was ist, wenn ich morgen gesund wäre? - Identitätsunsicherheit

      was ist, wenn ich morgen gesund wäre? - Identitätsunsicherheit

      Hallo.

      ich stelle mir schon seit einiger Zeit, im grunde genommen seitdem ich beschlossen habe "gesund" zu werden, dieselbe Frage:

      "Was ist, wenn du morgen gesund wärest?"

      Ja, was wäre dann? Was bin ich dann noch? Ohne meine Symptomatik, ohne SvV, ohne Depressionen, ohne die ganzen anderen Sachen?

      Ich hab Angst.
      Ich weiß nicht ob diese Angst berechtigt ist - warum auch immer.
      Aber ich habe Angst vor was Neuem. Vor dem was kommt, wenn ich nicht mehr "krank" bin. Eben wenn ich "normal" und "gesund" und sowieso anders bin.
      Klar, ich wäre immer noch derselbe Mensch, ohne Symptome.
      Aber was bin ich dann schon noch?
      Es fühlt sich gerade so an, als würde mir ein ganz zentraler Teil von mir selbst weggenommen. Für immer.
      Ich hab Angst, dass dann da nichts mehr ist. ich hab Angst.
      Ich will mich v*rl*tz*n, ich will das alles nicht, was Neues. Gesund sein.

      Eigentlich schon, aber mein Kopf sagt nein dazu.
      Identitätsunsicherheit.

      Ich will das nicht aushalten gerade, das scheint mir so viel.
      Als wenn mir die Decke auf den Kopf fallen würde.
      Was, wenn ich gesund bin? Wäre dann da, wo vorher SvV war, nur noch Leere? Was ist dann da? Das würde ich so nicht aushalten.

      Ich glaub ich verhalte mich gerade einfach nur lächerlich - was ich hier schreibe, meine Gedanken dazu...

      Kennt das jemand so in der Richtung? Was kann man da machen?
      Kann man da überhaupt was machen, oder am besten einfach warten bis es wieder weg geht?

      noire
      Die Grenzen meiner Phantasie sind die Grenzen meiner Welt.
      Oft genug ist meine Welt grenzenlos, und ich bin verloren in der Freiheit,
      die ich manchen Menschen so sehr wünsche!
      Hallo noire,
      ich kenne diese Gedanken, früher waren sie noch viel stärtker als heute und letztens da musste ich für einen Klinikfragebogen genau diese Frage beantworten und: mir fielen tausend sachen ein, die ich schreiben konnte, was ich machen würde wenn ich am nächsten Tag gesund bin. ich war selbst verwundert.
      ich glaube erstens, das braucht Zeit,
      und: ich habe mittlerweile auch einen großen Bereich im Leben, der gesund ist, ohne Symptome und so weiter, wo ich manchmal gerne mehr reinstecken würde, was aber durch Krankheit etc nicht geht. aber ich weiß nun wie es sich anfühlt, "normal" zu leben. verstehst du ein bißchen was ich meine?
      ich möchte dir ein bißchen die angst nehmen weil ich glaube das ist ein Lernprozess, der länger dauert, und der sich einschleicht, je mehr Ziele man hat und je mehr man am Leben hängt, je mehr gesunde Anteile darin vorkommen umso mehr kann man mit dieser Frage umgehen.
      zum Beispiel kann ich mir heute auch gar nicht vorstellen ohne Therapie auszukommen, aber ich denke auch das wird ein Prozess sein (hoffe ich) und irgendwann wird es gehen.
      gib nicht auf, und klammer dich nicht zu sehr an die Frage,
      du wirst das schaffen wenn du willst und dann wird es dir nicht mehr so viel Angst machen.
      und: ich verletzte mich sehr wenig in den letzten jahren, bis gar nicht - was an die Stelle getreten ist: Leere würde ich nicht sagen, manchmal vielleicht, ansonsten: Gespräche, Sport, Tränen.

      alles Liebe dir
      Wenn du nicht willst, dass die Angst dich einholt,
      darfst du nicht von ihr davon laufen.
      Hallo noire!

      Ich glaube, du stellst dir die Frage falsch. Du fragst, was ist wenn du morgen gesund bist. Das dir das Angst macht, kann ich verstehen. Das wäre ein plötzlicher Wechsel in deinem Leben, mit dem es schwer wäre umzugehen.
      Aber du wirst ja nicht plötzlich gesund. Das ist ein eher schleichender Prozess, der dir genug Zeit gibt, dich an die neue Situation zu gewöhnen. Du wirst nicht morgen aufwachen und denken "Jetzt bin ich gesund, was mach ich jetzt?" Ich denke, dass sich das gesund-werden über viele Monate erstrecken kann und dir wird es vielleicht gar nicht so bewusst sein, dass du gesund wirst.
      Mach dich nicht verrückt mit solchen Fragen. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst zum Gesundwerden und das Gefühl wird sich weiterentwickeln.

      Ich hoffe, ich konnte einigermaßen verständlich erklären, was ich meine.

      Liebe Grüße,
      yearning
      Herz über Kopf
      Hallo Noire,
      ich kann deine Gedanken richtig gut nachvollziehen… Ich habe mich jetzt seit bestimmt 6 Monaten nicht mehr verletzt, trotzdem würde ich mich nicht als „gesund“ bezeichnen. Meine Gedanken drehen sich immer noch sehr oft um die Versuchung.
      Auf jeden Fall hatte und habe ich seitdem ich mich nicht mehr verletze auch das Gefühl, ein Teil von mir fehlt. Nicht immer. Es klingt vielleicht komisch, aber ich denke daran wie „schön“ es doch war, als ich diesen Ausweg noch hatte. Dass ich doch damals wirklich „Ich“ war und mich jetzt verleugnen muss. Ich sehne mich manchmal wirklich zurück zu der Zeit wo ich mich noch verletzen „durfte“ und damit ausdrücken konnte wer ich bin. Ich hoffe dass klingt nicht zu verwirrt…

      Ähnliches gilt für meine Narben. Ich wünsche mir manchmal ohne sie zu leben, ganz „normal“ halt. Habe mein Leben im Moment so gut im Griff, wenn diese Narben nicht wären, könnte ich meine Vergangenheit einfach verdrängen. Aber andererseits würde ich mich von ihnen nie trennen wollen. Auch wenn sie mein Leben schwerer machen sind sie ein Teil von mir, einer der wenigen Teile an bzw. von mir mit denen ich mich wirklich identifizieren kann, wenn sie weg wären, dann wäre ich nichts mehr…

      Also wie gesagt, ich kenne deine Gefühle und kann sie gut nachvollziehen, aber dass allein wird dir nicht helfen, also noch ein paar andere Worte.
      Mach dir klar, dass es nicht dein SVV ist, was dich charakterisiert. Es ist ein Teil von dir, der auch bestehen bleibt, wenn er in die Vergangenheit rückt. Dich macht viel mehr aus und diese Dinge die dich aus machen sind auch jetzt schon da, sie werden nur durch deine Fixierung auf das SVV in den Hintergrund gedrängt, so dass du sie nicht wahrnimmst. Aber wenn du es schaffst das SVV in den Hintergrund zu drängen wirst du sie kennen lernen und sie werden dir auch wichtig werden!

      Und außerdem: Man wird nicht von heute auf morgen gesund. Es ist ein langer Weg und ein Prozess und in diesem wirst du lernen die Leere zu füllen! Vielleicht eine komische Analogie, aber nach einer langen Beziehung hat man auch das Gefühl am Anfang nicht ohne den anderen aus zu kommen, aber mit der Zeit schafft man es dann doch irgendwie… Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg dabei!!!
      In Wirklichkeit aber ist kein Ich,
      auch nicht das naivste, eine Einheit,
      sondern eine höchst vielfältige Welt,
      ein kleiner Sternenhimmel,
      ein Chaos von Formen,
      von Stufen und Zuständen,
      von Zuständen und Möglichkeiten.“
      Hermann Hesse (Steppenwolf)
      Hallo noire

      Ich schließe mich da den anderen an. Man wird nicht von heute auf Morgen gesund, das braucht seine Zeit. Ich glaube das hier stand in einem Buch: Solange man noch nicht sterben muss, zahlt man dafür eben den Preis, dass sich alles ständig verändert.
      Sehr war. Es verändert sich alles, wir wissen nicht was in ein paar Jahren sein wird, du weißt auch nicht wann du gesund sein wirst. Ich denke deine Krankheit hat dich verändert, du kannst dir nicht mehr vorstellen wie es ist ohne deine Krankheit zu leben. Du hast Angst, dass du ohne sie nichts bist. Aber warum? Du bist ein Mensch, du hast eine Persönlichkeit, du wirst schöne und weniger schöne Momente erleben. Und das Leben verändert einen, ja. Aber es dauert bis man gesund ist und man hat genügend Zeit sich mit dem Gedanken vertraut zu machen. Es ist ein allmählicher Prozess, es ist ja auch nicht so dass du eines Morgens aufwachen würdest und feststellen, dass du gesund bist. Das passiert allmählich, in dieser Zeit veränderst du dich, auch wenn du es vielleicht nicht merkst, das bringt dich dem "Gesundsein" näher. Außerdem auch wenn es unschön ist, es werden immer Narben bleiben, auch wenn du gesund bist (das ist ziemlich blöd formuliert), die Krankheit ist ja nicht plöttzlich weg, sie ist immer noch da nur nicht mehr so schlimm, sie gehört zu dir. Auch wenn du eines Tages gesund bist, wirst du durch die Krankheit trotzdem ein anderer Mensch sein. Ich würde mich mit dem Gedanken nicht zu sehr beschäftigen, irgendwann findest du es ganz normal "gesund zu sein". Du stehst trotzdem jeden Tag auf und gehst daraus, aber du bist kein anderer Mensch nur weil du nicht mehr krank bist, du hast auch ohne die Krankheit eine Persönlichkeit. Und wer weiß, wie das Leben dann ist? wie gesagt es verändert sich alles...

      Ich hoffe dass die Antwort jetzt nicht zu wirr war und ich dir vielleicht ein bisschen helfen konnte.

      Alles Liebe F.
      Death is peacefull, easy.
      Life is harder.
      Das Ding ist ja, ich weiß, dass ich nicht von heute auf morgen gesund werden kann. Das ist mir klar.
      Trotzdem ist es einfach diese enorme Angst, die im Moment alles andere zu verdrängen scheint, und mich glauben lässt, dass das alles unmöglich ist.

      Das wäre ein plötzlicher Wechsel in deinem Leben, mit dem es schwer wäre umzugehen


      Mir scheint es geradezu unmöglich - ja, die denkweise scheint mir auch nicht allzu produktiv, aber nunja.

      Ja, der Gedanke von euch mich damit vertraut zu machen, dass ich gesund werde -und das auch kann!- ist ein guter Ansatz.

      Es bezieht sich ja alles nicht nur auf die Sv, da steht noch viel mehr dahinter.
      Ich denke einfach, dass ich versuche schwimmen zu lernen:
      Keiner kann im Ozean schwimmen lernen, wobei ich glaube, dass ich mich krampfhaft daran festhalte und es versuche.


      Dich macht viel mehr aus und diese Dinge die dich aus machen sind auch jetzt schon da, sie werden nur durch deine Fixierung auf das SVV in den Hintergrund gedrängt, so dass du sie nicht wahrnimmst.


      Ja, das mag gut möglich sein. Selbstabwertung. kontraproduktives Denken.


      Du stehst trotzdem jeden Tag auf und gehst daraus, aber du bist kein anderer Mensch nur weil du nicht mehr krank bist, du hast auch ohne die Krankheit eine Persönlichkeit


      Das ist auch das, was ich die ganze Zeit hinterfrage. Ich denke schon, dass sich einige Charakterzüge und Gewohnheiten dadurch verändern, klar, und das macht Angst, jemand "anderes" zu werden.
      Wer weiß, vielleicht hab ich Angst, dass mich andere Menschen nicht mehr mögen. Keine Ahnung. Reinste Spekulationen.



      und: ich habe mittlerweile auch einen großen Bereich im Leben, der gesund ist, ohne Symptome und so weiter, wo ich manchmal gerne mehr reinstecken würde, was aber durch Krankheit etc nicht geht


      Das macht mir gerade ein bisschen Mut. Aber was ist mit dem anderen, "kranken" Teil?

      Ich habe gerade den Eindruck, dass ich doch nur versuche mich rauszureden oder sonstiges. Das tut mir Leid, aber mir fällt leider gerade nichts weiter dazu ein.
      Die Grenzen meiner Phantasie sind die Grenzen meiner Welt.
      Oft genug ist meine Welt grenzenlos, und ich bin verloren in der Freiheit,
      die ich manchen Menschen so sehr wünsche!
      Hej noire
      der kranke Teil der ist trotzdem da, der ist auch da, wenn ich im gesunden Teil unterwegs bin, wenn ich esmal so ausdrücken mag, aber er beherrscht mich dann nicht. ich hab es unter Kontrolle sozusagen (das klingt grad sehr abstrakt sorry..)
      es ist einfacher etwas loszulassen, wenn man dafür etwas anderes bekommt. wenn man noch mitten in den Symtomen steckt, dann ist klar, das man nicht daran glaubt, das es da auch noch ein schönes leben draußen geben kann.
      aber wenn man diese erfahrung macht, und die wirst du machen wenn du den mut hast weiter zu kämpfen, dann macht es nicht mehr so viel angst an ein leben ohne krankheit erstmal zu denken. es dann auch zu leben ist ein weiter weg, aber erstmal fühlen zu können, das man sich das vorstellen kann, das ist schonmal ein guter schritt.

      zu dem thema veränderung der persönlichkeit:
      ja, du wirst dich verändern, vielleicht wirst du damit an andere menschen anecken, kann sein, aber jeder mensch verändert sich. früher als ich 15 war oder so, da hatte ich eine beste freundin, nie hätte ich mir vorstellen können das wir mal getrennte wege gehen. und doch ist es so gekommen. und das ist nix schlechtes. wir haben uns beide weiter entwickelt, verändert, ja, es lag auch mit an meiner krankheit, aber trotzdem war es eine schöne zeit die wir gemeinsam hatten. menschen kommen und gehen im leben, das ist so, die ganz ganz ganz guten, die bleiben konstant, sehr wenige.
      aber du wirst neue kennenlernen, je nach lebensabschnitt, das fängt ja an mit schule - ausbildung, je nach dem was man macht, mit der stadt in der man wohnt und eben manchmal auch ob man krank oder gesund ist.
      verstehst du ein bißchen was ich dir sagen will?

      pass auf dich auf,
      das wichtigste ist, dass du an dich glaubst und dass du wenn, du den glauben an dich verlierst, menschen hast, die dich daran erinnern.
      kennst du den spruch:
      "ein freund ist jemand, der die melodie deines herzens kennt und dich daran erinnert, wenn du sie vergisst."
      in diesem sinne hoffe ich es war nicht voll am thema vorbei ;)
      edit 3x: verständlichkeit und rechtschreibung...
      Wenn du nicht willst, dass die Angst dich einholt,
      darfst du nicht von ihr davon laufen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von „Graf Zahl“ ()

      Danke für deine Antwort. :)

      Der Gedanke, dass mein Leben wieder lenbeswert sein kann, das fühlt sich gut an.
      Dem was jetzt ist, erstmal Platz zu geben und abwarten, bis Platz für Neues ist, ist auch gut. Vielleicht. Erstmal.
      Die Grenzen meiner Phantasie sind die Grenzen meiner Welt.
      Oft genug ist meine Welt grenzenlos, und ich bin verloren in der Freiheit,
      die ich manchen Menschen so sehr wünsche!