Faul oder krank?

      Faul oder krank?

      Hallo ihr lieben, nach etwas längerer Zeit melde ich mich( leider) wieder.
      Ich bin chronisch depressiv seit 7 jahren, mit mal besseren mal schlechteren Phasen.
      Ich werde natürlich nicht meine gesamte Lebensgeschichte erzählen, ich versuche mich auf das nötigste für meine Frage zu beschränken.
      Ich bin grade in einer verzwickten Situation, arbeite übergangsweise in einem Handel, 5-7 stunden am tag, 4-5 tage die woche. Ich habe davor auch Vollzeit gearbeitet in einem Kindergarten habe das aber nich lange durchgehalten.
      Nun meine "Frage":
      Viele meiner Familienmitglieder und außenstehende bekommen den Eindruck ich sei faul ( bestimmt ein klischee depressiven gegenüber)
      Und ich merke immer wenn ich mehr arbeiten muss, geht irgendwie nich mehr so viel bei mir.
      Mir geht es schlechter, die symptome werden schlimmer, ich verkrieche mich, melde mich öfter krank usw.
      Aber die meisten arbeiten eine 40 stunden woche plus andere verpflichtungen und schaffen das auch ohne depressiv zu werden.
      Es kann ja nich sein dass ich ewig so "arbeitsunfähig" bin, stelle ich mich an?
      Ich merke einfach wie ich wieder in dieses Loch falle, weine öfter etc...
      Geht es jemandem von euch vielleicht ähnlich?

      Glg
      Fast alles was wir tun ist letzten endes unwichtig,
      Es ist nur sehr wichtig , dass wir es tun.
      Hmm im Hinblick auf Depression in Verbindung mit Arbeitspensum kenn ich michnicht so aus.
      Ich kann dich nur insoweit beruhigen als dass ich 40std auch sehr kräftezehrend finde. Wenn man den Job hat der einem leicht fällt, top arbeitgeber und Kollegen, die für den eigenen Biorythmus perfekten Arbeitszeiten, ein Talent für die Tätigkeit.. 40Stunden können auch angenehm sein, hatte ich sogar auch schon.
      Aber 40 Stunden in einem Job der ok ist, bei dem man aber auch immer wieder richtig Stress hat, das schlaucht einfach.
      Klar mit Ausgleichen schaffen kann man viel machen, aber naja.
      Ich freu mich grade echt auf eine Zeit in der ich in Teilzeit zurückkomme und ich find das nicht faul^^
      Es gibt trotz Emanzipation ja auch heute Paare bei denen einer 40std macht und einer 20-30 und den Haushalt, auch ohne Kinder. Da würd ich nie sagen “faul“. Ausser aus Neid, nein ;)
      Kannst du dich damit denn selbst finanzieren?
      Hallo Claudia,

      es ist immer schwierig, in depressiven Phasen seinen Alltag aufrecht zu erhalten, sich jeden Tag aufs neue zu motivieren. Du bist ganz bestimmt nicht faul. Ich finde es wichtig, dass du dich von solchen Aussagen und auch von den eigenen Gedanken abgrenzt. Eine Depression ist eine Krankheit, keine Ausrede, weil man gerade keine Lust hat, etwas bestimmtes zu tun. Und du tust so viel, du gehst trotz deinen Symptomen einem Job nach und versuchst, dich nicht unterkriegen zu lassen.
      Ob du "arbeitsunfähig" bist und/oder bleibst, kann dir hier niemand beantworten. Aber du schreibst selbst "unfähig", nicht "unwillig"! Das zeigt mir, und sollte auch dir zeigen, du bist nicht unwillig! Aber vielleicht im Moment nicht so belastbar, wie du es gern wärst. Zum einen hat da jeder Mensch seine eigenen Grenzen, zum anderen bist du eben nicht gesund und voll leistungsfähig, und brauchst Erholungsphasen.
      Hast und erlaubst du dir Erholung, zum Beispiel am Wochenende oder auch nach Feierabend? Und wäre es für dich eine Alternative, teilzeit zu arbeiten? Falls ja, könnte das ein guter Schritt für dich sein - du arbeitest, aber hast auch genügend Erholungsphasen und könntest dein Gleichgewicht wiederfinden.

      lg Nunki
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Liebe Claudia95,

      ich kenne das so so gut, was du schreibst. Gerade dieses "aber andere schaffen das doch auch", damit hadere ich auch immer wieder. Du bist aber nicht andere, und die anderen haben nicht deine Krankheit. Jeder bringt ganz andere Voraussetzungen mit, und der eine ist halt weitgehend "unbelastet", der andere hat eine Krankheit, die es ihm schwer macht. Was wir dabei glaube ich gerne übersehen, ist, dass nunmal bei uns sehr viel Energie dafür gebraucht wird, überhaupt durch den Tag zu kommen. Und das ist dann trotzdem eine große Errungenschaft, auch wenn andere auf den ersten Blick scheinbar "mehr" schaffen.

      Von einem anderen Standpunkt ist dieses Leistungsdenken generell schwierig. Ich bin der Meinung, dass man auch arbeitsunwillig sein darf, wenn die gebotenen Perspektiven für einen selbst destruktiv sind. (Ich meine damit bspw. Künstler oder andere sehr kreative und anders organisierte Menschen, für die ein 9-to-5-Job mit strengen Strukturen einfach tödlich ist. Die sind für mich auch nicht faul, nur weil sie sich weigern, Versicherungskaufmann zu sein.)

      Dass deine Familie dich als faul sieht, ist traurig, aber es ist deren Sicht. Ich würde dir wünschen, dass du sie nicht (mehr) zu deiner machst. Du tust offenbar, was du kannst und du musst natürlich auch deine Gesundheit im Blick haben. Es bringt dir doch auch nichts, wenn du dich kaputtschuftest und es dir immer schlechter geht, nur damit andere nicht mehr sagen können, du bist faul, oder? Würdest du das wollen? Wäre es dir diesen Preis wert? Wenn nicht, solltest du so gut du kannst, darauf sch***, was die anderen so reden und munkeln (auch wenn das immer leichter gesagt als getan ist, ich weiß das wohl).

      Akzeptier deine persönliche momentane (!) Belastungsgrenze. Denn ja, natürlich kann die sich ändern. Vor zwei oder drei Jahren noch habe ich nichts gemacht, dann einen Minijob, seit einem Monat arbeite ich Vollzeit. Das hätte ich absolut nicht für möglich gehalten, aber es geht. Gib dir Zeit und mach dir keinen Druck. Genesung ist ein langwieriger Prozess.

      Liebe Grüße,
      Feuerlilie.
      Schläft ein Lied in allen Dingen,
      Die da träumen fort und fort,
      Und die Welt hebt an zu singen,
      Triffst du nur das Zauberwort.

      Vielen Dank für eure Antworten!
      Ich merke einfach dass ich grade nicht vollzeit arbeiten kann und sollte das wohl akzeptieren.
      Heute hatte ich mich krankgemeldet weil ich tatsächlich eine grauenvolle grippe habe seit einer woche, was bei mir auch nicht oft vorkommt, und meine arbeitgeberin bestand aber darauf dass ich trotzdem komme da viel los sei, ich völlig verzweifelt, todkrank, übergebe mich alle halbe stunde schrieb ihr ne stunde später eine email dass ich es wirklich nich schaffe obwohl ich wirklich mit mir gehadert habe, aber selbst mein freund sagte das sei kein zustand.
      nun soll ich sie zurückrufen, krieg das grade aber absolut nicht hin..
      naja kommen wieder bessere zeiten:/
      Auf jeden fall danke euch
      Fast alles was wir tun ist letzten endes unwichtig,
      Es ist nur sehr wichtig , dass wir es tun.
      Hey du,

      je länger du es vor dir her schiebst, umso schlimmer wird es. Bring es hinter dich und erkläre ihr die Lage. Die Krankheit geht sie ja nichts an, aber wenn es dir egal ist kannst du ihr ja sagen, dass du erbrochen hast und Grippe o.Ä. befürchtest und keinen anstecken willst und nicht arbeitsfähig warst/bist. Aber wie gesagt, das geht sie eigentlich absolut nichts an. Ich finde, sie hat sich blöd verhalten. Wenn sich jemand krank meldet und ich ihn bitte, trotzdem zu kommen, dann unterstelle ich ihm ja entweder, dass er lügt oder übertreibt oder ich zeige, dass mit die Gesundheit meiner Arbeitnehmer egal ist - was aber rechtlich auch nicht stimmig ist. Aber das würde ich ihr nicht gleich sagen, warte erstmal, was sie will. Und du kannst ja morgen zum Arzt und dir ein Attest holen - wirst du ohnehin brauchen, wenn du die nächsten Tage noch so krank bist wie heute.

      Alles Gute dir,
      Fylgja
      Huhu,

      das ist echt schade, dass du dich nu mit dem Anruf quälen musst :/
      Ich finds auch immer unangenehm mich krank zu melden, aber bei uns wünscht der Arbeitgeber dann nur alles gute und sagt eher “komm nicht zurück bevor du nicht wieder fit bist“
      Ich würds aber auch schnell hinter mich bringen, hat auch den Vorteil, dass du dann vermutlich eh so klingst wie du dich fühlst ;)
      Ich war nach dem Abi ein Jahr zu Hause, weil nichts mehr ging.
      Wegen Depressionen.
      Was glaubst du, was ich mir von meiner Familie anhören musste.
      Meine Mutter schwankte zwischen Verständnis und Wut, mit meinem Vater, den ich gar nicht kenne gab es Unterhaltsprobleme und böse Briefe und der Rest zerfetzte sich das Maul und es kamen stetige Fragen, wie es mit mir beruflich weiter geht, was ich gerade mache etc.
      Es nervte einfach ohne Ende.

      Später habe ich dann durchs Praktikum und auch durch Nebenjob und jetziges Studium erfahren, wie sich eine 40 Stundenwoche anfühlt.
      Wie ich das für den Rest des Lebens überstehen soll, frage ich mich jetzt schon.
      Spätestens um 15 Uhr war bei mir die Luft raus. Jeden Tag bis 16 Uhr von 8 Uhr an arbeiten finde ich Hardcore und da hatte ich keine depressive Phase.
      Mit Depressionen zu Beginn des Praktikums gings mir richtig übel.
      Das erste davon habe ich unterbrochen und mich eine Zeit lang krank gemeldet. Die Art und Weise, wie die Leute von der Einrichtung damit umgegangen sind war mehr als schwer daneben.

      Ich möchte dich wissen lassen, dass du bezüglich Vorurteilen bei psychischen Krankheiten und Umfeld nicht alleine bist und dass es offenbar noch sehr lange dauert, bis es gesellschaftlich akzeptiert wird.
      Eigentlich wird es ja gar nicht akzeptiert. Andernfalls hätte man dadurch nicht so viele Nachteile.