Meine Geschichte.

      Meine Geschichte.

      Ich war damals noch ein kleiner Junge, wir lebten in einem kleinen Dorf nahe der Stadt in der ich heute lebe. Wir hatten ein altes, renoviertes Haus, das nichtsdestotrotz die Geister seiner früheren Besitzer nie aufzugeben schien. Dieses Haus gehört meiner Familie auch heute noch. Es gab eine kleine Küche, ein Wohnzimmer... Mein Zimmer, das Zimmer meiner Eltern, mein späteres Zimmer im Dachgeschoss, den kleinen Raum mit der - wie sie in meiner Erinnerung brennt - langen endlosen und steilen Treppe,... Es gab den Dachboden... Ein ganz normales Haus. In das eine ganz gewöhnliche Familie einzog. Zumindest schien sie das gewesen zu sein, vor dem Umzug. Meine Mutter war bereits seit meiner Geburt sehr starkem Druck ausgesetzt; sowohl wegen der ungewohnten neuen elterlichen Verpflichtungen, als aber auch wegen ihrer neuen Arbeit als angehende Lehrerin. Viel Arbeit, viel Kummer und viele Sorgen und keine Zeit sich zu erholen. Irgendetwas hat das und vlt auch noch anderes, das nicht Teil dieser Geschichte ist, denn das ist meine Geschichte und meine Geschichte ist nie wieder die Geschichte meiner Mutter, in ihr damals verändert. Sie weinte. Ich sah sie weinen. Immer öfter. So wie ich in diesem Augenblick. Ich sehe sie heute noch in meinen Träumen. Ich höre sie jetzt noch in manch kalten, dunklen Nächten mit meinem Vater schreien. Ich habe nie verstanden, was damals vor sich ging.

      Die Tür wurde augerissen. Ich spüre wenn ich nur daran denke, wie sich alle einzelnen Faser in meinen Armen und Beinen zusammenziehen. Mir wird entsetzlich heiß. Tränen, Tränen... Seufzer, Schluchzer, erhöhte Atmung, geschwollene Augen, mit Aufregung und Ärger versetzter Atem. "Come. We must leave. You will never see your father again."

      Später sagte ich oft zu ihr: You are tearing us apart. Erst heute kann ich einschätzen, wie recht ich damit hatte. Ich habe heute Abend beschlossen, dass es nach so vielen Jahren endlich an der Zeit ist, meine Geschichte zu erzählen.

      ... und so geschah es. Sie riss mich bei der Hand und zog mich unter endlosem Gestammel und Gejammer aus meinem Bett. Griff die nötigsten Kleider zusammen und brachte mich ins Auto. Nein, das ist eine Lüge. Ich muss aufpassen, dass ich ehrlich bin, denn obwohl es das erste Mal ist, dass ich meine Geschichte offenlege, will ich sie dennoch so ernsthaft niederschreiben, wie es mir nur möglich ist. Sie stellte mich vor eine Wahl. Eine Wahl, vor die kein Kind dieser Welt gestellt werden sollte. Die Wahl zwischen Vater oder Mutter... Zwischen Schutz und Abhängigkeit, zwischen Rationalität, Sorge und Spiel. Ich war doch nur ein Kind! Ich stieg ins Auto. Vater rannte nach oben in sein Zimmer. Die Tür schlug zu. Ein Geräusch, das ich auch heute noch mit Entsetzen wahrnehme. Denn ich weiss nun, wie er sich fühlte und durch welche Hölle er gegangen ist, währendem meine Mutter Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat mehr in den Tiefen einer dunklen Welt versank, die auch ich späterhin grosszügig erforschen und kennenlernen durfte. Wir verschwanden und liessen Vater alleine. Ich flehte sie an, ich weinte nur noch stille Tränen, denn Geschrei und Geschluchze hatte ich zur genüge erlebt... Nein, ich würde nicht mehr schreien oder jammern. Ich weinte... Und flehte.

      "I don't wanna leave daddy. I don't wanna leave home. I don't wanna go. Please!"

      Manchmal reagierte sie und wir machten Kehrt. Doch meistens fuhr sie weiter. Spazieren auf Felder und Wiesen, in Wälder, fern ab von Städten und Dörfern. Es gab nichts dort, zwischen mir und ihrer dunklen, einsamen, schrecklichen, traurigen, bitteren Welt aus Angst und Tränen. Sie entführte mich an die dunkelsten Orte, doch wollte sie mich nur schützen, vor der einzigen Person auf dieser Welt, vor der ich nie Schutz brauchen werde. Vor einem liebevollen, bodenständigen Menschen, der sich nur um unser Wohl gesorgt hat und stets sorgt und als Dank nur Frust und Kummer ernen konnte.

      Oft fuhren wir danach zu Oma.

      "Go back to your husband, dear, he's worried about you and the child. You left him alone. I beg you! Keep your sanity."

      Dann war das Schauermärchen vorüber. Ich durfte nach Hause. Die Dunkelheit zog davon. Vater und Mutter versöhnten sich, oder auch nicht. Ich lebte wie zuvor weiter.

      Bis es zum nächsten Zwischenfall kam. Und zum nächsten und zum nächsten... Bis endlich vier lange Jahre vorübergezogen waren. Was dann geschah, weiss ich nicht. Ich weiss nur noch eines, Mutter erholte sich. Vater erklärte mir, dass es sich bei ihr um eine Krankheit handele. Depression. Ich wusste natürlich nicht, was das bedeuten würde, aber ich wusste, dass es schrecklich war.

      Es kehrte Ruhe ein, für lange Zeit. Medikamente verbrachten dies Wunderwerk, wie ich heute weiss und Vater und Mutter stritten immer seltener und immer weniger heftig. Ich weiss noch, wie erleichtert ich war. Die dunkle Welt war fort. Für immer, dachte ich.

      3 Jahre später wurde meine Bruder geboren. Wir schreiben das Jahr 1997. Winter. Es ist der 23te Dezember. Ich weiss noch, dass ich bei Oma im Wohnzimmer saß. Ab und zu warf ich gespannte Blicke aus dem Fenster. Ab und zu zog ich die dicken, schweren, gelben Vorhänge ihrer Vordertür bei Seite. Oma las Zeitung in der Küche.

      Es hiess, es würde mein Bruder werden. Ich freute mich. Und es begannen glückseeliger Tage. Der Schatten der auf meiner Kindheit lag, geriet in Vergessenheit, die Jahre voller Angst und Geschrei, voller Gewalt und Tränen, Jahre die der Geschichte meiner Eltern mehr noch anghören, als der meinigen. Doch mit ihm, verliess mich bis auf den heutigen Tag auch jede andere Erinnerung an meine Kindheit. Die Dinge, die ich weiss, weiss ich durch Psychoanalyse, Fotos, Filme, Aufzeichnungen, Erzählungen.

      Dezember 2001. 4 Jahre später. Ich fühlte mich schwächer, Tag für Tag wurde es schlimmer. Ich schlief und es schien endloser unruhiger fiebriger Schlaf zu sein. Ich konnte nicht aufstehen, konnte keine Treppen steigen. Der Arzt meinte es wäre nicht schlimm und ich wäre bald wieder auf den Beinen. Dem war nicht so. Ich verlor meine Freunde, ich verlor den Bezug zur Realität. Vater lass mir jeden Abend Bücher vor. Denn ich selbst war zu Müde zum lesen. Doch mit meinem Zustand, wankte auch jener meiner Mutter eben zu dieser Zeit wieder. Längst nicht so schlimm wie in früheren Tagen, doch sie weinte wieder. Ich hatte Angst. Der bedrohliche Schatten der mich nur noch in Form von Träumen aufgesucht hatte kehrte zurück. Ich sollte keinen Frieden finden, denn die Rechnung mit der Vergangenheit (fate) war noch offen.

      Der Arzt fand schlussendlich eine Diagnose. Es gab keinerlei Medikation, ausser fiebersenkende Mittel und Vitaminen, all jenes, das den Antrieb steigern könnte. Mit meiner verbliebenen Kraft ging ich ab und zu zur Schule. überraschenderweise war ich wie eh und je immer noch unterfordert und schrieb immer noch wie früher nur gute Noten. Das beruhigte meine Eltern ein wenig. Die Krankheit war nach ca. 6 Monaten zu Ende. Die letzten Ausläufer dauerten ein ganzes Jahr an, doch körperlich schien wieder alles stabil zu werden.

      Doch zu jener Zeit, in jenen Monaten voller Einsamkeit, gab es Vorfälle, die mich meiner Kindheit gedenken liessen. Meine Mutter nahm meinen Bruder mit... Mit spazieren. Ein einziges Mal hat sie es wieder genau so wie früher versucht... Hass spornte mich in jenen Tagen an... Und ich stellte sie zur Rede. Ich brach das ungeschriebene Gesetz. Sie nahm meinen Bruder nie wieder mit. Es war das erste Mal, dass ich mich gegen sie stellte. Vater kam mir zur Seite. Das Muster brach. Die Depression brach aus.

      Hätte ich dies damals nicht getan, wäre vlt alles anders verlaufen, aber ganz sicher nicht mit dem Resultat, das ich durch die letzten 6 Jahre erreicht habe. In diesen Jahren gab es weitere Zwischenfälle. Ich wurde überfallen, oft alleine gelassen und fand keine Liebe mehr unter Menschen. Es gab auch einen weiteren Zwischenfall, der mich die Welt der Männer für lange Zeit fürchten gelehrt hat. Verängstigt vor Mädchen und Jungen gleichermassen fand ich wenig Hilfe und Trost... Doch all dies ist vorbei. Ich lebe wieder. Es ist der erste September seit 3 Jahren, dass ich wieder zur Schule gehe und noch kein einziges Mal seit Schulbeginn (19ter September) gefehlt habe. Emotionaler Status stabil. Sozialer Status hervorragend.

      Ich habe gelernt, dass DU selbst am Ende aller Dinge, immer noch bloss ein Mensch von 6 Milliarden bist und stets nur alleine vor DIR SELBST stehst. Ich habe gelernt, Lichter anzuzünden, wo alles Licht sich verloren hat. Und ich habe gelernt mich nicht von anderen abhängig zu machen. Ich lebe... Auf die Gefahr hin, dass das keiner versteht, weine ich, weine und weine, wenn ich daran denke, doch es sind keine Tränen des Leids mehr, sondern jene des Glücks. Seid dankbar, dass ihr am Leben seid... Erschafft euch jene Paläste die ihr euch zu haben wünscht, so gut es nur möglich ist, glaubt an eure eigene Kraft und verlasst euch auf euch selbst. Oder ihr könnt gleich den Tod wählen. Verbleibt nicht in den Schatten der Dunkelheit...

      Ich danke jedem, der meine Geschichte zu Ende gelesen hat...
      You can see he's a beautiful boy and everything around him is a silver pool of light.
      The people who surround him feel the benefit of it.
      I feel like walking the world.
      (Katie Tunstall-Suddenly I see.)

      Ech sin total verrëckt, dat as den Problem.
      Ech wollt mech och nach eng Kéier bei den Leit dofir entschellegen.
      Ech wees, dass kaum een dat versteet, mee et as awer esou.
      Dann musst der ierch eben en aneren sichen!
      Hallo Sebastian :)

      Zum einen freut es mich sehr dass du dich mal wieder hier im Forum meldest, zum anderen bin ich wahnsinnig stolz auf dich! Ich weiß dass du Probleme hast über deine Erfahrungen zu reden und dass dich dieser Beitrag einiges an Überwindung gekostet haben muss.

      Ich finde deine Geschichte sehr traurig, ich weiß aus eigener Erfahrung wie belastend so etwas sein kann und auch wenn es immer schwer war bei dir, du deinen _Schaden_davon getragen hast, lieber Sebastian, bist du ein WAHNSINNS-Mensch geworden. Du hast so viel aushalten müssen und doch hat dich das Ganze ( auf einer Seite ) eher positiv geprägt, du bist sehr reif und bist wahnsinnig gutherzig.
      Ausserdem bist du ein kleiner Krieger, du hast dich angefangen zu wehren, du lässt nichjt alles mit dir machen,lässt dichu nicht von deinen Problemen auffressen und das bewundere ich _so_ an dir, du stehst einfach immer auf, du hast viel gelernt und mich beruhigt dein Eintrag sehr..du wirst sie alle schaffen =)

      Hab dich sehr lieb du :)
      Hallo lieber Sebastian,

      ich sags jetz einfach mal kurz. Ich finds wahnsinnig toll und einfach super, daß Du Dein Leben jetzt selbst in die Hand nehmen kannst, glaub mir, so stark und tapfer sind nicht viele. Und ich finds toll, daß Du hier schreibst, um anderen damit zu helfen. ;) Du darfst mit Recht stolz auf Dich sein. Bleib wie Du bist und lass Dich von nichts und niemandem verbiegen! :)
      Mögen sich viele hier ein Beispiel an Deinem Kampfgeist und an Deinem starken Willen nehmen! :)

      Alles Liebe,

      Shi-ii