Der erste Schritt

      Der erste Schritt

      Hallo liebes Forum,

      sicher bin ich mir nicht, ob ich hier mit meinem Anliegen richtig bin, aber ich kannte diese Adresse und dachte, ich versuche es mal.

      In meiner Aufgabe als Trainer bin ich schon öfter mit schwierigen Situationen meiner Schützlinge konfrontiert worden. Zumeist hat das Signal der offenen Arme und eine über Jahre aufgebaute gute Beziehung zumeist geholfen. Einmal stand ich kurz davor, in einem Fall das Jugendamt zu informieren, doch aktuell bin ich mir nicht ganz sicher welchen Schritt ich als nächstes gehen sollte. Daher würde ich mich über eine zweite Meinung, einen Erfahrungsbericht oder ähnliches sehr freuen, um meine Entscheidung besser abwägen zu können.

      Einer meiner Schützlinge (heute 13 Jahre alt), welchen ich im Leistungssportbereich betreue, weist seit eh und je ein leicht depressives Verhalten auf, ein richtig fröhliches Kind war es nie. Oft wurde das Gespräch mit der Mutter gesucht, zumeist kam es dann zu einer etwas größeren Zuwendung des Elternteils und einer kurzzeitigen Besserung des Gemützustands. Der Vater lebt getrennt im Ausland. Es macht den Eindruck, dass das Kind sich weitestgehend selbstverantwortlich versorgt. Oft war es weinerlich, aber ebenso oft konnte mit, zugegebenermaßen viel Anstrengung, durch gezielte Zuwendung und auch mal mithilfe der Sportgruppe zu besserer Stimmung verholfen werden.
      Lange schon, schieben wir die starken Stimmungsschwankungen auch auf die Pubertät zurück, doch bei genauerer Beobachtung reicht das Verhalten schon bis in die Kindheit zurück.

      Nun kam es während einer Trainingsstunde gemeinsam mit einem Kollegen zu mir, um mir zu sagen, dass es im Training eingeschränkt sei, weil etwas mit ihrem Arm sei, das die Mutter nicht wissen sollte. Ohne groß nachzufragen, aber das Signal setzend, dass ich mich freue, dass es sich mir anvertraut, zog es dann ohne viel weitere Diskussion den Ärmel hoch, um mir ihre völlig und tief blutig verkratzten Arme zu zeigen. Etwas Erfahrung habe ich mit SVV und man konnte deutlich erkennen, dass es sich nicht um eine "Laune" oder mal eben etwas zu "stark gekratzt" (verzeiht mir die Ausdrucksweise, aber ich kenne auch Fälle von Aufmerksamkeitserregendem Verhalten und das war es definitiv nicht, das möchte ich nur deutlich machen), sondern da eine ganze Menge Traurigkeit und Schmerz seinen Weg gesucht hat. Das unterstrichen die unterdrückten Tränen in den Augen des Kindes noch.
      Bei Hinzunahme der ganzen Vorgeschichte, wird klar, dass die Entwicklung eine immer dramatischer werdende Spirale nimmt.
      Nun hat sich das Kind mir anvertraut und ich möchte es nicht denken lassen, ich würde dieses Vertrauen missbrauchen, aber es muss einfach gehandelt werden.
      Auch wenn es betont hat, dass Mama das nicht erfahren soll (wahrscheinlich möchte es vll. doch, das sie es erfährt, aber das wird eben nicht reichen), so kann es irgendwann natürlich nicht umhin, dass sie es erfährt. Nur muss das vielleicht nicht unbedingt durch mich sein.
      Meine Bitte ist nun, ob mir jemand vielleicht einen guten Rat geben kann, wie man bei so etwas offiziell weiter verfährt.
      Ich glaube nicht, dass der Situation damit geholfen ist,der Mutter Bescheid zu geben, aber gleich dem Schritt zum Jugendamtes möchte ich auch nicht gehen.
      Wer hat Erfahrung mit evtl. Seelsorgen, Notruftelefonen, Familienhilfen oder ähnliche, die ich kontaktieren könnte und mit welchen dem Kind wirklich geholfen wird?
      Ich kann leider keine therapeutischen Aufgaben übernehmen, möchte dennoch eine vertrauensvolle Rolle spielen, aber eben auch konkret helfen ohne das Kind "verraten" zu haben.

      Ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken und dass vielleicht jemand Erfahrung mit einer ähnlichen Sitaution, vll. familiär etc., hat und mir einen Rat erteilen kann.

      Liebe Grüße,

      Norica

      PS: Noch etwas: Wie beim Nächsten Aufeinandertreffen reagieren? Aus dem Bauch heraus würde ich das Kind bei einer passenden Situation beiseite, in den Arm nehmen, nochmal deutlich machen, dass ich da bin, wenn sie jemanden anrufen will oder so etwas in der Art. Aber sollte man nicht etwas Verbindlicheres "tun"? Muss ich dem Kind klar machen, dass es nicht gut ist, was es tut? Soll ich ihm sagen, dass ich weiß, warum man so ewtas tut? Ich bin da doch ein bisschen überfordert, weil ich Angst habe, dass das Kind sich zurückziehen könnte, wenn ich etwas falsch mache.
      "shen pen kyi sem"

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Norica“ ()

      Ich finde es wichtig, dass man dem Kind ankündigt, dass man weitere Schritte unternimmt.
      Die Mutter zu informieren wäre ein guter Schritt, weil diese - sollte dieser Teenager z.B. Therapie machen wollen - eh informiert werden würde bei dem Alter.
      Was du vll noch machen könntest ist, ihm/ihr vorzuschlagen sich an eine Beratungsstelle zu wenden und bei Telefonaten ggf. zu unterstützen oder auch zu dem ersten Termin zu begleiten. Die können auch dich beraten, wie du weiter vorgehen kannst und was sinnvoll ist und was nicht.
      Sollte da eine Vernachlässigung oder ähnliches vorhanden sein, kann auch die Beratungsstelle die Institutionen benennen, an die man sich als nächstes wenden soll.

      Ich kenne diesen Teenager nicht, kenn die familiäre Situation nicht genauer, da ist es schwer etwas zu sagen.
      Vll hilft dir das aber schon etwas weiter.


      Lg



      edit:
      weil dein edit grad erst gesehn.
      Ich denke, dass es weiß, dass da was nicht richtig läuft und die meisten realisieren auch eigentlich sehr schnell, dass es nicht hilfreich ist. so zumindest hab ich es bei Jugendlichen erlebt.
      Ihr sagen, dass du da bist, wenn sie wen braucht finde ich aber gut. So gibst du ihr die Möglichkeit, bedrängst aber nicht.
      Und selbst sollte sie sich zurückziehen ist es eine "normale" Reaktion, die einfach sehr häufig vorkommt.
      Meist kann man als Angehöriger nur was falsch machen, da ist es oft egal wie man reagiert.
      ich bin als ich 15 war auch beim sport "aufgeflogen" - meine sportlehrerin konnte ich zwar nie leiden, aber sie hat sehr gut reagiert. sie hat mich beiseite genommen und gefragt was war, und dann hat sie mir in aller ruhe und mit viel geduld erklärt, dass es nicht gut ist, wenn ich das weitermache (ich hab das zu dem zeitpunkt noch gar nicht eingesehen gehabt). sie hat mir auhc gesagt, dass es ihre pflicht ist, etwas zu unternehmen, hat mir aber ein paar tage zeit gegeben, um es selbst meinen eltern zu sagen, sodass meine eltern erstens nicht aus allen wolken fielen, und zweitens, dass ich erst zeit hatte, mir die situation ein wenig zu überlegen.
      sie hat mir auch angeboten, dass wir es ihnen zusammen sagen könnten, falls ich glaube dass ich das nicht schaffe.

      im nachhinein glaub ich, das ist ein sehr guter weg - zwar klar und deutlich sagen, was getan werden muss, nämlich dass eltern oder andere stellen informiert werden müssen, dass es nicht gut ist, aber auch nicht "mit der tür ins haus fallen" - ich weiß nicht wie akut die hilfe in deinem fall ist, aber ein paar tage kannst du dem kind vielleiciht geben, damit es sich vorbereiten kann.
      listening to: débussy, chopin while driving.

      Vielen Dank

      Hallo!

      Also, die Reaktion der Lehrerin finde ich auch sehr gut. In diesem Bezug hat all das ja auch eine sehr individuelle Komponente, aber ein bisschen Feedback - gerade von Betroffenen oder Erfahrenen - gibt doch nochmal etwas mehr Einblick und Sicherheit.

      Ich muss leider zugeben, wie erstaunt ich bin über den Unterschied, wie heftig einen die Traurigkeit, die Verzweiflung treffen kann, wenn man einen solchen Fall "professionell", fachlich betrachtet oder aber eine persönliche Beziehung zu der betroffenen Person hat. Wie traurig einen das selbst macht und wie wütend, wenn man an die Situationen denkt, in denen das Kind/derJugendliche steckt, welche so weit führen, sich nur noch dieses Ventil suchen zu können...

      Diese Einsamkeit, und das mit 13 Jahren. Also, jeder kennt ja dieses Gefühl der Zerrissenheit und Unsicherheit und des Alleinseins in der Pubertät - aber nicht jeder eben hat eine solche Vorgeschichte bzw, ist es nicht bei jedem so akut, das kann man ja nicht vergleichen...

      Leider ließ die Situation nicht viel Zeit zu, ich hoffe, das nächste Wiedersehen reicht noch aus, um noch einmal angemessener zu reagieren und sich mehr Zeit nehmen zu können.

      Vielen Dank für eure Antworten,

      Norica
      "shen pen kyi sem"
      Hallo Norica,

      ich finde es ganz toll, dass du versuchst, der 13-jährigen zu helfen. Sie hat sich dir ja anvertraut und daher gehe ich davon aus, dass sie dir Vertrauen entgegenbringt.
      Wäre es für dich eine Möglichkeit ihr vorzuschlagen, dass ihr zusammen mit ihrer Mutter sprecht??

      Dann steht sie ihrer Mutter nicht allein gegenüber. Vllt fällt es ihr dann etwas einfacher.
      Ich denke auch, dass es wichtig ist, ihre Mutter in Kenntnis zu setzen. Jedoch sollte es nicht "hinter dem Rücken" des Mädchens geschehen, denn es könnte sein, dass sie sich dann hintergangen fühlt.

      Deswegen meine Frage an dich, vllt ein gemeinsames Gespräch zu führen?


      liebe Grüße
      exitus
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