Zugang zu sich selbst vs. Funktionsmodus im Alltag

      Zugang zu sich selbst vs. Funktionsmodus im Alltag

      Huhu,

      ich hab nochmal eine Frage bzw. würde mich interessieren wie ihr Therapie/Zeit fürs Hinsehen mit eurem Alltag vereinbart.
      Dieser Sprung zwischen Beschäftigung mit mir und meinen Problemen und dem Funktionieren im Alltag gelingt mir nicht gerade gut. Wenn ich anfange hinzusehen, zu mir und meinem Inneren und somit eben oft auch dorthin wo es weh tut (was derzweit für mich notwendig ist) und da einen Zugang zu finde, dann hab ich Probleme damit im Alltag zu funktionieren und kriege somit wichtige Dinge nicht mehr hin, weil mir auch so viel Zeit fehlt, die ich mit Stabilisierungsmaßnahmen, "Umgang mit mir" usw. verbringe. Und wenn ich im Alltag im Funktionsmodus bin, dann kriege ich keinen Zugang mehr zu mir (und meinem Inneren) und das klappt auf Dauer nicht, weil dann irgendwann alles zu viel wird und ich hinfalle. Ich finde dieses Entweder-Oder nicht förderlich und auch nicht schön - ein Mix wäre schön. Ich weiß aber nicht wie.

      Vielleicht hat jemand Ideen? Wie schafft man es, sich mit sich zu beschäftigen und trotzdem zu funktionieren ODER wie schafft man es, zu funktionieren und dabei trotzdem kein Eisklotz zu werden?

      Liebe Grüße,
      disarming
      For this is rock n roll, I’ve got a rock n roll soul
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      (The Tunics)


      ToWriteLoveOnHerArms

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „disarming“ ()

      Hallo,
      leider habe ich keine Lösung parat, denn ich habe dieses Problem auch. Von daher kann ich im Grunde nur sagen: Du bist nicht alleine damit.
      Zeit ist rar aber genau das braucht man, um sich seinen Problemen zu widmen, näher hinzuschauen etc. Ich habe meine Therapie erstmal wegen der Arbeit angebrochen, eben aus Zeitgründen, und merke, wie sehr mir das schadet. Ich funktioniere scheinbar immer nur eine zeitlang, bis sich die Probleme wieder melden, weil sie zu lange liegen gelassen worden sind. Und ich habe auch das Gefühl: es gibt nur entweder, oder, aber es lässt sich einfach nicht vereinbaren. Es nimmt alles so viel Raum ein. Ich hoffe jemand hat da einen Lösungsvorschlag?
      Ich habe versucht zu schauen, wie ich Dinge in den Alltag einbauen kann, die mir gut tun und in denen ich nur mit mir beschäftigt bin. Nun mache ich jeden morgen Yoga und versuche hin und wieder zu meditieren um einfach mal wieder mehr zu sich selbst zu kommen. Aber im hektischen Alltag geht das allzu oft unter.. Ich verstehe dich da sehr gut.
      Gibt es denn bei dir DInge, die du regelmäßig machst und bei denen du zu dir selbst findest? Oder ist dafür gar keine Zeit? Oder nicht genügend? Immerhin kann so eine Beschäftigung mit sich selbst ja auch sehr ausufern, man braucht da echt Zeit für denke ich..

      Liebe Grüße (ich hoffe das ist ok, dass ich hier schreibe ohne Lösung)
      Grottenolm
      Hallo Grottenolm,

      das mit der Zeit, klar, das ist auch schwierig, aber das kann man ja irgendwie managen. Wenn man arbeitet, kann man zum Beispiel versuchen auf Teilzeit zu gehen (hatte ich damals dann gemacht, war dann vom Geld her zwar so wenig, dass ich mit Sozialgeld aufstocken musste, aber das war es mir dann wert) oder wenn man studiert, kann man zur Not weniger Veranstaltungen belegen und länger studieren (zwar auch nicht supertoll, aber wenn es eben notwendig ist, dann ist das so). Also, ich denk, man kann das schon irgendwie regeln.
      Ich kriege es nur im Innen nicht hin, mich dann so schnell umzustellen. Wenn ich im Funktionsmodus bin, dann funktionier ich eben. Und wenn ich dann zum Beispiel bis 14 Uhr funktionieren müsste und um 15 Uhr Therapie hätte, dann könnte ich mich auf die Therpie nicht einlassen, weil ich nicht so schnell umschwenken kann. Oder ich hätte um 11 Uhr Therapie und lass mich drauf ein und müsste danach arbeiten, dann wäre das eine reine Qual. Wobei... das hatte ich ziemlich lang so, direkt Therapie vor der Arbeit und da gab es Tage, die echt schlimm waren, aber auf der anderen Seite hat die Arbeit dann oft auch geholfen, um wieder da zu sein und sich auf was anderes zu konzentrieren. Aber danach Zuhause bin ich dann oft zusammengebrochen. Wie du das beschreibst: Eine Zeit lang geht es, und dann ist wieder Trubel.

      Ich weiß auch nicht was da das Maß ist. Ich glaube, es ist echt wichtig, sich auf sich zu konzentrieren und sich kennenzulernen (egal jetzt, ob man krank ist oder nicht) und sich selbst mit allem so anzunehmen und gut mit sich selbst zu leben. Dafür muss man sich aber eben auch mit unschönen Dingen auseinandersetzen und ehrlich zu sich sein vor allem.

      Ich habe gerade auch wieder mit Mediation angefangen, das mach ich jeden Morgen. Finde gerade so mein Morgenritual und das geht eigentlich immer, eine halbe Stunde kann man sich ja nehmen. Oder zwischendurch, wenn man auf den Zug wartet oder so, dann kann man auch einfach mal 5 Minuten nur atmen oder schreiben oder was auch immer. MAchst du sowas? In den Zeiten, in denen man irgendwo warten muss?

      Ich glaub, schwierig ist es einfach, wenn das, wie du schreibst, dann so ausufernd wird. Gestern nach der Therapie hab ich dann den restlichen Tag damit verbracht zu weinen zum Beispiel, hab nebenbei was in der Wohnung gemacht und so, aber die Tränen sind einfach geflossen, beim Essen, beim Abwaschen, beim Internetsurfen, egal wobei, es ging gar nicht anders. Und da dann wieder in den Funktionsmodus zu springen... das ist dann irgendwie schwer. bis unmöglich. Ohne das alles dann komplett wieder wegzuschieben, sodass man dann gar nicht mehr drankommt.
      Vielleicht geht es einfach nur durch Übung und indem man diesen Funktionsmodus nicht als was Negatives ansieht bzw. zu wissen, dass man funktioniert und die Gefühle dabei aber nicht wieder tot sind, sondern eben nur in den Hintergrund gerückt. Was ja durchaus förderlich ist. So macht das wohl fast jeder, der arbeiten geht.

      IAber irgendwie... so richtig wie man das gefühlstechnisch klappt weiß ich auch weiterhin nicht. Das nur als Theorie, was mir gerade in den Kopf kam.

      Und klar ist das okay, dass du keine Lösung weißt. Find es schön, dass da noch jemand ist, der das kennt. :)
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      ToWriteLoveOnHerArms
      hej du,

      ich glaub, du siehst das richtig, dass es einfach eine frage der übung ist (und natürlich auch eine frage der differenzierung).

      ich denke, man muss einfach akzeptieren, dass man nicht bei allem, was man mit sich /für sich selbst tut, *sofort* wieder in den funktionsmodus wechseln kann, und man kann üben, dass es bei einigen dingen schneller geht, wenn es eben nötig ist.

      ich kann das glaub ich inzwischen recht gut, meistens jedenfalls. also zb die arbeit noch bis dahin fortsetzen, wo man ohne größeres problem dann sagen kann "ich geh heute mal früher", das geht bei mir eigentlich immer. nicht dass ich dann so gut arbeiten würde wie normal, aber es guckt ja auch niemand in mich rein und für die normale arbeit reicht es ja auch, wenn man mal 4 stunden nur 60% geben kann. im nachhinein merke ich dann natürlich, dass mir in diesem "zustand" sachen durchgerutscht sind, dass ich mich zb an gespräche nicht mehr so gut erinnern kann etc., aber das ist dann halt so, dann muss ich halt nochmnal nachfragen.

      für "größere" sachen versuche ich mir meine "zeit mit mir" auf nach der arbeit oder aufs wochenende zu legen. ich kann abends sogar stundenlang weinen, wenn ich danach schlafen gehe bin ich morgens wieder ganz okay, zumindest reicht es um dann 8 std arbeit zu überstehen. und ich habe dann so trigger, die ich eben nutze, damit ich dann zu der zeit wo es geht auch an meine gefühle rankomme. ich hab im moment auf der arbeit eine sehr, sehr schwierige und (für mich persönlich auch) traurige situation, die aber außer mir nur sehr wenige kennen. das heißt den ganzen tag "theater spielen" und ausblenden, was man weiß, gleichzeitig aber natürlich unbedingt das tun, was gerade aufgrund der schwierigen situation nötig ist. ich setze mich dann abends manchmal einfach nur zuhause hin, lasse meine schöne, traurige herzensmusik (=trigger) laufen und heule. tut gut, und morgens ist es wieder soweit okay, dass ich arbeiten gehen kann. oder ich schaue mir filme an, die mir tierisch ans herz gehen (und zum teil eben auch mit der momentanen situation zu tun haben), und heule dadurch dann.

      dir momente zum atmen, meditieren und bei-dir-sein zu nehmen ist in guter anfang. und es zeigt ja auch, dass du eigentlich in einigen bereichen schon gut von zeit-für-dich zum funktionsmodus springen kannst (wenn du beim auf den zug warten sozusagen "achtsam atmen" und dann am ziel wieder in den funktionsmodus wechseln kannst, scheint das ja ganz gut zu klappen.) das würde ich einfach allmählich ausbauen und eben schauen, wo klappt es (meditieren, dann in den tag gehen) und was ist zu "schwer", um es in den funktionsmodus mitzunehmen (therapie). für letzteres muss dann eine andere lösung her: termin nach der arbeit, oder termin an einem tag, wo du nicht arbeiten gehst, oder termin freitagabend, oder oder oder.

      letztlich glaube ich, dass "wir" (also generell leute mit psychischen problemen) einfach das nach-uns-schauen und achtsam sein in den alltag integrieren müssen. das muss jeden tag als fester bestandteil da sein, weil man sonst viel zu leicht übersieht, dass gerade etwas verrutscht und man sehr schnell wieder in einem loch landen kann. und da hilft es, denke ich, einerseits einfach mehr tätigkeiten für sich in achtsame tätigkeiten umzuwandeln (achtsam essen, achtsam gehen, achtsame 5 minuten pause, morgens 10 minuten meditieren und abends vor dem ins bett gehen bei einer tasse tee 10 minuten den tag revue passieren lassen...) und andererseits sich zeiten für sich auch fest einzuplanen. dafür lohnt es sich auch mal, ein treffen mit freunden abzusagen oder doch nicht ins kino zu gehen - meine meinung.

      ich glaub, du bist da schon auf dem weg, auch wenn es dir nicht so bewusst ist. übe weiter, das lässt sich verbinden, und man wird mit der zeit auch besser darin =)

      alles liebe,
      solaine

      ps: ich bin natürlich mit meiner akuten aufarbeitung auch ziemlich durch seit jahren. es gibt natürlich phasen, wo man eben einfach sagen muss, ich kann im moment nur halbtags arbeiten, oder vllt auch mittel-/langfristig (eine freundin von mir mit depression arbeitet seit langem nur 24h/woche, genau deswegen). oder wo man sich einfach eingestehen muss, ich kann im moment eigentlich gar nicht arbeiten, weil es einen funktionsmodus einfach gar nicht gibt. das heißt aber nicht, dass man nicht aus der einen zeit wieder in die andere wechseln kann, und das dann entscheidet, wenn es so weit ist.

      und noch ein ps: vielleicht hilft es auch, eher mit dem bild "on stage - off stage" zu arbeiten im kopf, als mit der frage, wie man die gefühle im richtigen moment "weg" kriegt. denn "weg" kriegt man sie nicht. aber man kann sie in den hintergrund rücken (off stage) und nach außen hin auf basis einer anderen nuance agieren (ohne dass man sich dann komplett "verleugnen", innerlich abt*ten oä müsste).
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von „solaine“ ()

      Hey :)

      Das "on stage - off stage"-Bild mag ich sehr. Das klingt auch nicht ganz so krass als würde man gleich alles wieder verdrängen müssen. Wobei da bei mir wohl eher das Problem ist, dass einfach ganz viel so stark abgespalten ist, dass diese Gefühle dann wirklich weg sind und ich einfach keinen Zugang mehr dazu finde. Vieles ist generell so sehr abgespalten, dass ich auch wenig Zugang habe, wenn ich nicht funktionieren muss und wenn doch mal Zugang da ist, dann ohne Kontrolle und meist mit wenig Erinnerung, also sehr eigenständig.
      Ich versuch auch manchmal mich irgendwie zu triggern, aber das klappt eigentlich nie, wenn ich das selbst versuche.

      Bei mir ist das oft ähnlich wie bei dir: Morgens sieht alles nochmal anders aus. Ich hab das auch oft so, dass es abends echt schlimm sein kann und wenn ich dann geschlafen hab (auch egal wie doof oder gut), dann ist aber ein neuer Tag. Das ist eine gute Sache im Grunde genommen.

      Ich war jetzt letzte Woche die erste Woche zu so einem Vorkurs in der Uni und es war alles viel besser als gedacht, ich war nach den ersten Angstattacken recht entspannt und ich hab viel geredet und gleich Leute kennengelernt und so und ich glaube, das ist auch Funktionsmodus, aber eben auch einfach ein Teil von mir, Funktionsmodus ist ja nicht gleich schlecht... und ich merk schon, dass das schwierig wird, dann da den Zugang zu mir zu behalten oder überhaupt erst Zugang zu Abgespaltenem zu bekommen, aber ich versuch einfach mir Zeiten einzubauen, in denen ich das dann versuche und anscheinend bewirken Emails an meine Therapeutin da was, das fand ich ganz beruhigend. Vielleicht ist es einfach ein Üben und vor allem dann aber auch nicht zurückzuschrecken, wenn der Zugang wieder da ist, weil da dann so oft die Kontrolle verloren geht und auch viele Sachen passieren, die nicht mehr unter meiner Kontrolle stehen, die aber nicht besonders... schön sind.

      Wenn das alles klappt, dann sollte es auch gehen, dass ich die eine Therapiestunde so legen kann, dass ich dann Wochenende habe. Vielleicht das Vorteil am Studium, dass ich dann sagen kann: Heute mach ich nix mehr, mach ich morgen. Ich bin immer (gefühlt seit ewig) noch in der Phase, dass ich nicht mehr verdränge und hingucke und da wird bestimmt einiges sein, von dem ich nichts weiß, das dann aber mit dem Hinsehen nicht mehr so abgespalten ist oder so. Da ist dieses "on stage-off stage"-Bild recht hilfreich. Man kann ja auch Sachen in den Tresor packen oder an den sicheren Ort, wenn es zu viel wird und man dann funktionieren muss.
      Also einfach... Zeiten einplanen für verschiedene... Zustände sag ich jetzt mal und absprechen was wann dran ist. Und ja... wahrscheinlich ist da ein Studium sogar praktischer als Arbeit, weil dann in Phasen, in denen gar nichts gehen sollte, ich dann Pause mache und einfach länger studiere. Meine ehemalige Nachbarin konnte sich eine Zeit lang nichts mehr merken, und dann hat sie ein Semester lang einfach nur ein Modul belegt zum Beispiel.
      Und was du schreibst.. dass man dann eben nicht zu 100% funktioniert, das ist ja auch okay. Muss man ja nicht immer.

      Danke für die Rückmeldung, dass ich das im Kleinen schon mache, dieses Wechseln von Bei-Mir-Sein zum Funktionieren. Mit mir selbst klappt das tatsächlich ganz gut. Mit abgespaltenen Anteilen ist das irgendwie nochmal was anderes, da hab ich einfach noch so gut wie keinen Einfluss drauf, die tauchen auf und ab wie sie möchten. Da geht es wahrscheinlich noch mehr um das Einüben bestimmter Techniken diesbezüglich, Kommunikationsaufbau und so, versuche ich schon etwas, kenn ich mich aber auch nicht richtig gut mit aus, jedenfalls haben meine Versuche da noch nicht so viel Einfluss. Aber meine Therapeutin kennt sich damit sehr gut aus. :)

      Viele liebe Grüße,
      disarming
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