unhappy

      Samstag werde ich konfirmiert.
      Ich bin gut vorbereitet, habe einen neune Rock, eine neue bluse, neue Schuhe und einen unbenutzten Blazer. Auch um die Gespräche mit meinen Verwandten muss ich mir keine Sorgen machen.
      "Du bist aber groß geworden!" -
      "Wir haben uns aber auch eine Weile nicht mehr gesehen!"
      "Du bist jetzt vierzehn, oder?" -
      "Ja, endlich!"
      "Dir gehts gut, nicht?" -
      "Ja, schön, dass du da bist!"
      "Herzlichen Glückwunsch zur Konfirmation!"
      "Danke, ich freu mich so!"

      Es wird Fragen geben. Viele Fragen.
      Aber ich habe meinen Text gelernt.
      We will get better
      Ich kann es schon auf dem Weg zur Umkleide spüren. Streit liegt in der Luft. Es riecht nach Tränen. Gleich wird jemand fertig gemacht. Hinter mir ist das wort "Bitchfight" mehrmals zu hören. Aha. Es sind also Mädchen, die sich streiten. Worum es wohl diesmal geht? Ich schweige, bis wir in der Umkleidekabine angelangt sind. Hier knistert die Luft beinahe. Ich bin grade dabei, meine Schuhe auszuziehen, als jemand die Tür so laut zuknallt, dass ich a'ngst habe, sie aus den Angeln fallen zu sehen. Aber nichts passiert. Nur einige verspätete erschrockene Aufschreie sind zu hören. Ein paar Sekunden lang herrscht völlige Stille. Sie fühlen sich wie Minuten oder ga Stunden an. Dann, plötzlich, fangen mindestens fünf Mädchen an zu reden. Böse Worte dringen aus ihren Mündern, und sie sind alle an eine Person gerichtet. Die Arme steht da, noch sieht sie gefasst aus. Aber ihre Maske bröckelt, ich kann es sehen. "Ich bin so sauer!", schreit ein Mädchen. "Ich könnte dir richtig eine klatschen!"
      Langsam kullert eine Träne über die Wange der Angesprochenen.
      We will get better
      TRIGGERWARNUNG!!!

      *

      *

      *

      *
      Pause, endlich Pause. Die Französischstunde hat sich mal wieder hingezogen wie Kaugummi. Aber jetzt ist sie endlich rum. Ich freue mich, wieder bei meinen Freunden zu sein. Plötzlich stößt Marie mich an. "Guck mal, da oben!" Sie zeigt auf eins der Fenster im dritten Stock. "Ist das ein Junge?", frage ich erstaunt. Tatsächlich, ein kleiner Junge, ein Fünftklässler, sitzt auf der Fensterbank an einem der Fenster. Auch Ida hat ihn bemerkt. "Was will der denn da?", fragt sie belustigt. Sie hält das ganze wohl für einen Scherz oder eine Mutprobe. Der Junge geht näher an's Fenster. Will er wirklich...? "Leb wohl!", schreit er und stößt sich ab.
      We will get better
      Schon wieder wälzt sie sich des Nachts in ihrem Bett, schon wieder kann sie nicht schlafen. Zu viele Gedanken geistern in ihrem Kopf rum. Einen Gedanken für jeden, den sie kennt, hat sie sich als Grenze gesetzt. Sonst kann sie wieder nicht schlafen. Sie hat schon viele Grenzen gesetzt. Sie hat schon viele Grenzen v*rl*tzt. Ihre Grenzen hält sie nie ein. Deshalb die vielen Gedanken. Gedanken an die Leute, die in Japan gestorben sind. Gedanken an alle, die je von einer Gewehrkugel getroffen worden sind. Gedanken an alle kranken Kinder dieser Erde. Sie bemitleidet sie so. Jeder einzelne von ihnen ist aufgrund menschlichen Versagens gestorben. Sie hasst die Menschheit. Doch sie liebt sie auch. Soviele Menschen haben ihr schon geholfen, früher Fremde, jetzt Freunde. Dennoch sind viele Menschen schlecht. Sehr schlecht, verbessert sie sich. Menschen sind schuld, dass andere st*rb*n, die sie nicht einmal gekannt haben. Unschuldige.
      Sie hasst die Menschheit.
      We will get better
      Endlich angekommen. Wegen der ganzen Leute habe ich schon ein ziemliches Freizeitparkgefühl. Als wir endlich drinnen sind, sehe ich ein riesiges Eichhörnchen, das wohl das Symbol des Parks sein muss. Ich gehe darauf zu. Wenn man einen Knopf drückt, erzählt er von den Attraktionen des Parks. Ich gehe näher ran und höre mir an, was er zu sagen hat. Im Streichelzoo soll man sogar Eichhörnchen füttern können. Ich freue mich auf die nächsten Stunden. Hinter mir bewerfen zwei Jungen das sprechende Metalleichhörnchen mit Steinen.
      We will get better
      Nach der Melodie von "Januar, Februar, März, April" (Hier einmal mit Originaltext)

      Wecker klingelt, steh auf, iss dein Frühstück schnell,
      die Tageszeit steht niemals still,
      Gedichte,Englisch und Kaiser August
      versauen uns allen die Lebenslust,
      iss was, dann lern was, geh schlafen
      und dann
      und dann
      fängt der ganze Scheiß wieder von vorne an...

      Ich weiß, nicht mein bestes Werk, ist mir heute aber mal so eingefallen.
      We will get better
      Ein Tritt. Ein Schlag. Schm*rz*n. Noch einer. Ich spüre mein Bein nicht mehr. Bl*t rinnt aus meiner Nase. Mir wird schwarz vor Augen. Hast du deine Taten jetzt bereut?!“, schreit er. Ja, denke ich. Ich weiß nicht, wovon er spricht. "Ja." Ich flüstere. „Du lügst!“, kreischt er und ein stechender Schm*rz durchfährt meinen Knöchel.
      We will get better
      Es ist wieder Pfingstkirmes. Ich freue mich. Es gibt sie noch. Dieses Jahr sind ein paar neue Attraktionen dabei. Ein Kinderkarussell mit Flugzeugen, die sich heben und senken. Auch Ponyreiten können die Kleinen heute. Ich gehe zu den Pferden. Das vordere ist das schönste, braun mit schwarzen Fesseln und schwarzer Mähne. Sein Zaumzeug ist mit bunten Armbändern geschmückt. Es hat eine traurige Aufgabe, muss immer im Kreis laufen. Hinter ihm sind drei weitere Ponys gespannt. Wenn sie laufen, muss das Vorderste auch laufen. Es bleibt stehen. „Gehst du wohl weiter!“, schreit der Besitzer und knallt mit der Peitsche.
      We will get better