Abgrenzen

      Hallo zusammen,

      ich bitte Euch um Tipps zum Thema "Abgrenzung". Ich habe selber viele Jahre in der ambulanten Psychiatrie gearbeitet (und auch immer noch für einige Stunden pro Woche helfe ich dort aus) und hatte in all der Zeit nie das Gefühl, dass ich Dinge mit nach Hause nehmen würde oder mich bestimmte Dinge belasten.
      Mittlerweile bin ich aber hauptsächlich in einem anderen Bereich tätig.
      Doch nun, wo es um mein Privatleben geht, merke ich, dass meine erlernten Mechanismen dort nicht greifen.

      Zur Situation:
      Eine wirlich gute Freundin ist seit einigen Wochen in der Psychiatrie. Wir hatten uns bei der Arbeit kennen gelernt (nicht in der Arztraxis) und ziemlich schnell gemerkt, dass wir mehr sind als Kolleginnen. Diese Freundschaft hat den Arbeitsalltag sehr erleichtert und unser Tun war sehr effektiv.
      In den Pausen ging es dann aber hauptsächlich um ihre häusliche Situation.
      Ich mag hier nicht wirklich ins Detail gehen, da es unschön wäre, wenn sie sich hier "wieder finden" würde.
      Ich merkte damals schon, dass mich das Thema sehr mitnimmt und wir täglichen Kontakt mit etwa 1,5 h Pause hatten.

      [...]

      Nun zu mir und ich hoffe, dass ich nicht all zu egoistisch wirke...
      Ich merke, wie meine Kraft weniger wird. Merke, wie mich die Details belasten, nicht los lassen. Bin hin und her gerissen, zwischen den Gedanken wie "Wenn ich nun den Kontakt abbreche, dann würde es ihr Ende bedeuten" bis zu "Ich muss den Kontakt abbrechen, da sie mir sonst die Luft zum Atmen nimmt".

      Die berufliche Situation bei mir ist momentan mehr als unstrukturiert - besser gesagt, es geht zu wie im Taubenschlag. Nicht nur diese Kollegin ist für längere (unabsehbare?) Zeit nicht da, sondern andere Kollegen sind ebenfalls krankheitsbedingt ausgefallen. Bislang ist niemand davon ersetz worden. Somit fühle ich mich bei der Arbeit gestresst und für die "Kunden" die einzige Ansprechpartnerin.

      Am vergangenen Wochenende hatte ich beschlossen, meine Telefone auszustellen, damit ich einfach Zeit mit meinem Mann verbringen kann und versuche wieder Kraft für diese Woche zu tanken. Gestern Abend sah ich dann aber, dass sie unzählige Male versucht hatte, mich zu erreichen.

      Heute Früh auf der Arbeit, ging mein Handy und sah, dass eben diese Freundin wieder versuchte mich zu erreichen. Sie weiß, dass es nahezu unmöglich ist, auf unserer Arbeitsstelle zu telefonieren und versucht sie dies. Heute Mittag rief ich zurück und sie erzählte mir, dass eine Verlegung auf die Geschlossene stattgefunden hat. Naja, ich denke, Ihr könnt euch denken, weshalb.

      Ich bin hin und her gerissen. Einerseits ist sie eine Freundin, andererseits belastet mich das alles ungemein. Dabei denke ich nach wie vor, dass ich ein stabiler Mensch bin, den so schnell nichts aus der Bahn werfen kann. Vielleicht ist es die Kombination von Arbeitsstress, das Gefühl dort "alleine" gelassen zu werden, obwohl klar ist, dass ich das Arbeitspensum nicht alleine schaffen kann, die Trauer/das Mitgefühl um meine Freundin, ... ja, und auch Wut, die ich in mir habe.

      Sie hat die Informationen um ihren Zustand kaum jemandem aus dem Bekanntenkreis/Freundeskreis bekannt gegeben. Lediglich zwei weitere Personen - so sagt sie - gehörten nun zu dem "engen Kreis" um sie herum, dem sie vertraue, dem sie offen gegenüber treten könne. Was passiert, wenn ich da nun wegbreche? br*cht dann auch unsere Freundschaft?

      Ich versuche mich abzulenken, gehe weiterhin meinem Hobby nach, bin wieder mit dem Joggen angefangen, um die Gedanken sortiert zu bekommen. Mein Mann hat natürlich ein offenes Ohr für mich und bislang habe ich auch gedacht, dass ich das alles wegstecken kann. Nur seit einigen Tagen sprechen mich doch recht viele Personen an, was mit mir los sei. Man würde eine Traurigkeit in meinen Augen sehen... Ja, ich habe Angst, dass ich sie verliere und dieses tägliche Hin und Her, Hoffnung/Angst raubt mir meine Lebensfreude, die ich sonst ausstrahle und fühle.

      Kennt Ihr Strategien, wie ich diese Situation nicht zu sehr an mich ranlasse? Tipps, wie ich mich verhalten kann, wenn mir der Kontakt zu eng wird, ohne dass ich sie dabei verletze? Ich wäre dankbar, etwas von Euch zu lesen.

      Danke
      Waterlily


      [Edit: Details entfernt, bitte auf die Regeln und Löschkriterien achten / klirr]

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „klirr“ () aus folgendem Grund: nachgesternt

      Hey,
      Ganz wichtig: du selbst gehst immer vor.
      Was nützt es deiner Freundin, wenn es dir am Ende selber schlecht geht, weil du mit allem komplett überfordert bist?
      Wenn du im Moment alle Kapazitäten für dich selbst brauchst, dann ist das so.
      In der Klinik wird jetzt erstmal auf sie aufgepasst. Natürlich ist etwas moralische Unterstützung schön, aber wenn du das im Moment nicht leisten kannst/willst, wird sie das akzeptieren müssen.
      Wenn du selber dann wieder weniger um die Ohren hast, kann sich das ja wieder ändern. Jetzt den Kontakt einzuschränken bedeutet ja nicht, dass eure Freundschaft beendet ist.
      Eine kurze Mitteilung per Postkarte oder Telefon währe hilfreich, damit sie weiß, wo sie dran ist und nicht endlos darüber nachgrübeln muss, was auf einmal mit dir los ist / warum du nicht zu erreichen bist etc.
      Am I that unimportant -
      am I so insignificant?
      Isn't something missing -
      isn't someone missing me?
      (Evanescence - Missing)
      Danke, SoRaya, für Deine Antwort.

      Das Komische ist, dass mir all das, was Du schreibst, bewusst ist. Und dennoch kann ich so nicht handeln. Skurril, oder?
      Aber ich werde versuchen, meinen Ausgleich mehr in meiner Freizeit zu finden. Noch drei Wochen, dann ist Urlaub und ich hoffe, dass mir das auch Kraft zurück gibt.

      Hat jemand noch eine Idee, wie man etwas umsetzen kann, von dem man eigentlich weiß, dass es der richtige Schritt wäre, aber irgendetwas in einem das sinnvolle Verhalten blockiert?