Hilflosigkeit und Enthusiasmus

      Hilflosigkeit und Enthusiasmus

      Hallo,

      dies ist das erste Mal. Das ich nach langer Zeit Hilfe in einem Forum suche. Ich lese seit Jahren hier mit und habe das ein oder andere mitnehmen können.

      Nun, ich bin 20 Jahre alt und wurde zwei Mal nun als Borderline diagnostiziert.
      Ich wusste schon früh, dass ich diese Diagnose habe. In Endeffekt hat es mir nicht viel Weisheit gebracht.

      Ich habe ein gewaltiges Problem. Ich denke zu viel nach und Zweifel zu viel. Die meisten kennen es sicherlich. Die Angst vor Ablehnung, die Angst dumm zu sein, die Angst nicht gut genug zu sein.

      Ich hole gerade meinen Abschluss nach, mein Abitur. Ich könnte mich von den Noten her nicht beklagen, stelle aber so einen gewaltigen Erwartungsdruck an mich selber. Jeder Fehler führt bei mir, an einem schlechten Tag, zu abwertenden Gedanken. Außerdem merke ich oft eine gewisse Unschlüssigkeit in mir selber. Den einen Tag bin ich fest überzeugt, ein gutes Abitur hinzulegen, den anderen Tag glaube ich nichtmal den Tag zu überstehen.

      Mir wurde sehr häufig gesagt, dass ich sehr sensibel bin. Ich nehme oft die Stimmungen anderer Menschen auf, kann anhand der Stimme analysieren, wie es jemandem geht. Ich kann gut Beziehungen analysieren. Menschen und ihre tiefsten Beweggründe erfassen und führe oft (zu) tiefgründige Gespräche.
      Manchmal wünsche ich mir jemanden der mich in den Arm nimmt und mich unterstützt am Tag.

      Kennt ihr auch diese verdammte Sprunghaftigkeit? Den einen Tag lese ich ein Buch über Physik und den anderen Tag fange ich wieder an soziale Strukturen zu hinterfragen. Den anderen Tag könnte ich die ganze Bücherei kaufen und 10 Bücher gleichzeitig lesen, den anderen Tag könnte ich am liebsten nur im Bett verbringen. Den anderen Tag kann ich Dinge gut auf den Punkt bringen, den anderen Tag kann ich nichtmal 1+1 rechnen.

      Ich habe überlegt ein DBT-Programm machen zu wollen. Allerdings wird die Schule noch ein wenig dauern, aber ich bemerke dass der Druck innerlich steigt. Das schlimme an den Gefühlen ist diese Intensität. Es zerreißt mich manchmal von innen. Dann komme ich zu keinem gescheiten Ergebnis. Leider denken sich Leute von außen dann, was macht die sich so viele Gedanken? Oder warum übertreibt sie jetzt? Führt dann nur noch zu mehr Schuldgefühlen, dass ich mich dann zurückziehe.

      Meine Probleme liegen definitiv in dem instabilen Selbstbildnis und der Regulationsproblematik. Auf der einen Seite bin ich unfassbar begeisterungsfähig, aber wenn es mir nicht gut geht, dann will ich am liebsten nur alleine sein und weinen.
      Manchmal holen mich viele Ängste ein. Das sind dann so intensive Wallungen, dass ich anfange zu grübeln und grübeln. Ich kontrolliere mich da sehr intensiv. Spreche dann mit jemandem, aber leider kommt es durch Aussagen wie: „warum machst du dir denn darüber schon wieder Gedanken“ zu massiven Schuldgefühlen.

      Wer kennt diese intensiven Gefühle und weiß wie schwer es ist diese Stimmungsschwankungen auszuhalten?

      Manchmal will man einfach nur alles rauslassen. Das schlimme ist, man hat sich das nicht ausgesucht und darf daran arbeiten...

      Schöne Grüße!
      Hallo moonlightshine,
      ich find’s toll, dass du den Schritt gemacht hast: ohne Frage kann auch niemand dich ansprechen und dir antworten, spürt niemand deine Gefühle, hat keine Chance mit dir in Kontakt zu treten. Ich finde es gut, dass du deine „Deckung“ ein Stückchen verlassen hast. Wenn’s mir nicht gut geht, zieh ich mich auch oft in meine Deckung zurück, verstecke mich, schalte auf „unsichtbar“. Das fühlt sich in diesen Momenten als richtig an, ich zweifele aber doch etwas. Damit gebe ich mir (und anderen, die vielleicht gute Gedanken und Worte für mich hätten) keine Chance.

      Borderline – das Wort kenne ich, die Symptome bei mir: wohl eher nicht, aber wer weiß das schon definitiv. Ansonsten bin ich für mich mit Diagnosen vorsichtig. Sie stecken einen gleich in mindestens eine Schublade, und was dann? Gibt man sich dann noch Mühe, über den „Tellerrand“ hinaus zu schauen? Diagnose kann aber auch so was wie eine erste Gehhilfe sein, nicht unbedingt die Dauerlösung fürs Leben, aber eine Stütze, ein mögliche Richtung des Suchens für den Moment. Du spürst meine Zurückhaltung zu „Borderline“.

      Die Aufs und Abs und deren Häufigkeit und wechselnde Intensitäten sind es, die dich treiben und beeinflussen.

      Unter der Last meines Studiums hatte ich oft das Gefühl von „ich schaff das jetzt nicht. Seid ihr zu doof, das anzuerkennen.“ Aber es gab auch den oder die gute Andere neben mir, die sagten: „Atme erst mal durch, hol Luft, mach mal Pause … und der/die sagte: du schaffst das, ich glaube an dich.“ Heute weiß ich, die konnten keine Wunder vollbringen. Aber ihre Worte taten gut. In den Arm genommen zu werden, richtig oder verbal, das tat gut. Das war wie ein kleines Trostbonbon, war sooo hilfreich, tat sooo gut, nur nicht so kalorienreich ;) .

      Aus meiner heutigen Sicht weiß ich: das Studium ist kein Zuckerschlecken, meins war’s jedenfalls nicht. Ich war keine Überfliegerin, gesundes Mittelmaß, Abschluss mit 2,0. Ist das jetzt sehr gut? Nein … aber gut, im wahrsten Sinne des Wortes.

      Vielleicht spürst du in meinen Zeilen den Unterschied zwischen Realität und eigener Wahrnehmung. Wir haben Vorstellungen, von dem was wir sein und leisten wollen und können. Ich glaube, wir können viel; noch viel mehr, wenn’s darauf ankommt. Das hat uns die Biologie so mitgegeben. Wir unterliegen aber auch Einflüssen aus der gesamten Welt um uns herum. Aber müssen es auch die Maßstäbe der Anderen sein, die wir zu unseren eigenen machen? Wäre es nicht um ein vieles leichter, ab und an diese „Mitte“ wahrzunehmen und sie als das einzustufen, was ihr Begriff bedeutet: die Mitte, die gesunde Mitte, die Balance, das Hin- und Herpendeln um das „ausgewogen sein“, um unsere Mitte?

      Vielleicht ist „Borderline“ das, was dich begleitet, vielleicht aber ist es auch ein Stück Anspruch an dich selbst. Verzeih, wenn ich das so formuliere: vielleicht ein überzogener Anspruch aus dir selbst und aus deiner Umwelt? Was würde denn passieren, wenn du eine Stufe zurückschaltest? Nicht auf Null (extrem gesprochen), sondern einfach ab und an einen kleinen Gang. Und dann die freiwerdende Energie für dich benutzt, für dich und dein Wohlbefinden? Wenn du spazieren gehst, wenn du mit anderen lachst, bewusst lachst … und das Lachen genießt. Kein Allheilmittel … aber es wird gut tun. Es wird gut tun im Moment deiner Zweifel.

      Entschuldige, falls ich mit meiner Wahrnehmung so daneben liege, aber für mich ist es die Balance, die du zu finden suchst, etwas mehr die Mitte, die Ausgewogenheit (eben meine Wahrnehmung aus deinen Zeilen). Manche wünschen sich die Impulsivität, die Kreativität, die Genialität großer Männer und Frauen, aber deren „Leiden“ und Zerrissenheit wollen wir nicht haben. Vielleicht ist es ein Gedanke, dich auf die Suche nach dieser Balance zu machen. Schau mal nach Entspannungsangeboten, nach Kursen für Entspannungstechniken, vergiss dabei die altmodischen Spaziergänge und die Tasse Tee nicht. Deine Lieblingsmusik kann auch dazu beitragen, dich wieder ein Stückchen weit zu deiner Mitte und deiner Balance zu bringen.

      Du denkst viel nach, grübelst. Was wäre, über meine Zeilen nachzudenken?
      Kein Allheilmittel, nur ein neuer Gedanke.

      Lg Elfenspiegel

      Ach und übrigens ... Elfen haben nicht immer recht, aber manchmal Geankenanstöße :)