Ein paar Fragen zur Familientherapie

      Ein paar Fragen zur Familientherapie

      Puuh. Mein erster Beitrag seit 3.5 Jahren, mein erstes erstelltes Thema seit 6 Jahren. Das hätte ich ja auch nicht erwartet...

      Erstmal hallo zusammen,
      ich habe - wie der Titel bereits sagt - einige Fragen zur Familientherapie. Es tut mir Leid, falls ich an einigen Stellen etwas zu weit aushole oder zusammenhangslos schreibe, aber ich muss das gerade einfach mal alles loswerden. Ich hoffe, das verzeiht ihr mir. Ich möchte nicht direkt eine Trigger-Warnung aussprechen, aber eins sei vorweg gesagt: Es wird in dem Text nicht ausschließlich um die Therapie gehen, sondern ich werde dazu einige Probleme innerhalb meiner Familie ansprechen (müssen). Also bitte nur lesen, wenn ihr stabil genug seid.

      Mir spukt der Gedanke, eine Familientherapie zu machen, mittlerweile seit fast 10 Jahren - also seitdem ich 15 bin - im Kopf herum. Da meine Eltern damals aber nicht so richtig etwas von meinem SVV und anderen Problemen wissen wollten, hat sich der Gedanke an diese und jegliche andere Therapie irgendwann im Sande verlaufen. Das SVV habe ich mittlerweile gut im Griff, aber die Probleme innerhalb der Familie - vor allem mit meiner Mutter - sind geblieben. Ich bin im Sommer 2008 aus meinem Elternhaus ausgezogen, seit Sommer 2011 lebe ich mit meinem Freund zusammen. Da ich im Moment jedoch noch studiere, besuche ich meine Eltern relativ häufig und manchmal auch für eine längere Zeit (eine Woche, in seltenen Fällen auch mal zwei). Früher oder später verfallen meine Mutter und ich in alte Verhaltensmuster: wir streiten uns wegen Kleinigkeiten, sie macht mir Vorwürfe, macht meinen Freund schlecht (sie sieht nicht, dass er der einzige Mensch in meinem Leben ist, der wirklich hinter mir steht und der mir guttut) etc. Sobald ich versuche, ihr ruhig und sachlich meine Ansichten zu schildern, fängt sie an zu weinen und verlässt den Raum. Gestern musste ich sie in einer ca. 10-15-minütigen Diskussion ganze 5 (!) mal bitten, im Raum zu bleiben, ansonsten wäre das Gespräch nach 30 Sekunden beendet gewesen.
      Ich komme einfach nicht an sie heran, eine Diskussion ist mit ihr überhaupt nicht möglich - weder für mich noch für meinen Vater. Ich habe gestern ein sehr langes Gespräch mit meinem Vater geführt, bei dem herauskam, dass er sich große Vorwürfe macht, weil er mich als Kind nicht mehr vor den Angriffen meiner Mutter beschützt hat etc. Er sagte, dass er nicht mit ihr reden kann und er mittlerweile zu dem Schluss gekommen ist, dass uns eine Familientherapie eventuell doch ganz guttun würde - sofern er meine Mutter dazu bringen kann, dem zuzustimmen...

      Ich finde die Idee eigentlich nicht schlecht, denn eine gemeinsame Therapie ist für mich die einzige Hoffnung auf eine vernünftige und sachliche Auseinandersetzung zwischen mir und meiner Familie.

      Das große Problem ist aber: Ich wohne 200 km von meinen Eltern entfernt und ich habe keine Ahnung, wie unter den Umständen überhaupt eine gemeinsame Therapie stattfindet sollte!?

      Der zweite Punkt ist: Ich bin mittlerweile fast 25 Jahre alt, meine Eltern sind fast 60. Die Frage ist wahrscheinlich ziemlich dumm, aber denkt ihr, dass es überhaupt Sinn macht, in so einem Alter noch eine Familientherapie zu beginnen? Ich meine nicht nur das Alter meiner Eltern, sondern durchaus auch mein Alter. Ich persönlich denke: Für eine Familientherapie ist man nie zu alt, da meine Eltern immer meine Eltern bleiben werden und ich werde immer ihr Kind sein - egal ob ich 15, 25 oder 45 Jahre alt bin. Ich wurde bloß von einigen Kommentaren ein wenig verunsichert, deswegen würde ich gerne eure Meinung dazu hören.

      Dann wäre da noch das dritte und für mich persönlich das schwerwiegendste Problem (ich schwinge an dieser Stelle mal die Trigger-Kelle, es geht um m*ssbr**ch): Ich habe vor wenigen Tagen von meinem Vater erfahren - er selbst weiß es auch erst seit einigen Monaten - dass meine Mutter als Kind s*xu*ll m*ssbr**cht wurde. Das hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen und ich hab keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Darüber reden kann ich mit meiner Mutter nicht, da ich es ja offiziell gar nicht weiß. Mal davon abgesehen traue ich mir das auch gar nicht zu, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass sich mir so oder so wieder zurückweisen würde.
      Meine Frage ist nun: Inwiefern macht eine Familientherapie unter solchen Umständen für meine Mutter überhaupt Sinn? Wäre es angebracht, oder wäre es vielleicht doch besser für sie, dass Thema zuerst allein in einer separaten Therapie aufzuarbeiten, sofern sie das möchte?

      Ich bin da gerade einfach ein bisschen überfordert. Und der Text ist doch nun ein ganzes Stück länger geworden, als ich erhofft hatte, aber es musste einfach mal raus.
      Ich weiß nicht, ob sich diesen langen Mist nun überhaupt jemand durchlesen wird, aber falls ja: für ein paar Anregungen wäre ich sehr sehr dankbar!

      LG Niqesse
      {1984 is now}
      Hi Nigesse,

      sei gegrüßt ich bin hier gerade so am Durchlesen, und möchte Dir mal allgm. Antworten.
      Zu Deiner Frage welches Alter Du mit deiner Familie eine Familientherapie machen kannst, die Familientherapien und auch die systemischen (moderne) familientherapeutischen Konzepte, zB. Milton Erickson, sind auf jedes Alter ausgerichtet, da diese auch lösungsorientiert arbeiten.

      Die Therapie wäre auch im Einzelsitzungen möglich, dann bezieht die TherapeutIn sich auf die lebensgeschichtlichen Inhalte, die Du erinnern könntest.
      Es ist bei M*ßbr**ch auch unterschiedlich, wie ein Mensch sich noch öffnen kann. Und es würde villt in der Therapie gar nicht, zur Sprache kommen, nur Eure Interaktion untereinander und Eure gemeinsamen Erlebnisse oder aktuellen Konflikte werden bewußt, und neue Verhaltensweisen überarbeitet.

      Jedes Alter nun ihr seid ja immer ein Familie ein Leben lang. Jeder könnte davon profitieren. :)
      In wie weit Deine Mutter da eingebunden wird, das muss die TherapeutIn abgrenzen und entscheiden, sie/ er wird dann auch einzelne Sitzungen mit Euch /ihr durchführen.

      Oder auf einen Traumatherapeuten verweisen, da kommts auch darauf an, ob Deine Mutter nur "Verhalten" zeigt, oder auch noch Symptome und Krankheitsbild, aufweist, zB. wie bei PTBS, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, EMDR, werden verwendet, und andere Traumatherapien, in Einzelsitzungen.

      Die Altersbegrenzung gibt es nicht mehr eventl. bei einer klassischen Psychoanalyse, die bis 7 Jahre früher ging. das war die Begrenzung bis ca. 53/55 Jahre. Das zahlen aber die Kassen eh nicht mehr, das wäre viel zu teuer.

      Villt. braucht Deine Mum auch nicht so viel Therapie, weil sie über das Alter viel Erfahrung, und im Bereich intrapsychischer und extrapsychischer Konflikte auch damit umzugehen, gesammelt hat.

      (Coping- Strategien im Alter). Mensch kann es auch Altersweisheit nennen.

      Das müsste sie dann selber entscheiden, ob sie das macht und sich drauf einlässt. Aber Erinnerungen und Erziehungsfehler Deiner Eltern u. Verhalten deinerseits, könnte über Familienth. aufgearbeitet werden. ;)
      Konnte ich Dir i- wie weiterhelfen??

      LG Timo ;)

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „Timotheus“ ()

      Hallo Timo,

      vielen Dank für deine sehr ausführliche Antwort!
      Das hat mir auf jeden Fall schonmal weitergeholfen, ja. Im Grunde hat es Gott sei Dank auch zum Teil meine eigenen Gedanken bestätigt: Für eine Familientherapie ist es nie zu spät. :)
      Was meine Mutter angeht, da denke ich eigentlich auch ähnlich. Es ist schön, nochmal ein paar Ratschläge von einer anderen Person zu hören, dafür vielen Dank! :)
      Ich denke, wir werden uns eventuell in der nächsten Zeit mal etwas intensiver damit beschäftigen, ob so eine Therapie für uns in Frage kommt.

      Generell habe ich hier im Forum leider relativ viele negative Kommentare und Erfahrungen bzgl. Familientherapie gelesen, die mich ein wenig abschrecken. Aber ich werde sehen, was die Zukunft bringt.

      LG
      {1984 is now}