Die Sozialphobie lässt mich nicht los!

      Die Sozialphobie lässt mich nicht los!

      Hallo.

      Ich habe seit 8 Jahren eine soziale Phobie. Anfangs wars richtig schlimm und ich habe die Straßenseite gewechselt wenn mir ein Mensch entgegenkam. Wenn ich überhaupt mal aus dem Haus bin.
      Ich in Kliniken, Therapien, Reha daran gearbeitet, geredet, Expositionstraining etc. Versuche seit 3 Jahren in einen Verein zu gehen. Aber sobald ich einen Tag nicht draußen war traue ich mich schon wieder nicht mehr und habe das Gefühl alles ist umsonst.
      Bestelle viel einfach über das Internet, ignoriere es Wenn das Telefon klingelt und gehe nicht zum Arzt. Ich versuche mein Selbstbewusstsein aufzubauen aber ich fühle mich einfach "untergeordnet" und weniger wert wenn ich unter Menschen bin auch wenn ich bin selbst nixht mehr so abwerte bzw mehr zu schätzen weiß. Was soll ich nur tun??
      Hallo Swansfeather,

      hm - ich mag dir etwas dazu schreiben und hoffe, dass du darauß vielleicht zumindest eine Kleinigkeit mitnehmen kannst.
      Vor vielen Jahren bekam ich während eines Klinikaufenthaltes unter anderem die Diagnose Sozialphobie. Die Dinge die du beschreibst kenne ich sehr gut. Mit den Jahren habe ich mittlerweile gelernt irgendwie damit klarzukommen. Viele kleine Schritte bin ich nach vorne gegangen, auch wenn ich noch merke, dass mir noch vielviiiiiel Sicherheit fehlt - geht es langsam aber stetig irgendwie weiter. Es mag wohl sehr doof kl*ng*n, aber bis vor wenigen Monaten konnte ich keine Freude aufbringen mit den Freunden die ich habe, etwas zu unternehmen - in die Uni zu gehen, mit anderen Menschen Smalltalk zu führen. Ein Horror. Selbstverständlich fällt es mir noch heute schwer, aber erst gestern fiel mir auf, wie ich plötzlich jemanden fragte ob wir etwas unternehmen / wie ich mit in der Mittagspause saß ohne rot zu werden beim sprechen, geschweige denn ordentlich essen zu können vor lauter zittern oder es komplett zu vermeiden.. Hach, ja so viele dolle Situationen die du sicherlich kennst.

      Zum Punkt - leider hast du nicht geschrieben ob du vielleicht mit jemandem zusammen beispielsweise in den Verein gehen könntest. Bisher habe ich mich nicht getraut, mich an einen Verein anzumelden, wenn - bin ich doch nur 1-2 mal mit riesen Überwindung hin, aktuell belege ich einen Kurs im UniSport (noch vor wenigen Jahren UNDENKBAR mit zehnfachem Ausrufezeichen). Aber ich glaube auch sicher, dass du bestimmt viele kleine Schritte gegangen bist. Ich mag jetzt keinen Sonnenschein malen, gerade weil ich weiss wie sehr mich das selbst noch frustriert, einfach nicht ok zu sein und immer wieder mit dieser besch.. eidenen Angst konfrontiert zu werden. ABER - gib dir auch bitte Zeit. Woher du deine Angst nimmst, weiss ich nicht - aber durch meine Geschichte habe ich lange lernen müssen, so langsam und stetig sich die Angst aufgebaut hat .. so langsam aber mehr oder weniger stetig lässt sie sich bearbeiten. Vermutlich wird sie nie ganz verschwinden und das schreibe ich nicht, weil ich dich entmutigen möchte - sondern Akzeptanz zu schaffen dafür.
      Sich selbst immer und immer wieder dafür zu strangsalieren, dass man diese Angst hat - macht nichts besser, ganz im Gegenteil.
      Das Gefühl immer der "Untermensch" zu sein ist schon mit einer der wichtigsten Punkte. Lerne ich neue Menschen kennen oder selbst wenn ich mich mit bereits bekannten Menschen unterhalte, ertappe ich mich oft dabei mich auf eine Minusskala zu stellen, ich genüge nicht, ich bin so nicht ok. Der andere Mensch wird nur grob bewertet - Nett, nicht nett, aber ich selber bin immer erst die Person die "etwas leisten" muss, die witzig sein muss, die intelligent sein muss um der anderen Person "zu gefallen". Diese Gedanken erschweren alles, jeder Kontakt wird schwieriger, da viele Gedanken damit verbunden sind.

      Nun schweife ich vermutlich wieder ab. Was mir geholfen hat - Therapie - war schon bei einigen, aber durch die aktuelle habe ich zum erstenmal das Gefühl wirklich was zu bewegen. Hierzu habe ich nicht rauslesen können, ob du aktuell noch in Therapie bist. Zwing dich selbst nicht zu allem. Was vorher zutiefst kritisiert wurde - wenn ich was nicht geschafft habe, dass das ganz furchtbar schlimm war, mittlerweile gönne ich mir dieses "es ist ok, ja schade halt.. aber es ist ok" z.B. wenn es garnicht geht, sich krank zu melden auf Arbeit. Die Vorlesung nicht zu besuchen, zu jener oder andrer Veranstaltung zu gehen. Die Akzeptanz für sich und die Angst aufzubauen - das klingt vermutlich erstmal sehr kontraproduktiv, aber es ist wirklich ein Prozess der mich weitergebracht hat.
      Sofern es möglich und von dir selbst erwünscht ist, sich Hilfe von außen zu holen. Gemeinsam z.B. in den Verein zu gehen, oder in eine Selbsthilfegruppe. Das hat mir auch eine zeitlang geholfen. Ist es für dich möglich, jemanden an die Seite zu holen?
      Räume für dich selbst ein wenig Ruhe ein, nicht immer alles zu müssen, sich ganz bewusst vielleicht auch eine Freizeitbeschäftigung suchen die du auch alleine machen kannst. Eine zeitlang habe ich in einem Tierheim ausgeholfen, mit den Hunden rauszugehen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Der Nebeneffekt dabei - da ich das gerne gemacht habe, konnte ich mich auch mehr überwinden dorthin zu gehen.
      Mach kleine Schritte, versuche nicht den Berg zu bezwingen, sondern überwinde ihn langsam (oh man, wie episch.. tut mir leid, aber das dieser Spruch passt einfach. Wichtig ist: Hol dich dort ab wo du bist und verlange nicht zuviel)
      Das sind so meine Gedanken dazu. Wie gesagt, vielleicht kannst du dir darauß ein wenig was rausfiltern. Ich wünsche es dir zumindest sehr.

      LiebeGrüsse Jos
      .. aber wie Frontrunner muss ich dein Innerstes mit beiden Fäusten ergreifen und mit dem Teufel um die Wette fliegen.
      Diese Spannung erzeugt für alle Kämpfer das Gefühl für Zeit.
      Fliegst du mit mir oder bleibst du lieber unten?


      (Textpassage aus "Der Aufschrei")