Chronifizierung der Eßstörung ? evtl *t*

      Chronifizierung der Eßstörung ? evtl *t*

      Hallo,

      in der letzten Stunde stand eine Neubeantragung der Therapiestunden an.
      In der Stunde davor habe ich ehrlich gesagt, wie es momentan wirklich mit dem Essen ist (Eßsucht). Ziemlich daneben, um ehrlich zu sein.

      Und dann, in der letzten Stunde, diese Aussagen, die mich ziemlich geschockt haben.
      Sie meint, sie könne das nicht weiter verantworten, das Essen außen vor zu lassen, nach dem, was ich ihr erzählt habe. Sie sagt, ich werde ein Eßtagebuch führen. Nach meinem Einwurf, das würde ja eigentlich eher der Kontrolle dienen, meinte sie, sie würde den Focus auf Eß- und Tagesstruktur richten. Ich fand es eigentlich gut...eigentlich.

      Irgendwann danach sagte sie noch, bei mir sei das (nehme an, sie meint die Eßstörung) schon recht chronifiziert.

      Ich konnte in dem Moment nichts sagen. Aber ich weiß, dass diese Therapeutin das nicht einfach so sagen würde. Ich weiß, wie sich eine schlechte Therapie anfühlt, hatte davor einen Wechsel. Aber mir macht das Angst. Weiß nicht mehr, was ich glauben soll.

      Chronifiziert ? Ja, es fällt mir schwer, regelmäßig und ausgewogen zu essen. Ja, ich gebe mein Geld hauptsächlich für Eßanfälle aus. Aber ich will einfach nicht glauben, dass es schon so weit ist.
      Es gibt erste Gegenmaßnamen. Aber jedes mal, wenn ich regelmäßig esse, dann kommen meine Zukunftsängste, und wenn es mir mal gut geht, geht es mir etwas später wieder schlecht.
      Mit dem Essen spür ich den ganzen Scheiß wenigstens nicht oder nur gedämpft.

      Aber eigentlich dachte ich, es wird besser, wenn ich nur den Rest meines Lebens in den Griff kriege. Und woher nehme ich die Kraft, mich meiner Situation zu stellen, vor der ich immer weglaufe, wenn nicht aus dem Essen ?

      Ich weiß nicht, was ich damit will. Das alles mal loswerden auf jeden Fall. Eventuell auch einen Tritt in den A**** ?
      Die Dämmerung ist die Grenze, hier machen viele kehrt.Das Dunkel birgt Gefahr, wer weitergeht bleibt nicht unversehrt.
      (Aus : "Die Nacht" von den Ärzten)

      Es wird dann anders, wenn Sie es wagen, es anders zu machen. (aus dem Film "Machuca, mein Freund")
      Hey Du,

      wieso verunsichert dich das "chronische" denn so? Es besagt doch nichts weiter, als dass du schon lange Probleme mit dem Essen hast. es hat sich doch dadurch auch an deinen Symptomen nichts geändert, oder?
      Weißt du, für die Krankenkassen bedeutet chronisch einfach, dass man seit mindestens zwei Jahren wegen derselben Sachen mindestens alle drei (oder waren es sechs?) Monate beim Arzt/Thera usw. ist.
      Laut Wikipedia bedeutet "chronisch" einen Krankheitsverlauf von mindestens vier Wochen.
      Eigentlich können einem diese ganzen diagnosen egal sein, es ist eine Fachsprache und beschreibt nur für Fachleute, was du bzw Patienten haben/fühlen/denken etc.
      Es ist also völlig unterschiedlich, was man unter "chronisch" versteht, aber das besagt doch nicht, dass es auch besser werden kann. Es ist vielleicht schwieriger als bei jemandem der erst seit ein, zwei Monaten ein gestörtes essverhalten hat, aber es ist doch möglich. Und jetzt nicht weniger als vor dem Ausspruch deiner Thera.
      Aber es ist doch gut, dass sie auch das Thema Essen anspricht, denn wenn man da nichts macht, dann kanns ja auch nicht besser werden. Und Esstagebuch ist nicht so schlimm, das kann ganz gut helfen, rauszukriegen, wann man FAs hat und Warum uznd was man anstelle der FAs machen kann.
      Es geht doch nicht darum, dass du jetzt plötzlich einfach niormal Essen sollst, sondern dass du zusammen mit deiner Thera rauskriegen sollst, was dir helfen könnte, normaler zu Essen, ohne dass das, was du befürchtest, wovor du Angst hast eintritt.

      Hoffe, ich hab dich da einigermaßen richtig verstanden.
      lg,
      persephone
      Liebe Prue,

      vielleicht ist es besser, sich nicht auf das Wort "chronisch" zu fixieren. Sieh es einfach so, dass Essen für dich ein Kompensationsmittel ist, ähnlich wie für andere Menschen Drogen oder SVV. ei diesen wird die Sucht auch nicht zwangsläufig besser, wenn sich andere Dinge ändern; man fängt in der Therapie ja meistens mit dem Verhaltenstherapeutischen an, also mit Symptomveränderung. Ich finde es einen guten Vorschlag, ein Esstagebuch zu führen, zumal du ja, wenn du ehrlich bist, auch erkennst, dass du ein Problem hast. Dein Geld kannst du für viel tollere Sachen ausgeben als für Essanfälle (sinngemäß: Drogen/Klingen, Verbandszeug, Krankenhaus usw.) und man kann seine Zeit weitaus schöner verbringen als mit Scham, Schuld und Ekel wegen der Essanfälle, geschweige denn der Zeit, die dafür draufgeht.


      Vielleicht schreibst du mal auf, welche Vorteile die Essstörung dir gibt, und welche Nachteile sie mit sich bringt. Du könntest das Geschriebene auch mit deiner Therapeutin durchsprechen, damit du vielleicht die Motivation findest, auf das Kompensationsverhalten zu verzichten bzw es vorerst durch etwas anderes zu ersetzen, z.B. Skills oder ein Hobby, funktionierende Tagesstruktur etc., Dinge, die man eigentlich bei jeder Essstörung gut gebrauchen kann :)

      Ich wünsch dir alles Gute und viel Erfolg!
      lg
      Plüsch
      Danke für eure Antworten.

      @Persephone : Für mich beinhaltet das Wort "chronisch" genau dieses : Die Eßsucht wird immer da sein, es gibt keine Hoffnung mehr. Folglich ist es egal, was ich tue oder lasse.

      Mir fällt es wirklich schwer, das so differenziert zu sehen, wie du es aufgeschrieben hast.

      Ein Teil des Problems ist wohl auch, dass ich, was Eßtagebücher betrifft, schlechte Erfahrungen habe.
      Bei meiner alten Therapeutin lief das ganze so : Sie schaute sich das Tagebuch an, sagte :"Sie essen sehr viel, und auch sehr gute Sachen !" und kommentierte einfach nur das Tagebuch, fragte nicht mal, wie es mir dabei ging oder warum ich an dem Tag so gegessen habe. Ich kam mir einfach nur vor wie jemand, der ein Protokoll des eigenen Versagens führt.

      Und zum "normal essen" : Aktuell ist es so, dass ich zwar Hobbies habe und auch Freunde, aber seit vier Jahren keine Arbeit (seit Abbruch der Schule, bin gerade dabei, herauszufinden, was für Möglichkeiten es zum Einstieg ins Arbeitsleben überhaupt gibt --> Termin bei der Rehaberatung beim Arbeitsamt). Mein Geld bekomme ich von meinen Eltern, und muß damit "meinen Haushalt führen" . Nur teile ich mir dieses Geld nicht über die Woche ein, sondern alles ist bis zum Wochenende weg und wenn ich alles "gegessen" habe, dann hab ich zu wenig Grundnahrungsmittel mehr für den Rest der Woche.

      Eßstruktur heißt eben auch (in Absprache mit meiner Therapeutin) das Geld so auszugeben, dass ich über die ganze Woche genug zu essen habe. Das bedeutet aber auch, weniger Geld für Eßanfälle zu haben...also ist schon ein gewisser Druck da, weil mir mein "Betäubungsmittel" anfängt zu fehlen.
      Und ich habe momentan auch eine Vereinbarung laufen, die unter anderem beinhaltet, dass ich frühstücke, weil sonst die Eßanfälle schon rein biologisch vorprogrammiert sind...

      Meine alte Therapeutin erklärte mir auch, dass sie von mir verlangen würde, auch mal "ein Brot weniger zu essen" um zu zeigen, dass ich bereit bin, was zu verändern.
      Vielleicht hängt die ganze Angst vor dieser Eßstruktur außer den therapeutisch vielleicht erwünschten, aber unangenehmen Gefühlen auch damit zusammen, dass von meiner jetzigen Therapeutin wieder derselbe Anspruch kommt.

      @ Plüschtier : Sorry, aber ich muß jetzt ins Bett, bin hundemüde. Werde dir aber noch antworten :-).

      lg, Prue
      Die Dämmerung ist die Grenze, hier machen viele kehrt.Das Dunkel birgt Gefahr, wer weitergeht bleibt nicht unversehrt.
      (Aus : "Die Nacht" von den Ärzten)

      Es wird dann anders, wenn Sie es wagen, es anders zu machen. (aus dem Film "Machuca, mein Freund")
      Ich habe meine Antwort noch mal durchgelesen und im letzten Absatz fiel mir folgendes auf :


      "Vielleicht hängt die ganze Angst vor dieser Eßstruktur außer den therapeutisch vielleicht erwünschten, aber unangenehmen Gefühlen auch damit zusammen, dass von meiner jetzigen Therapeutin wieder derselbe Anspruch kommt."

      Das war wohl ein freud'scher Verschreiber...es sollte eigentlich heißen : "kommen könnte" oder "es fühlt sich so an, als ob der Anspruch kommt", denn EIGENTLICH habe ich bei ihr
      auch Platz für meine Gedanken und Gefühle, was in der alten Therapie nicht umbedingt so war.

      @ Plüschtier : Eigentlich weiß ich, warum ich esse. In solchen Momenten vergesse ich es ganz gern, glaube ich...da gibt es einfach die Tendenz zu sagen :"Na und, dann esse ich halt. Es gibt Schlimmeres."
      Deinen Vorschlag finde ich gut, würde ihn auch (etwas abgewandelt) mit in die Therapie nehmen. Ne Kombination von Skills und Tagesstruktur vielleicht...
      Ich glaube, ich merke einfach, wie ich mit allen Mitteln versuche, wieder in die völlige Passivität abzurutschen. Es ist nicht nur das Essen, sondern auch andere selbstschädigende Dinge (R*tzen allerdings momentan nicht), die mir die Kraft für bestimmte wichtige Termine nehmen, die anstehen. Und wie ich es gleichzeitig in meinem Inneren nicht mehr will. Das ist extrem anstrengend....

      lg, Prue
      Die Dämmerung ist die Grenze, hier machen viele kehrt.Das Dunkel birgt Gefahr, wer weitergeht bleibt nicht unversehrt.
      (Aus : "Die Nacht" von den Ärzten)

      Es wird dann anders, wenn Sie es wagen, es anders zu machen. (aus dem Film "Machuca, mein Freund")