Ich will nicht abnehmen, kann aber nicht essen

      Ich will nicht abnehmen, kann aber nicht essen

      Hallo,

      ich muss mich hiermit einfach mal mitteilen. Ich hoffe, dieser
      Post passt an diese Stelle. Ich weiß auch nicht genau, was ich mir
      erhoffe, denn eigentlich kenne ich die Lösung. Trotzdem...

      Das Problem ist, dass ich abgenommen habe. Zeimlich drastisch in
      relativ kurzer Zeit: Meine Tage sind schon seit mehreren Wochen
      ausgeblieben und auch mein Spiegelbild unterstreicht die Tatsache,
      dass es langsam zu viel wird. Ich sehe schlimm aus in meinen Augen:
      Man sieht die Rippen und Adern und mein Köprer gefällt mir so gar
      nicht. Ich möchte nicht weiter abnehmen.

      Trotzdem kann ich nicht essen. Ich kann es einfach nicht. Es fühlt
      sich irgendwie so unangenehm an, so falsch – macht das Sinn? Ich
      will nicht abnehmen. Aber ich kann trotzdem nicht essen. Andererseits
      auch nicht immer: Manche Mahlzeiten verlaufen ganz normal und ich
      kann sie auch genießen.

      Es ist also noch im Grenzbereich von okay momentan (schätze ich), aber ich habe
      Angst, dass ich die Kontrolle verliere. Vor allem macht mir auch
      Sorgen, dass ich in ein paar Tagen nach Hause zu meiner Familie
      fahre. Die wissen nichts von meinen Problemen: Weder was das Essen
      noch das R*tzen angeht. Allerdings war meine Schwester vor Jahren
      bereits wegen einer Essst*rung in Behandlung und deshalb sind meine
      Eltern bei dem Thema sehr sensibel. Ich habe Angst vor ihrer
      Reaktion, wenn sie mich sehen und überlege schon, wie ich es
      möglichst gut verstecken kann.

      Meine Therapeutin hat angedeutet, dass all das die Symptome einer
      leichten Depression sein können. Denn es stimmt: die Coroan-Krise
      hat mich extrem belastet. Ich habe keine Energie mehr, weine dauernd
      und weiß nicht, wofür ich eigentlich jeden Tag aufstehe und kämpfe:
      Gegen mich und den Rest der Welt. Sie hat Anti-Depressiva erwähnt.
      Ich bin mir nicht sicher, ob ich das will... Irgendwie ja, auf jeden
      Fall, wenn es mich da raus holen kann, aber andererseits...

      So.

      Falls jemand seine Gedanken zu all dem mit mir teilen will, wäre
      ich dankbar. Auch für Tipps in jeder Art. Kennt sich jemand mit
      Depression und Medikamenten aus? Wie schafft man es zu essen, wenn
      man noch zu wenig zu sich genommen hat, aber trotzdem nichts runter
      bekommt?

      Vielen Dank fürs Lesen. Ich würde mich über Reaktionen freuen.

      Liebe Grüße, Nielsen
      Hallo Nielsen,

      was spricht denn für dich gegen die Antidepressiva? Da du bereits eine Therapeutin hast, kannst du deine Bedenken vielleicht mit ihr nochmal besprechen. Statistisch spricht bei mittleren und schweren Depressionen vieles für eine Kombination aus Psychotherapie und Antidepressiva, aber natürlich muss das bei jedem individuell betrachtet werden. Es gibt sehr unterschiedliche Antidepressivatypen, die unterschiedlich wirken, manche eher antriebssteigernd, manche eher beruhigend. Bist du bei einem Psychiater in Behandlung? Der würde mit dir (im Idealfall ausführlich) besprechen, welches zu deine Problematik passt. Manchmal muss man mehrere ausprobieren, bis eins gut wirkt, und die meisten muss man ein paar Wochen nehmen, bevor du eine antidepressive Wirkung merkst.
      Auch wenn du dich dagegen entscheidest, würde ich sagen, dass es hilft, dir bewusst zu machen, warum du im Moment keine nehmen möchtest. Einerseits führen Depressionen ja oft auch schnell zu schuldgefühlen und Selbstvorwürfen ("Hätte ich vor x Wochen mal angefangen Medis zu nehmen") und dann weißt du, dass du eben Gründe dagegen hattest. Zum anderen kannst du die Gründe auch immer wieder überdenken, falls sich etwas davon ändert und du es doch mit ausprobieren möchtest.
      Ich würde dir dringend empfehlen, dass nochmal mit deiner Therapeutin zu besprechen und vielleicht auch mit einem Arzt (wenn die Therapeutin keiner ist).

      Du schreibst, dass es dir in manchen Situationen leichter fällt zu essen. Kannst du bennen, was da anders ist? So könntest du dich einer Situation annähern, in der du erstmal so oft wie möglich deine Mahlzeiten einnimmst, um ersteinmal dafür zu Sorgen, dass du im Moment genug zu dir nimmst. Ist es für dich einfacher in netter Gesellschaft, dein Lieblingsessen, mit etwas Ablenkung beim Fernsehen? Überleg dir doch mal, was du besser runter bekommst. Manchmal ist trinken einfacher, vielleicht kannst du dir Suppen, Smoothis oder eine heiße Schokolade (oder bei dem Wetter auch eine kalte ;)) machen.

      Was ist für dich schlimm daran, wenn deine Eltern merken, dass es dir nicht gut geht? Das ist nicht provokant gemeint, ich kann mit meinen Eltern auch nicht darüber reden, aber vielleicht können sie dir helfen in der Zeit, in der du bei ihnen bist, z.B. dass ihr zusammen esst oder auch kocht.

      Ich wünsche dir viel Kraft,

      Granul
      It is possible to commit no error and still lose. That is not a weakness... that is life. (Jean-Luc Picard)
      Hallo,

      deine Problematik ist mir gut bekannt. Auf der einen Seite das Wissen, das man einfach nur mehr erbärmlich aussieht, aber trotzdem kriegt man nix runter, um das zu ändern. Granul hat da mit dem Hinweis auf Suppen/Getränke, wenn essen nicht geht, schon einen wichtigen Hinweis gegeben. Allerdings ist es trotzdem schwierig, besonders über einen längeren Zeitraum, auf diese Art und Weise sein Gewicht zu halten und keine Mangelerscheinungen aufgrund irgendwelcher fehlenden Nährstoffe zu bekommen. Denn angenommen, man ernährt sich nur von heißer Schokolade- dann hält man vielleicht sein Gewicht, aber ist trotzdem mit Vitaminen etc. unterversorgt. Ich persönlich bin aus dem Grund irgendwann auf medizinische Trinknahrung gekommen. Für mich war das lange keine Option, da ich dachte, es gibt die nur in flüssiger Form in diesen klassischen 200ml-Fläschchen und die finde ich geschmacklich einfach grenzwertig (bzw. sind bei vielen Leuten, wie bei mir auch, negative Erinnerungen damit verknüpft), aber tatsächlich gibt es die auch als Pulver, das man in alle möglichen Getränke, aber auch in Suppen, Saucen, Püree, etc. hineinrühren kann. Ich bin echt nicht stolz darauf, dass ich es nicht anders hinbekomme, und man sollte meiner Meinung nach vorher alles andere probiert haben, bevor man zu diesem Mittel greift, aber bevor man immer weiter abnimmt und früher oder später an den Folgen der Unterernährung st*rbt ist das sicher die bessere Alternative.
      Du hast, falls ich nichts überlesen habe, nirgendwo erwähnt wie lange du das Problem schon hast, aber wenn das schon über Wochen/Monate so geht, wäre es nicht schlecht wenn du mal ein Blutbild machen lässt um zu schauen, ob du nicht schon Mangelerscheinungen hast. Denn auch Nährstoffmangel kann depressive Symptome auslösen bzw. verstärken. Und ehe man es merkt hängt man in einem ganz üblen Teufelskreis: Umso weniger man isst, umso depressiver wird man, und umso depressiver man wird, umso weniger kann man sich aufraffen, dagegen anzukämpfen und etwas zu essen.

      Zum Thema Medikamente: Das ist eine persönliche Entscheidung. Es gibt Menschen, die sind offen dafür, aber auch welche, die es komplett ablehnen. Hör da einfach auf dein Bauchgefühl. Wenn es sich für dich nicht richtig anfühlt, würde ich es an deiner Stelle eher bleiben lassen, aber wenn du offen bist und der Sache eine Chance geben möchtest, ist es auf alle Fälle einen Versuch wert. Mehr, als dass man hinterher feststellt, dass es eben doch nicht der richtige Weg war, kann nicht passieren. Wie Granul schon schrieb, kann es sein dass man einige Medikamente durchprobieren muss, bis man eines findet das bei einem selbst gut wirkt, manche Leute finden auch nie eines, aber es gibt auch viele, die positive Erfahrungen damit machen. Das weiß man aber erst, nachdem man es probiert hat.

      Würde mich freuen, wenn du hier schreibst, wie du dich letztendlich entschieden hast.

      LG
      wild_angel
      If everything seems to be going against you,
      remember that the aeroplane takes off against the wind,
      not with it...
      (Henry Ford)

      ~~~~~~~~
      Ich versuche nach den Sternen zu greifen, doch das Universum expandiert....
      Hallo Nielsen

      Du schreibst, dass du innerhalb kurzer Zeit ziemlich drastisch abgenommen hast. Ich würde das auch mit deinem Hausarzt abklären, um mögliche andere Ursachen auszuschließen. Appetitlosigkeit muss ja nicht unbedingt psychisch bedingt sein.

      Bezüglich Depression und Medikamente. Also wissenschaftlich gesehen wirken Medikamente schon. Am besten wie schon erwähnt in Kombination mit Therapie. Ich persönlich versteh ehrlich gesagt nicht wieso manche Leute so total gegen Medikamente sind. Man muss sie nicht bei 2 Tagen mal traurig sein nehmen oder für immer und ewig nehmen, aber wenn man über Wochen und Monate da nicht mehr raus kommt, können sie einem helfen. Es ist nicht immer einfach die richtigen Medikamente zu finden, das stimmt schon und die Nebenwirkungen sind auch nicht unbedingt lustig, aber mit einem guten Psychiater kann man da im Idealfall schon was passendes finden. Und wenn nicht hat mans wenigstens probiert.
      (Mir haben die Medikamente damals halt schon sehr geholfen, deswegen bin ich da nicht ganz unvoreingenommen :D du musst diese Entscheidung natürlich für dich selbst treffen, ob du das willst oder eben nicht. Aber ich bin der Meinung, wenn etwas evtl helfen kann, kann mans ja mal probieren.)

      Bezüglich essen, obwohl man keinen Appetit hat, wurde ja schon ein bisschen was gesagt. Ich glaub es wäre hilfreich herauszufinden wieso es dir so schwer fällt zu essen. Mir ist zB oft das Kochen zu anstrengend, da hilft es, wenn ich einfach ein paar Tage nur Fertigzeug esse (da gibts mittlerweile eh so viel Auswahl) oder Nudeln mit Sugo aus dem Glas bzw. Sachen bei denen man nicht lang in der Küche stehen muss...

      LG Nellie
      Vielen, vielen Dank für eure Antworten! Es tut gut zu wissen, dass man verstanden wird und nicht verurteilt.

      Bezüglich Depression und Medikamente: Es ist das erste Mal, dass mir eine (wenn auch nur schnelle) Diagnose genannt wurde. Ich bin noch nicht lange bei der Therapeutin und habe davor mit niemandem gesprochen. Es ist für mich eine neue Situation, dass all meine Probleme anscheinend benannt werden können und es sich vielleicht einfach um eine Krankheit handelt. Andererseits tendiere ich generell dazu, Dinge klein zu reden. Sobald ich mal einen guten Tag habe, denke ich, jetzt sei alles vorbei und warum habe ich mir überhaupt Sorgen gemacht? Bis dann der nächste Tiefpunkt kommt... Deshalb zweifle ich ständig an mir selbst: Geht es mir überhaupt "schlecht genug", um eine Therapie in Anspruch nehmen zu können oder Medikamente zu nehmen. Es kommt mir manchmal (eben in den guten Momenten) total übertrieben vor.

      Zu der Frage, wann es mir leichter fällt zu essen:
      Ganz eindeutig, wenn ich stabil bin - dann ist es okay. Aber wenn ich zum Beispiel einen schlechten Moment habe, dann habe ich das Gefühl, jetzt etwas zu mir zu nehmen, hilft nichts, ich würde mich danach nur noch schlechter fühlen. Außerdem hat sich in mir eine Art Blockade aufgebaut: Entweder mein Kopf sagt irgendwann einfach "stopp und mehr geht jetzt nicht" oder mein Körper in Form von Bauschmerzen... Generell hat sich irgendwie in den letzten zwei Monaten die Einstellung aufgebaut: Warum essen? Danach geht es mir nicht besser. Es hilft nichts. Warum also?
      Ich verstehe mich da leider auch nicht so ganz.

      Was ist für dich schlimm daran, wenn deine Eltern merken, dass es dir nicht gut geht? Das ist nicht provokant gemeint, ich kann mit meinen Eltern auch nicht darüber reden, aber vielleicht können sie dir helfen in der Zeit, in der du bei ihnen bist, z.B. dass ihr zusammen esst oder auch kocht.

      Mein Vater ist das Gegenteil von verständnisvoll, was psychische Probleme angeht. Ich glaube nicht, dass er das akzeptieren würde. Ich habe Angst, dass es mir nur schlechter gehen würde, wenn ich auch damit noch umgehen müsste. Und ich will nicht, dass meine Mutter quasi allein damit klar kommen muss.

      Es wurde mehrfach eine Art Pulver erwähnt, dass man seinen Mahlzeiten hinzufügen kann. Wo gäbe es denn so etwas? Ich habe mich da noch nicht erkundigt und kenne mich auch nicht aus.

      Und zuletzt noch zum Thema Arzt: Ich habe morgen einen Termin, um mich einmal durchcehcken zu lassen, auch auf Anraten meiner Therapeutin. Ich habe etwas Angst davor. Ich mag Ärzte nicht sonderlich und auch gerade Blutabnehmen. Außerdem ist es ein neuer Arzt, weil ich hier noch keinen Hausarzt habe... Aber ich will das durchziehen, einfach auch für mich und damit ich Klarheit habe, was denn los ist.

      Vielen Dank nochmals! Liebe Grüße,
      Nielsen
      Hwy Nielsen,

      Nielsen schrieb:


      Sobald ich mal einen guten Tag habe, denke ich, jetzt sei alles vorbei und warum habe ich mir überhaupt Sorgen gemacht? Bis dann der nächste Tiefpunkt kommt... Deshalb zweifle ich ständig an mir selbst: Geht es mir überhaupt "schlecht genug", um eine Therapie in Anspruch nehmen zu können oder Medikamente zu nehmen. Es kommt mir manchmal (eben in den guten Momenten) total übertrieben vor.


      Ich glaube, es gibt fast niemanden mit psychischen Problemen, der diesen Gedanken nicht zumindest sporadisch hat. Aber versuch es mal so zu sehen: Davon, dass es irgendwem Anderen vielleicht noch schlechter geht, geht es dir nicht besser. Was zählt, ist der individuelle Leidensdruck. kein Mensch sollte unter seinem Leben leiden müssen und sobald das der Fall ist, hat er Anspruch auf Hilfe.

      Nielsen schrieb:


      Es wurde mehrfach eine Art Pulver erwähnt, dass man seinen Mahlzeiten hinzufügen kann. Wo gäbe es denn so etwas? Ich habe mich da noch nicht erkundigt und kenne mich auch nicht aus.


      Das Pulver gibt es in der Apotheke. Nicht alle haben es immer lagernd, aber wenn die es dann vom Großhandl bestellen ists in der Regel spätestens am nächsten Tag da.

      Nielsen schrieb:


      Und zuletzt noch zum Thema Arzt: Ich habe morgen einen Termin, um mich einmal durchcehcken zu lassen, auch auf Anraten meiner Therapeutin. Ich habe etwas Angst davor. Ich mag Ärzte nicht sonderlich und auch gerade Blutabnehmen.


      Das ist auf alle Fälle eine gute Sache! Wünsche dir alles Gute für den Termin. Und noch ein kleiner Tipp von mir: Die Strecke vom Parkplatz oder Bushaltestelle zum Arzt rennen oder zügig gehen- baut zum einen Nervosität ab und hat den Vorteil, dass dadurch die Blutgefäße besser hervortreten und das Blutabnehmen schnell wieder vorbei ist :) . Heiß duschen bringt ein ähnliches Ergebnis, aber wenn der Weg zum Arzt recht weit ist oder man lange warten muss kann es sein dass der Effekt dann schon wieder verschwunden ist wenn es so weit ist.

      LG
      wild_angel
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