Tiefenpsychologie? Wildes Heruminterpretieren? Eure Erfahrungen!

      Tiefenpsychologie? Wildes Heruminterpretieren? Eure Erfahrungen!

      Hallo ihr Lieben!

      Bisher habe ich sehr viele Erfahrungen mit Therapieformen gemacht, die verhaltenstherapeutisch oder kognitiv ausgerichtet waren. Den tiefenpsychologischen Ansatz habe ich bisher immer gemieden. Das dauert mir zu lange, bis man da Fortschritte macht und ich finde, dass so mancher Therapeut da wild ruminterpretiert. Hatte immer das Gefühl, dass mich das nicht weiter bringt.
      Vor allem mit kognitiver Verhaltenstherapie habe ich vieles gelernt, geschafft, Fortschritte gemacht.
      Ein großer Problem hab ich aber noch: Meine Ängste bzw. vor allem meine Phobie. Mir wurde gesagt, dass ein tiefenpsychologisches Herangehen da sinnvoll wäre (im Zusammenspiel mit EMDR). Und ich dachte mir, dass es nach allem gar nicht so schlecht wäre nun den ganzen alten Mist von früher mal aufzuarbeiten. Also hab ich mich gewagt und bin nun bei einem tiefenpsychologischen Therapeuten. Ich komme mit dem Menschen auch zurecht und hab das Gefühl, dass er kompetent ist. Allerdings bin ich es gewöhnt, verhaltenstherapeutisch zu arbeiten. Ich brauche Aufgaben, Dinge, die ich tun kann. Irgendwas an der Hand, dass mir hilft. Aber stattdessen werden nur immer mehr Fragezeichen aufgedeckt.
      Ich halte nichts von Freund und wildem Heruminterpretieren. Das mag ich schon in meinem Studium nicht, wenn in den Literaturwissenschaften Dinge, Charaktere und so psychologisiert werden und mit Ansätzen von Freud interpretiert werden. Ich finde Psychologie und Literaturwissenschaft sind 2 unterschiedliche Diszipline. Freud hat sich ja viel an Literatur (und damit meine ich Erzählliteratur, keine Fachbücher, wobei er da sicher auch mal reingeschaut hat ;) orientiert. Das finde ich schwachsinnig. Aber das ist nur meine Meinung.

      Ich finde es schwierig den Deutungen und Interpretationen des Therapeuten zu folgen, denen ich nicht zustimmen kann. Über viele Zusammenhänge aus meiner Vergangenheit bin ich mir bewusst und wenn ich das Gefühl habe, ich weiß woher dies oder das kommt und was dahinter steckt und er kommt dann mit schrägen Deutungen.. dann fühle ich mich komisch, kann das nicht so richtig annehmen..
      Vielleicht ein Beispiel dazu, das sehr zentral ist:

      Ich habe eine Emetophobie, also Angst zu erbrechen. Die habe ich seit einem konkreten Erlebnis in meiner Kindheit. Ich denke ich weiß wieso und mir ist klar, wie sich das entwickelt hat. Eben aus diesem Ereignis und den Zusammenhängen, die damit einher gingen (Stichwort: Hilflosigkeit, Einsamkeit, Allein gelassen in kritischer Situation, Erbrechen als Kontrollverlust...). Doch statt auf dieses Themenfeld einzugehen meint er plötzlich ich wäre gehemmt und hätte Angst anderen Menschen zu zeigen, dass ich sie zum k*tz*n finde. HÄÄÄÄÄ? Das passt für mich überhaupt nicht. Wenn ich Jemanden nicht mag, gehe ich ihm aus dem Weg oder je nachdem, sage, was mir nicht passt. Ich wäre NIEMALS auf die Idee gekommen in dieser Richtung zu denken. Angeblich hätte ich Angst mich zu blamieren (weil es ja peinlich ist, wenn man sich übergeben muss). Dabei bekomme ich die Panik vor allem, wenn mir übel wird und ich alleine bin, da ich in dieser Situation nicht allein (ausgeliefert, hilflos) sein will, so wie damals..

      Oh man.. Ich finde das alles sehr anstrengend und schwierig.. Dieses wilde Spekulieren bringt doch nichts, oder doch? Mir geht es nicht besser durch die bisherigen Therapiesitzungen, aber einen schnellen Erfolg kann man ja auch bei tiefenpsychologie nicht erwarten.

      Wieso ich das hier schreibe? Ich wüsste gerne, wie ihr das seht, wie ihr das wahrnehmt! Wie läuft eine tiefenpsychologische Therapie? Seid ihr da zufrieden? Findet ihr die Interpretationen bei euch sinnvoll? Was ist wenn nicht? Hilft euch das, kommt ihr damit zurecht? Wie genau hilft euch das, bzw. was daran? Würde mich da gerne austauschen, gern auch per PN, wenn ihr mögt! Ihr könnt mich gerne anschreiben!

      Danke fürs Lesen und ich hoffe manche von euch teilen ihre Erfahrungen mit mir.

      Vielleicht bin ich so skeptisch, weil ich auch Psychologie studiert habe und da die teifenpsychologische Therapieform nicht so gut wegkam. Bei Studien hat sie immer schlechter abgeschnitten als die Verhaltenstherapie und auch, wenn man weiß, woher das alles kommt, worauf das basiert und so.. Naja.. Da kommen dann Zweifel auf..
      Aber vielleicht seid ihr ja unvoreingenommener ;)

      Liebe Grüße

      Grottenolm :)
      Hallo Grottenolm,

      ich kann dir nicht mit persönlicher Erfahrung dienen, aber mit einem Gedanken, den ich dazu habe. In meinen Augen (und ganz unprofessionell und rein aus Interesse gedacht) geht es bei dieser Therapieform doch vorallem darum, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und jemanden, der dich nicht kennt, mal einen Blick auf verschiedene Situationen werfen zu lassen. Und eine Interpretation wird immer eine Interpretation sein, also immer nur ein Denkansatz in eine bestimmte Richtung. Wobei man ja Situationen auch unterschiedlich interpretieren kann, also sich einfach mal auf Gedankenspiele in verschiedene Richtungen einlässt.
      Wie reagiert dein Therapeut denn, wenn du sagst, dass du mit seiner Sichtweise gerade nicht einverstanden ist? Bietet er dann alternative Ansichten?
      Ich kann mir schon vorstellen, dass das erstmal frustrierend ist, wenn man "wild heruminterpretiert", aber vielleicht findet ihr irgendwann eine gemeinsame neue Sicht auf deine Vergangenheit, wenn er dich besser kennengelernt hat?

      My 2 cents...

      lg Nunki
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Hallo Nunki,

      vielen Dank für deine Antwort. Ich glaube was du geschrieben hast, ist sehr wichtig! Danke für diese Einsicht! Verschiedene Blickwinkel bedeutet ja nicht sofort, dass alles richtig ist oder sein muss. Einfach mal schauen, verschiedene Denkansätze durchspielen. Vielleicht bin ich das zu verkniffen angegangen ;) Sich darauf einzulassen fällt mir schwer aber genau daran muss ich wohl auch arbeiten :) Nicht alles so eng sehen, lockerer werden- genau mein Thema, immer wieder!
      Wenn ich dem Therapeuten sage, dass ich das Quatsch finde, ist er recht versöhnlich, aber auch irgendwie beharrlich. Er sagt dann, dass es trotzdem sein kann, auch, wenn ich mir das nicht vorstellen kann. Und das eben viele Dinge unbewusst ablaufen. Er spielt den für mich abwegigen Gedanken dann trotzdem durch, sagt aber versöhnlich, dass es ja auch anders sein könnte.. Naja.. Ich bin mal gespannt wie das so weiter geht!

      Auf jeden Fall vielen Dank für deine Gedanken! Die bringen mir schon sehr viel! :)

      Liebe Grüße

      Grottenolm
      Ich sag's gleich vorneweg: Ich habe leider auch keine Erfahrung mit dieser Therapieform oder bin zumindest nicht sicher (meine letzte Therapie wurde nie klar als zu einer bestimmten Richtung zugehörig definiert, hatte aber auch wenig mit Verhaltenstherapie zu tun, also könnte es auch tiefenpsychologisch gewesen sein).

      Mir ging es früher so, dass ich dieses "Rumpsychologisieren" ganz faszinierend fand (ich meine jetzt weniger in der Literatur, sondern in der Therapie), je theoretischer, desto besser. Ich kann nicht genau sagen, ob mir das geholfen hat oder nicht, ein Stück weit sicherlich.
      Mittlerweile stehe ich dazu anders (worin sich auch meine aktuelle Therapie"""weigerung""" oder besser -unlust begründet) und reagiere eher... Na, ich will nicht sagen genervt, aber innerlich erschöpft davon. Und zugleich regt sich in mir ein "Och, jetzt bleibt doch mal auf dem Teppich".
      Und ich denke, das ist okay so. Genau so, wie es okay ist, wenn man etwas daraus ziehen kann, wenn "wild heruminterpretiert" wird. Menschen haben zu unterschiedlichen Zeiten in ihrem Leben unterschiedliche Bedürfnisse. Und ich möchte davor warnen, sich zu verbiegen oder verbiegen zu lassen, "nur", weil ein Fachmensch meint, es besser zu wissen. Ich habe mir auch schon so manches aufschwatzen zu lassen (Stichwort DBT, nie wieder!) und es im Nachhinein bereut. Weil es einfach nicht zu mir stimmig war. Und weil man eben doch ab einem bestimmten Grad an Selbsterkenntnis/Reflexionsvermögen selbst am besten weiß, was für einen passt. Oder zumindest merken kann, wenn es nicht passt. Das halte ich für sehr sehr wichtig, sich das auch selbst zuzugestehen.
      Klar hat der Fachmensch Ahnung, sonst wär er kein Fachmensch. Aber er hat halt nur Ahnung von seinem Fach, nicht von dir als Person. Ich glaube, das vergessen manche ganz gerne mal.

      Ich will dir um Himmels Willen nicht die Therapie ausreden oder schlechtmachen! (Aber ich glaube, du bist eh selbstbewusst genug, das für dich selbst zu entscheiden.) Ich möchte nur sagen: Vertrau in erster Linie dir selbst. Ein Fachmensch kann, darf, soll Anregungen bieten, na klar, aber was nicht zu dir passt, passt nicht, egal, was für 'ne tolle Qualifikation und wieviel Erfahrung der Fachmensch jetzt hat.

      Soviel zu meiner höchstpersönlichen Meinung. Wenn du was daraus ziehen kannst, tu's gerne, und wenn nicht, halt dich nicht weiter damit auf. ;)

      Liebe Grüße,
      Feuerlilie.
      Schläft ein Lied in allen Dingen,
      Die da träumen fort und fort,
      Und die Welt hebt an zu singen,
      Triffst du nur das Zauberwort.

      Hey,
      also ich hab bis jetzt eigentlich nur tiefenpsychologische Therapie gemacht, zumindest bei der ambulanten Thera. Und ich hatte oft das Gefühl es war so wie Nunki das ja auch schon gesagt hat eine Art "Betrachten aus verschiedenen Blickwinkeln". Bei manchen Theorien die meine Therapeuten aufgestellt haben woher was kommt konnte ich mir nur an den Kopf packen und denken "auf sowas kommt auch nur jemand der selber nicht alle Latten am Zaun hat", bei anderen wiederum hab ich sofort gemerkt "ja, das passt" und dann gab es noch ein paar wo ich mir absolut unsicher war. Aber bei mir war es immer so, dass der Therapeut einen Anstoß gegeben hat quasi, irgendeine Idee in den Raum geworfen hat und ich dann geschaut hab ob das bei mir passen könnte, ob sich das richtig anfühlt oder nicht, und wenn es nicht gepasst hat haben wir gemeinsam die Idee "weiterentwickelt", sprich geschaut ob das überhaupt garnicht stimmig ist für mich oder ob mir nur einzelne Teile falsch vorkommen und so dann oft auch am Ende was gefunden was für mich richtig war, wo ich dann wusste bestimmte Gedanken oder bestimmtes Verhalten könnte tatsächlich daher kommen, obwohl mir das vorher nie in den Sinn gekommen wäre.
      Für mich war das eigentlich immer gut, dieses "Ruminterpretieren" von Seite des Therapeuten aus aber auch von meiner Seite aus im Sinne von "einfach mal in alle Richtungen denken und nichts von vornherein ausschließen", das war für mich irgendwie das Richtige. Aber ich denke wenn man auf Dauer merkt das passt nicht zu einem und da sträubt sich was in einem dagegen dann macht es keinen Sinn. So wie für mich VT völlig falsch war/ist kann für andere der tiefenpsychologische Ansatz einfach nicht passen. Da musst du dann schauen ob sich das noch ändert wenn du dich mal daran gewöhnt hast oder ob du in einiger Zeit immernoch das Gefühl hast das ist nicht deins.
      Ich hoffe das hilft dir jetzt irgendwie weiter was ich hier geschrieben hab ^^
      Liebe Grüße,
      N***dle
      Wenn einer, der mit Mühe kaum,
      gekrochen ist auf einen Baum
      schon meint, dass er ein Vogel wär,
      so irrt sich der.
      [Wilhelm Busch]
      hej :)
      ich hab mich gerade gefragt: wenn dein therapeut doch versöhnlich reagiert bzw anbietet, dass es ja das nicht sein muss, sondern vllt etwas anderes, sagst du ihm denn dann auch deine vermutung, deine interpretation, also das was du denkst, was der zusammenhang ist? und arbeitet ihr gemeinsam daran weiter, zb um einen weiteren aspekt zu finden, oder eben noch eine neue sichtweise oä?

      denn dann wäre seine interpretation ja tatsächlich nur der einstieg in die auseinandersetzung damit. und das kann meiner erfahrung nach wirklich sehr hilfreich sein.
      lg
      solaine
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      Hey,

      danke für eure Antworten!!

      Feuerlilie schrieb:

      Ich möchte nur sagen: Vertrau in erster Linie dir selbst.

      Das werde ich mir zu Herzen nehmen! Du hast vollkommen Recht, genau das sollte ich mir immer wieder vor Augen halten und das werde ich auch tun! Ich gebe dieser Therapie eine Chance, aber ich horche auch immer wieder in mich rein, ob es passt oder eher gegen meinen Willen ist! :)

      N**dle schrieb:

      einfach mal in alle Richtungen denken und nichts von vornherein ausschließen

      Ich glaube genau darauf muss ich mich mal einlassen! Das haben mir eure Antworten vor allem gezeigt: einfach mal schauen, nicht alles zu ernst und festgelegt sehen, sondern einfach mal aus verschiedenen Blickwinkeln ganz ungewzungen gucken. Ich hatte wohl einfach Angst, dass der Therapeut zu schnell irgendwas festlegt, was gar nicht stimmt. Aber wenn ich ehrlich bin tut er das gar nicht.

      solaine schrieb:

      sagst du ihm denn dann auch deine vermutung, deine interpretation, also das was du denkst, was der zusammenhang ist?

      Ja, genau das tue ich! Ich sage dann auch "also das finde ich sehr abwegig" aber darauf reagierte er bisher immer recht wenig, interpretierte weiter rum.. Er hat sich halt alle Möglichkeiten angeschaut aber auch zur Kenntnis genommen, wenn ich gesagt habe, dass ich das nicht passend finde. Beinahe habe ich schon das Gefühl meine Interpretation bzw. Erklärungen für dies oder jenes findet er zu "festgelegt". Wahrscheinlich hat mich das etwas gestört, denn ich bin sehr empfindlich, wenn ich mich nicht ernst genommen fühle. Ich denke aber er nimmt mich schon ernst, will aber eben keine anderen Interpretationen ausschließen. Im Grunde darf jeder, er und ich, Ideen einbringen und dann reden wir darüber.
      Meine Angst, dass er mich falsch versteht, falsch einordnet oder meine Meinung nicht für sinnvoll erachtet, stand mir da bisher wohl etwas im Weg!

      Danke also an alle, dass ihr mich da beruhigt habt und mir aufzeigen konntet, dass ich da einfach offener sein muss und nicht so verbissen und engstirnig. Mit weniger Angst.. Tja, genau mein Thema.

      Übrigens haben wir in der letzten Sitzung dann mit dem EMDR angefangen, was ich ja schon aus anderen Therapien kenne. Fand das sehr gut und so wird es wohl auch erstmal weiter gehen und das finde ich auch sinnvoll so! Und beim interpretieren werd ich nun auch offener sein ;)

      Herzliche Grüße

      Grottenolm
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