Wie nimmt man der Depression den Stellenwert?

      Wie nimmt man der Depression den Stellenwert?

      Hallo zusammen,

      ich habe derzeit Urlaub, insgesamt 3 Wochen, von denen nun noch eine übrig ist. Es geht mir recht gut gerade, mein Mann hat ebenfalls frei und wir entscheiden von Tag zu Tag, was wir so machen (das kann dann auch zocken oder rumgammeln sein). Ich fühle mich ziemlich entspannt und denke nur selten an die Arbeit.

      Die Arbeit selbst mache ich gerne, aber sie ist der Hauptgrund für meine rezidivierenden Depressionen. "Interessant" fand ich, dass ich am 22.2. für einige Stunden in der Arbeit war (da hatte ich ja eigentlich schon Urlaub - es ging aber nicht anders) und am nächsten Tag, an dem wir eigentlich einen schönen Ausflug geplant hatten, konnte ich in der Früh nicht aufstehen. Habe also versucht, nicht loszuheulen als mein Mann mich weckte, weil ich mich so mies fühlte und bin dann irgendwann zum Glück wieder eingeschlafen.
      Im Laufe des Wochenendes ging es mir aber besser und jetzt bin ich, wie gesagt, ziemlich entspannt.

      Was mich allerdings umtreibt, ist (neben anderen Gedanken, bei denen ich für mich selbst eine Antwort finden muss) mein "Verhältnis" zur Depression (& SVV, wobei der Druck derzeit zum Glück so gut wie nicht vorhanden ist). Es ist wahnsinnig schwer zu beschreiben, was ich damit meine, aber ich versuche es mal.
      Jetzt gerade finde ich es sehr schwer, das "gut gehen" zu akzeptieren, zu genießen und auch auszuleben (z.B. mal rumalbern). Und dann denke ich an die Depression, stelle mir einen Zusammenbruch und/oder einen Klinikaufenthalt vor (war ich noch nie, ist reine Fantasie) und fühle mich seltsam. Es ist keine Befürchtung, kein Horrorszenario, mehr eine Wunschvorstellung, ohne das ich sagen könnte, warum ich diese abstruse (und peinliche) Vorstellung habe. Was mir dieser Zustand geben könnte, was ein "es geht mir gut" nicht kann. Ist es das seit Jahren vertraute, oder der an diesen Stellen quasi immer vorhandene Gedanke, dass ich mich nur anstelle/angestellt habe, wenn es mir _jetzt_ gut geht und nie "richtig dreckig" (wobei es mir das objektiv betrachtet oft genug ging, ich wüsste selbst nicht, wie genau ich "richtig dreckig" definieren würde - außer vielleicht durch einen erforderlichen Klinikaufenthalt)?

      Die Depression ist in meinem Kopf einfach immer ein riesengroßes Thema, aber ich kann nur mit wenigen Menschen überhaupt darüber reden. Meine Therapeutin, mein Mann, und dann hörts auch ziemlich auf. Aber ich will auch mal an was anderes denken und mich unbeschwert fühlen, kein vertraut verhasstes Damoklesschwert über mir hängen haben, was mich bremst und mein Leben bestimmt. Mein Leben besteht schon seit Jahren nur daraus, und es ist eher schlimmer als besser geworden (rein von den Gedanken daran)...

      Ich bin genervt, aber ein großer Teil von mir hält so sehr daran fest.

      lg Nunki
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Hallo Nunki,
      du schreibst,
      Die Arbeit selbst mache ich gerne, aber sie ist der Hauptgrund für meine rezidivierenden Depressionen.
      Da ich jetzt nicht ins Blaue hinein vermuten möchte, meine Bitte (wenn's nicht zu schwer fällt): kannst du konkretisieren, was genau der Hauptgrund - der Auslöser ist? So lese ich aus deinen Zeilen eher einen Widerspruch, den ich nicht verstehe.

      Auslöser und Wirkung müssen nicht unmittelbar zusammenkommen, bei mir kann ich jedoch für eine Phase konkret einen Auslöser zuordnen. Auch ist bei mir der zeitliche Zusammenhang sehr nah beieinander.

      Zum Thema Gedankenkarussell fällt mir nur ein Zitat ein, aber das hilft dir jetzt nicht konkret
      Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen.
      Epiktet


      Kannst dich auch gern per PN melden, wenn du magst.
      lg Elfenspiegel
      Hallo Nunki,

      möchte dir ein paar Gedanken zu deinem Thema schreiben, aber ich möchte erst eine Bemerkung vorneweg stellen. Ich möchte versuchen, mit meinen Gedanken ein „verbales“ Bild zu malen – und das Allerwichtigste dabei ist: ein Bild ist ein Bild, nie die Realität. Auch wenn es per Zufall wie ein „Foto“ aussehen mag, so bleibt es doch nur ein Abbild. Es hat Farben, Formen, Linien, Übergänge, Größe, mag klar oder verschwommen sein, aber es ist nur ein Bild und dies auch noch mit den Augen einer anderen Person gesehen, die dieses Bild geschaffen hat. Wenn dich meine folgenden Gedanken zu sehr ansprechen, dich berühren, dich anstoßen und du fühlst dich verletzt, so ist dies in keiner Weise meine Absicht. Es sind nur meine Gedanken, es ist mein Bild – das bist nicht du.

      Wenn du aber möchtest, dann lass dich auf mein Bild ein.

      Wir alle (so kommt es mir im Moment in den Sinn) sind wie Türme. Jeder von uns ist einzigartig. Manche sind schlank und hoch; andere wieder sind gedrungen und wirken trotzig. Manche sind aus Holz errichtet; wieder andere scheinen ein Stahlgerüst zu haben; einige sehen aus wie aus Naturstein gemauert. Jeder dieser Türme steht auf seinem Untergrund und hat sein Fundament. Manche sind auf Fels errichtet, andere schweben an Pfählen über dem Wasser. Manche Türme sind Teil eines größeren Bauwerks und haben dort ihre Funktion. Wieder andere stehen allein für sich, vielleicht verteilt mit gleichartigen anderen, und haben so ihre Aufgabe.
      Wenn ich es übersetze, so haben wir einerseits einen Teil durch unsere Eltern mitbekommen, vielleicht nenn ich das mal Fundament. Aber einen Teil hat auch unsere frühe Umwelt dazu beigesteuert: das Elternhaus, die Schule, die Ausbildung, die Freunde/Innen, der Partner, der erste Job, etc. etc.

      So sind wir zu dem geworden: unserem sehr persönlichen Turm – mit all seinen Schwächen, aber auch mit all seinen speziellen Eigenheiten und Vorzügen.

      Und gefühlt für mich, wohnt uns noch eine Eigenschaft inne: wir wollen den Turm immer weiter bauen. Höher soll er werden, vielleicht höher sogar als manch anderer Turm in unserer Umgebung. Turmbau kann ja auch Spaß machen. So wie auch das Spiel mit „Steinchen“ Spaß machen kann. Wir fangen an, unseren Turm – unseren „Jenga-Turm“ weiter zu bauen. Wenn du meinen Vergleich liest, ahnst du schon, was jetzt gleich kommt.

      Wir nehmen einen Baustein aus dem Verbund, transportieren ihn nach oben, um ihn dann oben drauf zu packen. Unser Turm wird höher, wir haben von dort oben eine phantastische Sicht. Es macht Spaß, dort oben zu sitzen, den Himmel über uns, die Erde unter uns. Aber es ist auch eins passiert (nur wird uns das manchmal nicht so bewusst): wir haben viel Energie hineingesteckt, um diesen Schritt zu realisieren. Jetzt nehm‘ ich noch mal ein bisschen Physik zur Hand: wir haben bei diesem Transport unseres Steines nach oben, Energie in den Stein hineingesteckt. Er hat jetzt eine „potentielle Energie“. Wenn wir dieses Spiel weiter betreiben, so wächst unser Turm, Stein für Stein, wird höher, wir sind weiter oben – ob tatsächlich im Leben oder gefühlt; aber es sind auch Lücken entstanden (Jenga), ob wir sie wahrnehmen oder nicht. Der Effekt: unser Turm verliert an Standfestigkeit, an Bezug zum Boden, an Verankerung mit seinem Fundament. Anteilig geht es uns auch so im Leben. Je höher unser Turm wird, umso mehr ist er auch äußeren Einflüssen wie Wind und Wetter, Sturm bis hin zum Orkan ausgesetzt, Hitze und Kälte wirken und hinterlassen Spuren. Andere Menschen beeinflussen uns beim Bau unseres Turmes, wir sind nicht allein auf der Welt. Wenn wir oben auf unserem Turm sitzen, stellen wir fest, dass andere Türme höher sind als wir, also streben wir weiter. Leider passiert vielleicht etwas Unschönes. Unser Turm wird instabil – wir werden instabil. Unser Turm fängt bei jedem kleinen Einfluss an zu wackeln. Die schweren stabilen Steine (liegen jetzt aber oben) tragen mit ihrem Gewicht und ihrer Energie, die wir bei ihrem Transport nach oben hineingesteckt haben, zu diesem Wackeln bei.

      Wenn dann jemand einen bestimmten Stein an der Basis berührt, ihn vielleicht herauszieht, wenn wir selbst vielleicht diesen Stein herausziehen, um noch „Einen oben drauf zu legen“, so bricht der Turm zusammen. All die Energie, die in den Steinen oben steckt, die auch wir u.a. hineingesteckt haben, führt zu einem erschütternden Rumms, zu einem Zusammenbruch. Einem Erdbeben gleich fällt unser ganzes schönes Bauwerk (vielleicht unser bisheriges Leben) in sich zusammen. Übrig bleibt ein Haufen Steine, Schutt, Staub … und Leere. Denn da, wo der Turm einst gestanden hat, ist ein Loch in der Welt, eine Leere entstanden.

      Wir in uns spüren diese Leere, spüren auch immer noch die Energie der herunterfallenden Steine, das Beben des Aufschlags. Wenn wir es spüren könnten, würden wir vielleicht sogar spüren, dass die Erde unter uns bebt, dass wir in uns beben.

      Wenn der Staub sich gelegt hat, wenn das Beben verklungen ist, versuchen wir manchmal aus den Trümmern unseres alten Turmes den Turm „unseren Turm / uns“ wieder aufzubauen. Aber die Steine passen nur noch teilweise zusammen. An einigen Stellen sind Stücke abgebrochen, manche anderen sind total zerborsten. So ist es auch mit „unseren“ Elementen, mit unseren Fähigkeiten und Fertigkeiten. So erscheinen auch unser Ich und das, was wir darstellen wollten, zusammengebrochen und geborsten zu sein. Therapie führt uns dieses Ereignis vor Augen, kann uns die Entstehung des Turmes, sein Wachsen, aber auch seine Instabilität zeigen.

      Teil 2 folgt
      Teil 2

      Und noch ein bisschen Elfen-Physik: wäre unser Turm eine Waage gewesen, würde ich sagen - sein Pendel hat mit all seiner Energie, die in ihm war und die wir hineingesteckt haben, in die Gegenrichtung ausgeschlagen. Je mehr „Energie“ drin steckte, umso mehr schlägt das Pendel in die Gegenrichtung aus, und … hält es auch weiter am Schwingen. Diese Schwingen heißt auch, wir versuchen aus den Resten mit all unserer Kraft den „alten Turm“ wieder aufzubauen, aber waren da nicht Bruchstücke oder Fehlstellen an den Steinen? Es kann uns zwar gelingen, beim Bau des neuen Turmes (unseres neuen Turmes) eine gewisse Ähnlichkeit zu erreichen, aber er wird nie mehr der „alte“ Turm sein. Das tut weh, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Meine Weisheit daraus: je mehr wir versuchen, aus den Bruchstücken das „Gleiche“ wieder aufzubauen, werden wir umso eher wieder scheitern. Die positive Energie des Erreichten schlägt mit all ihrer Kraft ins Gegenteil um. Irgendwann fangen wir an zu zweifeln. Andere um uns herum, die uns bei unseren Versuchen beobachten, verstärken vielleicht mit ihren Gedanken und Worten unsere Zweifel und unser Bemühen. Zitat: „Wir meinen es doch nur gut mit dir“.

      Vielleicht sollten wir stattdessen einmal in Ruhe diesen Steinhaufen anschauen, ja vielleicht sogar so was wie ein bisschen „meditieren“. Wir sehen die Bruchstücke, wir spüren noch deutlich die Folgen unseres Baus; aber wir sehen auch noch unversehrte Steine – Steine, die für ein neues Fundament dienen könnten. Wir sollten uns Zeit lassen, auch wenn wir in uns das Gefühl haben, gerade Zeit haben wir nicht. Gute Baumeister haben sich diese Zeit genommen, haben die Eigenheiten jedes Steines aufgegriffen, um ihn dann letztendlich an „seinen“ Platz zu setzen. Jeder Stein hat seinen Platz. Wenn der Baumeister gut ist, erkennt er dies und nutzt dies. So fügt er wie ein Künstler Stein für Stein zusammen, zu einem „neuen“ Bauwerk, gibt ihm ein Stück weit seine Seele mit hinein.

      Die Menschen drum herum werden vielleicht sagen: „hey, das wird jetzt aber kein Turm. Vom Turmbau hast du wohl nicht so viel Ahnung.“ Aber er wird etwas ganz eigenes schaffen, ein Bauwerk, was ihm vor Augen schwebt, was in ihm steckt, dem er all seine Kraft und Fähigkeiten gibt. Damit schafft er etwas Einzigartiges, hat Wichtiges und Brauchbares der Vergangenheit aufgegriffen, aber hat nicht nur einen Abklatsch des „Alten“ erneut versucht. Er hat vielleicht neue Ideen finden müssen, musste ein Stück weit vielleicht probieren, um letztendlich zu sehen, dass es funktioniert.

      Wenn er (oder du) dann dieses neue Bauwerk fertig gestellt hat/hast, wird Stolz dich erfüllen – über dich und das, was du geleistet hast. Es ist ein Weg, es braucht seine Zeit, es braucht deine Ideen und deine Geduld. Und es braucht Zuversicht. Das ist ein bisschen wie Mörtel zwischen den Steinen. Dann betrachte dein Werk … und du darfst mit ganzem Recht stolz auf dich sein.

      Wenn du nach dieser Arbeit dich umschaust, wirst du Türme um dich herum sehen, manche vielleicht groß und anscheinend stark, für die Ewigkeit gebaut, manche eher zierlich und irgendwo biegsam, wie Bambus im Wind. Und du wirst sehen, es gibt nicht nur die Türme, es gibt Häuser, es gibt Verbindungen, Gänge zwischen all diesen Türmen und den anderen Gebäuden. Dein „neues“ Gebäude ist neu verbunden, in neuer Gemeinschaft. Jeder Mensch wird die Vorteile des neuen Gebäudes sehen und wird sie loben, wird die Kunst sehen und spüren, die dahinter steckt, aus alten Turmsteinen ein neues Gebäude zu erschaffen.

      Und wenn in vielleicht hundert Jahren die Zeit, das Wetter oder sonst was die Türme zum Einsturz brachte, so wird vielleicht dein Haus noch stehen und voll Stolz sein Dach tragen.

      Am Ende meines Gedankengemäldes möchte ich an dich einfach ein paar rhetorische Fragen stellen: was wäre, wenn du morgen aufwachst und stellst fest, dass da keine dunklen Gedanken mehr in dir sind? Bist du dann noch die Nunki, die du heute spürst? Wie würde dein Umfeld auf eine lebensbejahende Nunki reagieren, neidisch sein, überrascht und fröhlich erstaunt sein, sich mitfreuen, dich vor lauter Freude in den Arm nehmen? Was wäre, wenn in dir eine Stimme sagen würde: du, du allein, hast es verdient, dass es dir gut geht? Und was wäre wenn selbst die Sonne an solch einem Tag irgendwie ein bisschen heller als sonst zu scheinen scheint - nur für dich?

      Jedes neue Bauwerk, jedes neue Gemälde, jedes neue Gedicht und jedes neue Musikstück fängt mit einer ersten neue Idee an, greift auf gute alte Erfahrungen zurück, aber setzt dieses Mal den ersten Stein neu, malt den ersten Pinselstrich anders, zeichnet eine andere Folge Noten auf ein Stück Papier, denkt der Kopf einen neuen Gedanken und spürt die Psyche ein neues Gefühl. Diesen neuen Weg zu erproben liegt an uns. Er wird Verzögerungen beinhalten, er wird Fragen aufwerfen, es werden Verunsicherungen im Weg liegen; aber das alles sollte uns nicht abhalten, ihn Schritt für Schritt in unserer Geschwindigkeit zu gehen. Aus Rückschritten sollten wir Erfahrungen ableiten und Verbesserungen, denn nur so wird aus einem „alten“ Turm ein neues Gebäude.

      Was immer du machst – ob du malst, ob du musizierst, ob du Verse schreibst oder Briefe, ob du kreativ deine Gedanken in Neues umsetzt, ob du gute Freundschaften pflegst oder einfach nur spazieren gehst, weil die Sonne lacht: all das ist der Mörtel für dein „neues Zuhause“ in dir und für dich.

      Ich wünsche dir alles Liebe beim Bauen.
      Elfenspiegel

      (Oder war’s doch ein Foto). Wie ich am Anfang bereits schrieb, selbst ein Foto ist nur ein Bild aber niemals die Realität selbst. Das, was wir auf dem Bild wahrnehmen, machen wir daraus. Das, was es in uns bewirkt, lassen wir zu.

      Stell dir einen Smiley auf deinen Nachttisch. Und wenn du dann am Morgen aufwachst, lacht er dich bereits an. Häng dir „liebe“ Zettel überall hin mit guten Botschaften zu dir und über dich, am Kühlschrank, am Schreibtisch, am Computer bei der Arbeit etc. Und einen ganz besonderen an die Wohnungs- oder Haustür. Jedes Mal, wenn du die Wohnung verlässt, liest du ihn und nimmst diesen Gedanken mit nach draußen, mit in deinen Tag.
      Wow, liebe Elfenspiegel, danke für dieses Bild! Das muss ich erstmal wirken lassen - denn ich verstehe gerade selbst nicht, warum ich beim Lesen Tränen in den Augen habe. Irgendwas hat es wohl in mir zum Schwingen gebracht. Ich werde darüber nachdenken und dann möchte ich auch was dazu schreiben. Aber erstmal muss ich es für mich sortieren.
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Liebe Elfenspiegel,

      heute möchte ich gerne noch was zu deinen Beiträgen schreiben.

      Elfenspiegel schrieb:

      Hallo Nunki,
      du schreibst,
      Die Arbeit selbst mache ich gerne, aber sie ist der Hauptgrund für meine rezidivierenden Depressionen.
      Da ich jetzt nicht ins Blaue hinein vermuten möchte, meine Bitte (wenn's nicht zu schwer fällt): kannst du konkretisieren, was genau der Hauptgrund - der Auslöser ist? So lese ich aus deinen Zeilen eher einen Widerspruch, den ich nicht verstehe.


      Ich finde, meine Arbeit hat zwei Aspekte. Der eine Aspekt ist das "gebraucht werden" und "mich wichtig fühlen" (im Sinne von kompetent, ein Ansprechpartner sein, Dinge bewegen können). Zusammen mit dem fachlichen Aufgabengebiet gefällt mir das sehr gut und ich mache das total gerne.
      Der zweite Aspekt ist das "Kindergärtnerin spielen" für meine Mitarbeiter, sprich Streits schlichten, Probleme wälzen, Entscheidungen zwischen Menschlichkeit und Betriebswirtschaftlichkeit treffen, fällt mir sehr schwer und treibt mich dann zusammen mit den Phasen, wenn auch fachlich noch viel anfällt, in die Depression - ganz grob gesagt, natürlich liegt es auch an den fehlenden Bewältigungsstrategien für solche Phasen.

      Auslöser und Wirkung müssen nicht unmittelbar zusammenkommen, bei mir kann ich jedoch für eine Phase konkret einen Auslöser zuordnen. Auch ist bei mir der zeitliche Zusammenhang sehr nah beieinander.


      Ja doch, bei den bisherigen Phasen kann ich das ziemlich genau an Auslösern festmachen.

      Dann hast du mir das tolle und eindrucksvolle Bild der Türme beschrieben. Noch einmal danke dafür, ich mag dieses in-Bildern-denken.
      Ich habe in den letzten Tagen oft darüber nachgedacht, und was ich für mich da rausziehen kann. Auf meine Ausgangsfrage hin komme ich für mich zu der Erkenntnis, dass ich den Block der Depression nicht einfach nehmen und wegwerfen kann. Aber ich kann schauen, welche Bausteine ich sonst noch so für meinen Turm habe. Und ja, mein immerwährender Anspruch, vor allem beruflich, ist, den höchsten und tollsten und besten Turm überhaupt zu bauen, ohne dabei auf die Standfestigkeit zu achten. Diese ignoriere ich so lange, bis der Turm zu schwanken anfängt, und zwar bedrohlich zu schwanken. Und dann kann ich gar nicht anders, als mir den stabilen Depressions-Baustein zu schnappen (bzw. er schnappt mich) und mich darauf zu verlassen, weil er bisher gute Dienste getan hat. Alles andere balanciert darauf, bis der Turm (der gleiche Turm) wieder weniger schwankt und ich weiter mache, wie vorher.
      Dabei wäre es ratsam, die vorhandenen Bausteine zu nehmen, einzeln zu betrachten und zu überlegen, wie ich daraus meinen individuellen Turm gestalten kann, der dauerhaft stabil ist. Der Punkt, zu dem ich jetzt beim Schreiben erst gelange, ist, dass ich keine Ahnung habe, wie ich das "im laufenden Betrieb" anstellen soll. Daher vermutlich auch der "Wunsch" nach einem Zusammenbruch und/oder einem längeren Kur-/Klinikaufenthalt, um alles einmal ganz in Ruhe durchzusortieren, weil auch 3 Wochen Urlaub dafür einfach nicht ausreichen.

      Vielleicht war das nun garnicht deine Intention dieses Bildes, und du hast dir etwas ganz anderes dabei gedacht. Aber so ist es bei mir angekommen, und ich werde wohl oft noch an dieses Bild denken und mich weiter damit auseinander setzen.

      lg Nunki
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

      Hallo Nunki,
      ich schrieb ja, ein Bild ist ein Bild, .... Was mich ein bisschen an deiner Antwort betrübt ist, dass du die Depression als einen Baustein im Sinne des Bauens, Sich Entwickelns etc siehst. Das hätte ich gern anders verstanden haben wollen. Der Schritt in die Depression ist die Reaktion deines Körpers (oder von dir), weil du dich überfordert fühlst und keinen Weg des Reagieren-Könnens siehst (meine Sicht deiner Zeilen!).

      Weshalb hast du die Funktion der Verantwortung, des Streit-schlichtens etc? Kann das nicht auch jemand anderes machen? Also z.B. diese Verantwortung abgeben? Du schreibst von Mitarbeitern/Innen. Selbst wenn du Chefin wärest, könnte ein Geschäftsführer/in solche Aufgaben für dich wahrnehmen. Du siehst, es gibt Wege. Du könntest auch Seminare zum Thema Kommunikation, Konfliktmanagement etc machen, um ein Rüstzeug zu bekommen.

      Ach ja - zum Turmbau noch eins: nicht jeder Mensch ist ein guter Turmbauer. Dies zu erkennen und daraus für sich Erkenntnisse und Handlungsstrategien abzuleiten, das ist die Aufgabe. Vielleicht kommt ja dabei heraus, dass du gut im Lehrberuf oder so bist. Was dann z.B. dazu führen könnte, dass du mittelfristig eine andere Tätigkeit anstrebst, und damit mehr "Wohlbefinden" für dich findest.

      Wie gesagt: alles Gedanken, Teile hinter meinem Gemälde.

      Nur Depression ist kein "Baustein" im Sinne des Bauens. Sie ist ein Nothalt, ein Signal - was du beachten solltest. Deine Psyche signalisiert dir, dass da "um dich herum / in dir" etwas schief läuft. Nutze das Signal.

      lg Elfenspiegel
      Hallo Elfenspiegel,

      Was mich ein bisschen an deiner Antwort betrübt ist, dass du die Depression als einen Baustein im Sinne des Bauens, Sich Entwickelns etc siehst. Das hätte ich gern anders verstanden haben wollen. Der Schritt in die Depression ist die Reaktion deines Körpers (oder von dir), weil du dich überfordert fühlst und keinen Weg des Reagieren-Könnens siehst (meine Sicht deiner Zeilen!).


      ich verstehe, was du damit sagen möchtest. Für mich machen beide Versionen Sinn (deine und meine), weil ich finde, man kann es so und so sehen.
      Zur Erklärung meiner Sicht: die Depression ist für mich ein Baustein, der sich entwickelt oder eingeschlichen hat - ich habe mich nicht entschieden, den Stein zu verwenden, sondern es stellte sich irgendwann heraus, dass er plötzlich da war. Wenn ich nun die letzte depressive Episode betrachte, habe ich also den mir da schon bekannten Baustein ignoriert und viel zu viel dort drauf gestapelt, bis er wieder instabil geworden ist. Ich möchte den Baustein aber nicht wegschmeißen, sondern die "guten Seiten" daran sehen und behalten - also Achtsam für Frühwarnzeichen werden und das bisherige Vorhandensein des Bausteins nicht leugnen oder als durchweg schlecht beurteilen, weil es ja auch eine Schutzfunktion hat.
      Für mich macht auch dieses Bild Sinn, denn ich entwickle mich ja auch wegen der Depression auf eine bestimmte Art und Weise.


      Weshalb hast du die Funktion der Verantwortung, des Streit-schlichtens etc? Kann das nicht auch jemand anderes machen? Also z.B. diese Verantwortung abgeben? Du schreibst von Mitarbeitern/Innen. Selbst wenn du Chefin wärest, könnte ein Geschäftsführer/in solche Aufgaben für dich wahrnehmen. Du siehst, es gibt Wege.


      Richtig, ich bin Chefin von einer Handvoll Mitarbeiter, und diese Position bringt genau diese Aufgaben mit sich. Würde ich sie abgegeben, würde ich meinen Job nicht machen, daher ist das leider nicht so einfach (und ja auch eine stete Möglichkeit der Selbsterfahrung und Weiterentwicklung).

      Du könntest auch Seminare zum Thema Kommunikation, Konfliktmanagement etc machen, um ein Rüstzeug zu bekommen.


      Die mache ich bereits, aber es dauert natürlich, vorhandene Verhaltens- und Denkweisen zu überschreiben und zu verinnerlichen. Da spielt neben dem Schweinehund in unangenehmen Situationen dann auch meine eigene Offenheit (also die reine Möglichkeit, offen zu sein, wenn ich nicht zu sehr mit mir selbst beschäftigt bin) eine große Rolle.

      Nur Depression ist kein "Baustein" im Sinne des Bauens. Sie ist ein Nothalt, ein Signal - was du beachten solltest. Deine Psyche signalisiert dir, dass da "um dich herum / in dir" etwas schief läuft. Nutze das Signal.


      Künftig möchte ich schon die Frühwarnzeichen erkennen und entsprechend handeln. Ergänzend dazu, und zurückkommend auf meine eigentliche Ausgangsfrage ("Wie nimmt man der Depression den Stellenwert?") möchte ich noch sagen, dass mir der Austausch hier aufgezeigt hat, dass ich, so paradox es klingt, der Depression vielleicht/hoffentlich dadurch den Stellenwert nehmen kann, indem ich sie wertschätze. Und zwar als Rettung vor einem Zusammenbruch, weil sie mich zum Rückzug zwingt. Dadurch kann ich ihr einen Sinn abgewinnen, und muss sie nicht von mir werfen, sondern kann einen Teil von ihr, die Frühwarnzeichen, anerkennen und als wichtig für meine Gesundheit betrachten.

      ...irgendwas flirrt mir noch durch den Kopf zu dem Thema, was ich gerade nicht recht greifen kann, also werde ich ggf. nochmal etwas dazu ergänzen, wenn ich es verbalisieren kann.

      lg Nunki
      Flügelwesen
      ...komm nicht auf Scherben zum stehn...
      Andreas Bourani

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