Weitermachen ohne Perspektive?

      Weitermachen ohne Perspektive?

      Hi zusammen.

      Ich hab dieses Jahr scheinbar meine ultimative Zweifel-Phase. Der Auslöser beschäftigt mich sehr, aber das will ich hier jetzt nicht nochmal aufrollen, Fakt ist ich hab Probleme mit dem Effekt umzugehen.

      Ich habe mich noch nie zuvor in meinem Leben dermaßen ziellos, mutlos, antriebslos, entwurzelt gefühlt. Im Augenblick fehlt mir einfach jede Perspektive, egal ob beruflich oder privat. Nun, streng genommen hab ich schon eine einzige Ambition, einen einzigen Wunsch - aber das ist ein Antrieb den ich niederkämpfen muss, denn da geht es um eine Beziehungssache die ich nun schon mein halbes Leben mit mir rumschleppe, bei der ich aber endlich lernen muss damit zu leben, dass meine Träume wahrscheinlich nie Wirklichkeit werden können.

      Wie auch immer, die privaten/seelischen Allüren spielen natürlich eine große Rolle, und dass ich in sozialen Aspekten nicht weiß, was ich mir für die Zukunft wünsche (wünschen darf), macht alles zusätzlich unnötig schwer. Aber die berufliche Perspektivlosigkeit scheint mir derzeit am gefährlichsten, denn ich kann mich zu den grundlegendsten Aktionen nicht mehr überreden. Ich hab Schwierigkeiten meine wöchentlichen Arbeitsstunden hinter mich zu bringen, kann mich nicht überreden meine Aufgaben fürs Studium zu erledigen, wichtiger/dringender Papierkram bleibt liegen.

      Obwohl ich über viele Jahre immer das Gefühl hatte, meinem Schicksal zu folgen und meine Fähigkeiten optimal auszunutzen, zweifle ich nun schon seit vielen Monaten daran, ob der Pfad, den ich beruflich eingeschlagen habe, für mich wirklich richtig ist. Ich fühle mich damit einfach nicht mehr wohl, es nervt mich in letzter Zeit ALLES dabei. Andererseits habe ich über 10 Jahre meines Lebens investiert, um den aktuellen Stand zu erreichen, und ich wüsste auch nicht, was ich sonst tun sollte. Mir fällt keine Alternative ein, mit der ich mir vorstellen könnte zufrieden(er) zu sein.

      Eigentlich ist es auch untypisch für mich, eine Sache nicht bis zum Ende durchzuziehen. Also rein objektiv betrachtet wäre im Augenblick wohl das Wichtigste, mein Master-Studium zu Ende zu bringen - auch wenn mich das noch 2 weitere Jahre meines Lebens kosten sollte - und nebenbei alles Nötige zu erledigen, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Streng genommen kann ich danach immer noch schauen, wie es für mich weitergehen soll. Aber ich kann mich einfach nicht dazu bringen, mich auch entsprechend zu verhalten. Stattdessen verhalte ich ich im höchsten Maße passiv-selbstdestruktiv, irgendwie mache ich gar nichts, heule rum und warte im übertragenen Sinne darauf, vom Zug überrollt zu werden ... es scheint mir alles so sinnlos und ich kann dieses Gefühl nicht überwinden.

      Hat jemand eine Idee, wie man sich dazu bringen kann, für etwas zu arbeiten an das man nicht (mehr) glaubt? Wie macht man weiter, wenn man nicht weiß wofür?

      Bin für jegliche Anregungen dankbar.

      Grüße
      S.
      Hi,
      mir hat der Sport damals sehr geholfen, ich hatte bzw. habe einen Ausgleich zum Alltagstrott und lerne dort Ziele zu verfolgen, zum Beispiel xy Wiederholungen oder xy kg an Gewicht.
      Alles wegschmeißen würde ich auch nicht. Vielleicht weißt du noch warum du damals den Weg eingeschlagen hast, was dir Spaß gemacht hat etc und rufst dir das ins gedächtnis. Papierkram bleibt bei mir auch liegen, aber meine Eltern unterstützen mich dort. Mein Fernabi, mache ich gerade auch wenig, am besten ist es eine Routine reinzubekommen. Also dann und dann aufstehen und duschen, zähneputzen etc. Und dann langsam an die Aufgaben machen und dann aber auch mit Belohnungen arbeiten.
      best wishes Tyler
      stay strong
      Hallo Shizuka,

      Ich glaube, dass ich zu einem Teil vor ein paar Monaten in einer ähnlichen Situation war. Kann aber auch sein, dass ich etwas in dein Thema hineinlese, weil ich es so verstehen will, es kann daher sein, dass ich vorbeischreibe.

      Was ist denn konkret so perspektivlos bei dir? Was demotiviert dich so sehr?

      Interessiert dich dein Studium nicht mehr? Sind danach die Jobpersektiven so schlecht? Nervt dich etwas an der Uni (schlechte Lehre/Betreuung, Atmosphäre etc)?

      Und auch privat, was glaubst du bremst dich so aus? Oder ist es eine Wechselwirkung aus vielen Einzelproblemen?

      Mir hilft es meistens mir diese bzw unzählige andere ganz konkrete Fragen zu stellen und sie so konkret wie möglich zu beantworten. Oft nehme ich mir Freunde zur Hilfe, denen ich vertraue und die mich auf Widersprüche hinweisen, Einschätzungen abgeben, nachhaken wenn nötig etc.

      Aufs Studium bezogen war ich bei Studienberatungen. Ja, bei mehreren (im Fachbereich, von der Uni insgesamt, beim Asta und Studierendenwerk). Die Beratungen waren teils besser teils weniger, besser gesagt in unterschiedlichen Aspekten das was ich brauchte und teilweise meinen Bedürfnissen nicht entsprechend. Aber aus diesen Einzelbausteinen konnte ich mir etwas zusammensetzen, womit ich mich und mein unmotiviertes Verhalten besser erklären kann. Und das wichtigste: es gibt Strategien sich zu überlisten, zu motivieren und die Ressourcen sinnvoll einzusetzen.

      Daran muss ich noch viel arbeiten und hab den Dreh noch nicht ganz raus, aber ich sehe grundsätzlich positiver in die Zukunft.

      Lange Rede kurzer Sinn: versuch rauszufinden, woran es hängt, nimm Beratungsangebote in Anspruch, lass den Kopf nicht hängen, wenn es nicht gleich den gewünschten Effekt hat.

      Und wie tyler schon erwähnte: vergiss nicht dich für Erfolge zu belohnen. Erfolge sind nicht selbstverständlich und Misserfolge nur schlecht. Erfolge sind positiv, also gönn dir was Gutes und Misserfolge eine Chance etwas zu ändern und beim nächsten Versuch in sich zu wachsen.
      Das kann ich auch leider immer noch nicht fühlen, aber ich versuche es!

      Hoffentlich war etwas hilfreiches für dich dabei

      Alles Gute
      Avicienna
      Hallo Tyler, liebe Avicienna,

      vielen lieben Dank für eure Gedanken.

      Ich hab erst einen noch viel längeren Text geschrieben, aber ich glaube, die eine Seite der Medaille ist in der Kurzfassung, dass das Studium / die Branche mich tatsächlich nicht mehr wirklich interessiert.
      - Vieles ist schnelllebig und hat sich in eine Richtung entwickelt, die mir absolut nicht gefällt.
      - Meine Neugierde/Begeisterung ist einfach weg, ich hab gar keine Lust mehr, mich ständig in neue Sachen einzuarbeiten - ununterbrochene Weiterbildung ist in meiner Branche aber ein Muss.
      - Tätigkeiten, die mir früher mal Spaß gemacht haben - also quasi die Motivation, warum ich das Studium überhaupt angefangen hatte - geben mir heute absolut gar nichts mehr.
      - Insbesondere seit ich den Master angefangen habe, bin ich in immer mehr Modulen auch gezwungen, mich mit Themen/Technologien auseinanderzusetzen, die ich einfach richtig blöd finde.

      Die Jobaussichten sind eigentlich sehr gut. Aber das gibt mir keinen Antrieb, denn die andere Seite der Medaille sind meine Erfahrungen im Berufsleben. Über die Jahre hatte ich nun schon diverse Nebenjobs und Praktika, die zu meinem Studium passen und bei denen ich dachte, dass ich damit auch langfristig zufrieden sein könnte, und in allen Fällen habe ich mich über kurz oder lang auf die eine oder andere Art unwohl gefühlt: ich musste immer wieder Dinge umsetzen, die meinen persönlichen Überzeugungen und Erfahrungen widersprechen (nicht nur, aber auch in ethisch/moralischer Hinsicht). Ich muss(te) mich immer wieder mit Anwendungsgebieten und Themen befassen, die mich nicht interessieren oder die ich z.T. sogar richtig bescheuert finde. Ich muss(te) mich immer wieder mit unverhältnismäßigen Arbeitsbedingungen abfinden (ständige Erreichbarkeit und Überstunden bei unterirdischer Bezahlung). Aufgabenstellungen sind oft unscharf und/oder werden im Vorfeld nicht im ausreichenden Maße kommuniziert, sodass ich regelmäßig zu Tätigkeiten gezwungen war, die mich schon vor Beginn des Studiums immer massiv genervt haben und die aus mehreren Perspektiven weder jetzt noch damals meinem Bildungsstand entsprechen (wäre sowas vorab klarer abgesteckt gewesen, hätte ich mich wohl nie auf die Stelle(n) eingelassen und es hätte sich vermutlich jemand anderes für diese Aufgaben gefunden, der sich damit nicht so unwohl fühlt - stattdessen riskiert man lieber, dass alle Beteiligten unzufrieden sind). Immer wieder bin ich in auf charakterlicher Ebene einem Umfeld gelandet, das nicht zu mir passt (Arbeitskollegen und Vorgesetzte, die mit meiner Art nicht klar kommen oder umgekehrt).

      Misserfolge sind für mich neuerdings ein ambivalentes Thema. Ich brauche für alles recht lange, setze aber selten Prüfungen in den Sand, und wenn es doch mal passiert entmutigt mich das eigentlich nicht. Aber im Frühjahr hat mich ein übertriebener Ehrgeiz gepackt und das Thema Misserfolg hat ein neues Gesicht bekommen. Ich hab festgestellt, dass ich nach über 10 Jahren an der Hochschule endlich kein Student mehr sein will und hatte mir einen Plan zurechtgelegt, der ermöglichen sollte, dass ich kommenden Sommer fertig werde. Obwohl ich mich eigentlich gut kenne und weiß, was ich mir zutrauen kann, habe ich mich total übernommen und nicht rechtzeitig die Bremse gezogen. Dass ich nicht in der Lage war/bin, den Workload zu bewältigen, belastet mich jetzt hauptsächlich deshalb, weil (a) im Master unglaublich viele Gruppenprojekte anstehen und demnach auch andere Studierende von meinem Scheitern betroffen sind und (b) weil ich mir sicher bin, dass ich mindestens einen Professor ziemlich enttäuscht habe (eher mehrere). Ich habe Angst, diesen Personen zu begegnen und fühle mich entsprechend unwohl, wenn ich mich an der Hochschule aufhalte.

      Sport hab ich auch versucht, für mich zu etaiblieren, da mir das auch schon ewig immer wieder empfohlen wird, aber der damit verbundene zusätzliche Zeitaufwand und Termindruck haben mich mehr belastet als der Sport mich entlasten/ablenken konnte und ich habe das Gefühl, dass mir auch dafür derzeit die Energie fehlt.

      Mit Belohnungen zu arbeiten finde ich schwierig, denn ich weiß schon lange nicht mehr, was mir eigentlich Freude bereitet. Das ist vermutlich die passende Überleitung zum privaten Rahmen.

      Ich weiß ein paar Dinge, mit denen ich mich kurzzeitig ablenken kann, aber mehr ist es einfach nicht. Was mich früher begeistert hat, lässt mich größtenteils kalt, ich habe keine Hobbies mehr und keine Ideen.

      Ich hatte auch seit über 12 Jahren nicht mehr so wirklich Urlaub - vorlesungsfreie Zeit heißt in der Regel für Prüfungen lernen / für Projekte arbeiten und um irgendwo hinzufliegen/-fahren fehlt sowieso immer das Geld.

      Sozial gesehen weiß ich auch nicht so recht, wie ich mir die Zukunft vorstellen soll. Beziehung, Familie, Freunde ... es hängt quasi alles in der Luft. Meine einzige Ambition ist der Wunsch, nochmal eine zweite Chance zu bekommen mit einer Person von früher, mit der ich lange nur sporadisch Kontakt hatte, aber mit der ich trotzdem seit satten 18 Jahren eine ganz besondere Verbindung teile, wie ich sie mit niemand anderem je erlebt habe. Ich hab mich an meinem Wohnort sowieso nie wohl gefühlt, das Studium fesselt mich hier; ich würde gern hier die Zelte abbrechen, in seiner Nähe wohnen und schauen wo das hinführt. Das ist eben das, wogegen ich wohl ankämpfen muss - die Gefühle beruhen immer noch auf Gegenseitigkeit, aber die Sache ist damals wie heute verzwickt, es gibt Sachen, die er für sich allein entscheiden und womit ich mich einfach abfinden muss. Das hat eine gewisse Ironie, ich suche Antrieb und muss andererseits dieses eine Fünkchen Motivation töten ...

      Mir bleibt an vielen Stellen eigentlich bloß die Frage: was zum Geier will ich eigentlich? Was "darf" ich mir wünschen, ohne dass es für mich ungesund ist? Existiert irgendwas auf der Welt, was mich nicht nur nicht ankotzt, sondern mich vielleicht tatsächlich ausfüllt? Dass mir darauf in keiner Beziehung keine Antwort einfällt, das ist es wahrscheinlich, was mich dermaßen demotiviert.

      Ich bin an dem Thema schon eine Weile zusammen mit meiner Ergotherapeutin dran. Das hat bisher nicht viel gebracht, neuerdings versuche ich es zusätzlich mal wieder mit einer psychologischen Beratung über meine Klinik, ich muss sehen wie das läuft.

      Studienberatung(en) sind wahrscheinlich auch ein guter Tipp. Ich werde mal schauen, mit wem ich da sprechen kann hier vor Ort.

      Es tut gut zu lesen, dass ich nicht allein bin mit solchen Faxen, auch wenn die Situation im Detail bei jedem anders aussehen mag.

      Grüße
      S.

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von „Shizuka“ ()

      Hallo Shizuka,
      danke für deine lange Antwort.
      Ich glaube, dass du in deiner Situation ein gewisses Risiko eingehen musst. Entweder du bleibst in deinem jetzigen Alltag unglücklich gefangen, oder du schaust eben was dir die Person von früher an neuen Möglichkeiten bringen kann. Bzw ein Umzug in dessen Nähe etc. Natürlich gehst du hier ein großes Risiko ein, du verlässt deinen aktuell zwar unglücklichen Alltag, der dafür aber geregelt und abgesichert ist und baust dir wo anders etwas neues auf, was mit arbeit verbunden ist, denn du benötigst dort auch einen Job oder ein Studium oder so.
      Das ist jetzt deine persönliche entscheidung, manchmal tuen neuanfänge gut. Für mich persönlich ist es sehr schwer mich auf neue Menschen, eine Neueumgebung etc. einzulassen. Aber vielleicht fasst du genau aus dem Grund, dass du was machen kannst was dich glücklich macht, neue Energie für alles (unter anderem auch der Papierkram).
      Das das mit den Belohnungen nicht so klappt, ist schade, funktioniert bei mir aber auch nicht immer, manchmal brauche ich einfach irgendwas, um alles was schiefläuft kurz zu vergessen. Und dann ist die Belohnung da hin, weil ich dann ausgerechnet die belohnung benötige.
      Naja, der Sport kostet Zeitaufwand, dass ist nachvollziehbar. Für mich ist der Sport irgendwann einwenig zur Sucht geworden. Und ich kann damit mittlerweile leider auch nicht mehr wirklich gut abschalten, weil man immer wieder was optimieren will, Satzpausenzeiten, ausführung etc. und dann versteift man sich zu arg darauf und kann nicht abschalten. Ich habe auf meinen Führerschein zu Beispiel auf den Cardiogeräten gelernt, durch Bewegung lernt man besser und ich hatte keinen Zeitverlust.
      stay strong