Durchhängen und keine Perspektive

      Durchhängen und keine Perspektive

      Hi,

      Im September war ich mit der Uni fertig und es hat mich schon vorher absolut verzweifeln lassen, dass ich nicht genau wusste, wie es nach der Uni weiter gehen soll.
      Solche Neuorientierungen sind mir schon immer total schwer gefallen und machen mir auch Angst und jetzt stehe ich mitten drin und weiß einfach nicht mehr weiter. War es am Anfang noch ganz nett, viel freie Zeit zu haben, merke ich mittlerweile das mich die ganze Situation einfach nur runterzieht. Ich fühle mich unfähig und nicht gebraucht. Ich hab mich schon immer extrem über Leistungen definiert und ich frage mich jetzt, wie es mit mir weiter gehen soll.

      Ich suche dringend einen Job, aber das gestaltet sich als gar nicht so einfach und ich brauch einfach viel Geduld. Ich hab das Gefühl, dass ich nur auf der Stelle trete und warte und warte und warte. Aber es passiert nichts. Ich bin jetzt seit einem halben Jahr arbeitslos, das ist eigentlich im Bereich der Geisteswissenschaften und nach Ende des Studiums nicht lange, aber es fühlt sich ewig an. Ich bin zu meinem Freund gezogen, weil er hier eine feste Stelle hat, mit dem Ergebnis, dass mein gesamtes soziales Netzwerk, das ich mir über Jahre aufgebaut habe, auch nicht mehr besteht und es gerade verdammt schwer ist, hier irgendwie Anschluss zu finden. Ohne Job sowieso und auch im Hobbybereich (ich tanze sehr gerne), habe ich nach einem halben Jahr noch nichts gefunden.
      Die einzigen Hobbygruppen, die es hier gibt, sind für Kinder und Jugendliche und ich bin zehn Jahre älter als die anderen. Da neue Leute kennen zu lernen, ist also nicht so aussichtsreich. Andere Tanzstudios liegen in der nächsten größeren Stadt, aber ich hab kein Auto und die Fahrtkosten mit Bus/Bahn kann ich mir einfach nicht leisten.

      Weil mein Freund zu viel verdient, bekomme ich auch kein Hartz IV, sondern habe zwischendurch kleinere Aushilfsjobs, bei denen ich mich aber auch ständig frage, ob ich damit nicht nur meine langfristige Perspektive verschlechtere, weil ich dann eben nicht mehr so flexibel dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe (war das Gegenargument von der Frau von der Arbeitsagentur - aber irgendwoher muss ich ja an Geld kommen...).
      Ich schreibe Bewerbungen, aber da hat es bisher auch nur Absagen bekommen oder es wurde sich zwischen mir und einem anderen Bewerber entschieden. Ich hatte ein einziges Vorstellungsgespräch für ein Praktikum, das sich dann allerdings in Luft aufgelöst hat. Ich habe auch versucht andere Praktika zu bekommen, aber das gestaltet sich genau so schwierig wie eine feste Stelle, weil die meisten Unternehmen keine Absolventen ins Praktikum nehmen und dann wurde mir auch da von der Arbeitsagentur abgeraten, weil meine Betreuerin meinte, es könne nicht darum gehen, nur Praktika zu machen. Ich sei ja schon sehr gut ausgebildet, was allerdings nichts daran ändert, dass mir vielleicht die Arbeitserfahrung fehlt (woher soll sie auch kommen, außer durch meine Praktika im Studium).

      Um irgendwas zu machen, versuche ich jetzt dringend meine Bewerbungen zu optimieren. Ich habe meine Bewerbung einer Freundin geschickt, der bereits nach zwei Monaten nach der Uni der Einstieg ins Berufsleben geglückt ist (allerdings auch in einem anderen Bereich). Ihre Kritik war so persönlich und so krass verletzend, dass ich mittlerweile ernsthaft dazu neige, den Kontakt abzubrechen. Anstatt mir zu helfen, hat sie mir wirklich verletzende Dinge geschrieben, die mir in meiner Situation nicht geholfen haben. Da war ihr Punkt, dass ich mit meiner fehlenden Perspektive nach einem "unsinnigen" Studium kleinere Brötchen backen sollte, weil ich nämlich sonst in der Bewerbung "arrogant" rüberkommen würde, noch das harmloseste. Und das tat verdammt weh. Außerdem wusste sie, dass es mir momentan nicht gut geht und ich mit vielen Triggern umgehen musste. Sie wusste das und trotzdem hat sie mir so etwas geschrieben. Das war wie ein Schlag in die Fresse.

      Zusammenfassend: ich versuche und versuche, aber es tut sich einfach nichts und es scheint, dass ich auch in so schwierigen Situationen wie gerade, nicht auf Freunde zählen kann. Mein Freund unterstützt mich zwar, wo er kann, das ist eine Hilfe, aber kein gutes Gefühl für mich, weil ich mich langsam wie ein riesiger schlechtgelaunter Ballasthaufen anfühle. Es ist total schwer eine vernünftige Tagesstruktur/Essensstruktur/irgendeine Struktur zu finden, früher hat das auch mein Training und die Uni mit geregelt, aber hier gibt es gerade nichts. Um irgendwas zu machen, habe ich mich bei der VHS für eine neue Sprache angemeldet, aber mein Kurs ist seit zwei Wochen zu Ende.

      Meine Gedanken kreisen nur um Bewerbungen, Bewerbungen, Bewerbungen und es ist so absurd, denn eigentlich habe ich viel mehr freie Zeit als jemals im Studium, aber ich fühle mich als wäre ich mitten in der Prüfungsphase. Und das seit einem halben Jahr. Jeder Tag ist einfach nur ein Kraftakt und meine Stimmung schwankt ständig zwischen Juchhu, eine neue Chance und Ach du Kacke, das wird nie was. Es sind keine Totalabstürze mehr, aber es reicht für selbstschädigende Verhaltensweisen. Ich weiß nicht, wie ich diese Phase irgendwie herumkriegen soll. Am Anfang ging es noch, aber mittlerweile sehe ich einfach keine Perspektive mehr. Ich weiß auch nicht, wo ich noch mehr Zeit und Kraft investieren kann, außer in meine Bewerbungen, um irgendwie aus dieser Situation herauszukommen.

      Danke an alle, die sich das bis hierhin gegeben haben. Irgendwelche Tipps, was ich noch machen könnte?
      Today you are you, that is truer than true.
      There is no one alive, who is youer than you.
      Dr. Seuss
      Was mir spontan einfällt: Ehrenamt?
      Da gibt es ja in so ziemlich jeder erdenklichen Richtung was, d.h. du würdest bestimmt etwas finden, was dir liegt. Es würde dir Tagesstruktur / einen Sinn im Leben geben, und wenn du Glück hast ergeben sich dadurch langfristig ja auch irgendwelche Job-Perspektiven.

      Ich habe mit Bewerbungen nur sehr wenig Erfahrungen, aber von dem was ich bisher so gelesen habe ist es ja eher so, dass Leute in Bewerbungen immer übertreiben, ja dass das gradezu von einem erwartet wird. Ich finde es immer super peinlich, sich in Bewerbungen so "anzupreisen", aber offenbar ist das so üblich... daher würde ich sagen, "arrogant" zu wirken ist ziemlich normal.
      Aber wie gesagt, ich kenne mich mit Bewerbungen nicht so aus, kann auch sein, dass es da "branchenspezifische" Unterschiede gibt, und ich kenne dich/deine Freundin nicht...
      the only way to get rid of a temptation is to yield it
      Hallo merope,

      Entschuldigung, dass ich mich erst jetzt melde.

      Ich hab jetzt erst einmal nicht mehr weiter mit der Freundin geredet, ich versuche einfach weiter, Bewerbungen zu schreiben. Zum Glück hat sich jetzt noch ein Nebenjob ergeben, wenn auch nur kurz, aber ich mache wenigstens etwas sinnvolles. Die Idee mit dem Ehrenamt finde ich gut, gleichzeitig bin ich im Moment bei allen Sachen so auf dem Sprung, dass ich eigentlich keine langfristigen Vereinbarungen treffen kann, falls es doch mal mit einem richtigen Job klappt. Und es nervt mich, dass ich nicht abschätzen kann, wie lange dieser Zustand jetzt noch andauert. Manchmal frage ich mich halt auch einfach, warum ich mich so im Master abgerackert habe, es nutzt ja eh nichts, trotz Eins vor'm Komma und einschlägigen Praxiserfahrungen und das ist einfach bitter.

      Ich hab hier gefragt, ob noch Leute für Deutschunterricht für Flüchtlinge gebraucht werden, allerdings hätten die gerne eine Zusage, dass ich länger bleiben kann. Und das geht im Moment nicht. Es ist schon ein Glück, dass der Nebenjob funktioniert und der Chef würde am liebsten einen Vertrag für ein halbes Jahr aufsetzen, aber auch das kann ich eigentlich nicht unterschreiben. Sollte irgendwas mit meinen Bewerbungen doch funktionieren, hab ich da nur ein Problem und falls ich dann nicht flexibel genug bin, kriegt jemand anderes den "richtigen" Job.

      Das ist immer noch nicht richtig schön, aber immerhin mache ich etwas.

      Danke für deinen Input.

      Liebe Grüße
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      Dr. Seuss