Fehldiagnose? / Perspektivlosigkeit / Zukunftsangst...

      Fehldiagnose? / Perspektivlosigkeit / Zukunftsangst...

      Es fällt mir unheimlich schwer, diesen Beitrag zu schreiben und dann auch abzuschicken. Weil ich unsicher bin im Kontakt, selbst hier im Forum. Ich versuche es trotzdem.

      Meine ersten Versuche, mir irgendwie selbst zu helfen oder Hilfe zu finden, haben mich vor mittlerweile fast 14 Jahren hierher geführt, immer wieder war es zwischendurch eine Station für mich, wenn auch eher als stille Mitleserin. Und gerade in den letzten Monaten hat es mich vermehrt wieder hierhergezogen.

      Obwohl ich mich seit mittlerweile etwa 2,5 Jahren - mit vielleicht 3 Ausrutschern - nicht mehr selbst verletze, stehe ich momentan irgendwie vor einem riesigen Trümmerhaufen.
      Ich habe nie den Weg in das "normale, gesellschaftliche" Leben gefunden. Von klein auf an war der ganze Krankheitskram da, bis ich 17 war konnte ich IRGENDWIE, mehr schlecht als recht, alles zusammenhalten, dann der Schulabbruch in der 11. Klasse, seit dem.... - nichts. Ich war und bin einfach raus. Psychiatrie, betreutes Wohnen, Betreuung, berufliche Reha,... sozial immer sehr isoliert. Soziales ist ein großes Problem, direkte Kommunikation schwierig, Ängste... Überforderung, zu sensibel, Rückzug,...
      Ich dachte all die Jahre: Es wird schon. Es wird sicherlich alles gut. Ich werde sicherlich gesund, kann soweit an mir arbeiten, dass das Label psychisch krank nicht mehr passt, bzw. dass es mir gut oder besser geht. Dass ich im Leben stehe und nicht daneben.
      Im Sommer letzten Jahres habe ich den zweiten Versuch einer beruflichen Reha gestartet. Ziel: Ersteingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es ist gescheitert. Meine sozialen Ängste und Unbeholfenheit standen mir katastrophal im Weg.

      Nun, worauf will ich eigentlich hinaus...
      Ich schaffe es gerade nicht, meine Gedanken gut zu strukturieren. Eigentlich geht es mir darum, dass mir seit diesem erneuten gescheiterten Versuch einfach bewusst wurde, dass wahrscheinlich nicht alles gut wird. Dass ich anscheinend ernsthaft psychisch krank / eingeschränkt bin.
      Für mich wird es einen anderen Weg geben müssen, als den, den ich mir vielleicht erhofft habe.
      Das ist für mich unglaublich schmerzhaft. Denn es wurde mir so richtig wirklich erst in den letzten Monaten bewusst.
      Ich bin Ende Zwanzig, habe nichts erreicht, und stehe vor diesem Trümmerhaufen, privat wie beruflich. Ich habe Existenzängste. Ich weiß nicht, was nächsten Monat, nächstes Jahr ist. Das Thema berufliche Integration ist für mich noch nicht durch, ich warte momentan auf einen erneuten Termin zur Beratung. Bringt das was? Ich weiß es nicht. Ich habe unglaubliche Angst, was passieren wird. Angst, was bei diesem Beratungstermin raus kommt, da sich meine Außenwirkung anscheinend null mit meinem inneren Befinden deckt (so die Rückmeldungen) und ich das Gefühl habe, mit meinen Bedürfnissen nicht gehört zu werden. Angst, aufgrund dessen wieder heillos überfordert zu werden. Sozial überfordert.

      Ich wünsche mir einfach nur, (m)einen Platz zu finden und zur Ruhe zu kommen.

      Gleichzeitig regt sich leichter Trotz (zum Glück, endlich, mittlerweile,..?.). Ich will mich nicht länger rumschubsen lassen, behandeln lassen, sondern selber handeln...
      Seit meinem 18. Lebensjahr laufe ich mit einer Diagnose im Gepäck rum, die schon bei der ersten Diagnosestellung mit den Worten "Naja, so wirklich passt es ja nicht." begleitet wurde. Ich habe es stehen lassen, einfach nur auf Hilfe gehofft.
      Eigentlich zieht sich dieses "Naja, so wirklich passt es ja nicht." seit 10 Jahren durch sämtliche Berichte und Gutachten, immer in neue Worte verpackt.
      Ja, aber was passt denn dann? Ich möchte eine ordentlich gestellte Diagnose, ich möchte angemessene Hilfe, ich bin doch bereit mitzuarbeiten und was dafür zu tun. Und während ich das schreibe komme ich mir so schrecklich fordernd und sch**** vor. Wie komme ich dazu, etwas zu fordern?

      Ich trage in mir den Gedanken, mich neu zu diagnostizieren lassen. Setze daran die Hoffnung, dass ich dann angemessenere Hilfe erhalten kann. Weil diese Diagnose einfach wirklich absolut nicht passt. Gleichzeitig denke ich mir dann "Bringt doch nichts, du wirst dich wieder nicht erklären können, dir werden die Worte fehlen, du wirst falsch verstanden, deine Außenwirkung weicht zu sehr von deinem Befinden ab, dich kann keiner ernst nehmen."

      Nun...

      Was erwarte ich mir von diesem Beitrag?
      Vielleicht hat jemand Gedanken dazu.
      Oder Ideen.
      Mir war es wichtig, es los zu werden und zu teilen. Ich hoffe, das ist in Ordnung.
      Jahrelang hat mir das Schreiben (wenn auch nur für mich) Erleichterung verschafft. Lange, lange Zeit schon war es mir nicht möglich, meinen Kopf in Worte zu fassen. Heute das erste Mal wieder. Zumindest ein kleines bisschen.

      Vielleicht hat ja auch jemand Erfahrung damit, sich neu diagnostizieren zu lassen, bzw. die Diagnose überprüfen zu lassen. Ich habe Erfahrung was Therapie angeht aber in dem Punkt fühle ich mich rat- und hilflos, wohin soll ich mich wenden? Wenn ich mich neu diagnostizieren lassen möchte, ist sicherlich auch Interesse an meiner aktuellen Diagnose da und ich habe Angst, dass sich die Türen dann einfach schon für mich verschließen (Diagnose Borderline). - Auch wenn diese Diagnose "Naja, nicht so wirklich passt."

      Ich möchte es einfach nicht mehr, wie es im Moment ist. Ich bin verzweifelt und perspektivlos.
      Ich wünsche mir einfach, etwas ändern zu können. Auf dem bisherigen Weg war es nicht möglich.

      Danke für's Lesen.

      Unsichere Grüße,
      plasticine.

      Hallo du,
      Zuerst einmal ich finde es richtig, dass du nach Hilfe fragst. Das ist auf jedenfalk ein Schritt in die richtige Richtung. Nun zum Thema. Ich würde an deiner Stelle mal im Internet nach schauen, was es für Psychiater in deiner Nähe gibt zu denen du gehen kannst um eine neue Diagnose zu bekommen. Ich glaube auch nicht, dass du dann abgestempelt wirst. Das ist ein Verhalten das inakzeptabel und unprofessionell ist. Sowas würde sich kein Psychiater erlauben. Auch glaube ich, dass er nicht zuerst deine vorherige Diagnose kannen möchte, sondern sich zuerst ein Bild von dir machen möchte. Er wird sich davon nicht beeinflussen lassen was der andere Psychiater diagnostiziert hat. Ich glaube auch daran, dass du dich gegenüber einem anderen Psychiater vielleicht besser ausdrücken kannst. Du musst an dich glauben. Dann kannst du alles schaffen.

      Ich glaube du schaffst das wenn du nur ganz fest an dich glaubst.

      Lg Meike
      Hallo plasticine

      Ich glaube, ich bin in einer ähnlichen Situation wie du. Oder vielleicht ein, zwei Schritte weiter.

      Mir wurde die Fehldiagnose Borderline PS gestellt als ich 19 war. Seit 2013 bin ich sie wieder los und seit letztem Jahr habe ich schriftlich, dass sie falsch war.
      Man meint zwar oft, dass Diagnosen nur Worte wären, die Symptome zusammenfassen und damit nebensächlich, aber es hängt eben doch einiges daran. Behandlungsansätze, Verhaltensinterpretationen, Menschenbilder,... und damit kann eine Diagnose einem ziemlich im Weg stehen. Gerade Borderline scheint dazu einzuladen, die Hintergründe von Symptomen zu ignorieren und sie damit falsch zu interpretieren bis hin dazu, dass eigentlich normales als krank pathologisiert wird.
      Wenn du also denkst, dass die Diagnose nicht zutrifft, dann ist es keine unberechtigte Forderung, dass sie geprüft wird, sondern dein Recht. Du zweifelst an dir selbst, weil du scheinbar nicht weiterkommst, aber vielleicht arbeitest du auch mit den falschen Mitteln und/oder an den falschen Dingen. Wenn man sich den Arm bricht, nützt es ja auch nichts, ein Bein einzugipsen oder wenn man sich den Knöchel verstaucht, das Knie zu behandeln.
      Ob ein kurzer Besuch bei einem Psychiater für eine neue Diagnostik ausreicht... möglich ist es vielleicht. Die Frage ist, ob es auf die Art gut wäre, denn im Schnellverfahren ist es kaum möglich, auf Probleme, mögliche Symptome und auch deren Auslöser und Hintergründe so weit einzugehen, wie es nötig ist, um eine verlässliche Diagnose zu stellen. Ich bin meine Diagnose durch eine neue Therapie losgeworden und es hat ungefähr ein Jahr gedauert, bis sie mich gut genug kannte und beurteilen konnte. Ich denke, gerade wenn man weiß, dass es Missverständnisse geben kann (das ist bei mir auch so) sollte man sich die Zeit geben, die nötig ist. Und vielleicht würde dir der zusätzliche Blickwinkel eines Fachmenschen, der sich wirklich mit dir auseinandersetzt ja auch dabei helfen herauszufinden, wo genau es warum hakt, so dass du Hilfe dabei hast, ins Berufsleben zu kommen? Davon ab kann es meiner Erfahrung nach bei Ämtern und Behörden auch schon helfen, wenn man sagen kann, dass man in Therapie ist. Obwohl die Leute bei den entsprechenden Stellen nicht dafür ausgebildet sind, bilden sie sich ja trotzdem ein Urteil, das durch fehlende Basis gern mal falsch sein kann, so dass einem Mittel und Hilfen verweigert werden. Einen Fachmenschen im Hintergrund zu haben, kann so was entkräften und die Leute auf den Boden der Tatsachen holen.
      Egal ob Psychiater oder Psychologe, wenn man so etwas vor hat, kann es tatsächlich passieren, dass man sofort wieder abgestempelt wird, sobald die alte Diagnose bekannt ist und immer lässt sich das nicht verhindern, weil auch die Vorgeschichte wichtig ist. Mir wurde mehr als einmal mangelnde Krankheitseinsicht unterstellt, die ist bei Borderline praktischerweise ja auch recht typisch. Aber sollte es so kommen, bist du nicht gezwungen, dort zu bleiben. Du kannst immer gehen und weitersuchen, so lang bis du jemanden findest, bei dem du das Gefühl hast, dass er dir wirklich zuhört und sich mit dir befasst ohne voreingenommen zu sein. Und solche Fachmenschen gibt es glücklicherweise auch. Wichtig ist halt, dass man sich nicht entmutigen lässt. (Das ist der Grund aus dem es bei mir so lang gedauert hat, ich hatte zwischendurch einfach keine Lust mehr.)

      Ich bin jetzt fast 30 und stehe nach dem letzten Jahr auch mal wieder vor dem Nichts. Ob ich krank oder gesund bin, ist mir nicht mehr ganz so wichtig, denn "normal" werde ich nie sein. Damit hadere ich immer noch hin und wieder, aber so langsam akzeptiere ich es. Weil es nicht bedeutet, dass man automatisch nie leben wird. Das Leben ist auch jetzt und es gibt nicht nur die üblichen Wege, sich noch mehr aufzubauen. Man muss eben nur den finden, der für einen selbst passt. Und das ist vielleicht nicht einfach, aber möglich.

      Lieber Gruß
      Paula
      Hallo Traum und Paula.,

      danke für eure Antworten.
      Ich hoffe, ich schaffe es in den nächsten Tagen ausführlicher zu antworten. Gerade geht es nicht, aber ich möchte auch nicht den Anschein erwecken, als würden eure Worte und damit auch Mühe einfach in der Versenkung verschwinden oder von mir nicht wahrgenommen werden - deswegen diese kurze Rückmeldung.

      Liebe Grüße
      plasticine