Fragmentiert - Vertrauen und Hoffnung weg

      Fragmentiert - Vertrauen und Hoffnung weg

      Hey,

      die letzten Wochen bin ich ziemlich zusammengebrochen. Nach einem Wochenende, an dem ich so viel Tavor genommen habe, dass ich eigentlich hätte schlafen müssen ohne Ende,das aber nicht ggeklappt hat, hat ein Anteil der stationären Therapeutin geschrieben, dass er mich einweisen lassen muss und dass sie mich früher als März aufnehmen muss. Letztlich wurde mein Aufnahmetermin dann auf Dezember vorgezogen, aber ich hab es nicht geschafft und bin vor 2 Wochen auf die Akutstation gekommen, heute wurde ich auf die geplante Station verlegt.

      Und ich fühle mich so hoffnungslos. Es soll nochmal genaue Diagnostik stattfinden, eine dissoziative Störung liegt vor, also eineFFragmentierung der Persönlichkeit, es ist nur nicht klar wie stark der Grad der Abspaltung ist - was im Grunde genommen ja auch egal ist, die Symptome ändern sich dadurch ja nicht.
      Die Therapeutin meinte vorhin, dass ich gut leben soll und ich fragte, ob sie damit meint, dass dazu auch gehört, dass das dann allesso bleibt, Stimmen und andere Leute in mir drin und so. Ja, meinte sie, das geht nicht weg, aber ich brauche mehr Kontrolle darüber.
      Und... keine Ahnung... ich weiß nicht wie das gehen soll. Ich hab so wenig Hoffnung in Therapie, ich will das nicht mehr, Stimmen hören, dass andere übernehmen und ich nur zugucken kann, immer so viel mitkriegen von den Anteilen, dass da fremde Schriften sind und ich mich nicht dran erinnern kann, dieser ganze Kram. Das macht mir alles so eine Angst. Und ich weiß einfach nicht wie Therapie helfen kann. Ich weiß, sie kann helfen, bei anderen ja auch, aber mein Vertrauen ist weg. Ich will nur nach Hause und .. eigentlich will ich gar nichts mehr, weg von mir selbst so weit es geht.

      Ich hab auch so Angst vor der Diagnose, was sie bedeutet, ich kann sie schlecht akzeptieren. Wenn ich in alten Tagebüchern lese, finden sich ganz viele Hinweise, dass sie stimmt und alle sagen, das war schon immer da, nur hab ich jetzt mehr Zugang.

      Was ist denn nun meine Frage? Es kann mir ja niemand sagen wie ich damit leben soll und das Vertrauen und die Hoffnung kann auch nur ich mir wiedergeben. Ich bin irgendwie aufgebrochen und ständig kriege ich so viel mit oder es wechselt so plötzlich und das Ziel soll sein: Mehr Kontrolle. Das ist mir zu wenig, das macht mir so Angst. Sie sagte, wir können erst mit den Anteilen arbeiten, wenn ich da mehr Überblick habe und die Kontrolle. Weil, jetzt tauchen die auf wie sie wollen oder eben nicht, aber ich hab keinen Einfluss darauf. Und vielleicht brauch ich den ganzen Klinikaufnthalt dafür, weil ich zu instabil bin für Anteilsarbeit und das macht mir auch wieder Angst, weil ich dann wieder bis zum nächsten Aufenthalt warten muss dafür, weil ich das ambulant nicht schaffe und dann komm ich nicht voran, ich will doch endlich inhaltlich arbeiten, gleichzeitig muss ich erstmal die Diagnose akzeptieren und dass ich Opfer war und so.

      Vielleicht weiß jemand was zu sagen, wie es ihm ging als er diese Diagnose bekommen hat oder Erfahrungen mit Therapie diesbezüglich oder auch nur irgendwas.

      Liebe Grüße,
      disarming
      For this is rock n roll, I’ve got a rock n roll soul
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      (The Tunics)


      ToWriteLoveOnHerArms

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „disarming“ ()

      hej disarming,

      ich glaube der letzte satz macht dein ganzes dilemma deutlich: das problem snd nicht die anteile, sondern dass du dich in eine schublade gesteckt fühlst, auf der eine diagnose und "opfer" steht und dass du das nicht akzeptieren kannst.

      denn an den anteilen an sich ist, außer dass man sie koordinieren und etwas ordnung reinbringen muss, ja nichts schlimmes. das bist alles du, das gehört alles zu dir, es sind teile, die dir im leben schon sehr geholfen haben und jeder hat seine fähigkeiten und seine funktion. ohne gäbe es dich auch nicht.

      du schreibst immer wieder, dass du denkst, es muss jetzt mal besser werden, es muss sich was tun - wenn du aber nie akzeptieren willst, was dir passiert ist, dass du opfer warst (und das heißt nicht, dass du es noch bist oder je wieder sein musst, es heißt nicht dass du schwach bist, nichts davon.), dass deine seele mit einer schutzreaktion versucht hat, das schlimmste von dir abzuwenden, wenn du all das nicht akzeptieren kannst, wie soll es dann weiter gehen?

      und was genau ist daran so schlimm, dass du es nicht akzeptieren kannst? dass diese labels dranhängen? ich bin ja immer wieder erstaunt, wie sehr hier gegen solche schubladen gekämpft wird, während alle anderen - soziale, geschlechtliche, moralische - viel weniger umstritten sind. was ist schlimm an einer diagnose? sie soll dir helfen voranzukommen. dein zustand ist sowieso wie er ist. ändert er sich, wenn dir jetzt jemand "nutella-symptom" diagnostiziert? nur weil das harmlos klingt, denkst du, danach ist alles anders?

      ich würde dir ja raten, das wie mit sonstigen gedanken zu machen, die man lernen will: täglich so oft wiederholen, dass es seinen schrecken verliert und irgendwann einfach zu dir und deinem alltag dazu gehört.
      natürlich nicht negativ formuliert, sondern zum beispiel: "willkommen, liebe anteile. ihr gehört zu mir und wir finden gemeinsam einen weg." und "es gibt einen teil in mir, der opfer geworden ist und schutz braucht. und es gibt einen teil, der stark ist und schützen kann."

      sind nur meine ideen dazu, ich habe aber selbst keine erfahrung mit diesem thema.

      alles liebe,
      solaine
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      Hey solaine,

      danke für deine Antwort.
      Sie hat etwas berührt in mir, musste ein paar Tränchen wegwischen.

      Solche positiven Sätze sind sicher hilfreich. Es gibt doch diesen Satz: Worte erschaffen die Wirklichkeit. Und vielleicht ist das auch so schlimm mit der Diagnose: Dadurch wird das alles irgendwie realer. Und auf der anderen Seite hat sich seit der Diagnose-Stellung aber zum Teil auch die Art der Therapie geändert, so dass sie effektiver sein kann und besser abgestimmt. Und ja, es gibt neben den "schlimmen" Anteilen auch gute, die beschützen und ja auch teilweise Sachen regeln, die ich dann so nicht gut schaffen würde.
      Ich denke, egal ob jetzt Anteile oder nicht, das was mir auch so Angst macht sind die Gefühle, die sie mit sich bringen, die ich sonst wenig habe. Und eben dass sie mir zeigen: Ich war Opfer. Ich weiß nicht wieso ich das so schlecht aushalte.

      Und wieso es so schwer ist zu akzeptieren, dass das zu meinen Alltag dazu gehört. Vielleicht weil es mich selbst immer wieder auch so erschreckt. Es war zwar immer schon da, aber mir nicht so bewusst und trotzdem lasse ich auch selbst mehr zu, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Anteile auch da sein dürfen. Die Absprache klappt nur nicht noch so gut.
      Und es fällt mir schwer offen darüber zu reden, weil ich immer denke, dass das so klingt als würde ich mir das einbilden oder mich reinsteigern. Ich ziehe das oft ins Lächerliche, möchte mich da mehr selbst ernst nehmen können, das hat ja auch mit Wertschätzung meiner selbst zu tun.

      Ich denke sehr viel nach, auch zu viel. UÜber die Diagnose. Wenn ich Beweise dafür finde, dass sie stimmt, suche ich sofort Gegenbeweise und aber irgendwie auch andersrum.
      Ich denke, ja, es ist wichtig das alles anzunehmen und dabei zu realisieren, dass ich Opfer WAR und nicht mehr BIN und mir den Jetzt-Zustand klarzumachen: Jetzt bin ich in Sicherheit und wenn ich das nicht bin,bbin ich aber erwachsen und kann für mich sorgen.

      Ich bin einfach so oft genervt von den Stimmen und so, dass die auch Raum haben wollen anscheinend, aber vielleicht ist es auch ein Gewöhnungsprozess.

      Jetzt ist das ein kleiner Monolog geworden hier. ;)

      Und nein, eine Diagnose ändert ja nichts... ich bin nur immer wieder erschreckt darüber wie sehr alles passt. Vielleicht macht es mir auch Angst, weil ich weiß, dass gerade so viel rausbricht und ich hab deshalb Angst, dass das immer schlimmer wird und nicht besser. Ich dachte irgendwie, ich bin bald durch mit Therapie und jetzt muss ich erstmal alles ordnen. Aber vielleicht sollte ich auch die schon erreichten Fortschritte nicht außer acht lassen und manches hilft ja tatsächlich mehr, wenn man störungsspezifisch arbeiten kann.

      Monolog zu Ende ;)

      Liebe Grüße,
      disarming
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      ToWriteLoveOnHerArms
      Hallo liebes
      das was mir einfällt dazu: es als Chance zu betrachten, als Chance jetzt die richtige Unterstützung zu erhalten abgestimmt auf das, was dein Leben teilweise so schwer aushalten lässt.
      Schnell geht Heilung so oder so nicht, und ja, du bist schon Jahre oder Jahrzehnte dabei, zu versuchen, einen guten Weg zu finden und ich bin auch der Überzeugung das war keine verschenkte Zeit, aber jemand sagte letztens: unserer aller Heilung dauert unser ganzes Leben.

      Dass dir das alles Angst macht glaube ich sofort, aber auch, dass es dich erleichtert. Du schreibst gnadenlos ehrlich. Ich wünsche dir von ganzem Herzen dass du nun die Unterstützung bekommst die du dir wünschst und die dir das Gefühl gibt, dass sie dich erreicht und sinnvoll ist.
      das wird kein leichter Weg, aber auch kein langweiliger ;) und ich bin mir sicher, du bist schon mitten drauf.
      Viele grüße!
      Hallo disarming,

      ich möchte auch noch einen Gedanken hinzufügen :)

      disarming schrieb:

      Vielleicht macht es mir auch Angst, weil ich weiß, dass gerade so viel rausbricht und ich hab deshalb Angst, dass das immer schlimmer wird und nicht besser. Ich dachte irgendwie, ich bin bald durch mit Therapie und jetzt muss ich erstmal alles ordnen. Aber vielleicht sollte ich auch die schon erreichten Fortschritte nicht außer acht lassen und manches hilft ja tatsächlich mehr, wenn man störungsspezifisch arbeiten kann.


      Ohne, dass ich das wirklich aus eigenen Erfahrungen nachvollziehen kann, aber ich habe hier im Forum schon oft gelesen, ganz allgemein, dass manchmal Dinge hochkommen oder aufbrechen, _weil_ man in gewissen Punkten stabiler geworden ist oder vielleicht aus anderen Gründen inzwischen besser mit etwas umgehen kann. Dass bei so etwas trotzdem erstmal Chaos ausbricht, ist verständlich, aber vielleicht passiert das einfach, weil man es auch verkraften kann und weil es ein wichtiger Schritt für alles Weitere ist. Auch wenn es sich garantier wie ein auseinanderbrechen anfühlt, eventuell ist es aber auch ein Schritt dahin das Gesamtbild zusammenzufügen.

      Ich hoffe ich konnte rüberbringen, was ich sagen wollte ohne dabei danebenzugreifen. Nach wie vor bin ich einfach davon überzeugt, dass Du so enorm viel geschafft hast und denke daher, dass Du auch jetzt keine Rückschritte machst, sondern ganz das Gegenteil passiert. Ich wünsche Dir, dass Du Deinen Weg dabei findest und es Dir letztendlich auch hilft und alle Kraft dafür.

      liebe Grüße
      klirr
      Hey ihr Beiden,

      danke für eure Antworten.
      Ja, ich versuche das als Chance zu sehen, dass ich so auch besser an mir arbeiten kann und so auf Dauer stabiler werden kann.
      Und ja, klirr, die Erfahrung habe ich bisher auch oft gemacht: Dass die Seele das auch ganz gut selbst etwas reguliert was da hochkommen darf und was noch unter Verschluss gehalten muss. Danke auch für deine Rückmeldung und Erinnerung daran wie viel ich schon geschafft habe. Das tut gut zu lesen. : )

      Liebe Grüße,
      disarming
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