Verdrängung

      Es ist schon sehr seltsam wie stark sich mein Verdrängungsmechanismus in mir eingebrannt hat. Es ist wie alles nicht nur schlecht und nicht nur gut, aber manchmal ist es auch zu viel des Guten.
      Zum Beispiel vor einem Jahr, ich habe 3 Monate eine stationäre Therapie für Persönlichkeitsstörungen erfolgreich abgeschlossen, ich ging wie immer als Muster-Patient und die Mitarbeiter haben sich gefreut, wie toll ich doch an mir arbeite. So läuft das immer, ich bin sehr ehrgeizig und das denn auch auf Therapie, aber kaum bin ich zuhause, habe ich nichts Besseres zu tun als mich wochenlang vor den PC zu hauen.

      Ich meine ich arbeite am PC als Hobby für mich, ich mache dort hoch­pro­duk­tive Dinge, aber ich habe es mal wieder maßlos übertrieben. Ich habe mir auf Therapie einen Plan gemacht, wie mein Tagesablauf auszusehen hat, der wurde denn erstmal ohne groß darüber nachzudenken komplett verändert. Statt um 8 Uhr morgens aufzustehen, stand ich um 13 Uhr mittags auf und bin denn so um 7 Uhr morgens ins Bett.

      Das ist jetzt keine Katastrophe für mich, solche Extremitäten mache ich normaler Weise nicht sehr lange, weil mir dafür einfach auch zu viel bewusst ist. Ich weiß ja was ich dann gerade mache, mir ist denn schnell klar geworden das ich verdränge. Das ist genauso wie bei meinen letzten Drogen/Alkohol Rückfällen, es macht einfach kein Spaß mehr, der Effekt von früher bleibt aus.
      In meiner Jugend da war noch alles so locker als ich anfing zu kiffen und zu trinken, ich wusste ja nicht was ich da gerade tat, ich wusste nur ich mache mich breit und es ist angenehm.

      Ja die letzten Rückfälle, auch die habe ich nicht lange durchgehalten, sie werden extremer und warum? Weil ich mich gar nicht so krass wegschießen könnte, als das mir nicht klar wäre was ich da gerade tue. Ich konnte kaum noch laufen oder reden, aber ich wusste ich laufe weg.
      Kaum sind die Betäubungsmittel weg, finden sich ganz neue Möglichkeiten sich zu 'betäuben', man kann dafür praktisch alles verwenden. Meiner Meinung nach, das ist auch das NA Prinzip, ist Sucht = Sucht. Für mich gibt es nicht die Alkoholiker, die Drogenabhängigen und schon gar nicht ein so großer Unterschied, wie es diese Leute sehen.

      Ich habe das immer wieder erlebt, obwohl beide Gruppierungen süchtig sind, meinen sie sie wären ja so anders, in den Entzugs-Kliniken gab es denn auch mal Ärger. Ich sehe das mittlerweile recht entspannt, finde ich zum Beispiel eine neue Sportart und ich bekomme mit, wie übertrieben ich an die Sache ran gehe, dann weiß ich es wird sich bald wieder ändern, ich muss es nur erstmal realisieren, obwohl es immer das selbe Prinzip ist. Also ich bin auch nicht der Typ der den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzt, alles was ich mache hat irgendwie einen Sinn, ist Produktiv.

      Das hört sich dann auch immer ganz toll an, aber ich neige denn dazu diese Sache als Verdrängung zu missbrauchen. Da ich die letzten Monate arbeitslos war und viel warten musste, ging es mir oft nicht so gut und ich habe viel verdrängt. Das lief denn so das ich den ganzen Tag über irgendwas gemacht habe, ich habe mich ständig mit irgendwas abgelenkt, was ja irgendwo auch gut ist, aber es ging meist so weit das ich gar nicht mehr wusste wie es mir eigentlich geht.
      Ich muss mich denn praktisch zwingen mal für eine Zeit nichts zu tun, um mal etwas runter zu kommen und wahrzunehmen wie es mir geht.

      Ich finde das hört sich erstmal recht komisch an, ist aber so. Und da ich alles so schön von mir weg geschoben habe, verspürte ich meist nicht so angenehme Gefühle. Auf Platz 1 ist bei mir die Traurigkeit, das bin ich sehr oft, diese wird denn aber auch gerne in Aggressionen umgewandelt, was mir denn nicht immer klar ist. Die anderen Gefühle sind für mich oft schwer zu definieren, aber Trauer und Wut, das geht immer.
      Wenn ich länger meine Psyche absolut vernachlässige, dann meldet sich der Körper und das ist ja irgendwo auch gut, das mir denn klar gemacht wird, stop, so geht es nicht. Ich werde denn richtig krank, oft vor Erschöpfung.

      Natürlich habe ich dann auch keine Lust zu Selbsthilfegruppen zu gehen, das wäre ja nicht im Einklang mit meiner Verdrängung und auch sonst, wird alles was mit meinem Inneren in Verbindung kommt weg geschoben. Wie geht es dir? Alles gut. Ich habe denn auch gar kein Bock mich mit Anderen über mich zu unterhalten, ich setze denn lieber meine Maske auf und spiele irgendwas, solange bis es einfach nicht mehr geht. Ich ertrage es auch nicht mehr wenn es mir zu schlecht geht, so wie vor kurzem. Ich fing denn an mich in ein paar Foren anzumelden, wie hier jetzt und habe am Montag seit Jahren wieder eine Selbsthilfegruppe besucht.

      Es ist zwar nicht meine Traum-Gruppe, aber es ist eine Gruppe und die Gruppe ist das, was ich daraus mache. Krass gesagt kann es mir egal sein ob es mich interessiert was da gesagt wird, ist zwar nicht schön aber wenn es keine andere Lösung zu der Zeit gibt, dann ist es eben so. Ich kann in jeder Gruppe über mich reden und das ist doch das Wichtigste und Hauptsache die fangen jetzt keine Endlosen Diskussionen an und sagen mir was ich zu tun habe.

      Kritik ist gut, aber die Kunst der Diplomatie beherrscht leider nicht jeder. Ich habe es früh gelernt, weil man anders mit meiner schwierigen Mutter nicht reden konnte, cholerisch. Ich habe schon erlebt wie Leute auseinander genommen wurden, die zum ersten Mal in einer Gruppe waren und hinter her noch verstörter waren, als vorher. Aber zum Glück ist das die Ausnahme, ich kann es nur empfehlen, es gibt kein Grund davor Angst zu haben, ich habe schon sehr viele Gruppen gesehen und ich wurde fast immer gut aufgenommen.

      Es ist eben wichtig das ich mich immer wieder reflektiere, das ist nicht wie Fahrrad fahren, einmal gelernt bleibt es für immer, nein ich rutsche schnell wieder in alte Verhaltensmuster. Einige würden sagen es ist die Sucht, die immer trickreichere Wege findet, um mich wieder zurück zu gewinnen. Es reicht schon wenn ich das hier für mich schreibe, noch besser wenn es Andere lesen und mir Rückmeldung geben und am aller Besten ist dann, wenn ich in einem echten Gespräch darüber rede, so läuft das und denn ist auch wirklich alles gut ;)

      Meine Fragen an euch:
      - Kann sich jemand damit identifizieren, ganz oder teilweise?
      - Denkt jemand wenn er das hier liest, das er in der Hinsicht einen Schritt weiter ist als ich und wenn ja, wie wurde es erreicht?

      Alle Sonstigen Kommentare die nicht Bezug auf meine Fragen nehmen, sind auch sehr erwünscht.
      Hallo Sunshen,

      dein Beitrag fühlt sich für mich sehr bekannt an.
      Leider kann ich dir nicht all zu viel dazu, denn bei mir ist es oft von meiner "Grundstimmung" abhängig. Sprich- wenn es mir gut geht, kann ich mich sehr gut auf mich und meine Gefühle einlassen und die Kritik das ich daran arbeiten muss ist total legitim und hilft mir jedes Mal ein Stück weiter, wenn es mir nicht so gut geht.
      - Geht es mir aber nicht gut, so habe ich zwei Möglichkeiten- entweder ich kämpfe für mich, was meist auch über längere Monate funktioniert, oder ich lass mich mal ganz gepflegt fallen.

      Was ich leider viel zu oft merke- vor allem auch im Moment- dass ich eben durch diese Strukturierung viele "größere" Schwierigkeiten die eben durch die Verdrängung entstehen- dezent weglassen kann.

      Da ich nicht weiß- was langfristig dann bei dir Sache ist, versuche ich viel über meine Lektionen zu rekonstruieren.

      Ich verdränge- ich bin mal lange wach- mein Schlafrhytmus ändert sich- ich habe schlaflose Nächte und Tage- ich werde richtig melancholisch. - Und das alles nur, weil ich mich nicht an mein Plan halte...

      Na ja, ich hoffe es kam an, was ich meine.

      Liebe Grüße

      Lexi <3
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