Nunki

      Kein Gedicht, aber eine Kurzgeschichte. Oder doch ein Gedicht? Egal...


      Sie war sich sicher, schon einmal hier gewesen zu sein. Hier sah zwar alles gleich aus, aber ein Gefühl von Vertrautheit machte sich in ihr breit. Nicht, dass sie das in irgendeiner Form beruhigt hätte...sie hatte keine Ahnung, seit wann sie sich schon in diesem verwirrenden Labyrinth von scheinbar identischen Gängen befand, die sich zwar immer wieder kreuzten und endlos lang waren, aber niemals irgendwo hinführten, aber es musste lang sein.
      Sehr lang.
      Zu lang.
      Dunkel erinnerte sie sich an die Zeit vorher und sehnte sich danach, wieder unbeschwert leben zu können, statt in diesem Wirrwarr gefangen zu sein, das ihr langsam jede Kraft raubte, aber so sehr sie auch nach einem Ausgang suchte, sie fand keinen. Ab und zu sah sie hoch oben Fenster, aber sie waren gerade so hoch, dass sie sie nur mit den Fingerspitzen berühren konnte. Sie hatte aufgegeben, sich Leitern oder Hocker bauen zu wollen; sie hatten nie lang genug gehalten, um eines der Fenster weit genug öffnen zu können, so dass sie entkommen konnte. Vorher brachen die Konstruktionen zusammen. Oder sie brach zusammen, welche Rolle spielte das schon. Immerhin gaben sie ihr trotzdem ein wenig Hoffnung, doch noch Rettung zu finden. Aber in der Dunkelheit packte sie oft die nackte Panik. Hinter jeder Ecke fürchtete sie Dämonen, und wenn sie nur lang genug hinsah, begann die Schwärze um sie herum sich zu bewegen und sie laut brüllend zu jagen. Dann rannte sie blindlinks die dunklen Gänge entlang, wie von Sinnen und unfähig, sich zu orientieren. Weg, nur weg! Aber ohne es zu merken, lief sie im Kreis, nahm manchmal neue Abzweigungen, aber auch dort gab es dunkelste Ecken voller Dämonen und so blieb ihr nur die Flucht und das warten auf die ersten kalten Sonnenstrahlen, gegen die die Dämonen keinen Bestand hatten.
      Oft lief sie stundenlang vor ihnen davon, bevor sie endlich erschöpft genug war, um schlafen zu können. Aber manchmal ließen sie auch einfach nicht von ihr ab - dann blieb ihr nurnoch ein Ausweg, denn sie wußte genau, was ihre Dämonen wollten. Was ihre Seele wollte. Ihr Seelendämon, dem sie nicht entkommen konnte, so schnell sie auch rannte. Dann ließ sie ihn schreien. Sich heiser schreien. Sich blutig schreien. Er schrie sie blutig, weil sie selbst nicht schreien konnte. Durfte. Wollte. Aber lang schrie er nie. Hatte er erst einmal seinen Willen bekommen, verschwand er wieder und sie hatte wieder die Kraft und die Konzentration, ihn zu bändigen. Zumindest eine Zeit lang. Dann sah sie, wie die Gänge langsam verschwanden und den Blick freigaben auf das, was die anderen ihr Leben nannten. Ja, sie lebte. Noch. Scheinbar. Aber sie wußte auch, dass niemand sie verstehen würde, wenn sie von der Nacht erzählte. Ihrer Nacht. Und ihren Dämonen, die sie wieder und wieder heimsuchten. So versteckte sie ihre Geschichte. Ihr Blut. Um ihre Seele zu schützen und so zu leben, wie alle anderen. Glücklich. Ausgeglichen. Ohne zu schreien. Bis es das nächste Mal dunkel wurde. Aber das würde niemand bemerken. Denn ihr Seelendämon schrie nur nachts. Stumm. Ohrenbetäubend.


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      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

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      ich falle
      mich sieht keiner
      sie stehen oben
      sehen meine fast perfekte schauspielhülle
      ich schreie
      sie sehen mich lachen
      kein halt
      ab und zu gestrüpp
      manchmal kann ich mich halten
      rutsche immer wieder ab
      scharfe felskanten
      verletzen mich
      jemand ist mit mir gefallen
      konnte ihn nicht sehen
      sie konnte sich auffangen
      mich fängt keiner
      alle sehen zu
      und sehen doch nichts
      ich darf es sie nicht sehen lassen
      meine seele gehört mir
      ich falle immer tiefer
      alles wird schwärzer
      ich heule und schreie
      alle sehen nur die fassade
      meine fassade
      sie ist gebröckelt
      aber gut repariert
      ob sie lange hält
      ich weiß es nicht
      bis zum nächsten aufprall
      eine felskante
      ich mache das beste aus meiner fassade
      breche innerlich zusammen
      schreie bis ich heiser bin
      kein ton dringt nach außen
      bin ich zu verloren
      um gerettet zu werden
      ich falle weiter
      ohne es manchmal selbst zu merken
      bis mich eine felskante trifft
      mich schmerzlich in die realität zurückdrängt
      die ich versuche zu vergessen
      ganz geht es nie
      sie ist zu real
      meine fassade steht immernoch oben
      bei den anderen
      die meinen mir zu helfen
      doch ich sehe kein rettungsseil
      kein kissen
      das meinen drohenden aufprall bremst
      lichtblicke
      nur durch vergessen
      verdrängen
      irgendwann kommt der aufprall
      jedes mal wenn ich fliegen will
      falle ich weiter
      ohne flügel
      unten werde ich tot sein
      schwer verletzt
      für immer gezeichnet
      oder weiterfallen
      in das loch ohne boden
      mit felskanten
      zu schmal
      um mich zu retten
      zu breit
      um mich nicht zu verletzen
      kann ich mich retten
      nach oben klettern
      steht dort meine lachende hülle
      neben mir
      und alle werden sich fragen
      wieso
      ich frage es mich selbst
      habe keine antwort
      muss mich zu sehr vor felskanten schützen
      bin zu sehr mit mir selbst beschäftigt
      sehe niemanden sonst
      manche verstehen nicht
      warum auch meine hülle manchmal weint
      leise
      ich falle
      ich konnte mich halten
      eine zeit lang
      sah schon die leiter nach oben
      rettung
      ich verfehlte sie
      rutschte ab
      ins bodenlose
      ich schreie und heule
      in mir
      oben lache ich
      scheinbar
      sie glauben an mich
      an meine hülle
      hören mich nicht schreien
      bin zu tief
      so laut ich auch brülle
      nichts dringt nach oben
      meine gedanken rasen
      fiebrig
      ohne ziel
      ohne perspektive
      sie zu beruhigen
      ist kaum möglich
      eine insel rettet mich
      manchmal
      nachts
      in gedanken
      damit ich schlafen kann
      ohne sie
      kein schlaf
      oder unruhig
      immer müde
      keine lust
      tränen
      schreie
      meine fassade lacht
      manchmal glaube ich ihr
      wünschte
      sie wäre real
      ist es nicht
      wird es nie sein
      ich falle
      und niemand ist da
      der mich halten könnte
      rettung
      ein schönes wort
      fern ab aller realität
      die mich stück für stück umbringt
      zerstört
      mich fallen läßt
      schreie verhallen
      ungehört
      wie auch
      wenn meine fassade lacht
      plötzlich
      unerwartet
      ohne jede vorwarnung
      netze
      zwei stück
      die mich auffangen
      kann mein glück kaum fassen
      keuche entsetzt auf
      als sie aus dem nichts erscheinen
      mir die luft aus den lungen schlagen
      und mich zum ersten mal
      atmen lassen
      tief
      wie lange nicht
      befreit
      wie lange nicht
      voller hoffnung
      wie lange nicht
      glücklich
      glücklich
      glücklich
      selbst
      bewußtsein
      ich
      ich!
      plötzlich stehe ich wieder oben
      als wäre ich nie unten gewesen
      mir dennoch allem bewußt
      der qual
      der aussichtslosigkeit
      vergangenheit
      lache
      weine
      schreie
      jubele
      bin eins
      mit meiner fassade
      habe mein leben zurück
      kann leben
      kann träumen
      keine alpträume
      mein leben
      perspektive
      blicke nach vorne
      sehe die sonne
      strahlend hell
      glück
      so viel
      zu viel
      vielleicht
      angst
      was kommt danach
      nach der glückssträhne
      aber jetzt
      jetzt!
      alles gut
      hoffentlich
      für immer

      ~*~*~

      angst
      gefühlschaos
      beherrschen meine gedanken
      fesseln sie
      lassen sie kreisen
      obwohl sie frei sein sollten
      frei von grübeleien
      die mich fertig machen
      mich langsam zurückdrängen
      an den rand
      des abgrunds
      den ich schon einmal erfahren habe
      ich will nicht fallen
      nicht schon wieder
      alles ist noch so frisch
      kann immer hervorbrechen
      und tut es
      sobald sich die möglichkeit bietet
      bin am rand des abgrunds
      schon wieder
      am rand der verzweiflung
      schon wieder
      will kämpfen
      will leben
      aber schaffe es kaum
      heule und schreie
      und lasse es wieder keinen sehn
      ich kann mir nur selbst helfen
      wenn ich mich lasse
      wenn ich mich stark sein lasse
      wenn ich kämpfe
      das leben genießen
      ich könnte es
      es könnte kaum besser sein
      trotzdem
      sehe ich nur die schlechten seiten
      nur wenige
      sehr wenige
      aber genug
      um mich vom leben abzulenken
      mich abhalten
      ich selbst zu sein
      ich habe doch alles
      was ich wollte
      was tun meine gedanken
      warum tun sie mir das an
      lassen mich nicht ruhen
      nicht nach vorne sehn
      nicht die sonne sehn
      sondern prügeln meinen blick zurück
      auf den abgrund
      die schwärze
      die ich doch überwunden habe
      überwunden zu haben glaube
      alles ist zu schön
      um wahr zu sein
      um es zu glauben
      obwohl ich weiß
      dass ich es geschafft habe
      ich könnte frei sein
      könnte leben
      wie lange nicht
      und bin doch in meinen gedanken gefangen
      manchmal
      lassen sie mich die sonne sehen
      um die sehnsucht zu wecken
      ihr entgegen zu gehen
      sie jubelnd zu begrüßen
      den sieg zu feiern
      um mich dann zurückzureißen
      hämisch grinsend
      sieh was du haben könntest
      wenn du dich nur ließest
      wenn ich mich nur ließe
      leben ließe
      wie ich will
      schreien ließe
      wie ich will
      genießen ließe
      wie ich will
      ich will all das
      warum kann ich es nicht
      ich bräuchte die gedanken nur abstreifen
      sie am abgrund lassen
      ihnen keine beachtung mehr schenken
      und schon verlören sie ihre kraft
      mich festzuhalten
      doch ich kann es nicht
      nicht immer
      sie holen mich ein
      nur weil ich über kleinkram nachdenke
      mich fertigmachen lasse
      von dingen
      die keine berechtigung haben
      mein leben zu bestimmen
      ich sollte es bestimmen
      ich sollte leben
      einfach so
      ich habe doch alles
      was ich wollte
      es könnte nicht besser sein
      ich muss nur den mut haben
      zu leben
      einfach so
      selbsbestimmt
      ich bin das zentrum meines universums
      ich kann mir meine sterne selbst aussuchen
      sollte keine angst haben
      dass mich das nichts verschlingt
      sondern ihm entgegentreten
      es kann mich nicht zerstören
      ich kann es nur mich zerstören lassen
      bin mir meiner stärke nicht bewußt
      heule
      weil ich gerettet werden will
      dabei kann ich mich nur selbst retten
      schritt für schritt
      meiner sonne entgegen gehen
      ich spüre ihre wärme
      im gesicht
      während die kälte des abgrunds meinen rücken streift
      ich gebe mir mühe
      nicht zurückzusehen
      nach vorne schaun
      im jetzt leben
      nicht im gestern
      ich habe jede chance
      ich muss sie nur nutzen
      ich muss mich nur lassen
      leben lassen
      einfach so

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      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      leere in mir
      stumme schreie
      die ungehört verhallen

      meine seele
      kann nur durch mich sprechen
      wenn ich sie lasse

      verweigere ich
      schreit sie stumm
      und sucht sich ihr eigenes ventil

      ich bin sternenstaub
      meine probleme
      unbedeutend

      mir bedeuten sie alles
      zerren mich ins nichts
      leere in mir

      nicht abwesenheit von gedanken
      sondern vorhandensein unzähliger gedankenfetzen
      aber ich weiß nicht, welcher mich quält

      emotionslosigkeit
      gleichgültigkeit
      verzweiflung

      schmerz
      ich fühle
      ich lebe


      ~*~*~

      .nächtliche schreie
      .fliegen durch den raum
      .verhallen ungehört
      .weil niemand da ist
      .der sie hören könnte
      .dürfte
      .außer mir
      .der raum ist mein kopf
      .den sie nie verlassen werden
      .niemals


      ~*~*~

      man sagt ich habe flügel
      aber oft vergesse ich
      dass sie existieren
      wie man damit fliegt
      oder sie versagen ihren dienst
      so bleibe ich gefangen
      am boden
      in mir
      meinen gedanken
      meinen zweifeln
      ich sehe die anderen
      hoch oben über mir fliegen
      und sie reichen mir die hand
      aber oben halten muss ich mich selbst
      und wenn ich dann vergesse
      stürze ich ab


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      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

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      ich liebe die weite
      das meer
      das rauschen
      der blätter im wind
      tief im wald
      wo nur ich ihnen zuhöre
      ihre farben sehe
      die nur für mich leuchten
      intensiv
      schön
      und hell
      ich liebe das grün
      des grases
      die tropfen
      des morgentaus
      auf meiner haut
      den sommerregen
      und ich schließe die augen
      um einfach nur zu sein
      .
      doch plötzlich
      wird mir klar
      ich träumte
      und wenn ich die augen öffne
      rauscht nur die zeit
      rasend schnell an mir vorbei
      und reißt alle farben fort
      die tropfen auf meiner haut
      sind meine tränen
      die salzige spuren hinterlassen
      auf mir
      auf meiner seele
      sich einbrennen
      heißkalt
      während mir die rauen wogen des lebens entgegenschlagen
      mitten ins gesicht
      und mir der zeitwind
      orkan
      den atem von den lippen reißt
      die stimme
      leben
      nebel
      versperrt die sicht
      aber nicht nur mir
      denn sonst
      würden sie sehen
      die anderen
      und nicht vorbeigehen
      und dem schein glauben schenken
      meiner fassade



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      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Kann triggern
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      Eigentlich wollte sie Tagebuch schreiben. Sie hatte dich den Stift, den sie so mochte, schon zurecht gelegt und ihr Tagebuch aus dem Versteck unter dem Bett hervorgeholt. Doch nun saß sie hier, und keiner der Gedanken in ihrem Kopf fand den Weg aufs weiße Papier, irgendwo auf dem Weg zwischen Kopf und Stift versickerten sie einfach.
      Dabei wollte sie so viel loswerden. So viel hatte sich angesammelt in ihrem Kopf, so viele Gedanken rieden gleichzeitig nach ihrer Aufmerksamkeit, so dass sie keinem einzelnen genug davon widmen konnte. Durchs Schreiben, dachte sie, könnte sie etwas Struktur in das Chaos bringen, das ihr keine Ruhe mehr ließ.
      Doch wie sollte sie einen Anfang finden? Sie konnte nicht, und die Tinte ihres Stifts hinterließ nur einen langsam immer großer werdenden Punkt auf dem bisher makellosen weißen Papier.
      Ihr leerer Blick fand keinen Halt in der Welt. Sie spürte, wie eine einzelne Tränen ihre Wange herunter lief und auf das Blatt vor ihr fiel. Auf das rote Papier, wo die Gedanken aus ihrem Kopf langsam aus ihrem Arm sickerten. Sie lächelte.
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Ein ganz normaler Tag. Auf einer grünen, frühlingsblühenden Wiese begegnet sie Menschen, Fremden und nicht so fremden, die sie mit blinden Augen ansehen. Manche gehen vorbei, manche verweilen einen Moment, doch keiner kann sehen. Sehen, was sie sieht, wenn sie ihre Augen schließt und ein normal Tag zum Untier wird.
      Es hat zehn Beine. Mindestens. Und überall Stacheln und Zähne, allesamt scharf und gefährlich. So stellt sie es sich vor.
      Wenn es will, kann es sich leise und unbemerkt anschleichen, sich zwischen ihren Gedanken verstecken. Aber wenn es erstmal da ist, beißt es sich fest und es ist ihm egal, dass sie es zu bekämpfen versucht. Es wird nicht loslassen, im Gegenteil. Es bohrt seine langen, spitzen Zähne in ihren Geist, seine Klauen schlagen um sich. Dann wird es draußen dunkel, laut und kalt, weil es ihr die Augen zuhält, ins Ohr brüllt und ihr Herz zerquetscht. Es frisst ihre letzten positiven Gedanken, so dass nur die schlechten übrig bleiben und sich in dem entstandenen Vakuum aufblähen, zu viel Platz einnehmen.
      Die anderen sehen nicht, was dort vorgeht, in ihrem Kopf. Welchen Kampf sie bestreitet, während sie sich mit ihnen über den Frühling unterhält. Und so fragt sie sich, ob sie sich das Untier nur einbildet, wenn es doch sonst niemand sehen kann und es keine Spuren auf ihr hinterlässt. Hektisch versucht sie, einen Beweis für die Existenz des Untiers zu finden, welches durch ihren Kopf wütet, während die anderen nur Augen für die Blumen haben. Hören sie sein Brüllen nicht? Spüren sie nicht die Kälte, die Dunkelheit? Einbildung! Schreit ihr Verstand. Erst als sie die einzelne Strieme auf ihrem Arm entdeckt, wird sie langsam ruhiger. Sieht die Blumen, hört das leise Summen der Insekten. Fühlt die Wärme, die ihren Arm herunter läuft und bemerkt gar nicht mehr, wie das Untier mit einem zufriedenen Grinsen vorerst verschwindet.
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Eine schneeweiße Fassade. Doch hier drinnen roch die Luft immer modrig und abgestanden. Sie war auf der Suche. Auf der Suche nach ihrem Namen. Jeder hatte doch einen Namen, oder etwa nicht? In einem Hauch aus Erinnerung war ihr, als hätte auch sie einen Namen gehabt. Für den sie sich herumdrehte, wenn man ihn aussprach, sei es voller Liebe oder auch voller Verachtung, sie hatte ihn stets mit Stolz getragen. Aber sie konnte ihn einfach nicht finden, er blieb verschollen. Die Zeit hatte ihn verschlungen.
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Sie wusste nicht, ob sie flog oder fiel. In einem unendlichen, winzigen Raum, durch strahlend helle Dunkelheit, wo die Stille brüllend laut war. Sie ertrank im Licht und füllte ihre Lungen mit Schwärze, in ihren Ohren rauschte die Zeit. Ihre rasenden Gedanken wanden sich in quälender Langsamkeit durch ihren Kopf. Oben ist unten ist oben. Helldunkel.
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Das System war außer Kontrolle – aus den Fugen geraten, kippte in eine gefährliche Richtung. Schwarz brüllte, schrie und tobte, ohne dass einer der anderen etwas dagegen tun konnte. Gelb hielt sich sowieso aus allem raus und saß mit baumelnden Füßen und einem Jojo am Rande der Szenerie. Grün hatte aufgegeben und stand nur stumm und ein wenig ratlos in der Ecke, weil Schwarz auf niemanden hören wollte... weiterlesen.
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      Sie war einfach los gelaufen. Hatte sich auf die Suche gemacht, mit unbekanntem Ziel. Nein, eigentlich wusste sie genau, was sie suchte, aber eben nicht, wo sie es finden konnte. So lief sie immer weiter, getrieben durch die Hoffnung, irgendwann irgendwo anzukommen. Weiterlesen fluegelwesen.blogspot.de/2015/05/suche.html?m=1
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      Man muss ja nicht immer nur triggernden Kram hier schreiben, oder? Und weil ich halt gerne schreibe und mir heute nach was komischem war, hier ein Ausschnitt aus meinem heutigen Tag:

      Um niemanden zu langweilen, lasse ich die medizinischen Fakten einmal außen vor. Jedenfalls schickte mich mein Hausarzt zur Sicherheit zum MRT, und so war ich da nun.
      Als erstes, als ich die Praxis betrete, fällt mir auf, dass es sich bei einer radiologischen Auftragspraxis um ein sehr einträgliches Geschäft handeln muss. Anders lässt es sich nicht erklären, warum im Sommer die Heizung mit voller Kraft versucht, die Räume in eine Sauna zu verwandeln. Weiterlesen auf Flügelwesen
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      Es war dunkel um sie herum, als sie die Augen aufschlug. Sie wusste nicht, wie sie hergekommen war, aber sie spürte, dass sie in großer Gefahr war. Unter ihren Händen fühlte sie feuchte Erde, als sie sich hochstemmte. Irgendwo verfing sich ihr Haar, es roch modrig. Wald, schoss ihr durch den Kopf. Aber kein friedlicher, lebendiger Wald, dieser hier was anders. Neblig, zwielichtig, bösartig. Mit Kreaturen, die ihr nach dem Leben trachteten. Weiterlesen auf Fluegelwesen
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      Andreas Bourani

      Hope
      war ein Miststück. Eigentlich hatte sie das immer gewusst, aber nie wahrhaben wollen. Sie hatte immer nur ihre gute Seite gesehen, die ihr eine Freundin gewesen war und sie stets aufrecht gehalten hatte. Hope hatte sie immer aufmunternd angelächelt und ihr Mut zugesprochen, wenn sie traurig war. Hatte sie an die Hand genommen und gestützt, wenn sie es brauchte. Aber dann hatte sie einen Fehler gemacht, den sie nun zutiefst bedauerte - weiterlesen auf Fluegelwesen
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      Kann triggern!
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      Rot, all ihr Gedanken waren nur noch rot. Es war ein bedrohliches und unheimliches Rot, aber gleichzeitig so warm, so vertraut. Seit Wochen stellte sie sich vor, wie es sein würde, jetzt zur Klinge zu greifen und es zu tun. Nach so langer Zeit wieder den Schmerz zu spüren und ihr Blut zu sehen. Es machte sie wahnsinnig vor Verlangen, und doch kämpfte sie dagegen an. Ein Stückchen Vernunft flüsterte ihr ins Ohr, dass sie doch im nächsten Sommer wieder T-Shirts tragen wollte, ein Stückchen Liebe schrie sie an, wie verletzt er sein würde, wenn sie es täte. Aber er sieht nicht die vielen einzelnen Tage, an denen ich es nicht getan habe! schrie sie zurück.
      Sie wollte doch nur eines: wieder klar denken können, ohne dass der erste und letzte Gedanke eines Tages der an die Klinge war. Sie wollte nicht mehr kontrolliert werden vom Rot, das einfach nicht müde wurde, ihr Bilder in den Kopf zu setzen. Alles, was sie wollte, war Kontrolle. Über sich, über ihre Gedanken. Auch wenn es hieß, Rot für einen Moment das alles zu überlassen. Schmerz. Wärme. Kontrolle. Nur darum ging es. Immer.
      i
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      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Ein Stein weiß nicht, dass er ein Stein ist. Und trotzdem ist er ein Stein. Auf der Suche nach mir selbst bin ich vermutlich mehr als ein dutzend Mal an mir vorbei gelaufen, ohne mich zu bemerken. Auch wenn ich mir noch so fest vorstelle, ein Stein zu sein, ich bin keiner. Wer also bin ich? Eine Lichtmalerei zwischen den Zeilen der Zeit, eine Ansammlung von Sternenstaub im Universum, ein zufälliger Gedanke?
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Ihre Gedanken waren wie ein kosmischer Nebel. Riesig groß und nahezu endlos sah der Nebel aus jeder Richtung etwas anders aus. Mal war er dichter, mal wie ein leichter Dunst, und schillerte in den unterschiedlichsten Farben. Alles war in Bewegung, formte sich stets neu und vermischte sich. Konturen bildeten sich heraus und wurden zu unzähligen Sternen, die hell und flammend alles um sie herum erleuchteten und wärmten.
      Die dunkle Materie, die sich im Schatten zwischen dem Nebel verbarg, war anders.
      Kalt. Schwarz. Schwer.
      Wenn sie sich auf die Farben konzentrierte, ihnen Energie gab, war alles im Gleichgewicht. Die Sterne und der Nebel überstrahlten die Schwärze und gaben Energie zurück.
      Wärme. Licht. Leichtigkeit.
      Aber wenn sie keine Energie hatte, die sie dem Nebel abgeben konnte, geriet er aus dem Gleichgewicht. Dann zerfielen einzelne Sterne, und mit ihnen schwand das Licht. Der Nebel wurde dunkler, kälter, schwerfälliger. Weniger Energie hieß, weniger Bewegung und weniger Farben. Und mehr dunkle Energie, die sich ausbreitete und ihre Fühler heraus aus dem Schatten in alle Teile des Nebels streckte, ihn infizierte und lähmte.
      Schwarze Sterne entstanden, die Dunkelheit und Kälte abstrahlten. Und wenn sie sich nun in diesem Nebel bewegte, geriet sie immer wieder in die Anziehungskraft dieser Dunkelheit. Natürlich versuchte sie, sich fernzuhalten und stattdessen die wärmenden Sonnen zu umkreisen, um neue Energie zu tanken. Aber manchmal war ein schwarzer Stern so nah und so kraftvoll, dass er sie trotzdem fort riss. Aber nicht nur sie. Schwarze Sterne umkreisten sich oftmals gegenseitig, stürzten sogar ineinander, so dass die noch mächtiger wurden. Und manchmal, wenn sie in den Bann eines der schwarzen Riesen geraten war, fürchtete sie kaum noch das schwarze Loch, zu dem er werden würde, und alles verschlang.
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Sie war gefangen in einem schmalen Spalt zwischen den Welten. Unsichtbar für die Anderen, die sie als Teil ihrer eigenen Welt sahen, blind für die feinen Unterschiede, die ihr wie eine massive, gläserne Wand erschien.
      Schon ewig wanderte sie hier umher, auf grauen Pfaden unter einem grauen Himmel. Auf der einen Seite bunter Trubel, den die Anderen wohl „das Leben“ nannten, auf der anderen die immer dunkler werdende Schwärze, die sie als vertraute, dunkel Höhle kannte. Beides zog sie immer wieder in ihren Bann, aber nirgends fand sie einen Durchschlupf, um das Grau zu verlassen. Immer wieder stand sie fasziniert an einem der Ränder und starrte in diese fremden Welten, diese fremden Leben.
      Bunt oder Schwarz, es war ihr egal, nur raus aus dem Grau. Die Farblosigkeit durchdrang ihren Körper und ihren Geist, ihre Gedanken und drohte, jeden einzelnen Teil von ihr zu verschlingen.
      Grün und Gelb wehrten sich, indem sie (wieder mal) seit einiger Zeit versuchten, ein Loch in die Wand zur bunten Welt zu meißeln, durch das sie alle hinüber konnten. Wieder eins sein konnten, so dass sie wieder ein Teil dieses Lebens und bunt sein konnte. Natürlich mussten sie das heimlich tun, wenn niemand der Anderen hinsah. Unbedingt wollten sie verhindern, dass die Anderen ihre Bemühungen bemerkten und plötzlich die bisher unsichtbare Wand offensichtlich wurde.
      Schwarz und Rot hatten andere Pläne. Zurück in die Dunkelheit, die vertraute Höhle, die sie schon mehrmals wie eine schützende Blase umfangen hatte. Von dort aus konnte man die bunte Welt nur noch andeutungsweise erkennen oder gleich ganz ausblenden. Hier konnten sie sie selbst sein, ohne von den Anderen gemustert und beobachtet zu werden. Hier war es zwar einsam, aber niemand würde ihnen vorschreiben, wie sie zu sein hatten. Niemand würde sie verscheuchen oder ins Vergessen treiben.
      So stand sie, zerrissen und unsicher, auf dem grauen Pfad unter dem grauen Himmel. Hin- und hergerissen zwischen den Möglichkeiten, die Arbeit an der Glaswand zu unterstützen oder dem Wispern der Dunklen nachzugeben, die sie immerzu lockten.
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

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