Belastende Einsätze

      Belastende Einsätze

      Hallo alle miteinander!

      Ich schreibe hier zu einem Thema, zu dem ich in diesem Forum noch nichts gefunden habe.

      Es geht um belastende Einsätze. Einsätze, bei denen Menschen sterben.

      Ich war 2010 als Rettungssanitäterin bei der LoveParade in Duisburg. Ich bin ehrenamtlich bei einer großen deutschen Hilfsorganisation.

      Ich habe dort wirklich schlimmes erlebt. Ich war nämlich mittendrin und musste zusehen, wie Menschen regelrecht verrecken. Und ich konnte nicht helfen. Es war wie in einem Zombiefilm, als ich in den Hessenkessel (dort, wo die wahnsinnige Menschenansammlung war und letztendlich auch das Unglück passiert ist). Menschen verdrehten die Augen, schrien - und ich stand hilflos oben und konnte nichts tun. Es war die Hölle. Es sind 21 Menschen gestorben. Und ich habe zugesehen.

      Zunächst bin ich damit ganz locker umgegangen. In meinem richtigen Leben mache ich einen Job, der es erfordert, stark zu sein.
      Ich wollte einfach damit fertig werden.

      Jedoch hat mich manchmal die Trauer von anderen wütend gemacht. Schließlich war ich diejenige, die hilflos rumstand. Es ist mir sehr unangenehm, darüber zu sprechen. Vor allem das wütend-sein. Aber es ist nunmal ein Gefühl, was ich nicht abstellen kann. Die Nachbereitung war schlimm für mich. Ich wollte es mit mir alleine ausmachen und musste mir in einer großen Gruppe nochmal die Geschichte von jedem einzelnen der Gruppe anhören. Es war der Horror, aber ich wusste: "Rennste raus, denken alle, dass du nen Sprung in der Schüssel hast...".
      Das wollte ich nicht.

      Ich habe große Probleme damit.
      Ich denke oft dran. Tagsüber, einfach so.
      Und das nach zwei Jahren.
      Zu Beginn war es noch nicht so schlimm.

      Ich möchte nicht, dass jemand denkt, dass ich bescheuert bin. Deswegen kann ich darüber irgendwie nicht mit Freunden reden. Vor allem nicht über die Sache mit der Wut. Es ist mir einfach peinlich. Ich schäme mich dafür...

      Ich weiß nicht, was ich tun soll.
      Ich hoffe ja, dass die Gedanken einfach verschwinden...


      Liebe Grüße
      Luna
      Hallo Luna,

      ich bin zwar keine RS, sondern nur normale Sanitäterin im Ehrenamt, aber ich möchte dir trotzdem ein paar Zeilen schreiben...

      Dir scheint ja schon irgendwie bewusst zu sein, dass es dir helfen würde, mit jemandem über alles zu reden, das kann ich nur bestätigen. Mir hat das auch immer geholfen.
      Du könntest dich an deine Hilfsorganisation wenden, (so weit ich weiß, gibt es von so gut wie jeder Notfallseelsorger etc), an Leute von deiner Rettungswache/Bereitschaft..., oder am besten auch mit Sanis, die damals auch dabei waren, um darüber zu reden. In deinem Fall fände ich es auch keine schlechte Idee, dich an professionelle Leute zu wenden. Zum Beispiel könntest du deinem Hausarzt davon erzählen, der wird dir dann evtl. eine Überweisung für eine Therapie machen. Falls es dir dadurch, dass du darüber mit nicht-professionellen Leuten sprichst, noch schlechter gehen sollte, dann solltest du dich auf jeden Fall an Fachleute wenden.

      Dass es dich so belastet, und für deine Gefühle wie deine Wut, brauchst du dich sicher nicht zu schämen. Es ist (leider) eine normale Reaktion auf Hilflosigkeit in diesem Ausmaß... Auch sehr erfahrene Rettungsdienstler können durch solche Einsätze solche Gefühle entwickeln: Das ist weder abhängig von der Quali, noch von der Erfahrung, es kann wirklich bei jedem vorkommen. Ich hab solche Berichte auch schon von Menschen gehört, die seit Jahrzehnten im RD arbeiten und schon sehr viel bis zu ihrem belastenden Einsatz erlebt haben.

      Wenn du magst, kannst du dich auch gern mal eine PN an mich schicken.

      Liebe Grüße,
      schlehe