um ihn.
      Wer Phobiker ist, kann sich vor Situationen "drücken", die ihm unangenehm sind.

      Das ist nun reichlich provokant, ich weiß. Natürlich macht es niemandem Spaß, krank zu sein. Natürlich bringt das viel Leid mit sich.
      Aber gleichzeitig zieht man auch seinen Nutzen daraus.
      Nach langem Überlegen möchte ich exemplarisch schreiben, was mir meine Krankheit gebracht hat:

      + wenn ich in der Klinik einen Rückfall hatte, sorgte sich jemand um mich, verarztete meine Wunden. Auf der einen Seite hasste ich es - auf der anderen Seite mochte ich es.
      + ich durfte "schwach" sein, durfte jammern, man hat mich getröstet und mir liebe Worte geschenkt. Ich hab lange und viel gejammert und es war irgendwie auch schön und befriedigend zu spüren, dass jemand da ist, der mich tröstet (was ich ohne Krankheit so viel nicht gehabt hätte).
      + wenn ich krank war, durfte ich um Hilfe bitten. Wäre ich gesund gewesen, wäre das nicht gegangen. Es war also auch ein Weg, um Hilfe zu suchen.
      + ich konnte mich (reichlich arrogant) von anderen abgrenzen. ("Ihr würdet das ja doch nie verstehen. Und erst recht niemals aushalten.")
      + ich konnte mich davor drücken, meiner Mutter die Meinung zu sagen, sondern konnte es ihr immer wieder durch meine Verletzungen auf indirektem Wege sagen - was definitiv einfacher war.
      + ich hatte eine Art "Sonderstellung". Ich war das arme Dinge, das krank war, auf das man ein wenig Rücksicht nehmen musste.
      + ich durfte wochenlang in der Schule wegen der Klinik fehlen und musste die Arbeiten nicht mitschreiben. Zwar durfte ich danach alles nachlernen - aber es war doch toll, so lange "Ferien" zu haben.

      und so weiter und so fort.
      Nur wenn ich krank war, kümmerte man sich um mich und ich bekam das, was ich all die Jahre so sehr vermisst hatte.

      Mittlerweile bin ich gewachsen. Ich denke, ich brauche meine Krankheit nicht mehr so sehr, wie früher. Es gibt vielleicht noch ein paar Punkte, die ich (noch) nicht loslassen kann.. Aber es ist wichtig für mich zu erkennen, welchen konkreten Nutzen ich daraus gezogen habe. Nur so kann ich es langsam loslassen und neue Wege finden. So lange man seine Krankheit zu sehr liebt und braucht, und so lange man sich das nicht bewusst macht - so lange bleibt man m.E. krank, da man gegen seine Gesundheit ankämpft.


      Und nun nochmal: was bringt euch eure Krankheit? Natürlich leidet man auch darunter - aber sprechen wir doch mal ganz offen aus, welchen Nutzen wir daraus ziehen/gezogen haben.
      um noch einen grund hinzuzufügen, der mich damals auch daran hat festhalten lassen: es ist auch eine möglichkeit, andere zu erpressen.

      das klingt extrem mies, ist aber eine möglichkeit um den eigenen willen durchzusetzen...entweder du machst dies und jenes oder ich tu mir weh.

      sich auch diese erkenntnis einzugestehen ist hart, aber es gehört eben auch dazu...

      ich fühl mich heute noch mies, wenn ich zum beispiel in so ein muster zurückfalle... es ist ja auch extrem unfair dem anderen gegenüber... aber ich wusste mir manchmal auch nicht anders zu helfen...

      *sich schäm*
      Ich bin ein Teil des Teils der anfangs alles war.
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      den Rang ihr streitig macht...
      Schäm dich nicht, Engel.
      Ich habe gerade Respekt vor dir, dass du das so offen geschrieben hast :).
      Ich finde, man kann sich schämen, wenn man sich nicht eingestehen möchte, dass es ein Erpressungsversuch ist. Wenn man sich das aber bewusst gemacht hat und es versucht, nicht mehr zu tun, zeugt das m.E. von Stärke.


      edit: was mir gerade einfällt..
      nicht direkt erpressen, aber auch nicht gerade nett. ich hab früher manchmal jemandem eins "reingewürgt", indem ich einfach nicht mehr geantwortet hab. indem ich einfach geschwiegen hab. ich glaube, das war manchmal für meinen gegenüber schlimmer als jede beschimpfung :rolleyes:... eine art von passiver aggression.
      nie wieder.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Ch'aska Quyllur“ ()

      Schöne Beiträge wie ich finde.

      Ich musste auf einmal an Hermann Hesse denken und zitiere wie folgt :

      Zitatanfang:
      Aus einem Brief 1931:

      Das Leben ist sinnlos, grausam, dumm und dennoch prachtvoll – es macht sich nicht über den Menschen lustig (denn dazu gehört Geist), aber es kümmert sich um den Menschen nicht mehr als um den Regenwurm. Daß ausgerechnet der Mensch eine Laune und ein grausames Spiel der Natur sei, ist ein Irrtum, den der Mensch sich erfindet, weil er sich zu wichtig nimmt. Wir müssen erst sehen, dass wir Menschen es keineswegs schwerer haben als jeder Vogel und jede Ameise, sondern eher leichter und schöner. Wir müssen die Grausamkeit des Lebens und die Unentrinnbarkeit des Todes erst in uns aufnehmen, nicht durch Jammern, sondern durch Auskosten dieser Verzweiflung. Erst dann, wenn man die ganze Scheußlichkeit der Sinnlosigkeit der Natur in sich aufgenommen hat, kann man beginnen, sich dieser rohen Sinnlosigkeit gegenüberzustellen und sie zu einem Sinn zu zwingen. Es ist das Höchste, wozu der Mensch fähig ist, und es ist das Einzige, wozu er fähig ist. Alles andre macht das Vieh besser.

      Tragen Sie das Leid, kosten Sie die Verzweiflung, aber lernen Sie das Nichtverstehen, das Leid, die Sinnlosigkeit als Vorbedingung für alles erkennen, was der Mensch wert sein kann. Wie Sie nachher Ihren Glauben formulieren, ob christlich oder sonstwie, ist einerlei. Es gibt keine andern Götter, als die der Mensch sich macht. Es gibt ja auch keine andern Regierungen, Gesetze und Moralen, als die der Mensch sich macht. Das tun die Völker im großen, und das tut jeder Einzelne im kleinen. Er gibt dem Sinnlosen einen Sinn, er stellt seine Ahnung, sein Bedürfnis nach Sinn dem Chaos entgegen, und lernt leben, als gebe es einen Gott und als habe das Ganze einen Sinn. Mehr ist nicht vonnöten, um leben zu können.

      Daß die meisten Menschen, auch die jungen, sich meistens diese Frage gar nicht stellen, ist wieder eine andere Sache. Für die meisten ist die Sinnlosigkeit gar kein Leid, sowenig wie für den Regenwurm. Aber eben die Wenigen, die vom Leid ergriffen werden und nach dem Sinn zu suchen beginnen, machen den Sinn der Menschheit aus.

      Zitatende !
      ""Was wäre, wenn du morgen plötzlich gesund wärst?""

      Diese Frage werden sich sehr, sehr, sehr viele entsprechende Menschen eines Tages stellen, denn ich habe noch keine Oma(Oma = über 45-jährig) , noch keinen Opa mit frischen Nar*en gesehen.
      auch wenn ich den ansatz des threads sehr gut verstehen kann und es für einige sicher hilfreich wäre, sich mal mit dieser fragestellung auseinander zu setzen, fällt es mir gerad ein wenig schwer das auch hier in diesem kontext gut zu finden. für mich hat das ein bißchen den charakter einer therapeutischen sitzung, obwohl wir hier alle keine therapeuten sind ?( und ich glaube, die gefahr, dass der thread früher oder später inhaltlich sehr allgemein wird, ist ziemlich groß, oder?

      sorry wenn ich damit so in das gespräch reinplatze.

      grüße
      norsk_pike

      ausgeflogen.
      das ist lieb chatnoir...

      @norsk
      gegenfrage: muss man sich nicht erst über ein problem bewusst werden um es zu lösen?
      ich sehe das so: ich kann erst dann ein problem angehen wenn ich weiß was das problem eigentlich ist.
      und wenn ich mir eingestehe, was das problem ist und warum ich bisher nichts dagegen getan habe (z.b. eben weil ich daraus vorteile ziehe) kann ich auch dagegen angehen...

      deswegen finde ich diesen thread eigentlich ziemlich gut und auch die fragestellung sehr sinnvoll, wie du bereits sagtest: es wäre für einige sicher hilfreich sich mal mit dieser fragestellung auseinanderzusetzen.

      diese fragestellung wird die dinge nicht schlimmer machen und wenn auch nur einer anfängt sich gedanken zu machen und ehrlich zu sich selbst ist und auf diese weise weiterkommt in seinem "heilungsprozess", dann ist dieser thread gold wert.
      Ich bin ein Teil des Teils der anfangs alles war.
      Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar.
      Ein Teil der alten Mutter Nacht, der nun den Raum
      den Rang ihr streitig macht...
      @norsk_pike
      Ich kann deine Bedenken verstehen und finde deinen Einwand gut. Es ist wichtig, zu überlegen, ob ein Thread schon zu sehr in die therapeutische Richtung geht oder nicht.

      In wiefern geschieht das denn bei diesem Thread? Was geht deiner Meinung nach zu weit in die therapeutische Richtung?

      Und wieso wäre es so schlimm, wenn der Thread zu allgemein wird? Ich finde die bisherigen Antworten sehr gut und sinnvoll - jeder "Erfahrungsbericht" wie auch andere Gedanken dazu (z.B. von Fremdes-Ich oder quarantänekind).

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Ch'aska Quyllur“ ()

      Wollte eigentlich was ganz anderes schreiben, doch beim Schreiben habe ich mir überlegt, dass ich diesen Thread eigentlich von der Idee her zu gut finde, um über den Sinn zu diskutieren (wobei ich den Einwand von Norsk- pike ok finde)

      Deswegen schreibe ich einfach mal, was meine Krankheit früher für einen Sinn für mich hatte:

      - Ich durfte mal Pause machen, musste nicht mehr nur funktionieren und perfekt sein

      Viele Grüße
      Feejaa
      "Auschwitz beginnt da, wo einer im Schlachthaus steht
      und denkt, es sind ja nur Tiere."

      Theodor W. Adorno
      "Was würde euch fehlen, wenn ihr plötzlich gesund wärt?"

      Sucht kommt von Suchen und bedeutet immer Aktivität.
      Wer sucht, der handelt.

      Wer gefunden hat, braucht nicht mehr suchen, nicht mehr handeln.

      Würde also nichts fehlen, würde nicht mehr gehandelt, wenn man (sich) endlich (selbst) gefunden hat ? !

      Für mich heisst das Endziel dann Glück und Wohlbefinden !
      Ich finde den Thread sehr interessant. Vielen Dank an ChatNoir für diesen Denkanstoß !

      Ich schreibe jetzt mal im Bezug auf meine Eßstörung und mein daraus entstandenes Übergewicht, da ich zur Zeit nicht r*tze, aber die Es bei mir auch ziemlich autoagressiv ist.

      Was ist positiv an meiner Krankheit ? Was bringt sie mir ?

      - ich darf scheitern, ich darf mit den Dingen nicht zurecht kommen
      - ich werde gesehen, und zwar wirklich gesehen. Man kann mich nicht mehr einfach so bei Seite schieben. Ich gehe nicht in der Masse unter.
      - Ich bekomme Zuwendung, Aufmerksamkeit,Hilfe bzw man regelt vieles für mich, was ich nicht selbst machen möchte
      - ich kann für sämtliche Fehler bzw Schwächen mein Äußeres verantwortlich machen und muß mich nicht mit mir auseinandersetzen
      - ich darf mich unlogisch/für andere nicht nachvollziehbar verhalten, undurchsichtig sein
      - ich darf unfair und aggressiv sein
      - ich konzentriere mich ganz auf mich selbst, lebe meine Bedürfnisse aus, unabhängig von dem, was andere darüber denken

      Was für eine Liste...kein Wunder, dass ich meine Eßstörung noch so sehr pflege.
      Zum Thema "Die Vergangenheit loslassen" fällt mir noch ein, dass ich mich oft aus Beziehungen nur lösen kann, indem ich andere vor den Kopf stoße, und wehe, jemand hat mich verl*tzt, den strafe ich dann mit verbalen Schl*gen unter die Gürtellinie oder totalem Ignorieren. Ich hatte immer das Gefühl, mich nicht anders lösen zu können, nicht gehen zu können, wenn ich das wollte. Die Folge davon war, dass mich die Grenzüberschreitungen in diesen Beziehungen noch sehr lange verfolgt und wütend gemacht haben.

      Erst kürzlich konnte ich mich aus der "Beziehung" zu meiner Therapeutin lösen, in der ziemlich massive Grenzüberschreitungen stattgefunden haben, ohne dabei unfair zu werden, was für mich ein echter Fortschritt ist. Und ich merke, wie viel leichter es mir fällt, diese Zeit ruhen zu lassen und nicht bei jeder denkbaren Gelegenheit auf ihr herumzuhacken. Das tut mir sehr gut, weil ich endlich einmal für das eintreten konnte, was ich wirklich wollte, und nicht wieder einen Rückzieher gemacht habe.
      So, das wars es für's Erste, aber ich werde den Thread mit Sicherheit weiter verfolgen und gegebenenfalls noch mal hier schreiben.

      lg, Prue
      Die Dämmerung ist die Grenze, hier machen viele kehrt.Das Dunkel birgt Gefahr, wer weitergeht bleibt nicht unversehrt.
      (Aus : "Die Nacht" von den Ärzten)

      Es wird dann anders, wenn Sie es wagen, es anders zu machen. (aus dem Film "Machuca, mein Freund")
      Ich gebe zu, ich habe jetzt nicht alle Beiträge Wort für Wort gelesen, aber ich glaube um da meine persönliche Meinung zu dem Thema zu schreiben brauche ich das auch nicht.
      Ich habe mir diese Frage sehr oft gestellt. Vor Allem n den letzten zwei Jahren. Einfach, weil ich überlegt habe, was positiv daran ist, wenn ich meine "Krankheit" annehme.

      Mir hat die Selbstverletzung natürlich auch geholfen um Aufmerksamkeit zu bekommen. Manchmal wollte ich das zwar nicht, aber manchmal war es eben auch angenehm. Außerdem konnte ich dadurch anderen Leuten (vor allem meiner Mutter) zeigen, dass es mir schlecht geht ohne jemals ein Wort darüber gesprochen zu haben.
      Es war eine Art Machtgefühl, dass ich sonst so nie hatte. Ich hab dadurch (vll unbewusst) andere in eine Opferrolle gedrängt. Einfach in die Rolle, in der ich so lange war. Ich habe sie hilflos und machtlos gemacht, weil ich die Entscheidung hatte, dass ich mich verletze und sie nichts daran ändern konnten.
      Genauso war es mit der ES. Ich konnte kotzen oder nichts essen und sie haben keinen Einfluss darauf gehabt. Es war im Prinzip die einzige Möglichkeit für mich über meinen Körper zu bestimmen. Zum ersten Mal hatte ich die Macht und nicht jemand anderes.

      Außerdem konnte ich dadurch Gefühle von mir fernhalten. Sobald es unangenehm wurde, sobald Gefühle oder Gedanken auftauchten, die nicht sein durften konnte ich sie damit verscheuchen. Es war einfach. Es war in dem Moment der leichteste Weg und für mich da auch die einzige richtige Lösung, weil ich keine andere kannte.
      Ich konnte nicht sprechen. Ich weiß nicht, ob ich es irgendwann mal versucht hatte und niemand zugehört hatte, aber solche Zeichen sagen eben manchmal mehr als 1000 Worte.
      Dadurch konnte man sagen, sieh mich an, ich bin schwach, ich bin verletzlich. Du darfst mir nicht soviel zumuten. Ich kann nicht.

      Ich möchte auch noch ein Beispiel schreiben.
      Letztes Jahr hatte ich in kurzer Zeit viel abgenommen. Ich hatte die Diagnosekriterien von Magersucht erfüllt. Ich wollte da nie wieder hin. Ich wollte nie wieder so dünn werden und war es davor auch lange nicht mehr. Ich hatte gegessen, nicht erbrochen und trotzdem habe ich weiter abgenommen. Und es hat sich herausgestellt, dass da wohl jemand von uns sagen wollte "Sieh mich endlich an. Mir geht es schlecht. Ich brauche auch Aufmerksamkeit"
      Und indirekt hat diese Person ja auch die Aufmerksamkeit der Therapeuten bekommen, weil sie sich eben Sorgen gemacht haben. Und ich muss zugeben, dass es ein angenehmes Gefühl sein kann, wenn sich jemand Sorgen macht. Wenn man einfach fühlt, dass man jemandem nicht egal ist.

      Letztendlich war diese Krankheit (oder ist sie zum Teil immer noch) wichtig für mich und auch wichtig für meine Entwicklung, weil ich sonst nie so geworden wäre wie ich bin und ich dadurch gelernt habe, dass ich stark bin und dass ich vieles schaffen kann.
      Ganz losgelassen habe ich sie noch nicht. Ich glaube, das dauert auch noch etwas, bis ich (und alle hier) vollkommen symptomfrei sind, aber ich weiß jetzt - dank diesen Jahren mit SvV und Essstörungen - dass ich auch das irgendwann erreichen kann.

      Und ich glaube, was am meisten fehlen würde, wäre einfach diese Regelmäßigkeit und das Gewohnte. Ich hätte so viel Zeit, weil ich mich nicht mehr damit beschäftigen müsste jeden Tag zu kämpfen um nicht wieder in meine Symptome zurückzufallen.


      Sry, ist glaub ich ein bisschen durcheinander geworden, aber ich hoffe man versteht was ich meine.


      Lg
      Zwerg



      edit:
      Was mir noch eingefallen ist.
      Wenn ich morgen plötzlich ganz gesund wäre, würde das auch bedeuten, dass ich alleine im Körper wäre. Dass ich mich nicht mehr mit der Frage rumquälen müsste, wie eingenständig diese Anteile sind und wie ich langsam eine Kommunikation aufbauen kann. Außerdem kann es manchmal ganz angenehm sein Verantwortung abgeben zu können (vll nicht ganz fair, aber manchmal passiert das ja einfach so). Und ich glaube, sie würden mir sogar fehlen. Die Diskussionen und alles.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „qítóu-bìngjìn“ ()