Kathetern, Disziplin und Angst

      Kathetern, Disziplin und Angst

      Hallo ihr Lieben,

      ich weiß nicht, ob ihr mir bei meinem Problem helfen könnt, da es schon etwas spezieller ist...

      Mal vorweg: Meine Blase hat mich schon mein ganzes Leben lang gestresst. Durch Sauerstoffmangel bei der Geburt und den daraus resultierenden frühkindlichen Hirnschaden habe ich eine beinbetonte Tetraparese davongetragen, eine spastische Lähmung der vier Extremitäten. Diese Spastik wirkt sich insoweit auf meine Blase aus, dass sie sich unkontrolliert zusammenzieht, den Urin herauspressen möchte und dabei ein viel zu hoher Druck in der Blase entsteht. Diese Diagnose habe ich erst vor 2 Jahren bekommen. Um meine Nieren zu schützen - die zum Glück noch in Ordnung waren - bekam ich ein Medikament, das den Blasendruck senken sollte. Das wirkte aber nicht stark genug, es führte nur dazu, dass sich meine Blase später zusammenzog, wenn sie voller war. Also war der Druck noch höher. Aus diesem Grund hat man mir vor einem Jahr Botox in die Blasenmuskulatur gespritzt und sie dadurch quasi gelähmt. Im Vorfeld musste ich daher lernen, mich selbst zu katheterisieren. Bis das ohne weiteres funktionierte und Routine war, hat es ca. 2 Monate gedauert. Zwei Monate mit viel Frust und vielen Tränen. :rolleyes: Nach diesen zwei Monaten habe ich damit, meine Blase nur mit einem Hilfsmittel entleeren zu können, eigentlich ganz gut gelebt.

      Aus diesem Gleichgewicht wurde ich allerdings jäh herausgerissen, als ich Anfang Mai diesen Jahres wieder im Krankenhaus war, um mir erneut das Botox spritzen zu lassen. Dort fragte man mich ganz entsetzt, ob ich mich denn nicht vor jedem Katheterisierungsvorgang "untenherum" waschen würde, das sei sehr wichtig. Mein mühsam aufgebautes "Ich bin selbstständig, ich kann diesbezüglich für meine Gesundheit die Verantwortung übernehmen"-Kartenhaus fiel in sich zusammen. Ich habe ca. 3 Wochen gebraucht, bis ich nicht mehr vor jedem Kathetern heulend und zitternd auf dem Klo gesessen habe. Ich fühlte mich von diesem "Ich muss noch sauberer arbeiten" so verfolgt, dass ich in mir eine dauernde Gefahr für meine Gesundheit gesehen habe. :wacko: Ich hab mich teilweise im wahrsten Sinne des Wortes dreckig gefühlt.

      Ach ja, Erklärung: Wenn man beim Kathetern nicht peinlich genau auf Hygiene achtet, ist die Gefahr sehr groß, sich selbst einen Blaseninfekt zu fabrizieren....

      Im Moment kämpfe ich etwas damit, so diszipliniert zu sein, mich alle 4 Stunden aufs Klo zu pflanzen. Die Blase darf ja nicht zu voll werden, sonst habe ich das Zeug, was eigentlich raus sollte, wieder in den Nieren hängen. Das finden die dann gar nicht lustig.... Ich weiß, dass diese Disziplin auf lange Sicht lebensnotwendig für mich ist. Im Moment setzt mich das wieder sehr unter Druck. Es klappt zwar, aber es ist enorm anstrengend, da ich nur noch extrem selten Harndrang habe und mich dann immer selbst sehr in den Hintern treten muss.

      Dazu kommt dann noch, dass die Blase ja auch auf Stress sensibel reagiert und mir deshalb manchmal etwas (wirklich nur ein bisschen) wehtut, ohne dass ein Infekt vorhanden wäre. Wenn beim Urologen dann rauskommt, das keiner vorhanden ist, finde ich das natürlich erleichternd, aber ich muss mich vorher sehr am Riemen reißen, um mich nicht mit Selbstvorwürfen - bezüglich mangelnder Sorgfalt - zu überschütten.

      Zu guter Letzt steht Ende Juli ein Röntgen der Nieren an, um zu schauen, ob diese noch uneingeschränkt funktionieren. Obwohl mir zwei Urologen, die ich für sehr kompetent halte, versichert haben, dass auf dem Ultraschall nichts auffälliges zu sehen ist, habe ich ziemliche Angst, doch nicht sorgfältig genug mit meiner Blase umgegangen zu sein... ;(

      Entschuldigt, ganz viel Durcheinander.

      Vielleicht blickt ja jemand durch und mag mir was Hilfreiches schreiben? Ein paar Popotritte vielleicht auch...

      Danke....

      hier.und.jetzt
      Lass es los und lass es frei . Lass es gehen, dann geht's vorbei...
      [Jupiter Jones- Fulda, Horasplatz]
      Hi,

      ich musste mich zwar nie selbst katheterisieren aber habe schonmal eine Zeit lang einen DK gehabt und habe das Legens owie auch das Ziehen später voll mit bekommen. Dass man da einiges an Anlauf braucht um sich selbst zu kathetirisieren kann ich mir gut vorstellen.

      Wenn ich Dich nun richtig verstanden habe achtest du schon sehr genau auf die Hygiene aber hast nun durch die Äußerung bzw Frage die Dir im Krankenhaus gestellt wurde Angst nicht genug darauf zu achten?
      Hat man Dir denn genauer erläutert wieso du das so entsetzt gefragt wurdest?

      Liebe Grüße
      "I will never die , and if I do I will rise up the ashes like all Phoenix do"
      Hallo hier.und.jetzt

      Also ich denke, du solltest dir immer wieder sagen, dass du bis jetzt nicht alles falsch gemacht haben kannst, sonst hättest du doch schon längst einen Blaseninfekt gehabt, oder?
      Andere Ärzte/Pfleger - andere Ansichten. Wer weiß, vielleicht hatten die vor dir einen Patienten, der überhaupt gar nicht auf Hygiene geachtet hat und deswegen waren die gerade ein wenig sensibilisiert in der Hinsicht?
      Ich glaube, man hat immer wieder solche Durchhänger in der Disziplin, wenn man eine Krankheit hat, wegen der man regelmäßig etwas versorgen muss. Ist im Endeffekt bei psychischen Sachen ja auch nicht anders, bei mir zuindest. Es gibt einfach Phasen, da lasse ich es etwas schleifen. Genauso mit meiner Schlafstörung, wobei da der Vorteil ist, dass ich die Auswirkungen sehr schnell spüre, wenn ich nicht super korrekt auf alles achte.
      Ich finde das total bew undernswert, wie du das hier schreibst und wie du damit umgehst, das alles muss ja eine irre Kraft kosten und ist sicherlich auch oft mir Schmr*z*n verbunden. Natürlich ist das eine ernste Sache, aber vielleicht kannst du versuchen, den Druck etwas herauszunehmen. Wie erinnerst du dich denn selbst daran, zur Toilette zu gehen? Kannst du dir vielleicht ein Handy o.Ä. so programmieren, dass es dich automatisch daran erinnert? Einfach, damit noch mehr Routine reinkommt? Oder du machst dir einen Liste zum abhaken und wenn du es z.B. drei Tage hintereinander geschafft hast, immer häufig genug zu gehen, gönnst du dir eine kleine Belohnung.

      Die Angst vor dem Röntgen kann ich dir leider nicht nehmen. Lässt sich der Termin vielleicht früher ansetzen, damit du eher Gewissheit hast? Ich finde, du brauchst keinen Popotritt, denn deine Ärzte haben dir gesagt, dass sie nichts Auffälliges sehen und danach richtest du dich logischerweise. Und selbst wenn etwas sein sollte: Du bist nunmal krank und was da von dir abverlangt wird ist nicht schön und ist sehr zeit- und sicherlich manchmal auch kraftraubend. Da kann dir keiner einen Vorwurf machen, denn bei alltäglichen Abläufen wie bei dir dem Kathetern kann jedem ein Fehler unterlaufen, selbst der penibelsten Krankenschwester. Wenn etwas negatives gefunden werden sollte - worauf ja nichts hindeutet - dann kannst du immer noch überlegen, was du ändern solltest. Aber bis dahin ist es glaube ich kontraproduktiv, wenn du dir noch mehr Druck machst und das dann dazu führt, dass du nicht mehr häufig genug zur Toilette gehst (vielleicht habe ich dich da auch falsch verstanden, für mich klang es so, als müsstest du dich gerade mehr oder weniger dazu zwingen und das erkläre ich mir aus dem Druck, den du dir machst).

      Liebe Grüße,
      Fylgja
      Hey Rabenflug,

      danke für deine Antwort. :) Ja, das hast du richtig verstanden..... Man hat mir nicht speziell gesagt, warum, aber ich habe dann noch mal die Dame angerufen, die mich damals angelernt hat. Sie hat die Aussage der Schwestern indirekt bestätigt, sagte aber, es sei ausreichend, wenn ich mich mit klarem Wasser wasche. Was ich ja jetzt auch tue...

      Hallo Fylgja,

      kurz vor dem Eingriff hatte ich noch einen Infekt, allerdings war es der einzige seit einem Jahr. Mein Urologe sagt, das sei normal, also auf jeden Fall nicht weiter bedenklich.
      Dass sie darauf vielleicht in der Zeit ganz besonders geachtet haben, kann schon sein. So hab ich das noch gar nicht betrachtet. :)

      Ja, das kostet Kraft, aber eine andere Möglichkeit bleibt mir ja nicht... Ein Handy zu programmieren, wäre eine Idee. Im Moment ist es nämlcih noch so, dass ich das Kathetern nicht in den Alltag integriere, sondern den Alltag irgendwie um das Kathetern herumbastele... Ist etwas doof.

      Da habe ich mich glaube ich etwas missverständlich ausgedrückt: Ich schaffe es, regelmläßig genug zur Toilette zu gehen, allerdings muss ich immer gegen die Stimme im Kopf angehen, die sagt: "Och nö, du merkst doch noch nichts, du hast doch noch Zeit." Ich bin da unterbewusst etwas faul - oder würde es mir gerne erlauben können.

      Nein, der Termin lässt sich nicht früher ansetzen, da mein Urologe in 2 Wochen im Urlaub ist.Das ist etwas blöd im Moment.

      Dadurch, dass ich dabei im Moment sehr unter Druck stehe, muss ich halt nur diese extreme Disziplin aufwenden...

      Ich danke euch beiden. :)
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      [Jupiter Jones- Fulda, Horasplatz]
      Oh mann. Im Moment versuche ich, wieder etwas Normalität einkehren zu lassen, indem ich das Waschen vor dem Kathetern weglasse. Ging ja vorher auch so. Nach außen hin klappt das auch ganz gut, aber innerlich scheine ich extrem unter Druck zu stehen. Ich habe vorhin auf der Toilette gesessen und meine Spastik hat dafür gesorgt, dass meine Knie mir fast um die Ohren geflogen sind (vom Zittern her). Wahnsinn. Ich möchte im Moment einfach nur, dass das Ganze zu einem unkomplizierten Element meines Alltags wird. Hat ja schon ganz gut funktioniert, nur eben noch nicht gut genug. Ich muss um jedes Fitzelchen Normalität kämpfen. Das geht so weit, dass ich jetzt schon seit 'nem Monat krankgeschrieben bin, weil ich teilweise vor lauter Stress und Angst nicht mehr weiß, wohin mit mir. ._.

      Ich will keine Angst mehr haben. ;(

      Edit: Ach ja, hat noch jemand Anmerkungen oder Tips? Falls nicht schon alles gesagt ist...
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