Nur ein Kuss

      Nur ein Kuss

      Hallo ihr Lieben,

      ich muss hier leider etwas ansprechen, das mich derzeit sehr erschüttert und mir nicht aus dem Kopf geht. Für eure Meinung wäre ich sehr, sehr dankbar.

      Seit einigen Jahren bin ich mit meinem Freund zusammen. Es war nicht immer leicht, es gab einige ups und downs und wir waren mehrfach auseinander. Aber er hat sich geändert, an sich gearbeitet und mich davon überzeugt, dass die problematischen Dinge kein Problem mehr sind. Inzwischen wohnen wir sogar zusammen.

      Gestern hat er seine alten Freunde in der Heimatstadt besucht. Heute Vormittag hat er mir ganz nebenbei erzählt, dass er mit einem anderen Mann "rumgeknutscht" hat. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Mein Freund ist eher homophob und ich fand es schon immer ätzend, wie sehr er gegen Schwule geredet hat. Habe nie verstanden, wieso er immer so sehr dagegen war. Und jetzt? Jetzt knutscht er einen Mann? Besoffen auf einer Party? Und er entschuldigt sich nichtmal, er erzählt es als wäre nix gewesen. Sagt, dass es nur Spaß war und erzählt im selben Atemzug andere Dinge (per Sprachnachricht).
      Inzwischen hab ich ihm deutlich gesagt wie ich das finde. Höchst irritierend, verletzend (vor allem, dass er sich null Gedanken darüber macht wie ich das finde) und besorgniserregend (er hatte schonmal im besoffenen Zustand dumme Dinge geleistet).

      Ich bin stinkesauer. Ich versteh die Welt nicht mehr. Er meint es wäre ja nur ein Kerl und er würde ja nicht auf Kerle stehen, daher wäre das ja nicht schlimm. Er würde das ja auch nicht schlimm finden, wenn ich eine Frau küsse.

      Mein Freund und ich, wir sind nicht mehr Anfang 20. Die "wilden Jugendjahre" sollten doch mal vorbei sein oder nicht? Er spielt es total runter und ich finde es nicht fair so zu tun als wäre da ja nix gewesen. Ich hab ihm da ordentlich meine Meinung gesagt und irgendwann kam dann auch mal eine Entschuldigung.

      Aber ich fühle mich nicht ernst genommen. Es ist ja nicht so als hätten wir eine Bilderbuchbeziehung. Sind genug andere Sachen, die schwierig sind. Beispielsweise seine PC-Sucht, die er nicht ernst nimmt. Seine emotionslose Art, die er während der Arbeit und auch im Anschluss an den Tag legt. Sein egoistisches Verhalten im Bezug auf ein Thema, das für mich schwierig ist und wo ich mir mehr Verständnis wünschen würde.

      Ich dachte ich kann etwas zur Ruhe kommen, während er auf Besuch ist, aber stattdessen macht er so einen Blödsinn und ich fühle mich noch schlechter als sowieso schon. Wie soll ich so noch funktionieren, arbeiten..? Es ist alles schwer genug ...

      Wie soll ich den Kuss nur einordnen, wie soll ich damit umgehen? Was machte ich mit den Zweifeln (könnte er schwul sein? Wieso fällt ihm das erst jetzt auf, wenn ja? War ich vielleicht nur eine Notlösung?), mit den Sorgen (wie geht es nun weiter? Wir sind doch gerade erst zusammen gezogen..), mit der Unsicherheit (wie soll ich mich verhalten?) und vor allem mit den Gedanken und Bildern im Kopf? Da sind schon genug andere schlimme Bilder, da kommt das jetzt noch obendrauf?
      Vielleicht bin ich ja sehr empfindlich, aber ich finde die Vorstellung nicht schön ihn zu küssen wo ich weiß, dass da letzte Nacht noch wer anders an seinen Lippen hing.

      Vielleicht habt ihr da irgendeine Meinung zu.. ein paar Worte für mich? Ich bin ganz durcheinander und kriege mich nicht sortiert. Ich will das er merkt, was er mir da antut, immer wieder, durch so dumme Aktionen. Am liebsten würde ich in schlimme Verhaltensweisen verfallen und ihm bl*t*ge Fotos schicken. Aber das ist fies und gemein und ich mache es nicht. Aber ich will verdammt nochmal, dass er merkt wie er mich kaputt macht mit sowas.

      Danke fürs lesen. Danke fürs zuhören. Danke schonmal für eventuelle Antworten,

      Liebe Grüße
      Grottenolm
      Hey Grottenolm

      puh lass uns gemeinsam gaaaanz tief einatmen ;)

      Ich schilder dir meine Gedanken, nimm was dir hilft und vergess den Rest ;)

      Ich werd immer älter und nie erwachsen. Klar man hat einen Job, Verpflichtungen, aber ich finde es nicht schlimm manches aus den wilden Jugendjahren fortzuführen oder gar neu anzufangen.
      Es gibt genug 60, 70 jährige Swinger und gott weiß was - die Aktion an sich abzuwerten als kindliches Verhalten.. im Hinblick auf Alkohol vielleicht, aber wer Spaß am Knutschen hat..

      Aaaaaber ich kann die Wut verstehen. Jeder kann machen was er will, aber wenn es Absprachen in einer Beziehung gibt, ist es ein Vertrauensbruch.
      Und ob Flirten, Knutschen mit anderen ok ist, ist in der Regel eine fundamentale Absprache, bei der der Akteur damit rechnen muss zu verletzen.

      Was ich bei dir lese.. erinnert mich an mich früher. Wollen dass er sieht was er anrichtet, die eigene Gefühlswelt auf das was er auslöst fixieren.
      Wenn er sieht wie schlecht es dir geht, bist du sicher, dass es dir davon maßgeblich besser ginge?
      Wäre die Energie, die du in Gedanken darauf verwendest dir zu wünschen er würde wirklichen fühlen was er anrichtet nicht sinnvoller investiert indem du etwas für dich tust?
      Ich meine jetzt nicht das übliche “lass es dir gut gehen“, sondern eher sich innerlich dazu zu polen unabhängiger vom Gespinne des anderen zu sein und falls du zu dem Fazit kämst die Beziehung evtl auch grundsätzlich zu hinterfragen.

      Ich muss sagen ich hab meinen Mann weil er in fast einem Jahrzehnt nie etwas gesagt oder getan hat was ich (mittelfristig) so gar nicht versteh. Er tut viele blöde Sachen, wie jeder, aber es gab nie so einen “WTF ich bin im falschen Film“ Moment.
      Aber wenn er nahe dran kommt, dann je nachdem schimpf ich, ignorier es, hab auch schon die Beziehung grundsätzlich hinterfragt, war mal nachdenklich, aber ich hab nicht mehr das Gefühl ich möchte dauerhaft nur schreien.

      Das sind meine Gedanken dazu (sicher geprägt davon dass ich bei entsprechenden gehaltenen Absprachen eifersuchtsfrei bin - also vielleicht keine weit verbreitete Ansicht)
      Hey Swollen,

      ich danke dir für deine Antwort. Inzwischen sind ein paar Tage vergangen und ich bin zur Ruhe gekommen. Nun kann ich das ganze Geschehen etwas mit Abstand betrachten, nach dem großen Schock.

      Ich habe nichts gegen Menschen, die auch in fortgeschrittenem Alter noch Spaß daran haben, sich so zu verhalten. Solange sie damit niemanden verletzen ist das völlig in Ordnung. Was ich nicht nachvollziehen kann ist, wie man sich so gehen lassen kann, dass man am Ende über sich selbst den Kopf schüttelt. Mein Freund meint im Nachhinein, dass das dumm war und auch nichts mit Gefühlen zu tun hatte. Aber muss denn so ein Verhalten sein? Muss man sich so zulaufen lassen, dass man Dinge tut, die man später blöd findet? Das verstehe ich einfach nicht.

      Ich finde sehr interessant was du ansprichst und denke auch, dass ich zu fixiert bin. Allerdings habe ich keine Ahnung wie ich mich da distanzieren könnte und weniger abhängig bin. Im Grunde will ich übrigens nicht, dass er mit mir "leidet", sondern eben erkennt, womit er mir wehtut, damit das nicht mehr vorkommen muss.

      Eifersucht entsteht ja eigentlich aus Unsicherheit. Und daran müsste man ja gemeinsam arbeiten können. Wobei ich eigentlich kein extrem eifersüchtiger Mensch bin. Aber solche Vorfälle finde ich dann doch sehr merkwürdig und dann entsteht eben diese Unsicherheit. Wahrscheinlich aus dem Gefühl heraus, dass ich ihn grundsätzlich nicht einschöätzen kann, wenn er trinkt, weil er dann Dinge tut, die er von sich selbst nie erwartet hätte.

      Nunja, es ist eine seltsame Sache, die mir ein ungutes Gefühl hinterlässt. Die einzige Möglichkeit sich davon nicht zu sehr emotional mitreißen zu lassen ist, sich zu distanzieren. Aber in wieweit ist das gut?`Entfernt man sich dann nicht auch voneinander?

      Liebe Grüße
      Grottenolm
      Huhu Grottenolm,

      das Schwierige beim Reden über und bei Lernprozessen hinsichtlich Beziehungsthemen ist dass alles ambivalent und individuell ist.
      Es gibt finde ich keinen klaren Fahrplan etc.

      Von daher kann ich nur meine Ansicht soweit sprachlich beschreibbar und überhaupt reflektiert wiedergeben.

      Ich finde dass einem selbst größtmögliche Ignoranz hilft.
      Wenn der andere nunmal kindisch/unpünktlich/aus versehen taktlos/aufbrausend etc pp ist, dann wird er aus Liebe sich bemühen das etwas zu bessern, aber oft bleibt es für einen selbst nicht gaaanz zufriedenstellend.
      Mit den Jahren weiß man was der andere nie ändern wird und spart sich die negative Emotion des Ärgerns oder etwas anderes zu erwarten.
      Genauso kannst du an dir xy vermutlich auch nie ganz ändern.

      Ignoranz klingt negativ. Neben tatsächlicher Ignoranz, wenn mich sonst Verhalten wirklich ärgern würde, meine ich damit aber eher Akzeptieren von großen und kleinen Schrulligkeiten.
      Wenn die Basis nicht stimmt, hilft Ignoranz nicht oder führt tatsächlich zum Auseinanderleben.

      Ob PcSucht, unberechenbare Trinkaktionen etc etwas sind was du tollerieren kannst und willst, kannst nur du entscheiden.

      Ich bin immer dafür selbst an sich zu arbeiten, insbesondere an Unsicherheit.
      Aber ich denke auch dass Menschen generell unsicher und eifersüchtig sein können oder situativ begründet.
      Mein Mann kann mit anderen Junggesellenabschied feiern und die Nacht nicht heimkommen, da hab ich trotzdem das Gefühl “ich weiß was da vermutlich abgeht“, wenn er aber plötzlich mit einer Frau ins Kino geht, obwohl er kein Kino mag, da bin ich situativ auch verunsichert.
      Wenn du eifersüchtig sprich unsicher bist, weil ihr über mehrere Jahre kein Team geworden seit und du ihn nicht einschätzen kannst, nun.. ist es dann wirklich das richtige?

      Ansonsten.. Distanz.. ja irgendwie schon.. Früher hing ich an jedem Wort an jedem gemeinsamen Erlebnis. Das konnte ganz toll sein oder ganz schlimm. Heute hab ich meinen eigenen Jobstress, Freunde, Hobbies, keine Angst allein zu sein (weder kurzfristig noch nach einer Trennung), sodass ich Dinge, die mich früher total geärgert hätten ohne Wimpernzucken mit “aha“ abtun kann.
      Die große Emotionalität ist aber einem Teamsein, Gefährtesein, Ying und Yang sein gewichen.
      Ein großer innerer Frieden miteinander, was wieder an den Punkt zurückführt, wenn du glaubst dieser innere Frieden kann nicht funktionieren, nun ist es das richtige?
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