körperliche existenz und der entzauberte umgang...

      körperliche existenz und der entzauberte umgang...

      ein etwas theoretischer titel für ein ziemlich praktisches problem... aber das ist hier irgendwie auch passend.

      konkretes problem - ich stoße erstmals in meinem studium auf ein thema bzw eine situation, mit der ich psychisch absolut nicht zurechtkomme. ...hatte immer behauptet, das sei für mich alles kein problem, und so war es bisher auch. natürlich geht es im psychologiestudium ständig um potentielle triggerthemen, krankheitsbilder, symptome, ursachen, aber damit komme ich wirklich gut klar.

      nun hat aber heute der erste hauptkurs 'gehirn' angefangen, hauptsächlich grundlegende biologie, aufbau des nervensystems, hirnchemie, anatomie - grundsätzliches problem.

      und im zuge dieses kurses sollen wir morgen ein rattenhirn sezieren - sehr spezielles problem.

      nicht nur, dass ich immer schon, selbst in bio in der schule damals, probleme damit hatte, die existenz aufs körperliche zu reduzieren. wenn es um fleisch, sehnen, muskeln geht, die basale beschaffenheit des menschlichen/tierischen körpers, fange ich früher oder später an zu dissoziieren. immer. spätestens in dem moment, in dem mir klar wird, dass es da nicht um irgendeine bizarre maschine, sondern auch um mich geht, dass ich das auch bin. damit kann ich nicht umgehen.

      gibt viele gründe für mein gestörtes körpergefühl, die meisten liegen in der vergangenheit, m*ssbr**chserfahrungen, körperliche schäden durch m*ssbr**ch die es mir unmöglich mach(t)en, ein paar besonders schambehaftete körperfunktionen zu kontrolieren, wodurch der körper für mich mit kontrollverlust und eben scham behaftet ist... äußerte sich früher in ziemlicher vernachlässigung der körperpflege ( :rolleyes:) und bis vor gar nicht so langer zeit noch in deutlichem übergewicht. das wird in letzter zeit langsam besser... aber braucht eben wahnsinnig viel zeit.

      jetzt so schlagartig mit dem ganzen körper-kram konfrontiert zu werden ist... schwierig. aber vermutlich machbar, wird auch demnächst nochmal ausführlicher thema bei thera.

      diese sezier-aktion im speziellen aber... keine ahnung, wie ich das schaffen soll. ich bin seit meinem 5. lebensjahr vegetarier, und zwar aus eigener überzeugung, damals schon. irgendwann ist mir klargeworden, als ich beim schnitzel-essen eine sehne erwischt habe, dass das ein tier ist, auf dem ich da rumkaue. ein körper, ein totes stück fleisch... und mit der erkenntnis war mir jede lust auf fleisch vergangen, bis zum heutigen tage. selbst mit tierischen produkten, eiern, milch etc habe ich ziemliche probleme. gelatine geht gar nicht... bin da ziemlich konsequent. ich toleriere und akzeptiere, wenn menschen in meinem umfeld fleisch essen, ist ja nur natürlich - aber ich darf nicht zu lange darüber nachdenken und auch möglichst nicht hinsehen, sonst wird mir ziemlich anders. fleisch anfassen?! no way. von hirn und sezieren gar nicht zu reden...

      ich will das nicht sehen. ich will es nicht riechen, könnte in einem raum voller zerschnittener hirne vermutlich gar nicht atmen, weil ich mir dann vorstelle, winzige hirn-partikel einzuatmen und... nein. sowas sage ich wirklich selten, aber ich könnte in dieser situation für nichts mehr garantieren. dabei geht es nicht um das skalpell und svv-trigger, einfach... die ganze situation ist mehr, als ich aushalten könnte.

      im rahmen des kurses finden 6 praktika statt, soweit ich weiß nur dieses eine in verbindung mit tatsächlichem sezieren. wir werden wohl auch noch mit laminierten scheiben menschlichen gehirns arbeiten, aber die sind in plastik verschweißt, das krieg ich hoffentlich irgendwie hin. ...in zwei jahren, hat man uns jetzt schon freudig mitgeteilt, dürfen wir dann menschliche gehirne sezieren... okay, aber bis dahin hab ich noch etwas galgenfrist, das aktuelle problem ist erstmal das rattenhirn morgen. fehlen ist eigentlich nciht wirklich drin, da mit der teilnahme (aktiven teilnahme, darauf legen sie wert) bonuspunkte für die klausur verbunden sind, die ich eigentlich brauchen könnte.

      und ich will nicht schon wieder fehlen... aber ich hab keine, absolut keine ahnung, wie ich mich dem morgen stellen soll. hab überlegt, bis zum rand sediert zu erscheinen, aber dann bin ich nur noch weniger herr meiner sinne. bin versucht, mich jetzt einfach abzuschießen und das morgige grauen zu verschlafen... aber ich will nicht so einfach aufgeben, ich muss das doch können, verdammt.

      den fisch und das rinderherz, das wir in der schule auseinandernehmen mussten, konnte ich umgehen - mit dem lehrer geredet, nur grundkurs, war nicht so wichtig. aber jetzt ist es nun mal teil des studiums...


      gedanken, praktische tipps, erfahrungen, irgendwas? meine zeit läuft...

      tng
      oh, I've felt that fire and I have been burned,
      but I wouldn't trade the pain for what I've learned, I wouldn't trade the pain for what I've learned.
      Pennies in a well, a million dollars in the fountain of a hotel, fortuneteller that says 'Maybe you will go to hell.'
      But I'm not scared at all by the cracks in the crystalball
      Huhu,


      Ich studiere Biologie und habe jede Woche etwas auf dem Tisch zum aufschneiden. Ich dachte anfangs auch, ob ich das packe... aber mit der Zeit bin ich abgestumpft. Klingt hart, ich weiß.

      Ich habe es für mich geschafft, mich dem ganzen sehr sehr wissenschaftlich zu nähern, also nicht "oh das arme Tier" sondern "ah das nächste Studienobjekt" - ich habe mir eine emotionale Bindung komplett untersagt und mich stets darauf konzentriert, was gerade die Aufgabe war (Muskeln freilegen, bestimmte Teile herauspräparieren usw). Mir hat dabei geholfen, das Tier nicht als ganzes wahrzunehmen, sondern vielmehr immer nur den Teil, an dem ich gerade arbeite. Dann war es für mich eben nur ein TEIL, kein Tier.

      Was mir noch hilft, ist, die Arbeitsfläche sauber zu halten, also kleine Teile, die schon abschnitten sind, wegschmeißen - wenn die noch rumliegen, das geht bei mir gar nicht, weil ich mir dann immer vorwerfe "schau da, das hast du getan..." Keine abschnittenen Teile, keine solchen Gedanken.

      Außerdem arbeite ich oft mit Visualisierung, also mir um mich herum eine Kugel vorgestellen, die vom Außen nichts an mich heranlässt, danach reinigen u.ä.

      Oft kommen die Bilder abends zu Hause trotzdem noch einmal hoch, aber mit der Zeit habe ich auch da gelernt, sie "wegzuschicken", bis sie mich dann in Ruhe gelassen haben. Vllt funktioniert das für dich auch mit Tresor (Bilder wegschließen) oder anderen Stabi-Übungen?

      Wenn du es tatsächlich durchstehst, nimm dir für danach etwas vor, vllt nicht unbedingt die Badewanne, sondern etwas aktives, was dich ablenkt, damit du erst einmal Abstand gewinnen kannst. Sport oder Malen oder Musik machen oder oder oder... irgendetwas, was dich nicht noch dauernd an den Kurs denken machen.

      Im Kurs hast du niemanden, den du besser kennst und der dich unterstützen kann?

      Davon abgesehen möchte ich dir nahelegen, dass, wenn du wirklich so große Probleme hast, du dir nicht überlegst, ob eine solche Studienrichtung wirklich für dich geeignet ist. Weil willst du dann immer fehlen bei so etwas?


      Lg,
      rigol
      Wieso, weshalb, warum kehr selbst heute ich nicht um?
      Weil's für einen, der Extreme liebt, keine leichten Wege gibt.
      [Samsas Traum]

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „-rigol-“ ()

      Hej!

      Fakt ist also, dass du da durch musst, das irgendwie über die Bühne bekommen musst.

      Was mir einfiele: in Google oder, sofern vorhanden, in einschlägigen Büchern gucken, wie so ein Rattenhirn aussieht und welche Schritte dich beim Sezieren erwarten. Je genauer du weißt, was dich erwartet, desto einfacher (zumindest ein bisschen) wird es vielleicht.

      Nicht großartig darüber nachdenken, was für ein *Lebewesen* das jetzt war, sondern es 'schlicht' als Zellklumpen ansehen, der jetzt eben wissenschaftlich untersucht wird. Das Ganze ein Stück weit abstrahieren und nicht mit dem "wirklichen Leben", sprich den putzigen kleinen Ratten von xyz, in Bezug setzen.

      Von vornherein sedieren halte ich für keine gute Idee. Allerdings würde ich an deiner Stelle wohl auf jeden Fall Bedarf mitnehmen, um im Zweifelsfall doch etwas zum Runterkommen zur Hand zu haben. Dass du den Bedarf dabei hast, muss ja nicht heißen, dass du ihn auch wirklich benötigen wirst. Allein das Dabeihaben kann dir ja vielleicht ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.

      Btw verstehe ich deine Bedenken und den Ekel ziemlich gut. Ich muss mich auch jedesmal überwinden, wenn ich meinem Hund oder der Katze Dosenfutter bereite, das eventuell auch an die Finger bekomme. Bäh. Meistens geht das aber insofern, als dass ich da die Emotionen für das verwurschtelte Tier irgendwie einstelle, abspalte. Nicht drüber nachdenken, ausblenden.

      Viel Glück für morgen!


      A.

      es geht noch nicht mal wirklich um 'oh das arme tier' - das ist peripher ein problem, aber mehr der umgang der dozenten und studenten mit dem tier, die respektlosigkeit, als das eigentliche tote tier. wie gesagt, ich kann auch akzeptieren, das menschen tiere essen, tiere sterben nun mal, menschen ebenfalls. mitleid... nur, wenn es um unnötiges leid geht. um quälerei. um respektlosen umgang. distanzieren hilft mir da nicht, weil ich genau das nicht will - ich will nicht enden wie so viele ärzte, die von ihren patienten als 'die gallenblase' sprechen.

      genau die reduktion auf 'das teil' ist für mich ein problem, weil ich mir dabei eingestehe, dass auch ich aus solchen teilen bestehe, auch körperlich - ja sogar primär körperlich akzeptiere. natürlich ist das die realität, aber eine, mit der ich (noch) nicht umgehen kann, zumindest nicht, wenn sie so schonungslos präsentiert wird.

      ein großer teil meines traumas hängt mit (meist toten, oft verwesten) körpern zusammen. die bilder die ich sehe zeigen seltsamerweise keine missbrauchssituationen, sondern abgehackte (tierische) gliedmaßen, fellfetzen, kadaver. die gründe dafür möchte ich hier nicht näher ausbreiten, aber das ist so ziemlich der einzige wirkliche trigger der bei mir zieht.

      ich kenne niemanden im kurs näher, nein - und es ist mir auch wichtig, niemandem mit labilität aufzufallen. meine vergangenheit ist kein thema, eher die gegenwart...

      und ja, ich stelle durchaus in frage, ob das der richtige studiengang für mich ist. ich weiß allerdings schon sehr genau, was ich mit dem abschluss anfangen und in welchem rahmen ich arbeiten will, und das ist dummerweise das eine und einzige, was ich mir wirklich wirklich für mein leben vorstellen kann, und mit der auffassung stehe ich nicht allein da - unter anderem mein thera, meine eltern und meine freunde sehen das genau so. und das, was ich machen will, hat mit sezieren so rein gar nichts zu tun. ...klar muss ich lernen, wie das hirn aufgebaut ist, das ist auch okay und wichtig, ich weiß sogar jetzt schon einiges mehr darüber als die meisten meiner kommilitonen. aber wieso kann ich den rest nicht aus büchern lernen?

      die frage ist gar nicht mal hauptsächlich, ob ich das kann - ob ich es will ist vermutlich viel wichtiger. 'immer fehlen' will ich nicht, nein. aber ein wie großer teil meines studiums wird es, ein wie großer teil muss es sein, tatsächlich derart zu arbeiten?

      danke für deine gedanken jedenfalls, sollte ich mich entschließen es zu probieren werde ich einiges davon versuchen - wirklich vorstellen kann ich es mir allerdings gerade nicht...

      tng

      *edit*

      mich erschreckt gerade die richtung sehr, in die das topic läuft. ich kann mir wirklich absolut nicht vorstellen, dass zu tun. ich kann und will es nciht visualisieren, will mich nicht darauf einlassen, würde vermutlich komplett dissoziieren. ich hab eine mords angst davor, kann nicht und will nicht verschmelzen total. ich sehe nur auch keinen anderen weg...

      sorry, ich weiß, dass ich das mit mir selbst ausmachen muss. aber je mehr ich darüber nachdenke und es durchlasse, um so schlimmer wird es - weiß schon nicht mehr, wie ich heute nacht schlafen soll.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „TheDamageDone“ ()

      Wenn du es wirklich nicht willst, geh zum Arzt deiner Wahl, lass dir ein Attest geben und sprich mit dem Kursleiter, ob du eine Ersatzleistung machen kannst. Nur löst es nicht dein Problem, vor allem, wenn dich so etwas auch später noch erwartet.

      Aber ich möchte die Leute in Schutz nehmen, die du "respektlos" nennst. Oft ist es nur eine Hülle, damit man nicht so direkt mit der Sache umgehen muss, damit man es einfach nicht so sehr an sich heranlässt. Das braucht überhaupt gar nichts mit Respekt vor dem toten Tier oder was auch immer zu tun haben... denn wenn man in so einem Kurs sitzt oder tagtäglich damit Umgang hat und sensibel ist, sucht man sich natürlich irgendwie eine Möglichkeit, das Ganze an sich abperlen zu lassen.

      Ich drücke dir die Daumen, dass du eine Lösung für morgen findest und dein Problem bis zum nächsten Kurs zumindest so weit aufarbeiten oder wegschließen kannst, dass du es irgendwie schaffst.
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      @ rigol
      mir ist durchaus bewußt, was der hintergrund für dieses verhalten ist, ich studiere ja nicht umsonst psychologie *g* nur ändert das nichts daran, dass ich das sehr unschön finde und das für mich selbst so nicht will.

      und ich sehe mein problem hier nicht als eins, das aufgearbeitet werden muss, zumindest nicht in dem rahmen und in der zeit - ich muss noch rausfinden, wie bedeutend das nun wirklich für das studium ist, aber für das tätigkeitenfeld meiner wahl ist es definitiv unwichtig. das heißt im klartext, das was im bachelor dazugehört muss ich irgendwie umgehen, und das kann auch nur eher rudimentär sein, sobald ich im (spezialisierten) master bin ist es sowieso kein thema mehr.


      hab gestern noch meinem thera auf band gesprochen, der hat mich jetzt eben zurückgerufen und nach dem was er so sagte fühle ich mich schon deutlich sicherer.

      ich werde 15-20 minuten eher da sein, versuchen, den dozenten abzufangen (das vorher schon mit 2 gruppen da sein müsste) und erklären, warum ich das nicht kann und will und fragen, wie man damit nun umgehen soll. alle dadurch, dass ich nicht einfach vermeide sondern drüber spreche sollte es schon was besser rüberkommen, außerdem hab ich dann einfach mehr kontrolle über die situation.

      thera meinte weiterhin, dass es für mich wirklich nicht notwendig ist das zu tun, mich das nicht weiter im studium behindern wird und es de facto wohl darauf hinausläuft, dass ich einfach vorher gehe und gut ist.

      immerhin stelle ich mich dem dann einigermaßen und renne nicht wieder einfach weg...

      tng
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