Hilfe von außen?

    Hilfe von außen?

    Erstmal tut's mir Leid, dass ich schon wieder mit einem Thema ankomme, ohne mich besonders aktiv bei anderen zu beteiligen. Aber ich hatte sehr viel um die Ohren (kam damit bis zuletzt ganz gut zurecht) und mir hat deshalb einfach die Zeit gefehlt.

    Das Problem ist folgendes: Nachdem ich nicht nur das SVV, sondern auch die Dissoziationen ein halbes Jahr (für mich eine sehr lange Zeit!) gut im Griff hatte, kam ich auch in der Schule (bisher meine Hauptbaustelle diesbezüglich) gut zurecht. Es war oft anstrengend und nervig, aber ich konnte die Frühwarnzeichen erkennen und mit Achtsamkeits- und Atemübungen, rausgehen oder "Sitzgymnastik" gegensteuern. In meiner neuen Klasse bin ich gut integriert, habe einige Mitschüler, mit denen ich mich gut verstehe und auch die ganze Atmosphäre an der Schule bekommt mir viel besser als an der alten. Und negativ aufgefallen bin ich bisher auch noch nicht, der Igelball hilft gegen Nägelkauen und ich gelte zwar als motorisch ziemlich unruhig, aber da ich nicht die einzige bin, die bei zwölf Stunden Unterricht zappelig wird, ist das okay.
    So weit, so gut. Doch diese Woche war das leider nicht mehr so. Aus Gründen, die ich (noch) nicht genau kenne, wurde alles deutlich extremer: Die Anspannung und die Unruhe (ich wurde mehrmals darauf angesprochen, ob alles okay ist oder man mir irgendwie helfen kann, ich war neben zappelig wohl auch ziemlich blass), die Gedanken an SVV, die Erinnerungen an bestimmte Dinge ohne konkrete Trigger und ganz massiv das Dissoziaitonsrisiko. Ich habe alles, was ich dabei haben kann und wovon ich weiß, dass es hilft, angewendet (intensives Duftöl, Gummiband, Igelball, scharfe Bonbons,...), mich bei jeder Gelegenheit bewegt (auch den Raum verlassen, frische Luft geschnappt) und mich durch Mitschreiben und kurze Unterhaltungen mit meinen Tischnachbarinnen abgelenkt und trotzdem waren es die absolut grenzwertigsten Tage des bisher ganzes Schujahres. Und das macht mir Angst, diese Hilflosigkeit, dem wieder so ausgeliefert sein und die Gedanken, dass es nie besser wird und kaum steigt der allgemeine Stress und die Anforderungen komme ich wieder nicht mehr klar und rutsche zurück in die Dissoziationen. Glücklicherweise habe ich einen Mitschüler und eine Mitschülerin, die gleichermaßen aufmerksam und einfühlsam sind, viel mitbekommen und dann vorsichtig Gesprächsangebote gemacht haben. Und weil sie so "gut" reagiert haben, konnte ich mich ihnen anvertrauen und sie haben mir ihre Unterstützung zugesichert- Unterstützung, die ich wohl oder übel brauchen werde, denn dass es eben noch lange nicht so gut ist, wie ich es gerne hätte, habe ich diese Woche deutlich gemerkt (und die triggernden Unterrichtsthemen kommen erst noch). Neben der Angst, die beiden zu belasten, ihnen zuviel zuzumuten und der Angst, wieder in die Abhängigkeit von anderen zu rutschen, weil ich mir selbst nicht mehr helfen kann, stellt sich mir jetzt auch die Frage, wie diese Unterstützung konkret aussehen kann. Klar, sagen, dass es mir grade nicht gut geht und entweder drüber reden oder Ablenkung ist sicher ein guter Schritt. Aber ich würde den beiden auch gerne sagen, was sie im Fall einer kompletten Dissoziation tun sollen. Denn mich ziemlich grob schütteln holt mich zwar zurück, versetzt mich aber auch in Panik und in Orientierungslosigkeit (ansprechen, antippen und visuelle Reize helfen nicht, da reagiere ich nicht). Meine Therapeutin hält anfassen, vor allem grob, auch für sehr kontraproduktiv und gestern in der Selbsthilfegruppe habe ich zum allerersten Mal gemerkt, dass ich auch von alleine zurückkomme, wenn ich soweit bin. Und das war trotz aller Ängste, Befürchtungen und Hilflosigkeit trotzdem irgendwie eine "positive" Erfahrung (bestärkt durch die tolle Reaktion der anderen Teilnehmerinnen). Aber ich kann ja schlecht in der Schule sagen, man soll mich einfach sitzen und schaukeln und zittern lassen? Davon abgesehen, dass es spätestens dann alle Mitschüler und alle Lehrer mitkriegen würden, was ich auf jeden Fall vermeiden will.
    Hat irgendjemand, der ähnliche Zustände kennt, vielleicht eine Idee, wie ich damit umgehen kann und was ich den anderen sagen soll, wie sie damit umgehen sollen? Gibt's irgendwas zwischen ansprechen und schütteln, was einen sanfter wieder rausholt? Die beiden zu bitten aus meinem Rucksack den Notfallkoffer zu holen und mir das Eukalytusöl unter die Nase zu halten, ist ja ziemlich viel verlangt, zumal ich auch nicht weiß, ob das hilft.
    Hat irgendjemand Idee, egal ob selbst ausprobiert oder gelesen? Ich bin grade für alles dankbar.
    Und hat vielleicht jemand Tipps, wie ich allgemeint in der Schule damit umgehen soll? Auf Fragen weiter lügen und ausweichen? Einzelnen Leuten (mehr als den beiden) die grobe Wahrheit sagen)? Und hat jemand Tipps, um Getuschel und komische Blicke besser zu ertragen? (die meisten in meiner Klasse beweisen auch in ihrem Verhalten in der Schule, dass sie für einen sozialen Beruf gut geeignet sind, aber ein paar eben leider gar nicht und deren Reaktion stresst mich noch zusätzlich und Stress und Angst lassen mich noch tiefer in die Spirale rutschen, das weiß ich selbst).

    Bitte entschuldigt, dass es so wirr und soviel geworden ist, ich bin grade für jeden Rat dankbar!
    Ziemlich verzweifelte Grüße,
    Emily

    PS: Meine Therapeutin ist erst im neuen Jahr wieder da (bis dahin is ja auch zum Glück keine Schule mehr), da werde ich das auf jeden Fall nochmal ansprechen, aber beim letzten Mal war ihr Rat, aussitzen und andere am besten nichts tun lassen (was ich ja wie oben beschrieben in der Schule nicht für die beste Lösung halte).
    When everything seems to be against you, remember, that the airplane takes off against the wind and not with it.
    (Henry Ford)
    Hallo Emily.Cloud,

    das wird wohl etwas laenger, das Thema ist ja auch kompliziert. :pinch:

    Erstmal find ich es super, dass du mit SVV und Dissoziationen fuer ein halbes Jahr besser umgehen konntest - du hast Recht, das ist eine lange Zeit und da kannst du stolz drauf sein!

    Dissoziationen verlaufen (nach meiner Erfahrung) bei jedem etwas anders. Aber wenn ansprechen, antippen, Visuelles und Schuetteln bei dir nicht hilft, dann bleibt in der Schule eigentlich nur Praevention uebrig. Du hast eine Menge Methoden, wie du eine Disso verhindern kannst, sind da auch (ausser kurzen Unterhaltungen) welche bei, die andere involvieren? Gerade im Umfeld der Schule ist das sehr schwer, sie koennen dich ja nicht staendig pieksen oder Tic-Tac-Toe mit dir spielen und damit fallen viele Methoden, die ich von anderen kenne, einfach raus.
    Besonders wenn niemand, nichtmal die Lehrerinnen und Lehrer Bescheid wissen duerfen. Dann kann man auch nicht zum Beispiel regelmaessig gemeinsam rausgehen.
    Zum einen faellt mir ein, dass sie ab und zu ein Auge darauf haben koennen, ob du abrutschst oder nicht. Zum Beispiel ein einfacher, kurzer Haendedruck, als Signal, um zu sehen, ob du noch eine solide Reaktion zeigst.
    Zum anderen, wenn es dann doch zu einer Dissoziation kommt, koenntest du im Vorhinein einer Person ein kleines Flaeschchen geben und ihr probiert aus, ob es dich zurueckholt. Dafuer muessten sie dann nicht an deinen Notfallkoffer.
    Einer Freundin hilft es, ganz fest ihre Hand zu druecken (nicht quetschen, aber auch nicht einfach nur 'halten und warten'). Ihr gibt es Sicherheit und sie kommt dann langsam wieder zurueck. Allerdings hat sie in solchen Momenten dann auch ihren Kopf auf dem Tisch, was ja fuer dich nicht in Frage kommen wuerde.

    Wenn ich das richtig verstehe, dann hattest du waehrend des Unterrichts noch nie eine vollstaendige Dissoziation und weil du dabei schaukelst und zitterst, wuerde es damit auch anderen auffallen, was du vermeiden moechtest. Liegt das hauptsaechlich an den paar doofen Leuten, ihren Blicken und dem Getuschel? Oder ist das generell etwas, das du komplett vermeiden moechtest?
    Ich habe bei einer anderen Person erlebt, dass sie furchtbar Panik vor dem Erklaeren des Themas innerhalb einer woechentlichen Hobbygruppe hatte. Aber die Dissoziationen wurden nicht gerade besser, niemand wusste, was los ist, oder wie damit umgehen und irgendwann passierte es dann mal, dass jemand den Krankenwagen rief. Da war natuerlich grosser Zirkus angesagt.
    Letztendlich war das Erklaeren auch sehr schwer, muehsam und langsam, aber anschliessend lief alles wesentlich besser und besagte Person war sehr erleichtert (und es ist spaeter sogar noch weiteres Positives daraus entstanden).
    Ich glaube das Problem hier war, dass sie ihre eigenen Umstaende und sich selbst nicht wirklich annehmen konnte und damit erst recht nicht vor anderen darstellen.
    Waere es moeglich fuer dich, zumindest dem Lehrpersonal einen kurzen Ueberblick zu geben? Gibt es vielleicht eine Person, zu der du Vertrauen aufbauen kannst, bei der du ein gutes Gefuehl hast? So als erster Schritt.
    Ich moechte dir gar nicht sagen: 'Du musst das jetzt unbedingt allen erzaehlen, dann wird das viel einfacher!' und du hast ja auch noch einige Zeit fuer eine solche Entscheidung. Aber eine Ueberlegung ist es auf jeden Fall wert, anstelle des 'Wir kaempfen uns da jetzt zu dritt bis ans Ende durch'.

    Angst. Wie kann man dagegen vorgehen? Bei der Angst, wieder in eine Abhaengigkeit zu rutschen, kannst du dir vor Augen halten, dass es letztendlich eine Hilfe ist, die dir das Ueberleben im Unterricht erleichtern soll. Im Grunde kannst du es auch alleine schaffen, das hast du bereits jetzt, in dieser schweren Phase, bewiesen. Aber mit Unterstuetzung ist es wesentlich einfacher, du kannst moeglicherweise auch mehr vom Unterricht mitnehmen und dafuer sind Mitschueler/Freunde zum Teil nunmal da.
    Dir selbst klar zu machen, dass du in der Lage bist, damit irgendwie umzugehen, aber Hilfe annimmst, mindert den Druck der Abhaengigkeit und laesst dich auch nicht gleich in Panik ausbrechen, wenn besagte Mitschueler, zum Beispiel wegen Krankheit, abwesend sein sollten.
    Ausserdem kannst du dir auch etwas von der Angst nehmen, indem du (im Rahmen deiner Moeglichkeiten) bei ihnen nachfragst, Interesse zeigst, dich kuemmerst. Dann bekommt das Ganze einen 'Nehmen-und-Geben'-Charakter und du kannst dich wohler dabei fuehlen. Aber die eigenen Grenzen wahrnehmen ist da schon sehr wichtig.

    Gegen die Angst, ihnen zuviel zuzumuten, hilft aber nur deutliches Reden. Genauso wie du deine eigenen Grenzen vermutlich schon kennst, muessen sie sich auch ueber die ihren im Klaren sein. Wenn sie das Thema abwinken sollten, im Sinne von 'jaja, mach dir da mal keine Sorgen', kannst du ihnen zum Beispiel aufzeigen, dass sie beim Ueberschreiten ihrer Grenzen nicht nur sich selbst, sondern auch dir damit schaden wuerden.

    Was negative Aufmerksamkeit von anderen angeht, Getuschel und Blicke und so ein Bloedsinn, habe ich bisher noch nicht gesehen, dass es bei jemandem von einem auf den anderen Tag besser wurde. Das ist ein sehr langsamer, aber bestaendiger Prozess. Es gibt unterschiedliche Gruende, warum man sich das so zu Herzen nimmt, aber oft liegt es an Unsicherheit bei einem selbst (was genauso haeufig auch der Grund fuer das Verhalten der anderen ist). Wenn man sich, Schritt fuer Schritt, ueber seinen eigenen Wert im Klaren werden kann und lernt, dass man es niemals allen Recht machen kann - wenn man realisiert, wie viel wichtiger die Personen sind, die einem etwas bedeuten und denen man etwas bedeutet - wenn man dann, irgendwann, Getuschel, Blicke, offene negative Kommentare entweder mit Gleichgueltigkeit betrachten oder sogar als etwas Amuesantes ansehen kann - ja, dann ist man auf dem richtigen Weg.
    Bis dahin muss man die bitteren Momente aber leider einfach schlucken. Ich finde es wichtig, solche Dinge nicht in sich zu verschliessen, sondern im Gespraech mit anderen zu verarbeiten. Das ist eine Moeglichkeit, auf diesen Weg zu kommen, weil es einem Rueckhalt und noetige Sicherheit gibt. Selbst wenn man nur ein 'ach, lass die doch reden' zurueckbekommt, was erstmal so gar nicht hilfreich erscheint, ist es letztlich moeglicherweise genau die Haltung, welche man selbst dazu annehmen wird.
    Ich mache dir da keine Illusionen, das wird leider nicht sofort besser, aber mal ganz im Ernst: Du hast schon viel Schlimmeres durchgestanden, lass dich von denen nicht unterkriegen, dafuer bist du zu wertvoll.

    Klar, das sind jetzt alles erstmal nur Ideen mit den akuten Symptomen umzugehen, aber da du eben noch(!) nicht weisst, warum diese Wochen so schwer wurden, suchst du ja bereits nach den Ursachen.
    Und um auf deine Gedanken zurueck zu kommen, ob es denn je besser wird oder sogar weg geht: Auch das ist bei jedem anders und keiner kann das mit Bestimmtheit sagen, aber du hast bereits eine bessere Phase erlebt! Dazu kommen positive Erfahrungen, zum Beispiel die aus deiner Selbsthilfegruppe gestern, tatsaechlich alleine aus einer Dissoziation zurueckkommen zu koennen. Solche und weitere Erlebnisse, kleine und grosse Schritte sind ganz viel Wert und koennen einem Hoffnung fuer die Zukunft geben.
    Aber vielleicht weisst du das ja auch schon und es ist nur manchmal schwer, die Hoffnung unter soviel Stress aufrecht zu erhalten.

    Ok, wow, der Text wurde tatsaechlich etwas sehr gross. :pinch:
    Das ist natuerlich alles auf gesammelten eigenen Erfahrungen basierend, ich hoffe einfach, dass einige Dinge auf dich zutreffen.

    Lieben Gruss,
    Kinadai
    Waiting To Be Born

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Kinadai“ ()

    Hallo,

    Ich wollte dir meine Erfahrung mitteilen.ich habe mir nach sehr langem bereden mit meiner Therapeutin ein taeschchen zugelegt wo ein notfallmedikament und Ammoniak drinne ist und eine kurze Beschreibung was los ist.weil eben viele Leute den Krankenwagen rufen wenn sie nicht wissen was los ist und man zitternd und wippend wo sitzt.ich habe das taeschchen immer dabei und die Leute wissen das ,und dürfen da auch ran.da es ja mir hilft .vielleicht traust du dich ja deinen Lehrer was zu sagen und deinen Mitschülern für mich war es ein schwerer schritt,aber es wurde gut aufgenommen und ich weis jemand hilft mir.

    hallo ihr lieben

    Hallo zusammen,

    ich bin neu hier und habe seid 7 JAhren Dissoziationen. Was hilfe von außen angeht sind meine Erfahrungen ich glaube es kann helfen aber in meinem Fall ist das nicht immer so.

    gerne würde ich mich auf diesem Wege autauschen die vielleicht ähnliche Erfahrungen damit gemacht haben.

    liebe Grüße sinni123

    leben schrieb:

    Hallo,

    Ich wollte dir meine Erfahrung mitteilen.ich habe mir nach sehr langem bereden mit meiner Therapeutin ein taeschchen zugelegt wo ein notfallmedikament und Ammoniak drinne ist und eine kurze Beschreibung was los ist.weil eben viele Leute den Krankenwagen rufen wenn sie nicht wissen was los ist und man zitternd und wippend wo sitzt.ich habe das taeschchen immer dabei und die Leute wissen das ,und dürfen da auch ran.da es ja mir hilft .vielleicht traust du dich ja deinen Lehrer was zu sagen und deinen Mitschülern für mich war es ein schwerer schritt,aber es wurde gut aufgenommen und ich weis jemand hilft mir.

    hallo

    ich habe auch so eine tasche mit amonaikstäbchen. eine eklige aber effektive sache finde ich. und ja das kommt mir alles bekannt vor. auch ich war sehr oft deswegen im krankenhaus. allerdings sehen meien etwas anders aus. ich falle auf den boden und bleibe bewegungslos dort liegen.
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