Ich komme nicht klar mit seinem Tod..

      Ich komme nicht klar mit seinem Tod..

      Hallo,

      ich muss das jetzt hier niederschreiben. Einerseits um es aufzuschreiben, andererseits weil ich mir Hilfe erhoffe.

      Vor 4 Monaten ist mein bester Freund über Nacht ganz plötzlich und unerwartet gestorben. Habe es erst sehr spät am nächsten Tag erfahren. War geschockt, verzweifelt, traurig und wusste nicht wohin mit mir. Ich habe lange bei meinem Freund geweint und er hat sein bestes gegeben um mir zu helfen. Habe mit meinen Freundinnen geredet, die ihn auch sehr gut kannten und sogar mit seiner festen Freundin, die natürlich am allerschlimmsten betroffen war. Das half die ersten Tage. Nachts, wenn ich alleine war, war es schwierig, weil ich mir so viele Vorwürfe machte und selbst nicht ganz begreifen konnte, dass er plötzlich weg war. Tagsüber ging es, ich konnte mich ablenken und auch ablenken lassen. Am Tag seiner Beerdigung wurde mir dann zum ersten Mal direkt bewusst, dass er WIRKLICH unwiederbringbar weg war. Tot eben. Ich würde nie mehr die Chance haben mit ihm zu reden, ihn in den Arm zu nehmen, mit ihm zu lachen, ...
      Meine Eltern sind ziemlich gefühlskalt bei solchen Themen (sag ich jetzt mal). Für sie ist das nicht so dramatisch und sie meinten ich muss mich einfach mehr zusammennehmen. Die beiden sehen das eher immer von der sachlichen, logischen Seite. Sie haben nicht unbedingt unrecht, aber das hilft mir einfach trotzdem nichts.
      Die letzten Monate habe ich immer wieder an ihn gedacht und wurde entweder von allen möglichen Leuten abgelenkt oder schluckte die Trauer einfach hinunter, wenn es mir hochkam, weil ich nicht weinen wollte. Ich wollte stark sein, meine Eltern nicht enttäuschen und keinen peinlichen Eindruck vor meinen Freundinnen hinterlassen, die sich schließlich auch alle zusammennehmen konnten.
      Doch jetzt bin ich sehr sehr oft alleine, da ich wegen Studium, ziemlich weit weg von daheim gezogen bin. Tagsüber in der Uni ist alles bestens, und auch wenn ich Besuch von meinen Eltern oder meinem Freund hab, fehlt mir gar nichts. Doch wenn ich dann bei mir alleine sitz kommt das plötzlich schwallartig hoch. Mir kommen Erinnerungen an ihn oder ich finde ein Foto von ihm auf meinem Handy und mit jedem Tag an dem mir das passiert, breche ich mehr zusammen. Anfangs waren es nur Tränen, heute der erste Heulkrampf. Und das Schlimme daran ist, dass ich es niemandem erzählen kann.
      Warum?
      Meine Eltern wollen das nicht hören.
      Meinen Freundinnen kann ich es nicht erzählen, noch dazu weil ich Angst habe, seine feste Freundin zu verletzen.
      Meinem Freund kann ich es erst recht nicht erzählen..
      Der Grund dafür ist ein dummes dummes dummes Versprechen, dass ich und mein bester Freund uns gaben:
      Dass eines Tages wir beide zusammen sein würden und er spätestens mit 24 Jahren vor meiner Haustür stehen würde um mich abzuholen.
      (Der Hintergrund ist eine noch viel längere Geschichte, eigentlich sogar die Geschichte unserer Freundschaft)
      Es war eben alles in Ordnung so wie es war. Er hatte seine Freundin und ich meinen Freund. Keiner von uns beiden war i.wie eifersüchtig, es war vollkommen okay. Nur immer dann, wenn einer von uns beiden single war, dann kam die Eifersucht. Und ich muss dazusagen, dass ich mit vielen meiner Exfreunde nur Schluss gemacht habe, weil plötzlich für ihn sehr starke Gefühle da waren. Ein ewiges auf und ab. Und jetzt ist er tot. Und wir waren nie zusammen. Und bis auf einen Kuss habe ich ihn nie gehabt, so wie ich ihn haben wollte. Das Schlimme daran ist, dass ich das erst jetzt erkenne.
      Mit wem soll ich denn bitte jetzt darüber reden, dass ich seinen Tod nicht verarbeiten kann, weil ich ihn im Endeffekt mehr geliebt habe als alles andere. Er der einzige war der mich wirklich immer verstanden hat, dem ich ALLES sagen konnte, und bei dem mir nichts peinlich war...
      Wir hatten so viele Pläne, wollten so viel noch machen, und alles ist immer daran gescheitert, dass wir zu wenig Zeit hatten füreinander.
      Am Abend vor seiner Todesnacht habe ich noch mit ihm geschrieben und mich sehr darauf gefreut ihn die nächsten Tage zu sehen..

      Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr so genau was ich mir hiervon wirklich verspreche. Aber das musste jetzt einfach mal raus.
      Wenn jemand Rat oder Hilfe weiß, ich bin für alles aufgeschlossen. Ich komme einfach nicht klar mit seinem Tod...

      Liebe Grüße,

      Shippy

      liebe shippy,

      weißt du, ich glaube mit dem tod eines geliebten menschen kommt man nie wirklich klar. irgendwann fühlt sich die trauer nicht mehr so roh an, irgendwann gewöhnt man sich an den schmerz, aber "okay" wird das nie.

      und leider gilt auch oft, dass menschen zu früh oder doch im "falschen moment" sterben, nach einer unachtsamkeit, nach einem streit, meistens bevor man ihnen sagen konnte, was man am besten jeden tag 100mal sagen sollte und immer zu selten sagt, nämlich dass man sie so sehr liebt.

      du kannst deine trauer nicht wegpacken oder runterspielen, schon gar nicht weil du denkst, dass es andere so erwarten. und wenn du sie nicht teilen kannst, dann gib wenigstens dir selbst zeit und raum, um darüber zu reden und den schmerz mit der zeit "kennen zu lernen", so dass es nicht mehr ganz so furchtbar ist. vielleicht würde dir ein anonymer blog helfen, wo du alles aufschreibst, oder ein forum, eine selbsthilfegruppe? es gibt natürlich auch dinge, die du alleine tun kannst, eure orte besuchen, eure musik hören, um es zu verarbeiten, aber ich denke ein bisschen austausch hilft auch.

      shippy, du kannst so glücklich sein, dass du einen solchen freund hattest. und auch dass du solche pläne hattest, dass ihr solche pläne schmieden konntet, dass ihr euch so nah wart, dass wirklich nur das schöne übrig bleibt, und die wehmut, dass vieles nicht wahr geworden ist. stell dir mal vor, wie schlimm das wäre, wenn du mit groll oder wut an ihn denken müsstest, oder wenn du feststellen würdest, er war dir eigentlich egal.

      es gibt im leben keine garantie und keine versicherung. manchmal reißt es uns mitten aus dem besten moment raus, oder aus großen plänen. trotzdem: du hattest diese freundschaft und du hast erinnerungen an ein so großes glück mit ihm. dafür kannst du dich wirklich glücklich schätzen. und deswegen darf sein tod auch weh tun, und darf auch für immer ein weher punkt bleiben.

      das leben geht natürlich trotzdem weiter. das braucht dir ja aber keiner zu sagen. und dass dir der wichtigste mensch fehlt, weil er tot ist, das ist das normalste der welt. also nimm dir zeit zum trauern, und zeit dich an all die schönen momente zu erinnern. irgendwann wird es wie eine kruste, irgendwann wie eine n*rbe - mit sicherheit eine sichtbare und immer empfindliche stelle, aber eben keine offene w*nde mehr.

      ich wünsch dir alles gute und, wenn dir das hilft, drücke ich dich unbekannterweise.
      solaine
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      Liebe solaine,

      danke für deine Worte.

      Ich bin sehr froh darüber, dass du meine Situation auch mit positiven Gefühlen beschreibst. Denn du hast Recht, ich hab wirklich Glück einen solchen Freund gehabt zu haben. Und ja die Zeit war unbeschreiblich schön und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es sein muss, eine vergangene Freundschaft mit negativen Gefühlen beschreiben zu müssen.
      Vielleicht ist es einfach genau das worüber ich öfter nachdenken sollte, wenn ich an ihn denke. Eben nicht nur daran, was jetzt nicht mehr ist und sein kann, sondern was wir hatten.
      Momentan hänge ich noch zwischen zwei Wünschen,
      der eine ist, dass ich meinen besten Freund bitte wieder haben kann
      und der andere, dass ich endlich damit leben kann, ohne ihn weiterzuleben.

      Der erste Wunsch ist noch der Grund warum ich diese tiefe Trauer empfinde. Ich hab es einfach schon zu lange geschluckt, bis es absolut nicht mehr ging. Ich hab ständig gemerkt, dass es noch nicht stimmt, nicht ganz verarbeitet ist (kann ja wohl kaum in der kurzen Zeitspanne), aber nie zugegeben.
      Ich hab so das Gefühl, das jetzt so ziemlich der letzte Zeitpunkt gekommen ist, die Trauer endlich zu überstehen, anstatt "untern Teppich zu kehren". Mittlerweile macht sich mein Körper bereits bemerkbar, dass er diesen Zustand nicht mehr lange vor hat mitzumachen. Ich hab starke Angst wenn ich nicht bald etwas ändere in eine Art depressive Phase zu fallen.
      Da ich ein Selbstdiagnose-Typ bin liegt mir momentan sehr viel daran das wieder in den Griff zu bekommen.
      Ein Blog oder eine Selbsthilfegruppe glaube ich sind einfach nicht meine bevorzugten "Mittel" um die Trauer zu verarbeiten. Normalerweise würde ich gerne mit jemandem reden, mich jemandem anzuvertrauen aus meinem bekannten Umfeld, doch das ist nicht möglich.. Ich habe Angst das nicht alleine durchzustehen..
      Habe einfach Angst nicht bei dem zweiten Wunsch ganz anzukommen..


      Vielen Dank für dein Verständnis und deine Sichtweise solaine.


      Shippy

      liebe shippy,

      hast du mal über eine professionelle ansprechpartnerin/ansprechpartner nachgedacht? therapeut, beratungsstelle?

      ich will damit nicht sagen, dass ich denke, dass du "so langsam" drüber wegkommen solltest, im gegenteil, ich finde 4 monate keine lange zeit. aber wenn du wirklich meinst mit niemandem aus dem freundeskreis reden zu können, ist ein gesprächspartner, der damit umgehen gelernt hat vielleicht gut?

      liebe grüße,
      solaine
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      //william boyd//


      also geld ist kein argument, dafür gibts kostenfreie beratungsstellen oder die krankenkasse.

      bei zeit ist einfach die frage - wenn du dauerhaft "gelähmt" bist, weil du unverarbeitete trauer mit dir rumträgst, über die du nicht reden kannst, dann belastet dich das so, dass du in anderen lebensbereichen sowieso nicht mehr effizient bist. die zeit, die du dort verlierst durch grübeleien, fehlende motivation dich aufzuraffen etc kannst du genau so gut in eine therapie stecken ud dann den rest in der hälfte der zeit erledigen, wenn du dich besser fühlst.

      wie gesagt: ich finde, dass du dich von der verarbeitungszeit her in einem völlig normalen rahmen bewegst. aber wenn DIR jemand zum reden fehlt und DU das gefühl hast, dass du besser weiterleben könntest, wenn du jemandem zum reden hättest oder es anders verarbeiten könntest, dann solltest du was ändern, also konkret jemanden suchen zum reden.
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      //william boyd//


      Ja da hast du recht..
      Das sind wohl eher gründe die mir einfallen, weil ich mich nicht traue..
      Ich hab mich mittlerweile schon nach einer beratungsstelle erkundigt. Kommendes wochenende werd ich heimfahren und mal versuchen ob ich mit jemandem aus meinem Freundeskreis darüber reden kann. Habe die leise Hoffnung, dass ich meine innere hemmschwelle überwinden kann und es einfach geradeheraus sag wie es mir geht.
      Sonst werd ich mich nächste Woche zusammenraffen und zu der beratungsstelle in meiner nähe gehen.

      Dankeschön dass du mir immer wieder sagst, dass ich mich in einem normalen zeitlichen rahmen bewege. Das hilft mir mich nicht ganz so schwach zu fühlen. Mir ist zwar bewusst dass das so schnell gar nicht gehen kann, aber es fühlt sich besser an darin bestärkt zu werden.
      Danke dass du mich mit deinen ratschlägen in der Realität behältst.

      Liebe Grüße,
      Shippy

      Liebe solaine,

      Das wochenende ist ja jetzt doch schon lange vorbei..
      Es tat gut mal wieder zu Hause zu sein.
      Ich hab es geschafft mich meiner Freundin anzuvertraun und erstaunlicherweise geht es ihnen anscheinend allen so. Das hat mir ziemlich geholfen. Es ist wohl einfach bloß ein tabuthema bei uns geworden offen über unsere Gefühle zu reden..
      Es geht mir besser jetzt da ich mich nicht mehr so allein damit fühl und auch mit jemandem reden kann wenns wieder schlimm ist.
      Aber die Möglichkeiten zur Beratung zu gehn werd ich mir vorerst mal im Hinterkopf behalten.

      Danke für deine lieben Worte und dein Verständnis.

      Für alle denen dieses problem auch begegnet ich kann nur sagen reden hilft viel. Auch wenn man davor Angst hat.
      Mir hilft es jedenfalls im Moment.

      Liebe Grüße,
      Shippy