Gewalt in der Ehe? Und wo fängt sie an

      Gewalt in der Ehe? Und wo fängt sie an

      Hallo liebe Foris!
      Es geht hier nicht um mich, sondern um eine Familie, wo ich eigentlich täglich ein und aus gehe. Ich gehöre quasi dazu. Die zwei sind kinderlos, könnten auch vom Alter her meine Eltern sein.

      Die zwei haben generell Schwierigkeiten in der Ehe. Jetzt war es vorgestern wieder so weit, dass er vollkommen ohne Grund ausgerastet ist (wir waren zu dritt in einer Großstadt um dort einen schönen Tag auf einer Veranstaltung zu verbringen. Es ging darum, dass sie dachte, sie wüsste wo wir parken können, sich aber vertan hat und wir uns einfach nur verfahren haben <- passiert eigentlich ständig (mir zumindest^^)) Er ist vollkommen ausgerastet, die haben sich in der fremden Stadt auf der Strasse angeschrien, er wollte weg, sie hinterher... Wie das halt so ist. Er schubst sie, sie stürzt zu Boden. Zehn Minuten später hatte er sich beruhigt; sie war natürlich mit den Nerven am Ende. Verbal angegriffen hat er uns beide. Ich und Sie sind dann alleine auf die Veranstaltung, er wollte einen Parkplatz suchen, kam aber auch erst ziemlich spät nach. Mir war das zu viel und ich habe den Rückweg mit einer Freundin geplant. Sie wusste davon, fand es in Ordnung, und hätte die Möglichkeit gehabt, mit zu fahren, sollten alle Stricke reissen.

      Solche Situationen passieren ca. alle 4-6 Monate. Ich war schon dabei wie Flaschen und Teller durch das Haus geflogen sind... Allerdings NIE auf Menschen gezielt.
      Hab gesehen, wie er sie Rückwärts die Stufe runtergeschubst hat ( wo nichts passiert, und sie auch nicht gestürzt ist, es war eher ein wegschieben) Einmal schrieb er mir: "Wir haben gestritten, in der Rangelei ist sie gestürzt und hat jetzt ein blaues Auge :( Das tut mir leid :( "

      Andersherum muss es aber auch schon mal so gewesen sein, sie ist mit einem Schlappen auf ihn los. Da war ich aber nicht bei.
      Fakt ist, er rastet total aus, teilweise wegen Kleinigkeiten, wofür es keinen Grund gibt. Dann prügelt er verbal auf sie ein (auch mal auf mich) und ab und zu kommt es dazu, das Gegenstände durch die Wohnung fliegen, ohne auf Menschen gezielt zu werden. Oder eben mal diese Rangeleien.

      Gewalt? Oder reagiere ich über?

      Gestern wurde mir die Schuld gegeben. "Wir hätten provoziert". Außerdem wäre es eine Frechheit, mit wem anderen Heim zu fahren. Als ich dann erwähnte, dass ich nicht mehr kann, jetzt den Kontakt abbrechen möchte (das Thema hatten wir öfter, der längste Kontaktabbruch hielt 3 Wochen, wir haben uns halt echt zu lieb dafür) kam er wieder. War am weinen, es täte ihm so leid und er wüsste, dass es falsch war. Bei ihr hat er sich tausendmal entschuldigt, ist sie ihm doch so sehr wichtig (was sonst auch oft anders klang) aber sie hätte wohl auch eingesehen, dass sie selbst Schuld ist. (Und wenn das Wahr ist, dann bin ich sicher, es kam nicht aus Überzeugung) Er braucht uns, es tut ihm Leid, es kommt nie wieder vor. Ich solle bitte bleiben.

      Ich sagte nur, dass das "Tut mir Leid" nichts bringt, da es eh bei der nächsten Situation wieder passiert, und bin hart geblieben.
      Derzeit halt wieder Kontaktabbruch<- dem gebe ich 2 bis 14 Tage...

      Es klingt halt alles so schlimm. Grundsätzlich haben sie Eheprobleme, ja, aber generell freue ich mich immer dort zu sein oder mit denen was zu unternehmen. Wenn es dann natürlich mal so endet ist kacke, aber wie gesagt, all zu häufig kommt es nicht vor.
      Die tun eigentlich alles für mich ( bzw er, mit ihm kam ich immer am besten klar, mir ihr aber auch) Wenn mein Auto kaputt ist, fährt er mich zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Arbeit und holt mich ab (einfache Strecke 30km!) fährt mit mir rund, Ersatzteile holen, und und und... Also eigentlich super liebe Leute, auf die man sich verlassen kann, wenn das Wörtchen wenn nicht wäre.

      Mit dem Kontaktabbruch werden wir alle nicht glücklich, im Gegenteil. Sie hat die Situation vorgestern, gestern schon wieder runtergespielt (mach nicht aus einer Mücke einen Elefanten). Das ist immer so, erst alles schlimm, am nächsten Tag wieder alles normal- und da sollen bitte auch alle mitziehen.

      Sie sagt vorgestern, es muss sich ganz dringend was ändern. Er sagte gestern, er will sich ändern, aber es hilft ihm ja keiner, ihn versteht keiner usw.

      Ich würde natürlich gerne helfen. Und da ich das alleine nicht kann, suche ich etwas, was ich Ihnen vorschlagen kann. Aber was? Paartherapie? Häusliche-Gewalt-Therapie? Wonach suche ich da? Und wie mache ich das am besten? Eine Liste ausdrucken mit Adressen und ihnen geben, hat wenig Sinn denke ich. Da muss ich schon mehr bringen....

      Dann würde ich das mit dem Kontaktabbruch gerne damit zusammenführen ("Es ist dir also wichtig dass ich bleibe? Dann beweise es mir! Schau, hier hast du eine Liste/ein Kriesentelefon... whatever , wir unterstützen dich, aber helfen kannst du dir nur selbst, und die Therapeuten)

      Ach so, er ist schon in Psychotherapie, allerdings wegen Angstattacken, Depressionen usw, wo er aber -laut seiner Frau- nur sehr unregelmäßig hingeht....

      Was würdet ihr mir raten?
      GLG
      Egal was kommt
      es wird bestimmt ein Morgen geben
      und auch wunderbare Dinge
      für die es lohnt zu leben
      Hm.. ich bin leider etwas angebunden, wollte aber dennoch zu ein paar Dingen etwas sagen. Also verzeih bitte, wenn es alles etwas abgehackt wirkt.

      weinendes Herz schrieb:

      Gewalt? Oder reagiere ich über?


      Hm.. Gewalt an sich ist leider ein sehr kompliziertes Thema. Habe da leider auch schon eine Diskussion zuviel zu geführt, aufgrund von anderen Interessen und versuche deshalb mal die Frage ein wenig anders zu beleuchten. Weil was wann wie Gewalt ist, setzt halt auch voraus das Wort zu konkretisieren, da es bei verschiedenen Menschen verschiedenen.. nennen wir es emotionalen Beiklang? hat.
      Also schmeiße ich mich mal auf einen linguistischen Zusammenhang. "jemandem wird Gewalt angetan". Das war für mich immer eine schöne Hilfe. Es wird einem angetan. Wichtiger als was es objektiv sein könnte oder nicht, ist also wie man es empfindet. Wie du es empfindest. Alles Andere, Gründe, Intentionen, Ursachen oder ob man gut oder schlecht darauf reagiert, damit umgeht, all das ist erstmal egal. Wenn es sich anfühlt als wäre dir dabei Gewalt angetan worden, dann hat diese Empfindung auch eine Daseinsberechtigung.

      weinendes Herz schrieb:

      Gestern wurde mir die Schuld gegeben. "Wir hätten provoziert". Außerdem wäre es eine Frechheit, mit wem anderen Heim zu fahren.


      Hier möchte ich nur eine kleinigkeit sagen, bitte tuh dir den Gefallen und sein in seinen Augen frech. Weil ich nenne es nicht frech sondern eher gesunden Menschenverstand, teilweise auch Überlebenswille.
      Es ist einfach so, dass man in einem emotional Aufgewühlten zustand keine Fahrzeuge oder schwere Geräte führt. Das macht man einfach nicht. Es ist ja nichtmal dass man selber etwas falsch machen muss, es reicht ja schon dass man den Fehler eines anderen "verpasst" wahrzunehmen wegen Streit, Trauer oder Nachdenklichkeit, damit man danach eben die Konsequenzen zu tragen hat. Zumindest meine Meinung in Bezug auf mit Leuten fahren... Da fordere ich auch lieber einmal zuviel auf, dass man rechts ran fährt und mich irgendwo in der Pampa rauslässt, als eben einmal zu wenig..

      weinendes Herz schrieb:

      Was würdet ihr mir raten?


      Ich glaube du verläufst dich da leider etwas durch dein dich selbst involvieren. Ich frage mich halt etwas ob du teil ihrer Ehe bist oder da vllt ein gesundes abgrenzen fehlt... Weil Tatsache ist leider, dass sie Ehe-Probleme in ihrer Ehe haben. Und sofern du nicht irgendwie geartet Teil dieses Beziehungskonstruktes bist, stehst du erstmal abseits. Kriegst zwar vom Spielfeldrand dann den Mist mit ab, aber bist eben erstmal da.
      Erst wenn du wirklich in irgendeiner Art durch Konstrukt, Dazuholen, um Hilfe bitten, sonst aufs Feld geholt wirst, solltest du über Dinge nachdenken, die über eine mögliche Therapeuten- und Selbsthilfegruppenliste hinaus geht.
      Die Gründe warum ich das da so hart sage sind eigentlich einige, ich versuche die Wichtigsten einmal kurz zusammenzufassen.
      Möglichkeit 1: Es wird als anmaßend empfunden, die Hilfe dann nicht nur abgelehnt, sondern auch ohne einen die Mittel nicht wahrgenommen.
      Möglichkeit 2: Du engagierst dich, anfangs lassen sie sich vom Engagement mitzerren, das versiegt dann bei ihnen aber langsam wieder, der alte Trott stellt sich wieder ein und joah, Arbeit für nichts und Frust gratis dazu.
      Möglichkeit 3: Hilfe ist eigentlich garnicht erwünscht, Ziel ist nur dass der Status Quo erhalten bleiben soll. 3-4 Monate gut zusammen klarkommen und dann einmal kurz an nem Tag entladen ist doch super. Es gibt Paare für die das das erstebte Beziehungsverhalten ist. Immerhin wird man Frust so nicht ewig sammeln und am Ende in noch größerem Maß explodieren und sich dann scheiden lassen. Ist also eine gelungene Ehe.

      So, waren erstmal 3 Möglichkeiten. Bei der dritten merkt man vielleicht, dass ein Schlüssel in meinen Augen wäre, dass Hilfe erwünscht ist. Bei der Beschreibung habe zumindest ich nicht das Gefühl dass sie sich das wünschen. Für mich hört sich das eher wie ein Ritual an. 3 Monate gut, Eskalation, Entschuldigung und Worte dass sich was ändern muss, Harmlosreden, 3 Monate gut usw.
      An der Stelle ist das zwar nach meiner Ansicht eine besch...eidene Art einer Beziehung, aber so wie anderen es nicht wirklich zusteht meine Beziehungskonstrukte zu beurteilen, steht mir das halt auch nciht zu. Wäre eben nur für mich persönlich nichts.
      Und in meinen Augen wäre es deshalb eben wichtig, dass sie über dieses, sich im Ritual typische, hinaus engagieren. Daher eben vllt Selbsthilfegruppenliste weitergeben. Auch aus den Nachbarorten ruhig oder weiter weg so dass sie wo anonym hin können wo sie sicher keiner kennt. Sich dass vllt nur einmal jeder für sich bei verschiedenen Gruppen anschauen. Vllt sehen sie dann ja auch dass ihre Beziehung doch toll ist. Wer weis... Aber es wäre eben ein ausbrechen aus dem Kreis und sich nach Möglichkeiten informieren. Da wird auch keiner sein, der die Dinge dann nicht versteht. Da wäre es nicht so dass, die Anderen an der Situation schuld sind, weil sie provozieren, weil sie nicht verstehen und nicht helfen. Im Gegenteil.. Und damit kann man dann beweisen, dass man etwas wirklich verändern will. (Weil ungeachtet dessen, dass es vllt nötig ist, ist veränderung ja auch immer negativ. Immerhin könnte sogar durch eine positive Veränderung, die Beziehung brechen... Meiner Ansicht nach mit einer der Gedanken wieso viele Menschen den Status Quo selbst positiveren zuständen vorziehen)

      Raten würde ich dir halt, dass du emotionalen Abstand aufrecht erhälst, selbst bei solchen Vorwürfen bist du nicht schuld am verhalten anderer. Weil selbst zwischen deiner Aktion und deren Reaktion geschah ja eine bewusste oder unterbewusste Entscheidung. Nichts und niemand zwingt einem Menschen so und nicht anders zu reagieren, wenn er aufgebracht ist.
      Wenn du dann diesen Abstand etwas für dich gezogen hast, trifft deine bewusste oder unterbewusste Entscheidung. Was ist jetzt das für dich schlimme, dass du die Beziehung nicht willst. Was muss sich wie ändern, damit du das wieder Kontakt haben mit dir vereinbaren kannst?
      Und bedenke bitte das gute Taten schlechte Taten nicht so wirklich aufwiegen. Also das fahren und da sein meine ich damit. Das ist zwar durchaus schön, aber es ist nicht erwartbar, dass man im Gegenzug dann die Negativ-Seiten hinzunehmen hat. Weil auch wenn eine Änderung des eigenen Status Quo durch den Kontaktabbruch folgt, kann die auch zum Positiven sich wandeln. Man lernt daran zu wachsen und auch irgendwann ncoh jemanden kennen der zu den Positiv-Seiten bereit ist und dessen Negativ-Seiten einen vllt nicht so stören.

      Also, mach dir die Gedanken, versuch sie dir vor Augen zu halten und so dem Risiko zu entgehen aus der eigenen Genügsamkeit dann doch lieber genauso in den Phasischen Trott zu verfallen und einfach weiter machen egal obs sich geändert hat. In meinen Augen sendet es auch das Falsche Bild dann, da es eben ein stillschweigendes Tollerieren von ihrem Beziehungskonstrukt ist.

      Liebe Grüße und eben etwas chaotisch weil nciht die Zeit fürs nochmal durcharbeiten gehabt,
      Neph

      PS:
      Wegen Listen, versuch wenn nicht explizit danach gefragt wurde, Therapeuten erstmal wegzulassen und dich auf Selbsthilfegruppen zu stürzen. Der Grund ist, dass leider oft in der Subjektiven Wahrnehmung gilt: Ein Therapeut ist ein Profi, zu dem man geht wenn man Probleme hat. Wenn die Beziehung gescheitert ist und man echte Probleme hätte... Aber die hat man nicht, deshalb will man auch keinem den Platz weg, der sie eben hat, dem es soviel schlimmer geht, der ein Kriegstrauma hat. Wenn einem richtige Gewalt angetan wird und nicht sowas eigentlich ja harmloses und blaaa.... (All diese netten Gründe).
      Selbsthilfegruppen sind da aber eben anders. Da geht man nicht hin, wenn man gescheitert ist, sondern noch vor dem Scheitern. Man lernt aus den Fehlern anderer, statt dass einem die eigenen vor die Nase gehalten werden. Man nimmt auch keinem einen Platz weg. Manche Gruppen haben zwar vllt eine Stuhlbegrenzung, aber eigentlich keine eine wirkliche Personenbegrenzung (Mal vom Brandschutz des Gebäudes abgesehen aber die meisten Gruppen erreichen diesen ja beiweitem nicht).
      Somit könnte die Gruppe also je nach Denkmuster durchaus positiver wahrgenommen werden, und der Therapeut eben anmaßend.
      Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Krankheit, sondern mit dem Körper, so wie er ist, Lebensfreude zu haben.

      Dr. med. Eckart von Hirschhausen
      Huhu,

      ich kann dir keinen objektiven Rat geben, sondern nur einen völlig subjektiven.
      Ich war das Kind einer solchen Ehe.
      Daher werde ich mir niemals diese Art der verbalen und körperlich angedrohten Gewalt gefallen lassen. Nicht als Teil der Ehe, nicht als Zuschauer, nicht als Familienmitglied etc.
      Klar, niemals ist anmaßend und nicht realistisch, aber ich will und kann bei soetwas nicht mitspielen.
      Ich würde das so kommunizieren und den Kontakt abbrechen.
      Hallo
      Nur eine kurze Anmerkung von mir: wie wäre es mit Anti-Aggressions Training? Das wird doch inzwischen sehr oft angeboten. So wie du es schreibst, ist die Gewalt nicht beabsichtigt, sondern durch unbeherrschte Aggressionsausbrüche zustande gekommen. Ich würde ihm also dazu raten. Wenn er sich wirklich ändern will sehe ich ohne professionelle Unterstützung leider wenig Hoffnung auf Besserung. Ist ja leider nicht erst seit gestern so.
      Lg