....dann doch keinen Kontakt mehr?

      ....dann doch keinen Kontakt mehr?

      Ich bin, nach diversen Klinikaufenthalten, mit 16 von zu Hause ausgezogen, da meine Eltern mich lange Zeit physisch und psychisch missbraucht haben. Ich war erst nach einem halben Jahr fähig, den Kontakt zu ihnen und zu meiner 7 Jahre jüngeren Schwester wieder aufzubauen. Unser Verhältnis hat sich zwar durch meinen Auszug stark verbessert, dennoch bleibt es vergleichsweise schwierig. Meine Eltern setzen mich, unbewusst und bewusst, unter Druck. Trotzdem habe ich immer einen Weg gefunden, damit umzugehen.
      Ich bin im Juli 2008 in eine 15km entfernte Stadt gezogen, in der ich seit 2007 zur Schule gehe. Ich hab jetzt endlich meine eigene Wohnung und genug Ruhe mich auf's Abi vorzubereiten. Den Kontakt zu meinen Eltern halte ich schon so gering wie möglich, unter anderem auch deswegen, weil ich wenig Zeit habe, sie zu besuchen. Ich glaube, dass ich sie noch weniger besuchen würde, wenn mir meine Schwester nicht so wichtig wäre.
      Ich bin ja jetzt sozusagen im "Endspurt" meiner Schullaufbahn und habe mir auch schon Gedanken gemacht, was ich nach dem Abi machen will: Wirtschaftspsychologie. Das gefällt vor allem meinem Vater nicht, der der festen Überzeugung ist, ich könnte nur Sprachen und sollte Lehrerin werden. Einerseits ist es in gewisser Weise die Aberkennung meiner Fähigkeiten, die er dadurch ausdrückt, andererseits möchte er, dass ich einen "sicheren" Job später habe, er macht sich, glaube ich auch Sorgen um meine Zukunft. Allerdings ist es immer wieder aufs Neue verletzend, wenn Papa mich psychisch runtermacht und mir quasi attestiert, für die meisten Studienfächer zu doof zu sein. Er droht mir zum Glück nicht mehr damit, keinen anderen Studiengang zu finanzieren.
      Meine Mutter hält sich da raus, allerdings hat sie, genauso wie Papa keine Ahnung, wer ich bin und was ich kann und macht das immer wieder versehentlich deutlich.
      Ich suche mir zwar außerhalb Anerkennung für meine Leistungen, aber die Meinung der Eltern hatte für mich immer einen hohen Stellenwert und ich hatte immer das Ziel, dass sie mich endlich anerkennen und loben.
      Jeder Besuch und jedes Telefonat löst bei mir Aggressionen aus, die ich entweder an meinem Umfeld oder mir auslasse.
      Mir ist vollkommen bewusst, dass Eltern immer andere Pläne für ihre Kinder haben, aber ich kann diesem (unbewussten ?) Druck nicht mehr standhalten. Ich überlege, den Kontakt, zumindest temporär, abzubrechen. Allerdings will ich auch meine Schwester nicht "verlieren", die ich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht alleine treffen dürfte. Außerdem habe ich immer "aber es sind doch meine Eltern" im Hinterkopf, irgendwo möchte ich ja auch mit ihnen in Verbindung bleiben, allerdings nicht um jeden Preis.
      Ich bin grad etwas verwirrt und bräuchte dringend Tips bzw Erfahrungen von euch....
      LG
      Quand tu regarderas le ciel, la nuit, puisque j'habiterai dans l'une
      d'elles, puisque je rirai dans l'une d'elles, alors
      ce sera pour toi comme si riaient toutes les étoiles.
      (Antoine de Saint-Exupéry, Le Petit Prince)

      Hallo Madita,

      ich weiß nicht inwieweit das hilfreich ist, wenn ich dir schreibe, dass ich auch schon öfter vor einer vergleichbaren Entscheidung stand. Ich hatte zeitweise ganz unterschiedliche Lösungen gefunden dafür, die aber langfristig bei mir nichts getaugt haben, bis ich irgendwann ganz radikal alle Kontakt zu meiner Herkunftsfamilie, auch zu den Geschwistern, abgebrochen habe, und ich bereue das überhaupt nicht. Allerdings ist das ja nur ein (bzw. mein) Weg und sicher auch ein extremer. War für mich ne gute Entscheidung und tatsächlich auch notwendig, kann für dich aber natürlich ganz anders aussehen, ich kenne dich, deine Situation und deine Eltern ja nicht und weiß nicht, inwieweit das, was vorgefallen ist, einer "guten" Beziehung im Weg steht.

      Deine Lebenssituation, die du schilderst klingt sehr traurig und schwer, es tut mir sehr leid für dich, dass du so wenig Unterstützung und dafür eher Steine in den Weg gelegt bekommst von deinen Eltern. Und ich find es toll, das du trotzdem geschafft hast, dich soweit abzugrenzen, dass du wenigstens für dich selber Ziele finden konntest und deinen Weg gehst. Das ist viel wert, finde ich, und auch sehr schwer.
      Und was ich dir noch sagen kann: selbst wenn du den Kontakt abgebrochen hast, wird es (vermutlich) noch sehr lange dauern, bis du die von deinen Eltern verinnerlichten Abwertungen und Zuschreibungen los wirst, die waren/sind nämlich ja meist trotzdem noch aktiv, auch wenn gar kein direkter Kontakt mehr da ist. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.

      Wäre es denn trotzdem möglich, entweder mit beiden Eltern oder auch nur mit deiner Mutter und mit einer vermittelnden weiteren Person (z.B. ein Theramensch, falls du einen hast), das Gespräch zu suchen und zu schildern, wie es dir mit den direkten und indirekten Botschaften und Erwartungen deiner Eltern geht, was du von ihnen wie wahrnimmst, was du dir wünscht von ihnen? Würden sich deine Eltern und auch du auf sowas einlassen können und wie schätzt du das ein, wie sie reagieren würden? (Oder hast du das schon längst versucht? Ich vermute das mal.) Vielleicht kannst du deine Entscheidung auch von dem Ergebnis eines solchen Gespräches abhängig machen, weil dann evtl. noch mal deutlich wird, inwieweit Veränderungen und Verbesserung in der Beziehung möglich sind oder nicht.
      Hast du Thera? Was wird dir da geraten? Was hast du denn schon alles unternommen, um diese Schwierigkeiten im Kontakt zu lösen? War da was möglich? Grundsätzlich finde ich es besser, erstmal die Probleme im Kontakt zu lösen, z.B. auch deine Aggressionen dahin zu richten, wo sie hingehören. Allerdings ist schon klar, dass es eben nicht immer unbedingt möglich ist, die Probleme im Kontakt aufzulösen, und dass es dann gut sein kann, den Kontakt - evtl. vorübergehend - ganz abzubrechen.

      Wie alt ist denn deine Schwester jetzt? Eine Freundin von mir hat es in einer ähnlichen Situation so gemacht, dass sie gemeinsam mit ihrer Schwester ein Postfach für sie eingerichtet haben und sie dann erstmal über Briefe Kontakt gehalten haben, sie hat dann eben die Briefe an die Postfachadresse geschrieben von der die Eltern gar nichts wussten. Das ist nur eine Idee, vielleicht gibt es ja aber noch weitere Möglichkeiten, trotzdem in Kontakt mit deiner Schwester zu bleiben?

      Ich wünsch dir viel Kraft für deine Entscheidung und auch Mut und hoffe, dass du einen guten Weg für dich findest. Und ich wünsch dir viel Erfolg für deine Pläne!
      Thera hab ich, ja. Ich habe das Thema da auch angesprochen, nur zu einem richtigen Ergebnis gekommen bin ich da auch nicht. Ich glaube, dass ihr mir da mehr weiter helfen könntet, einfach, weil ihr auch eigene Erfahrungen habt ;) .
      selbst wenn du den Kontakt abgebrochen hast, wird es (vermutlich) noch
      sehr lange dauern, bis du die von deinen Eltern verinnerlichten
      Abwertungen und Zuschreibungen los wirst, die waren/sind nämlich ja
      meist trotzdem noch aktiv, auch wenn gar kein direkter Kontakt mehr da

      ist
      Das befürchte ich auch. Nur ist es meiner Meinung nach "leichter", von den Abwertungen los zu kommen, wenn ich keinen Kontakt mehr habe.Und ich zumindest vor "versehentlichen" Abwertungen geschützt bin. (Relativ aktuelles Beispiel meiner Mutter auf die 14 Punkte in der Sowi Vorabiklausur " Vielleicht hättest du ja Sowi als Lk nehmen können", da ich in den LK Vorabiklausuren "nur" 10 Punkte habe.)
      Ein Gespräch mit meinen Eltern würde selbst mit Thera nichts bringen, dafür hattte ich solche Gespräche schon zu oft.
      Meine Schwester ist 12, aber das mit dem Briefe schreiben wird nichts werden, da sie sich ja gegen meine Eltern wenden würde, würde sie mit mir Kontakt haben und das traut sie sich nicht. Außerdem würden meine Eltern alles versuchen, um die ihr meine Briefe vorzuenthalten.
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      (Antoine de Saint-Exupéry, Le Petit Prince)

      Ja, da hast du recht, es ist leichter geworden, sich zu sortieren mit diesen Zuschreibungen, weil man eben nicht immer wieder neu mit diesen Mustern konfrontiert wurde, aber eben leider trotzdem sehr schwer. Und es ist gut, wenn du dir da keine Illusionen machst.

      So wie ich das verstehe, was du hier schreibst, dann hast du ja wirklich kaum Hoffnung, dass sich da im Moment was tun bzw. verbessern kann. Ich denk, du kannst das sicher einschätzen. Angesichts der ohnehin stressigen Abizeit wär es ja dann vielleicht wirklich sinnvoll, wenigstens vorübergehend ganz den Kontakt zu vermeiden, v.a. wenn es dir so zusetzt. Es muss ja nicht für immer sein, vielleicht kannst du nach dem Abi dich ganz anders mit dem Thema auseinandersetzen.

      Wie würden deine Eltern reagieren, wenn du das jetzt machen würdest?

      Wie reagierst du darauf, wenn deine Mutter solche Sätze bringt? Kannst du dann reagieren? Oder hat das schon gar keinen Sinn mehr? Würd es dir guttun, ihr mal deine Wut zu zeigen?

      Nein, die Idee mit den Briefen geht nicht, da ist sie mit 12 wirklich noch zu jung. Die Schwester meiner Freundin war da schon 15 oder 16. Ich finde, das ist was anderes. Fühlst du dich auch verantwortlich für deine Schwester? Dass du sie nicht allein lassen willst (mit deinen Eltern), oder so was? Das war nämlich für mich ein ziemlich schwieriger Teil der Entscheidung.
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