Mit Arbeit geht es nicht, ohne auch nicht.

      Mit Arbeit geht es nicht, ohne auch nicht.

      Hallo,

      ich versuche mal eine kurze Zusammenfassung zu machen. 2010 hab ich meine Ausbildung zur Buchhändlerin angefangen, damals hat es mir auch Spaß gemacht und ein Studium hab ich mir nicht zugetraut. Seit ich die Ausbildung 2013 abgeschlossen habe war mir klar, dass ich nicht in dem Beruf bleibe. Mein Ziel war immer ein Studium. Aber gleichzeitig bin ich auch die ganze Zeit immer wieder in stationärer Behandlung und weil klar wurde, dass stationäre Intervalltherapie und ein Studium beginnen nicht funktioniert, hab ich den Job erstmal weitergemacht. Mein Chef ist tolerant und hat die Klinikaufenthalte immer mitgemacht.

      Seit dem letzten Mal Klinik Anfang des Jahres hat sich einiges verändert. Eine neue Diagnose, die gestellt wurde und dadurch, dass ich das erste Mal so stabil war, dass wir etwas inhaltlich arbeiten konnten, ist vieles hochgekommen, viel mehr Zugang zu Gefühlen etc.da. Dadurch geht es mir schlechter, was verständlich ist, aber das Problem ist, dass es mir zunehmend schlechter geht. Seit einem Monat hangel ich mich von Tag zu Tag, weiß nicht wie ich mir ein lebenswertes Leben aufbauen kann, wie ich das aushalten kann mit all dem was aufgewühlt wurde, mit der Diagnose und allem was sich offenbart hat.
      Heute war ich in der Klinik zum Gespräch und für Oktober ist eine neue Aufgabe geplant. Eigentlich war nächstes Jahr Traumakonfrontation geplant, jetzt sagt die Therapeutin, es werden sicher noch mehrere Aufenthalte notwendig sein und Konfrontation ist erstmal nicht machbar so wie es mir geht.

      Das Problem ist die Perspektivlosigkeit und die Arbeit: Ich bin jemand, der arbeiten _muss. Ohne was zu tun fühle ich mich furchtbar, es macht mir viel Angst. Ich tue mich sowieso sehr schwer damit anzunehmen, dass ich krank bin und nicht voll leistungsfähig, überschätze mich oft, habe immer den Anspruch funktionieren zu müssen.
      Inzwischen ist jedoch mein Job und der Betrieb ein großes Problem. Mein Chef gibt keine Aufgaben ab, es ist nichts zu tun, die meiste Zeit stehe ich nur rum und bin heillos unterfordert. Ich fühle mich nutzlos und nichts macht mir noch Spaß daran. Wenn ich arbeiten gehe, raubt es mir die Kraft, die ich eigentlich für mich brauche und mich wieder stabil zu bekommen. Dazu kommt, dass die Buchhandlung eine Fachbuchhandlung ist, und ich mich immer schwerer damit tue, mich in diesem Umfeld zu bewegen: Die Art von Kunden, meine Kollegen, die Themen, ich stehe gar nicht dahinter.
      Derzeit steht jeden Tag im Raum, ob ich mich akut einweisen lassen muss. Deshalb bin ich die Woche erstmal krankgeschrieben und eigentlich war ich mir sicher, dass es eine Perspektive ist, mich auf Dauer krankschreiben zu lassen und dann ehrenamtlich etwas zu machen, damit ich trotzdem eine Aufgabe habe. Ich merke einfach, dass ich jetzt seit so vielen Jahren diese Arbeit "aushalte", weil sie gut für die Therapie ist, aber die Kraft schwindet mehr und mehr und ich brauche im Alltag etwas anderes, etwas Sinnvolles. Ich will nicht mehr für stationäre Aufenthalte alle 6-8 Monate den Rest meines Lebens danach ausrichten und etwas machen, das mich unglücklich macht.
      Ich weiß einfach nicht was richtig ist:
      Die Arbeit raubt mir alle Kraft derzeit (und mein Chef ist von der erneuten Krankschreibung wenig begeistert, was ich gut verstehen kann) und ich hab aber auch so eine Angst nicht mehr zu arbeiten.

      Einen neuen Job suchen? Wie soll das gehen, wenn ich immer wieder in die Klinik muss und der nächste Aufenthalt schon im Oktober ist? Wer macht das mit? Bis dahin krankschreiben lassen und dann weitersehen? Die Arbeit bis dahin irgendwie durchziehen, damit ich den Job nicht verliere? Oder Studium nächstes Jahr und in den Semesterferien in die Klinik? Und bis dahin?

      Ist jetzt doch länger geworden als ich dachte. Mein Kopf ist übervoll.

      Vielleicht hat jemand Gedanken dazu.

      Liebe Grüße,
      disarming
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      Hey disarming,

      schwierige Situation...

      ginge das denn krankgeschrieben ehrenamtlich arbeiten? ist das nicht ein widerspruch?

      Ansonsten klingt der Gedanke ja erstmal plausibel.

      Bist du denn finanziell auf einen Job angewiesen? Wenn ja 40 Std oder würde dir finanziell auch weniger reichen?

      Wie wäre es mit einem befristeten Job? Ich hab eine Weile Zeitarbeit gemacht. Da ist sowas möglich.
      Hallo Swollen,

      klar bin ich auf einen Job angewiesen. Der Jetzige ist vom Geld her miserabel, zumal schaffe ich kein Vollzeit und das Gehalt ist so gering, dass ich letzte Woche Sozialleistungen beantragt habe.

      Ich merke auch, dass ich gerade generell keinen Job mehr schaffe. Die Idee mit dem Ehrenamt ist, dass ich wenigstens eine Aufgabe habe, wenn ich es schon nicht schaffe, arbeiten zu gehen. Mein schlechtes Gewissen regt sich natürlich. Zu meinem Arzt meinte ich heute, dass ich ihm ja irgendwas erzählen könnte; ob es nicht so ist, dass ich einfach sage: Ich lass mich krankschreiben, weil ich keine Lust auf Arbeit habe. Er sagte, dem sei nicht so, ich sei kein Drückeberger.

      Ich hab jetzt viel mit Freunden gesprochen und die versichern mir immer wieder, dass es kein Versagen ist und dass es eher Selbstfürsorge ist, eine Grenze zu setzen, wenn die Kraft weg ist. Mein Plan wäre: Keine Therapie mehr, keine Klinik mehr, einen Studiengang suchen oder eine neue Ausbildung und das dann starten.
      Jetzt wieder Klinik, schon wieder und so schnell, das fühlt sich nach Versagen an. Ich denk, ich müsste mich doch zusammenreißen, endlich mal gesund werden. Auf der anderen Seite merke ich: Gesund werden braucht sehr lang, gesund werden ist wahrscheinlich gar keine Option, aber gut damit leben. Und das braucht sehr lang.

      Also ist der Plan: Krankschreibung bis zur Klinik und nebenbei eine Perspektive entwickeln - wie es gehen kann mit Therapie UND Arbeit, denn ich möchte nicht nur das eine oder das andere, ich möchte beides und das muss ja irgendwie machbar sein. Mein Chef und ich sind jetzt fast sicher, dass wir den Arbeitsvertrag auflösen. Ich war sehr ehrlich ihm gegenüber und sagte auch zu ihm, es ist nicht mehr tragbar für ihn, es wäre besser, er würde mir kündigen. Oder ich versuche zu kündigen aufgrund meiner Psyche, damit ich keine Sperre beim Arbeitsamt bekomme, das hat mein Arzt heute vorgeschlagen.
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      Brauchst du das Geld denn oder wäre es alternativ möglich so lange Verwandte/Partner für die Finanzen zu fragen oder Hartz 4 zu beziehen bis du stabil bist?

      Bei mir ist es so ähnlich. Ich habe mein Studienfach studiert, weil ich erstmal froh war irgendwie unter zu sein und aus der damaligen Situation auch nicht x Kilometer weg ziehen wollte.

      So, jetzt ist mein Studium fast zu Ende und ich bin totunglücklich mit meinem Fach.

      Eigentlich müsste ich in Therapie bzw. ambulant über meine Probleme reden. Dem entgegen steht aber meine Jobwahl bzw. mein Wunsch noch weiter zu studieren.
      Und wenn ich jetzt in eine Klinik gehen würde, würde das bei der ersten Einstellung auch nicht gut kommen.

      Abgesehen davon muss ich zusätzlich arbeiten weil mir ansonsten echt die Felle wegschwimmen.

      Zum Klinik und Therapie aussteigen: Wenn ich ehrlich bin macht dein Eintrag nicht den Eindruck, als ob du das ohne Hilfe schaffst bzw. glaube ich das dir zumindest eine ambulante Therapie ein, zwei Mal pro Woche wirklich gut täte.
      Beim Studium ist man auch flexibler, weil nicht immer Anwesenheitspflicht ist. Allerdings ist es auch Stress ohne Ende. Bei mir kam dann noch der finanzielle Druck dazu.
      Hallo Lina478,

      ich hab jetzt ja schon Aufstockung beantragt, die kriege ich sogar mit meinem jetzigen Gehalt. Bis das alles durch ist und geklärt, dauert es sicher (weil ich dann ja auch wieder alles neu beantragen muss, weil die Höhe des Krankengeldes wieder anders ist), aber ich hab noch ein paar Rücklagen. Irgendwie geht es mit dem Geld.Muss.

      Ich bin in ambulanter Therapie und zusätzlich bin ich in Kontakt mit meiner stationären Therapeutin und meinem Psychiater, der auch dort in der Klinik arbeitet. Das heißt: Da hab ich Unterstützung, auch sehr gute.
      Ich möchte immer schnell fertig sein mit allem und ich fühle mich meist nicht besonders krank, sondern das was da ist und wie es mir geht empfinde ich eher als Fehler meinerseits und deshalb denk ich: Dann darf ich auch keine Klinik in Anspruch nehmen und dann muss ich nur endlich mal normal funktionieren und ranhauen und dann muss das was werden. Meine Therapeuten und Freunde erinnern mich ständig daran, dass ich krank bin, weil es mir so schwer fällt, das anzunehmen und als Krankheit zu sehen und nicht als etwas, das ich wegmachen muss und wo ich etwas falsch mache.
      Bin mir unsicher, ob es okay ist so schnell wieder in die Klinik zu gehen. Dabei ist das eigentlich der Plan: Ambulant Stabilisierung und stationär inhaltliche Arbeit, weil es nur so machbar ist.

      Ist halt immer die Frage wie man dann Arbeit und stationäre Therapie zusammenbringt. Beides ist wichtig. Der Lebenslauf ist auch wichtig, klar. Was macht man nur, wenn man aber einfach nicht mehr kann? Und vor allem: Woran merkt man das und kann sich sicher sein, dass man nicht zu schnell aufgibt?
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „disarming“ ()

      Ich kann dich verstehen. Ich habe das Gefühl du trittst auf der Stelle und das dich die momentane Situation nicht weiter bringt.

      Ich persönlich würde dir raten zu studieren, vielleicht auch auf Teilzeit und ambulant eine Therapie fortzusetzen.

      Ich weiß, manche lesen das vielleicht nicht gerne. Aber für Therapeuten und Ärzte bist du ja letztendlich nicht nur Klient, sondern auch eine Geldeinnahme und Fakt ist auch, dass du älter wirst und die Sache vielleicht irgendwann erklären musst.

      Ich will jetzt auch keine Panik verbreiten. Aber meine beste Freundin war 2 Jahre mit Unterbrechungen in Kliniken und war früher Krankenschwester. Trotz der Tatsache, dass es ihr jetzt besser geht hat sie riesige Schwierigkeiten wieder in den Arbeitsalltag zu kommen, weil die 2 Jahre ja irgendwie erklärt werden wollen. Sie hat über 100 Bewerbungen geschrieben aber mit der Sache im Lebenslauf will sie niemand.

      Ich weiß nicht was du erlebt hast und wie schlimm das alles ist. Letztendlich habe ich zu Kliniken aber eine gespaltene Meinung.
      Bei dir klingt es eher wie ein Kreislauf zwischen Klinik und Arbeit und Unzufriedenheit. Ist bewundernswert, dass dein Chef tolerant ist. In Hinblick auf die kommenden Jahre stelle ich es mir schwer vor, das zu vereinbaren.

      Therapie ist das eine. Aber seitden ich einen Psychiater, der an meiner HS studiert hatte kennen gelernt habe sehe ich Kliniken und Bevormundung von Patienten etwas gespalten.
      Hallo disarming,

      ich keine deine Zweifel ein bisschen nachvollziehen, denke ich. Vielleicht haben wir ein ähnliches Bild von Therapie. Ich sehe das oft als eine Art Werkstatt. Irgendetwas an mir ist defekt oder mangelhaft, dann gehe ich ambulant oder stationär um mich zu reparieren, stecke da viel Zeit und Kraft und Tränen rein, nur um (zumindest dem Gefühl nach) ein paar Monate später wieder zu bemerken, dass ich ja immer noch defekt bin. Ich habe mich bis vor kurzem mit Händen und Füßen gegen weitere Therapien gewehrt, einfach, weil ich schon so viele Jahre so viel gemacht habe und auch endlich mal einen geraden Lebenslauf will. Langsam kommt bei mir aber an, dass das nicht der richtige Weg ist.
      Ich verstehe, dass das auf gut Deutsch scheiße ist, dass das bitter ist, vor allem, wenn man nicht das Gefühl hat, krank zu sein oder sich das nicht eingestehen will oder kann.

      disarming schrieb:

      das was da ist und wie es mir geht empfinde ich eher als Fehler meinerseits und deshalb denk ich: Dann darf ich auch keine Klinik in Anspruch nehmen und dann muss ich nur endlich mal normal funktionieren und ranhauen und dann muss das was werden.
      Sieh mal, selbst wenn das stimmen würde - und dieser Ansicht bin ich absolut nicht! - dann würde da mehr Druck doch auch nichts bringen. Da kannst du noch so viel Druck aufbauen, noch so sehr sagen, dass es doch funktionieren muss - das Einzige, was dir das bringen wird, ist das Gefühl, immer weiter zu versagen. Wenn etwas nicht geht, geht es nicht, und wenn man eine Million mal sagt, dass es doch gehen muss.
      Ich frage mich sehr oft: Was ist Krankheit und was ist mein Charakter? Wo verläuft die Grenze zwischen nicht mehr wollen und wirklich nicht mehr können? Ich habe da für mich keine allgemeingültige Antwort gefunden, sodass ich das jedesmal neu aushandeln muss. Aber deshalb ist es ja auch gut, dass man nicht alleine ist. Vertrau den Therapeuten und Freunden um dich herum. Die haben kein Interesse daran, dich krank zu reden. Deswegen stimme ich da @Lina478 auch nicht zu. Natürlich verdienen die Therapeuten an dir. Aber bei den Wartezeiten, die es gibt, braucht man nicht den einzelnen Patienten zu binden, jeder Patient kann sofort durch einen anderen ersetzt werden. Und ohne jetzt alle Therapeuten verurteilen zu wollen: Es gibt sicherlich leichtere Fälle als dich, disarming. Wenn es nur um das Geld ginge, könnten die Therapeuten das auch leichter haben (und es gibt Veröffentlichungen z.B. der BPTK aber auch unabhängiger Medien, die das bestätigen) Deswegen glaube ich wirklich nicht, dass da finanzielle Interessen dahinter stehen, sondern dass es ganz um dich geht.
      Dass du dich so intensiv damit auseinandersetzt, wie das mit Therapie und Arbeit gehen soll, dass du am liebsten einfach durch ganz viel Fleiß und Druck funktionieren würdest - das ist für mich der sicherste Hinweis, dass du nicht zu schnell aufgibst. Und die Idee der ambulanten Stabilisierung und der inhaltlichen Arbeit in einer Klinik finde ich stimmig und gut. Ich verstehe, dass dir Arbeit wichtig ist und dass ein Lebenslauf mit mehreren Klinikaufenthalten das nicht leichter macht. Aber die Priorität liegt in meinen Augen ganz klar bei dir als Mensch. Was bringt dir denn ein lückenloser Lebenslauf und ein regelmäßiger Job, wenn du dich nicht um dich kümmerst und immer kränker wirst? Ich weiß nicht, wie du über unsere Gesellschaft(en) denkst, wie du den Wert des Lebens und den Wert des einzelnen Menschen definierst. Viele sehen Leistung als das wichtigste, es gibt nicht wenige, die dem Menschen nur einen Status als Mensch (bzw. eher: Person) zusprechen, wenn er in der Lage ist, Leistung zu bringen. Auch wenn ich diese Meinung sehr verinnerlicht habe, versuche ich, das nicht auf mich anzuwenden. Denn ich will niemand sein, der den Wert des Lebens an Arbeit und Leistung misst. Und wenn ich den Wert anderer nicht daran messe, dann muss ich auch meinen eigenen Wert nicht daran messen.
      Du musst ja nicht jetzt deine komplette berufliche Zukunft entscheiden. Das würde ich auch nicht alleine machen, sondern in Absprache mit den Therapeuten. Ich denke, dass es gut ist, wenn du dich erstmal um dich kümmerst, statt um einen Job. Es kann natürlich mit einem Studium auch anders laufen, aber ein Studium ist gerade zu Beginn auch sehr anstrengend. Neue Menschen, Abläufe, Strukturen... Dazu können die Prüfungsbedingungen je nach Hochschule und Fach auch relativ hart sein. Deswegen würde ich mich an deiner stelle erstmal um dich kümmern und dann im Rahmen der stationären Therapie gemeinsam mit Therapeuten und Sozialberatung (gibts ja in den meisten Kliniken) entscheiden, wie es weitergeht. Auch mit einem Ehrenamt wäre ich vorsichtig. Ich verstehe, dass du etwas Sinnvolles tun willst, aber ich habe die Sorge, dass das auch erstmal nicht das Richtige sein könnte. Vor allem, wenn du es aus einem schlechten Gewissen heraus tust. Du darfst sein, ohne jede Gegenleistung! Natürlich ist eine Beschäftigung gut, damit du etas hast, was dir ein bisschen Struktur gibt und dich ablenkt. Wohnst du denn in einer Stadt, in der der Studiengang angeboten wird, der dich interessiert oder ein ähnlicher? Wie wäre es denn, wenn du dich als Gasthörer einschreibst? Dann kannst du ganz ohne Druck an den Veranstaltungen teilnehmen, die dich interessieren. Das kann dir auch einen guten Eindruck vermitteln und wenn du dann irgendwann ernsthaft über ein Studium nachdenkst, hast du ganz andere Grundlagen, auf denen du entscheiden kannst.

      Das war jetzt vielleicht etwas viel und unstrukturiert, tut mir Leid, ich schlafe zur Zeit sehr wenig und schlecht. Mir ist einfach nochmal wichtig zwei Dinge zu betonen. Erstens: Vertrau auf dein Umfeld. Zweitens: Würdige dein Ringen um die richtige Entscheidung. Dieses ist, soweit ich das hier aus deinen Threads heraus lese, in meinen Augen ein sicheres Indiz, dass du nicht Leichtfertig und aus Bequemlichkeit oder Schwäche oder Unlust oder... entscheidest.

      Ich wünsche dir alles Gute und vor allem, dass du weniger streng mit dir umgehen kannst, was deine Lebensentscheidungen angeht.
      Fylgja
      Dem schließe ich mich an. Es muss nicht immer alles und sofort sein. Auch wenn man von der Gesellschaft das Gefühl induziert bekommt, die Zeit rennt weg.

      Wenn du jetzt noch nicht soweit bist, dann vielleicht nächstes Jahr?

      Es kommt auf den Studiengang an. Auf jeden Fall ist man im Studium flexibler therapeutisch als im Arbeitsleben. Da du aber einen so tollen Chef hast, ist das eventuell bei dir anders.
      Liebe Fylgia,

      nicht zu viel und nicht zu unstrukturiert, im Gegenteil, danke.

      Fylgja schrieb:

      Ich sehe das oft als eine Art Werkstatt. Irgendetwas an mir ist defekt oder mangelhaft, dann gehe ich ambulant oder stationär um mich zu reparieren, stecke da viel Zeit und Kraft und Tränen rein, nur um (zumindest dem Gefühl nach) ein paar Monate später wieder zu bemerken, dass ich ja immer noch defekt bin.


      ziemlich genau so fühlt sich das an. Wie ein Fehler, der zu beheben ist. Und wenn das nicht klappt, dann ist es wieder mein Fehler.

      Auch was du schreibst bezüglich des Vertrauens in mein Umfel: Ich glaube auch nicht, dass es um Geld geht. Gerade bei der stationären Therapeutin weiß ich, dass sie mich sehr mag und dass sie immer das tut was gut für mich ist, ohne Eigennutz. Ich versuche gerade meine Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Denn die sind ähnlich wie bei dir mit diesem Leistungsdenken. Mein Grundsatz ist: Je mehr ich leiste, desto wertvoller bin ich und desto besser geht es mir. Wenn ich also versage (und dass es mir schlecht geht, ist schon ein Versagensgrund vom Gefühl her), dann muss ich nicht weniger, sondern mehr und mehr leisten und machen. Deshalb denk ich: Ich muss nur mehr arbeiten, ich muss nur mehr leisten, ich muss noch viel mehr an mir arbeiten und das jetzt ohne Klinik schaffen, ich muss einfach mal selbst klarkommen jetzt, ich kann nicht immer erwarten, dass Klinikaufenthalte mich retten und ich bin es auch nicht wert, dort wieder hinzugehen. Ich denke: Ich enttäusche alle, weil ich es alleine nicht hinbekomme und es mir wieder so wie jetzt geht. Und der einzige Weg, um andere nicht mehr zu enttäuschen ist, dass ich alleine klarkomme und mehr leiste.
      Vom Kopf her weiß ich, dass dieses Denken irgendwie verquer sein muss, derzeit kommt es nicht durch. Eine Freundin sagte mir, ich soll die Hilfe annehmen, die mir geboten wird. Und dass meine Therapeutin und mein Psychiater mir nicht angeboten hätten, nochmal in die Klinik zu kommen, wenn sie es nicht für notwendig halten würden. Ich bin so kurz davor, das alles abzubrechen, weil ich niemanden mehr enttäuschen möchte.

      Und auf der anderen Seite sehe ich dieses Leistungsdenken und den Menschen an sich so wie du: Der Wert eines Menschen sollte nicht über Leistung defininert werden.

      Und meine Therapeutin meinte ja auch, dass noch mehrere Klinikaufenthalte notwendig sind. Die letzten Jahre ging es ja auch immer, dass ich neben der Arbeit in die Klinik bin. Seit 2010 habe ich einen guten Lebenslauf, weil die Klinikaufenthalte ja stattfanden und ich weiter angestellt war. Das heißt, abgesehen von den Brüchen vom Abi bis zum Start der Ausbildung, wäre das jetzt dann der erste Bruch wieder im Lebenslauf.

      Morgen spreche ich erstmal persönlich mit meinem Chef. Meine Therapeutin rät mir eigentlich immer von einem Studium ab, weil sie meint, da geht zu viel Kraft für drauf, wäre zu stressig erstmal. Sie hat aber wohl Angst was ist, wenn ich keine Struktur mehr durch die Arbeit habe.

      Das mit dem Gasthörer weiß ich gar nicht, da kann ich mich aber mal erkundigen, das klingt nach einer guten Sache.

      Lina478,
      ich sehe das etwas anders mit den Klinikaufenthalten. Sie sind notwendig, das weiß ich im Grunde genommen auch. Wahrscheinlich will ich es mir einfach gerade nicht eingestehen. Mit der Krankschreibung fühle ich mich etwas besser und auch damit, den Job nicht mehr zu machen, sondern einfach nur darauf zu achten was mir gerade gut tut, damit ich nicht noch instabiler werde und die Geschlossene abwenden kann. Ich glaube, ich will es mir nur nicht eingestehen. Dass ich so krank bin, dass ich das brauche gerade. Und vor allem: Dass ich das darf. In meinem Kopf ist nur noch eine Selbsthasstirade nach der anderen, ich habe letzten Mittwoch meine eigenen Grenzen überschritten und die Kontrolle verloren und da waren Aktionen, die mir wohl nur das bestätigen sollten wie ich mich gerade fühle: Wie eine Versagerin, wertlos, keinen Nutzen bringend für die Gesellschaft und in mir drin ist so fest verankert, dass ich dann andere nicht mehr damit belästigen darf, weil ich denke, ich bin schlecht für andere, ich muss sie sozusagen vor meiner "Schlechtigkeit" schützen.

      Ich versuche diesen kleinen Teil in mir zu aktivieren, der mir was anderes sagt, den ich gerade aber kaum noch hören kann. Vom Verstand her weiß ich, dass er da ist. Er muss da sein, sonst würde ich ja nicht sagen: Ich höre mit dieser Arbeit auf, weil sie mir so die Kraft raubt und mich unglücklich macht.

      Es hat halt die letzten 5 Jahre auch geklappt. Wie kann es dann sein, dass es jetzt nicht mehr geht? Aber auch das weiß ich im Grunde genommen... durch die inhatliche Arbeit, durch das was hochgekommen ist. Aber reicht das als Grund? Ich hab es sonst auch immer geschafft.
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      ToWriteLoveOnHerArms
      Ich kenne dich und deine Umstände einfach zu wenig, um mir da ein Urteil zu bilden. Letztendlich ist es ja dein Leben und du wirst wissen was für dich gut ist.
      Ich kann nur von dem was ich gehört habe sagen, dass auch wenn wir in einer offenbar toleranten Gesellschaft für psychische Erkrankungen leben, die Arbeitgeber meiner Bekannten nicht mehr allzu tolerant waren, als sie erfahren haben wie oft und wo besagte Betroffene in Therapie und Klinik waren. Aber vielleicht ist es bei deiner Situation anders.
      Ich wünsche dir alles Gute! :)
      Danke dir!

      Hab jetzt mit meinem Chef gesprochen und es ist okay, wenn ich erstmal weiter krankgeschrieben bin, dann in die Klinik gehe und dann weitergucke. Somit habe ich erstmal keinen Bruch im Lebenslauf und kann ganz in Ruhe gucken, dass es mir besser geht. Er sagt, er denkt auch, dass ich unterfordert bin, dass es aber in diesem Betrieb keine Möglichkeit gibt, Aufgaben abzugeben.

      Unglaublich was er da alles mitmacht und keineswegs "normal".
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      ToWriteLoveOnHerArms
      Das ist wirklich toll von ihm. Ich würde es aber als Einzelfall betrachten und auch daran denken, was passiert wenn der Chef irgendwann mal nicht mehr da ist. Ich habe den Fall in der eigenen Familie mit ähnlichen Bedingungen erlebt. Besagter junger Mann hatte mit 16 angefangen zu jobben, noch das Abi gemacht und nach der Schule haben sie ihn direkt übernommen dort. Da er gut verdient hat und Arbeit hatte war er der Meinung nie eine Ausbildung zu machen. Dann ging der Chef als der junge Mann über 40 war in Insolvenz und hat alle entlassen und jetzt steht er da und kommt nicht mehr vorwärts. Aber in deinem Fall ist es positiv, dass du eine abgeschlossene Ausbildung hast.
      Es ist mir bewusst, dass es ein riesiger Einzelfall ist, ich sagte auch zu ihm, dass ihm das doch gar nichts bringt, im Gegenteil. Der Vorteil ist wohl auch, dass er mich auf der persönlichen Ebene sehr mag.
      Ich will ja nicht in diesem Beruf bleiben und mich auf jeden Fall noch umorientieren, weshalb ich mich darauf nicht ausruhe und sowieso vorhabe, was Neues zu machen bevor der Laden schließt oder den Besitzer wechselt. Seitdem ich jetzt weiß, dass ich erstmal krankgeschrieben bin und da erstmal nicht mehr hin muss, habe ich das erste Mal seit Wochen wieder das Gefühl, dass es doch sowas wie einen Ausweg und eine Perspektive geben kann. Dass ich wieder etwas mehr atmen und mir etwas erarbeiten kann. Ich glaube, das ist ein ganz gutes Zeichen. Und ich versuche jetzt diese Zeit bis zur Klinik so hinzubekommen und als Chance zu sehen; zu verinnerlichen, dass ich auch ohne Leistung exisitieren darf und mich nicht nur über das Leistungsspektrum Arbeit definieren muss.
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      ToWriteLoveOnHerArms
      Hey,

      disarming, ich finde es gut, dass Du das ein wenig annehmen kannst und es auch inzwischen vielleicht schon positiv bewerten kannst. Ich möchte Dir auf jedenfall sagen, dass ich es wirklich bewundernswert finde, wie weit Du gekommen bist und dass ich deshalb auch wirklich glaube, dass Du die Stärke hast für Dich selbst noch weiter zu kommen - und damit meine ich nicht in beruflicher Hinsicht. Ich wünsche Dir, dass Du die Chance gut annehmen und für Dich nutzen kannst.

      Und so ganz allgemein: Selbst wenn künftige Arbeitgeber anders sein werden und selbst wenn man aufgrund seines Lebenslaufes ein paar mehr Schwierigkeiten hat Fuß zu fassen und auch wenn man immer mal wiedere in eine schwierige Situation kommt: es gibt so viele Möglichkeiten und Arbeit ist nicht alles. Leistungen zu bringen ist ja gut und schön, aber wenn man irgendwann mal ein Fazit für das Leben zieht - und sei es ein Zwischenfazit - es wird nicht zählen, wie viel man gearbeitet hat, das wird niemanden auch einen selbst nicht interessieren. Interessieren wird, was man für sich - aus seinen eigenen Umständen heraus - erreichen konnte. Wir haben das ganz große Glück hier in diesem Land zu leben, wo eigentlich bei unseren Standards kein Mensch mehr auf Kosten seiner Gesundheit auf biegen und brechen arbeiten sollte. Klar hilft es, wenn man durch seinen Job viel verdient, im Leben ganz gut klar zu kommen, aber auch von dem Geld kann ich mir keine neue Gesundheit, keine neue Psyche kaufen. Daher finde ich es mehr als gerechtfertigt, wenn man zum eigenen Schutz in die Krankschreibung geht und wenn es sein muss eben auch in die Klinik.
      Ausserdem ist es auch nicht unmöglich danach weiterhin Beschäftigung zu finden. Ob es leicht ist, ist eine andere Kiste, unmöglich ist es jedenfalls nicht. Und die Chance auf eine gesündere Psyche lohnt dieses "Risiko" meiner Meinung nach.


      Grüße,
      klirr
      Ohne zu weit vom Anliegen von disarming abzuschweifen, möchte ich doch noch kurz sagen, dass ich nicht denke, dass das allein eine Sache der Priorität ist oder der Entscheidung. Natürlich sagst Du auch, dass es auf den Einzelfall ankommt, aber leider, leider ist es eben nicht selten, dass psychisch kranke Menschen sich das eben nicht aussuchen können, ob sie in eine Klinik gehen oder langfristig erwerbsunfähig sind.
      Ausserdem kann einem die Priorität "Arbeit vor Gesundheit" auch heftig auf die Füße fallen. Wer ständig über seine eigenen Grenzen rennt, wird irgendwann die Quittung dafür bekommen, auf die eine (gesundheitlich) oder andere (am Leben vorbei leben) Weise. Wer seine Prioritäten an seiner Gesundheit vorbei setzt, hat am Ende nunmal auch davon nichts. Das finde ich auch nicht Einzelfallabhängig, sondern sehe ich ganz generell so.

      Und um es nochmal deutlich zu sagen: selbst wenn man langfristig oder dauerhaft erwerbsunfähig ist, hat man alles Recht der Welt auf eine selbstwertschätzende Existenz! Das ist ja auch ein wenig Thema hier, dass man eben nicht allein über Leistung (Arbeit) definiert wird und dass man sich - für sich selbst - die Zeit nehmen sollte, wenn man gesund/gesünder/bewusster leben möchte und nicht nur überleben, weil man das so macht.
      Natürlich sucht sich niemand aus erwerbsunfähig zu sein und ich möchte jetzt hier auch nicht unnötig Panik schüren.
      Aber mir würde allein der Gedanke Angst machen. Selbstschätzende Existenz hin oder hier. Wenn ich letztendlich dauerhaft zur Tafel gehe und nicht weiß wovon ich im Alter lebe und absehbar ist, dass es das Existenzminimum ist, würde das meiner psychischen Erkrankung definitiv noch den Rest geben.
      Ich habe bei Bekannten gesehen wie es ist, permanent vom Staat abzuhängen. Das wäre mein persönlicher Alptraum.
      Jetzt bekommen die noch Hartz 4. Aber was ist in 40 Jahren? Und um Erwerbslosenrente zu bekommen setzt es ja erst einmal voraus, dass man auch gearbeitet hat.
      Ich kenne die Gesetze aus diesem Bereich von meinem Studium. Klar, im Vergleich dazu ist alles besser als wenn jemand von der Brücke springt.
      Aber auf lange Sicht frage ich mich, wie es dann für diese Leute die gar nicht gearbeitet haben im Alter wird.

      Natürlich vertrete ich auch die Ansicht: Arbeiten um zu leben, nicht leben um zu arbeiten.
      Aber nicht umsonst gibt es ja auch Wiederingliederungsmaßnahmen wenn jemand lange Zeit ausgefallen ist.

      Soll jetzut nicht heißen, dass alle arbeiten müssen. Es gibt ja auch Frauen, da arbeitet nur der Partner. Aber wenn es den nicht gibt hätte ich wirklich Panik.#

      Also vom Extrem aus, wenn jetzt jemand vom 18. Lebensjahr nie mehr arbeiten kann. Alles andere ist mit Pause doch im Bereich des möglichen.
      klirr, danke für deine Rückmeldung, hier ist heute Land unter, deshalb kann ich gerade nicht mehr schreiben, entschuldige.

      Und Lina 478, und denkst du, ich habe keine Angst davor? Denkst du, es ist meine Vorstellung von einem Leben, dass ich Sozialleistungen beziehe und nicht arbeiten kann? Was würdest du jemandem sagen, der eine körperliche Erkrankung hat und deshalb bis zur Altersrente berentet ist? Das was du hier schreibst empfinde ich als diskriminierend und verletzend.
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      Halt, halt, halt. Ich schrieb wie ICH mich damit fühlen würde. Ich bin von mir ausgegangen. Außerdem schrieb ich, dass es keine Panikmache sein sollte und ich eine vorübergehende Auszeit als okay empfinde.
      Und ja. Ich hätte Angst bzw. habe Angst dass es mir einmal so geht. Wo ist das diskriminierend? Es war in keiner Form böse gemeint. Das war das Ausführen von Beweggründen und Gedanken. Wenn du das auf dich überträgst. Was kann ich dafür?
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