Leistung und Wertschätzung

      Leistung und Wertschätzung

      Hallo zusammen,

      natürlich ist die Meinung von Studenten zu diesem Thema für mich interessant, aber ich denke, viele, die sich mit Leistung auseinander setzen, können etwas dazu sagen, egal, was sie gerade beruflich/schulisch tun.

      Leistung ist für mich ein extrem wichtiges Thema. Ich habe die Gründe in der Therapie sehr früh herausgearbeitet und sehr lange damit gearbeitet. Ich weiß, woher diese Prägung kommt, dass sie oft übertrieben - d.h. nicht gesund ist - ist mir klar, aber erstens komme ich nicht immer dagegen an. Und zweitens will ich das Thema ja auch nicht komplett ignorieren, weil das nunmal heutzutage sehr wichtig ist. Ich habe ein Problem, das - laut einiger Studien - viele Studenten mit mir teilen. Ich kann meine eigene Leistung nicht einschätzen. Ich habe vor Jahren ein Interview mit einem Psychologen gelesen. Darin ging es um die ewige Vergleicherei, die man im Studium betreibt, weil man eben seine Leistung nicht einschätze kann. Er sprach von 3 Vergleichen. 1. Der Vergleich mit anderen. Da würde man meist schlecht dabei wegkommen, weil man sich immer mit besseren und nie mit schlechteren Leuten vergleicht. 2. Der Vergleich mit objektiven Maßstäben. Das sei auch nicht sonderlich hilfreich, dann objektive Maßstäbe gebe es kaum, auch z.B. Noten könnten wenig widerspiegeln. 3. Der Vergleich mit sich selbt zu einem anderen Zeitpunkt. Das sei der einzig sinnvolle Vergleich, denn daran sehe man, ob man sich positiv oder negativ entwickelt habe und könne Konsequenzen daraus ziehen.
      Gerade der erste Punkt ist für mich ein Problem. In der Schule wusste man immer noch, wo man im Klassendurchschnitt steht. In der Uni weiß man das (bei uns zumindest) i.d.R. nicht mehr. Ich mache aber meine eigene Leistung davon abhängig. Wenn ich z.B. eine 1 bekomme, wird sie weniger wert, wenn ich erfahre, dass andere auch eine bekommen habe. Das wird mir oft fälschlicherweise als Neid/Missgunst ausgelegt. Das ist es aber nicht. Ich denke halt nach dem Schema: "Wenn viele eine 1 bekommen haben, dann habe ich die 1 nur aus Versehen bekommen oder weil der Dozent die Arbeiten nicht gelesen hat und jedem die gleiche Note gegeben hat" etc. pp. Damit ist auch Punkt 2 außer Kraft gesetzt: Objektive Maßstäbe mag es in einer "richtig-falsch"-Klausur ja geben. Bei wissenschaftlichen Arbeiten wie Hausarbeite aber nicht oder kaum.
      Der dritte Punkt - der Vergleich mit mir selbst zu einem anderen Zeitpunkt - löst auch nur Angst, Unsicherheit, teilweise Panik aus. Von Beginn an habe ich in meinem Studium versagt. Dann wurde ich von Amts wegen (d.h. zwangs)exmatrikuliert, habe das Fach gewechselt und fühle mich in dem Fach auch wohler, habe auch bessere Noten. Aber wenn ich versuche einen Vergleich zu ziehen, ist da nur die Angst, dass es mir wieder so gehen wird wie in meinem ersten Studium, dass ich wieder versage und rausfliege.
      Das alles wäre ja kein Problem, wenn es mich nicht so blockieren würde und meine Leistungen darunter leiden würden. Davon abgesehe ist das SVV seit ich mich vermehrt damit beschäftige, wieder schlimmer. Montag fängt bei uns das neue Semester an und ich habe solche Angst, die Ansprüche nicht erfüllen zu können, weil ich mich nur für ein Seminar vorbereiten konnte (hatte bis kur vor Ende der Semesterferien Prüfungen) und auch da große Angst habe, nicht genügen zu können, obwohl - oder gerade weil - der Dozent mich für gut hält. Was mich da z.B. auch wieder verunsichert ist, dass ich nicht weiß, wie intensiv sich die anderen vorbereitet haben.

      Wie immer war das viel mehr Text als beabsichigt. Was mir helfen würde: Wie geht ihr damit um? Wie schätzt ihr eure eigene Leistung wert, wenn ein Maßstab fehlt? Wie geht ihr gegen die Angst vor, Leistung ungerechtfertigt wertzuschätzen und am Ende "entlarvt" zu werden?

      Danke schonmal fürs Lesen.
      Viele Grüße,
      Fylgja
      Hallo Fylgja,

      ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es für Dich extrem schwierig ist, mit dem Thema Leistung, der Bewertung und Einschätzung Deiner Leistung und der Angst vor dem Versagen umzugehen. Dieses Thema begleitet mich auch schon seit vielen Jahren und führt fast immer zu einer extrem hohen Anspannung, wenn ich etwas mache, dass von anderen Menschen bewertet wird, sei es eine Prüfung, eine Predigt, Unterricht von Schülern (wird von Eltern bewertet), meine Arbeit.... Ich habe festgestellt, dass ich mich nicht einschätzen kann und dabei natürlich große Angst habe, nicht gut genug zu sein. Und wenn ich dann eine Bewertung in irgendeiner Form von anderen Menschen erhalte, glaube ich ihnen nicht.

      Das einzige, was mir hilft, ist, meine Situation auf andere zu übertragen. Wenn meine beste Freundin oder mein Sohn oder Bruder... diese Leistung gebracht hätte, wie würde ich das bewerten. So kann ich mich etwas von mir distanzieren und "objektiv" sein. Geht natürlich eigentlich nicht, aber es fühlt sich so an. Auf jeden Fall habe ich erlebt, dass die Anspannung nachgelassen hat und ich wieder in der Lage war, meine negativen Gefühle in den Griff zu bekommen.

      Ich weiß nicht, ob Dir das etwas hilft, aber ich wünsche Dir viel Erfolg mit dem Umgang mit diesem Thema!

      lg
      Rubi
      Schlägt Dir die Hoffnung fehl, nie fehle Dir das Hoffen. Ein Tor ist zugetan, doch 1000 stehn noch offen. (Friedrich Rückert)
      Ooh ich kann dich gerade im vergleichen mit anderen SO gut verstehen...

      Wir haben viele Klausuren geschrieben in denen man gut sein konnte wenn man viel auswendig lernt - Ich kann aber total schlecht auswendig lernen und war daher nie der 1, Typ. Dafür (behaupte ich jetzt mal) bin ich eine gute Praktikerin, was viele die ihre Klausuren mit 1, geschrieben haben nicht sind.

      Trotzdem schmälert das meinen Erfolg in meinen Augen, weil die eben im Durchschnitt immer besser sind als ich.
      Meine Freundin und ich haben uns irgendwann mal drauf geeinigt, uns unsere Noten nicht mehr zu sagen. Sondern nur noch gut, nicht so gut, zufrieden oder nicht so zufrieden usw.
      Ich versuche das auch mit anderen so zu halten, nur leider sind die meisten so darauf versessen ihre Noten mitzuteilen das überhaupt nicht darauf geachtet wird, ob ich meine genannt habe oder nicht. Eher wird es dann noch als "Ach wenn dus nicht sagst, wars wohl nicht so gut" ausgelegt.

      Bei uns kann man im Internet auch noch den kompletten Durchschnitt der Klausur sehen - Und wie viele Klausuren welche Note bekommen haben. Das ist schon jedes mal doof wenn da steht das x Leute besser waren als man selbst...

      Ich arbeite selbst noch dran :huh:
      Hallo,

      ich kann ich sehr gut in dich hineinversetzen, denn mir geht es ganz ähnlich wie dir. Noten spielen ein großes Thema, obwohl sie das nicht tun sollte. Am liebsten würde ich mich öfter darüber unterhalten und mich vergleichen, versuche aber, das zu unterdrücken,weil es mir unangebracht scheint.

      Mir fiel es früher schwer, auf eine Note bzw. eine Leistung stolz zu sein. Inzwischen ist es so, dass ich Stolz sein kann auf ein gutes Ergebnis, wenn ich weiß, dass ich viel dafür gearbeitet habe. Mein Maßstab sind also nicht die anderen oder eine frühere Note, sondern mein Maßstab ist die Zeit und die Arbeit, die ich vor einer Prüfung ins Lernen gesteckt habe. Wenn ich weiß, dass ich fleißig war, bin ich auch glücklich.

      Du hast vollkommen recht, dass du das als Problem an siehst. Eigentlich ist es sogar ein Problem unserer Gesellschaft, dass wir Qualifikationen in Deutschland über alles schätzen. Eigentlich sind es doch nicht die Noten auf dem Papier, die dich ausmachen, die dich intelligent, begehrenswert, beleibt usw. usf. machen, sondern es ist der Fleiß, mit dem du ans Studium rangehst!

      Vielleicht konnte ich dir ja ein bisschen helfen!

      LG
      Hallo zusammen,

      und danke fürs Antworten. Hab grad viel um die Ohren aber jetzt komme ich endlich zum Antworten.

      @rubinja
      Ja, da gehts mir wie dir: Wenn ich Bewertungen bekomme, kann ich den positiven Bewertungen nur schwer glauben bzw. werte sie schnell ab. Deine Idee, das auf andere zu übertragen ist gut. Es ist ja nicht einzusehen, warum man auf sich selbst immer so viel andere, strengere Maßstäbe ansetzen sollte wie auf Menschen, die einem wichtig sind. Fällt dir das leicht? Ich habe so das Gefühl, mich dazu sehr zwingen zu müssen.

      @sky
      nur leider sind die meisten so darauf versessen ihre Noten mitzuteilen das überhaupt nicht darauf geachtet wird, ob ich meine genannt habe oder nicht. Eher wird es dann noch als "Ach wenn dus nicht sagst, wars wohl nicht so gut" ausgelegt.
      Ja, die Erfahrung habe ich auch schon gemacht. Da kommt mir zu gute, dass ich nur sehr wenige Kontakte zu Kommilitonen habe und daher auch meist nicht weiß, wer welche Noten hat. Es ist ja eigentlich auch besser, wenn man es nicht weiß, aber es verunsichert mich irgendwie, weil ich Angst habe, nicht gut genug zu sein und das nicht zu bemerken.

      @mamamama
      Hm, die Arbeit und Mühe als Maßstab zu nehmen ist auch eine gute Idee. So nach dem Motto "Ich hab mein bestes gegeben und bin damit zufrieden". Puh, ob ich das hinbekomme, weiß ich nicht.
      Du hast schon recht, die Noten sind es nicht, die mich ausmachen. Aber man wird nach den Noten bewertet. Wenn ich mich mit schlechten Noten hinstelle und sage "ich bin trotzdem gut" dann klingt das nunmal sehr unglaubwürdig.

      Vielleicht sollte ich einfach generell weniger grübeln, versuchen, dem Thema nicht so viel Raum zu geben oder so.

      Liebe Grüße,
      Fylgja
      Leicht fällt es mir überhaupt nicht. Ich muss mich dazu zwingen und oft vergesse ich es erst einmal und leide und denke dann später daran und es hilft mir, es ist, wie so vieles in meinem Leben ein ständiger Kampf. Und es ist leicht gesagt, dass man dem weniger Raum geben sollte, das finde ich noch schwerer.
      Schlägt Dir die Hoffnung fehl, nie fehle Dir das Hoffen. Ein Tor ist zugetan, doch 1000 stehn noch offen. (Friedrich Rückert)
      Du sprichst bzw. schreibst mir aus der Seele. Naja, dann ist das eben noch ein Punkt der nicht vollständig in den Griff zu kriegen ist. War mir irgendwie schon fast klar. Anscheinend bin ich so man kann an sich sowieso nicht alles ändern.