Kein H*ng*rgefühl

      Kein H*ng*rgefühl

      Hey,

      eigentlich wollte ich mich mi diesem Thema an meinen Arzt wenden. Da ich aber noch im Normalgewicht bin , dachte ich, vielleicht reicht hier ja ein Post.

      Aaaalso. Ich bin eigentlich schon immer essgestört gewesen, hatte nie ein gutes Verhältnis zum Essen. Im Gegenteil, es war meistens ein furchtbarer Kampf. Dennoch hielt ich mein Gewicht über Jahre, mit nur minimalen Schwankungen. Durch die Beziehung zu meinem Ex, der mich miserabel behandelt hat und zuviel Stress auf der Arbeit, rutschte ich 2009/2010 aber richtig in die Essstörung.
      Meine Ernährung beschränkte sich zum Schluss auf eine einzige Mahlzeit am Tag, der Rest waren Nahrungsergänzungsmittel, gegen die Mangelerscheinungen. Vermutlich bin ich nur deshalb nie kollabiert bis zu meinem Klinikaufenthalt.

      Mittlerweie kämpfe ich gegen die ES an und das eigentlich recht erfolgreich. An guten Tagen schaffe ich auch meine drei Mahlzeiten - es sind zwar kleine aber immerhin schonmal welche. Aber seit ich das so durchziehe, habe ich gar kein Hungergefühl mehr. Das Essen wird zunehmend schwieriger, ich will wieder weniger essen. Ich kenne nur dieses extreme Hungergefühl, dass sich der Bauch meldet, oder ich Bauchschmerzen oder Übelkeit habe.... wenn ich nun aber so normal esse, oder annähernd normal, habe ich kein Hungergefühl. Es macht mir Angst. Es ist fast so als müsste ich zwischendurch hungern, um zu fühlen dass ich am Leben bin oder um wieder essen zu können. Aber dann jagt es mich wieder und ich brauche FETT. Ich suche die Kalorien, esse Dinge, die ich sonst niemals essen würde, esse, nasche - und manchmal übergebe ich mich. Ich möchte weg davon aber wenn ich diesen Hunger nicht bewusst wahrnehme, wenn ich ihn nicht spüre, kann ich auch nicht essen.

      Ich esse schon länger nichts mehr auf der Arbeit, weil ich nicht möchte dass jemand sieht, wie klein meine Portionen geworden sind und wie viel ich wegwerfen muss.

      Vielleicht ist es deshalb so schlimm geworden, weil ich auf der Arbeit Menschen sehe, die größer sind als ich und weniger wiegen und trotzdem noch leben.... außerdem muss ich regelmäßig für die Menschen mit denen ich arbeite, ernährungsprotokolle schreiben mit Kcal-Angaben etc... dadurch wird mir vlt unbewusst bewusster, wieviel wo drin steckt.
      Ich sprach letztens mit einer Kollegin über die Kcal von bestimmten Mahlzeiten, weil mir die Zahlen von dem was ich so esse unglaublich klein vorkamen im Vergleich zum täglichen Soll. Sie meinte daraufhin dass diese Mengen die ich nannte, doch relativ viel wären (sie weiß nix von meiner ES, ich nehme an, dass sie davon ausging, dass ich über einen Bewohner sprach...)
      Ich musste daraufhinständig daran denken an diese Zeit, wo ich deutlich weniger gegessen habe. Wie dünn ich geworden bin. Wie stolz ich auf mich war. Und wieviele Komplimente ich von anderen bekommen habe.... und sie meinte, das wäre VIEL? ich glaub echt ich hab da was in den falschen Hals bekommen....

      Ich sprach auch mit ihr darüber dass ich kein richtiges Hungergefühl habe und mich konsequent ans Essen erinnern muss. Daraufhin meinte sie nur, sie sei neidisch auf mich... O_o

      Hat jemand Rat?
      Ab Mai bin ich leider wieder arbeitslos und ich habe angst dass das mit dem essen dann sehr viel schlimmer wird....

      Gruß
      Hope.
      Der wichtigste Mensch in Deinem Leben....


      ... bist immer Du selbst.
      Hi Hope,

      ich hatte aus einem anderen Post von dir gelesen, dass du in der Altenpflege arbeitest. Vielleicht kann ich dir auf die Finger klopfen, weil ich 1. auch Jahre lang ´ne dicke ES hatte und 2. selber Krankenpfleger bin.

      Hope. schrieb:

      Aber dann jagt es mich wieder und ich brauche FETT. Ich suche die Kalorien, esse Dinge, die ich sonst niemals essen würde, esse, nasche - und manchmal übergebe ich mich. Ich möchte weg davon aber wenn ich diesen Hunger nicht bewusst wahrnehme, wenn ich ihn nicht spüre, kann ich auch nicht essen.
      Ich glaube, du weißt selber, dass dein Körper sich irgendwann wiederholt, was er lange nicht bekommen hat. Grade in deinem Job, körperlich und psychisch anstrengend - dann lange Hungerphasen (8 Stunden nicht Essen während der Arbeit, ist eine Hungerphase für deinen Körper) will dein Körper irgendwann Zucker, und dann viel.

      Das mit dem Essen, obwohl man keinen Hunger hat, musste ich auch lernen. Grad wenn ich übermüdet bin (Nachtschicht, vor dem Frühdienst nicht geschlafen) habe ich überhaupt keinen bewussten Hunger - aber ich hab mir selber beigebracht je nach Schicht Essenszeiten wahrzunehmen. Selbst wenn es nur kleine Portionen sind, ein Apfel oder einen Joghurt - das ist total wichtig für deinen Körper.

      Hope. schrieb:

      Ich esse schon länger nichts mehr auf der Arbeit, weil ich nicht möchte dass jemand sieht, wie klein meine Portionen geworden sind und wie viel ich wegwerfen muss.
      Ich kann dich beruhigen - es wird keinem auffallen wie klein die Portionen sind. Gesund Menschen denken so nicht. Mich hat noch nie jemand angesprochen, nur weil ich mal meinen Teller nicht aufgegessen habe. Normale Menschen denken eher so: "Heute schmeckt es mir gut, ich esse heute eine zweite Portion; gestern hatte ich keinen Hunger und hab die Hälfte gegessen."

      Du musst wirklich anfangen auf Arbeit zu essen - ich weiss nicht wie alt du bist, aber ich bin schon häufiger mal auf Arbeit abgeklappt. Einmal als ich alleine im Nachtdienst war, das hat mir eine Heidenangst gemacht. Dein Job ist körperlich anstrengend - du hälst ihn nicht durch, wenn du deinem Körper auf einer low-dose Ernährung hälst. Wenn du noch nicht kollabiert bist - Glück gehabt. Wird nicht immer so sein.

      Hope. schrieb:

      Vielleicht ist es deshalb so schlimm geworden, weil ich auf der Arbeit Menschen sehe, die größer sind als ich und weniger wiegen und trotzdem noch leben.... außerdem muss ich regelmäßig für die Menschen mit denen ich arbeite, ernährungsprotokolle schreiben mit Kcal-Angaben etc... dadurch wird mir vlt unbewusst bewusster, wieviel wo drin steckt.
      Ich sprach letztens mit einer Kollegin über die Kcal von bestimmten Mahlzeiten, weil mir die Zahlen von dem was ich so esse unglaublich klein vorkamen im Vergleich zum täglichen Soll. Sie meinte daraufhin dass diese Mengen die ich nannte, doch relativ viel wären (sie weiß nix von meiner ES, ich nehme an, dass sie davon ausging, dass ich über einen Bewohner sprach...)
      Ich musste daraufhinständig daran denken an diese Zeit, wo ich deutlich weniger gegessen habe. Wie dünn ich geworden bin. Wie stolz ich auf mich war. Und wieviele Komplimente ich von anderen bekommen habe.... und sie meinte, das wäre VIEL? ich glaub echt ich hab da was in den falschen Hals bekommen....
      Ihr macht beide einen riesen großen Denkfehler - ihr schreibt Ernährungsprotokolle für alte Menschen. Du bist ein junger Mensch. Menschen, die 50 - 60 Jahre älter sind als du, haben einen komplett anderen Energiebedarf als du! Nicht umsonst wird der BMI bei jungen und alten Menschen anders berechnet. Du kannst deinen Körper nicht mit dem deiner Bewohner vergleichen. Du darfst auch die kcal-Protokolle deines Altenheimes nicht auf dich übertragen.
      Überleg mal, Beispiel Sondenkost - was an Kalorien ein bettlägeriger Bewohner bekommt. Da hat der sich noch nicht eine Minute am Tag bewegt. Das ist ganz alleine der Grundumsatz. Meine geriatrischen Patienten spazieren, wenn es hoch kommt, eine halbe Stunde am Tag durch den Park, haben 20 Minuten Krankengymnastik und verbringen ansonsten ihre Tage liegend oder sitzend. Du hingegen stehst morgens auf, machst deine Körperpflege selber, gehst/fährst zur Arbeit, rennst dir 6-8 Stunden die Hacken ab, musst schwer heben beim Lagern, Mobiliseren etc. pp. Dein Energieumsatz ist komplett anders.

      Und auch deine Kollegin macht den Denkfehler, sonst würde sie nicht so Antwort geben.

      Hope. schrieb:

      Ich sprach auch mit ihr darüber dass ich kein richtiges Hungergefühl habe und mich konsequent ans Essen erinnern muss. Daraufhin meinte sie nur, sie sei neidisch auf mich... O_o
      So denken normale Menschen. Mach dir nichts draus. Sie weiss es einfach nicht.

      Ich kann dir nur sagen, wie es mir ging - ich war lange an dem Punkt, an dem du jetzt bist und jetzt kriege ich das mit dem Essen wirklich gut auf die Kette. Ich hab wirklich lange gebraucht bis ich auf Arbeit essen konnte - mittlerweile muss ich in der Schicht was essen, ich kriege sonst so schlechte Laune, dass alle in Deckung gehen müssen.
      Du musst dir echt klar werden: Pflege ist ein sau anstrengender Job. Du brauchst Energie - die kriegst du nicht ohne Essen. Ich weiß auch noch, wie es ist wenn man abnimmt, sich freut (ich hab mich sogar gefreut, wenn Leute gesehen haben "Siehst du aber m*g*r aus heute") und scheinbare Erfolge feiert. Aber alles was damit zusammen hing, will ich in meinem Leben nicht mehr haben.

      Ich hoffe, ich konnte dir einiges verdeutlichen. Ich wünsche dir viel Glück bei der Jobsuche (bei der Pflegesituation in Deutschland brauchst du wahrscheinlich nicht lange suchen, um was neues zu finden).

      Lg, Ryan
      Und immer wenn wir traurig waren - und traurig waren wir ziemlich oft -
      nahm ich dich in meine Arme, und dann hörten wir die Smiths

      Hey Ryan,

      danke für deine Antwort! Ich denke mal meine Kollegin hat so geredet, weil sie davon ausgeht, dass ich gesund bin - oder zumindest keine ES habe. Denn dank meines Normalgewichts sehe ich gesund aus....

      Du hast wohl Recht, dass man das nicht vergleichen kann... natürlich haben ältere Menschen einen ganz anderen Energieumsatz.... wir sprachen jedoch über eine Banane... und ich denke mal dass sie meinte, dass eine Banane als Zwischenmahlzeit für einen älteren Menschen echt viel ist.... während ich davon ausging, dass eine Banane als volle Mahlzeit für einen Menschen wie ich doch verdammt wenig ist....

      ich denke, wir haben einfach aneinander vorbei geredet, und der essgestörte Teil in mir hat alles falsch aufgefasst.... nun, ich habe mich entschlossen, die arbeitslosigkeit erst einmal zu nutzen um mich um meine Gesundheit zu kümmern... es steht sowieso demnächst ein Klinikaufenthalt auf Therapie an, den wollte ich gerne wahrnehmen und danach wieder nach Arbeit schauen.... denn alleine schaffe ich es momentan nicht, mein Essverhalten zu verbessern. Und ich sollte die Unterstützung, die mir angeboten wird, auch wahrnehmen...

      Aber du hast Recht. ich MUSS auf der Arbeit unbedingt essen. Solange ich jetzz krank geschrieben bin, versuche ich, mich an das Essen zu erinnern. Und wenn ich es nicht schaffe, mir selbst etwas zuzubereiten, gehe ich eben in die Stadt und esse dort etwas. Hauptsache ich kollabiere nicht, das kann ich nun gar nicht gebrauchen. Was ich im Moment brauche ist Kraft, viel Kraft, um durchzuhalten bis zum Klinikaufenthalt. Ich denke auch, dass ich mehr Geduld mit mir haben muss. Wer seit sieben Jahren essgestört ist, kann nicht erwarten, dass sich das Essverhalten innerhalb eines Jahres normalisiert.
      (Ja, gerade spricht die rationale Seite in mir),

      Liebe Grüße und ein dickes Dankeschön,

      Hope. :)
      Der wichtigste Mensch in Deinem Leben....


      ... bist immer Du selbst.