Schwester aus ihrer Unsicherheit heraushelfen

      Schwester aus ihrer Unsicherheit heraushelfen

      Hallo Zusammen.

      Heute schreibe ich einmal als Angehörige. Wie der Titel schon sagt geht es um meine Schwester;
      ich versuche mal in aller Kürze das Problem zu schildern.

      Also meine Schwester ist ein Jahr älter als ich, gerade 30 geworden, verheiratet und seit mindestens
      fünf Jahren in Therapie wegen PTBS und Depressionen. Ich sehe sie als sehr reflektiert, sie weiß schon
      wo ihre Knackpunkte sind, an denen sie arbeiten muss, aber sie ist wahnsinnig unsicher. Ihr momentanes
      größtes Problem ist, ihren eigenen Weg zu gehen, auf sich zu achten (sich Ruhe zu gönnen z.B., nach
      ihrem Burn-Out, wegen dem sie Anfang des Jahres in einer Klinik war) usw. Sie fragt viel zu oft mich,
      ihren Mann, unsere Mutter oder die Therapeutin "Was soll ich machen?" Egal um was es geht, meist sind
      es so alltägliche Sachen, wo Jeder von uns sagen würde: "Mach einfach mal! Es ist egal _wie du dich
      entscheidest". Z.B. ob sie sich den neuen Pullover kaufen soll und solche Kleinigkeiten. Von den "großen"
      Entscheidungen "Ist der Job noch der Richtige für mich?" mal ganz zu schweigen. Da verharrt sie monatelang
      bis ihr die Entscheidung irgendwie abgenommen wird.

      Mein Problem ist, dass
      1.) ich das Verhalten der Therapeutin nicht verstehe. Meine Therapeutin würde nie sagen "Machen Sie mal so
      und so." Sie stellt mir eher Fragen, bei denen ich selbst auf eine Lösung komme und unterstützt mich dann
      in meiner Entscheidung. Somit finde ich, dass die Therapeutin meiner Schwester von sich ein Stück weit
      abhängig macht. Ständig höre ich von meiner Schwester "Frau XY hat gesagt, es wäre jetzt besser für mich,
      ich würde so und so handeln. Ich bin noch unsicher, aber wenn die Therapeutin das schon sagt..." Und so
      läuft das jedesmal ab.

      2.) ich ihr helfen möchte, ohne ihr meine Meinung ständig dazu zu sagen. Ich möchte ihre Unselbstständigkeit
      ja nicht genauso fördern wie ihre Therapeutin, meine Mutter oder ihr Mann, die ihr alle Nase lang sagen, was sie
      für richtig halten. Es ist auch schwer, meiner Schwester zu sagen "_Das ist meine Meinung dazu, aber du musst
      selbst gucken was du für richtig hältst." Ein Beispiel um das zu verdeutlichen: Meine Schwester ist sich unsicher,
      ob sie den grünen Pullover kaufen soll und fragt um unsere Meinungen. Ich sage: "Hm, ich glaube der steht dir
      nicht so gut, rot ist eher deine Farbe." Ihr Mann widerum findet ihn toll und meine Mutter findet ihn so la-la.
      Jetzt ist meine Schwester erst recht verwirrt, wenn sie ihn kauft, findet ihr Mann ihn wenigstens hübsch, aber
      bei mir und meiner Mutter wird sie jedesmal denken "Den Beiden gefällt der Pulli nicht. Vielleicht hatten sie doch
      recht und ich sollte ihn wieder umtauschen..." So geht das jedesmal bei jedem Thema und mich nervt das
      langsam.

      Ich möchte sie so gerne wachrütteln, habe ihr schon oft gesagt "Mach doch einfach mal was _du gut findest."
      Aber damit ist sie überfordert.

      Hat Irgendwer einen Tipp, wie ich auf sie zugehen kann und vielleicht auch, wie ich mich größtenteils davon
      abgrenzen kann? Ich möchte ihr helfen, _ihren Weg zu gehen, aber ich möchte sie nicht in ihrer Unsicherheit
      weiter unterstützen.

      Danke für's Lesen, ist doch ziemlich lang und chaotisch geworden :S
      _____________________________________
      So sehr du auch suchst, du wirst in diesem grenzenlosen
      Universum Niemanden finden, der deine Liebe
      so sehr verdient wie du selbst.
      (Buddha)
      Hi,
      es kann sein, dass das jetzt überhaupt nicht passt, aber ich versuchs mal:
      das ist bei mir ähnlich. Und zwar liegt es daran, dass ich mich selbst nicht akzeptiere und abstreite, dass es mich gibt. Lieber pass ich mich anderen Leuten an (denen die mir sehr wichtig sind) und versuche sie zu spiegeln. Ok, das kommt mir gerade sehr komisch vor das über mich zu schreiben, aber vielleicht ist es bei deiner Schwester ähnlich.
      Eine Sache die mir hilft finde ich im Gegenzug sehr nervig, also ein bisschen vorsichtig sein wenn du beschließt, das bei deiner Schwester auch so zu machen. Und zwar macht mich meine Therapeutin immer darauf aufmerksam, was ich selber entschieden habe. Ich diskutiere dann oft mir ihr oder finde Ausreden warum ich mich so entschieden habe, aber eigentlich bringt es mich zum überlegen. Also ganz banale Dinge, wie was meine Lieblingsfarbe ist, was ich mal gesagt habe dass ich machen möchte oder etc. Es geht halt darum mich selbst zu finden.
      Ich kann schlecht Beispiele nennen, wie man das auf deine Schwester übertragen kann... Ich würde an deiner Stelle mal gucken ob du spontan Dinge weißt, von denen sie mal geschwärmt hat, oder gesagt hat dass ihr das gar nicht gefällt. Und vielleicht nächstes Mal wenn sie nach Entscheidungshife fragt, das vergleichen. Also sagen "hmm.. damals hast du so und so gehandelt, das ist ähnlich wie jetzt".
      Das andere ist einfach ganz stur bleiben und sagen, dass du das jetzt nicht entscheiden möchtest. Auch wenn sie lange braucht, um die Entscheidungen zu treffen, dann hat sie sie wenigstens selbst getroffen. Und falls du doch etwas entscheidest, vielleicht danach fragen was ihre Meinung dazu ist, also ob es ihr gefallen hat oder nicht (da fiel mir spontan ein, falls ihr mal ins Kino gehen solltet und du den Film aussuchst... sowas halt).
      Du schreibst von einer ptbs, deswegen wage ich es auch ihre Situation ansatzweise mit meiner zu vergleichen, vielleicht hat sie sich selbst einfach verloren in diesem Trauma. Wenn dem so ist kann es ihr aber auch wehtun, wenn man darauf besteht, dass sie ein eigener Mensch ist und eigene Entscheidungen treffen muss. Das hat was mit nicht vorhandenem selbstvertrauen zu tun und mit sich unfair behandelt zu fühlen, einfach weil einem etwas fehlt. Was ich allerdings komisch finde, ist dass ihre Therapeutin die Entscheidungen auch trifft anstatt ihr selbstvertrauen zu fördern - vielleicht habe ich also zu weit ausgeholt und liege völlig falsch.
      Naja, so viel dazu erstmal.
      Liebe Grüße,
      Kudos

      Hallo Kudos,

      tut mir leid, dass ich erst heute antworte, aber eher ging es leider nicht.

      Ich danke dir für deine lange Antwort und auch über deine Offenheit, was dich selbst
      betrifft. Über das konsequente Stur-Bleiben habe ich auch schon nachgedacht, fand
      aber erst, dass es auf Dauer vielleicht auch zu monoton ist und nervt. Aber ich glaube
      in Verbindung mit deinem anderen Tipp ist es eine gute Mischung. Zu sagen, dass ich
      dies und jenes nicht entscheiden möchte und sie dann an andere Sachen erinnere, die
      sie selbst schon entschieden hat bzw. wo sie was besonders gut oder schlecht fand.
      Am Besten mache ich mir vor dem nächsten Gespräch mit ihr schon ein paar Gedanken,
      damit ich dann nicht beispiellos dastehe.
      Auch wenn sie lange braucht, um die Entscheidungen zu treffen, dann hat sie sie wenigstens selbst getroffen.
      Danke, dass du das nochmal so gesagt hast, ich glaube damit habe ich echt meine
      Schwierigkeiten, weil ich ihr ja auch zu einer schnelleren Entscheidung helfen möchte.
      Aber vielleicht ist das Tempo gar nicht so wichtig, sondern am Ende die Tatsache, etwas
      selbst entschieden zu haben. Zumindest wünsche ich ihr diese Erkenntnis auch.
      vielleicht hat sie sich selbst einfach verloren in diesem Trauma. Wenn
      dem so ist kann es ihr aber auch wehtun, wenn man darauf besteht, dass
      sie ein eigener Mensch ist und eigene Entscheidungen treffen muss.
      Soweit ich das mitbekommen habe, ist das eher nicht der Fall. Sie kommt ziemlich unabhängig
      und verantwortungsvoll rüber und besteht darauf, eigenständig zu sein. Hmm... Ich kann
      mir eher vorstellen, dass sie in ihrer Kindheit schon zu viel Verantwortung für Andere übernehmen
      musste und jetzt als Erwachsene mal "die Schnauze voll hat" davon. Aber das ist auch nur
      meine Laien-Meinung.

      Ich danke dir sehr für deinen Beitrag und werde bei nächster Gelegenheit mal berichten wie
      es mir im Gespräch mit ihr ergangen ist.

      Liebe Grüße
      _____________________________________
      So sehr du auch suchst, du wirst in diesem grenzenlosen
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      (Buddha)
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