Klinik vs Reha

      Klinik vs Reha

      Mögen mal ein paar Gedanken zu diesem Thema hier lassen...
      Unsere therapeutische Geschichte ist laaang und sehr bunt.
      Erster Kontakt zum psychologischen System mit 11 im Rahmen einer Heimunterbringung.
      Später in teils großen Abständen ambulante Gesprächstherapie unterschiedlichster Art.
      2006 zum ersten mal stationär und hier unglaubliche Erkenntnisse gesammelt in der
      Klinik in Bielefeld, wo wir unfassbar gute Therapeuten getroffen habe:
      Frau Klär-Beinker, Frau Dehner-Rau, Frau Gast um nur einige zu nennen.
      Bezüglich Psychoedukation eine Goldgrube, die uns auch heute noch jeden Tag hilft.
      2009 dort zur Intervalltherapie gewesen und mit Frau Maischein super gearbeitet.
      Danach weiter Gesprächstherapie bei einer ungeheuer guten und sehr gut vernetzten
      Therapeutin in Köln, Gabi Fischer, die aber leider mittlerweile den Kassensitz abgegeben hat.
      Von ihr kamen unter anderem Kontakt zum FSM (Fonds sexueller Missbrauch) der uns mit
      seiner Anerkennung und seinen Mitteln die Einrichtung eines Mal- und Bastelraumes
      für die Innenkinder ermöglicht hat und die Idee Reha statt Klinik.
      Inzwischen waren wir zwei mal in Bad Dürrheim in der Klinik Hüttenbühl, die von
      Dr.Schickedanz geleitet wird und wo jeweils Frau Buzdugan unsere Bezugstherapeutin
      war - eine unglaubliche Frau!
      Im Oktober können wir nun zum dritten mal dort hin, voraussichtlich für sechs Wochen.
      Wie unterscheidet sich das nun?
      Bietet die Klinik einen geschützten und triggerarmen Raum für die,sagen wir mal, Basisarbeit
      und dient vorrangig der Stabilisierung, ist eine Reha mehr alltagsorientiert.
      Bewegung, viele Gruppen, Ernährung, Sport, gemeinsames Kochen, Ausflüge, das steht mehr
      im Vordergrund - logisch, geht des der DRV ja auch in erster Linie einen Arbeitnehmer im
      System zu halten.
      Das muss aber nicht schlecht sein, wenn es denn reicht, und man sich der Auseinandersetzung
      mit (nicht abfällig gemeint) Normalos stellen kann.
      Das war nicht immer einfach, vielfach haben die Mit-Rehabilitanden dort (und das sein ihnen
      von Herzen gegönnt) keine Ahnung von SVV, Zwangshandlungen, DIS, Borderline und kennen
      eher Sachen wie Depression und Burnout. Aber das haben in unserem Fall die Bezugstherapeuten
      und auch und besonders die Kunsttherapeutin (die lustigerweise auch Fischer heißt) und die tollen
      Schwestern auf der Station mehr als wett gemacht:
      die Kunsttherapeutin hat ein umfassendes Verständnis für DIS und innere Welten, hat jeweils
      auch Einzelstunden ermöglicht, und bei den Schwestern durften sich die Kleinen auch in den
      Aufenthaltsraum zum malen flüchten wenn es drinnen hoch herging.
      Dazu eine immer geöffnete Sporthalle und ein fast immer geöffnetes Schwimmbad um sich
      auszutoben statt kaputt zu machen - also sichtbar kaputt zu machen - einfach toll.
      Beide male hatten wir die Essstörung dort super im Griff - nunja, zuhause dann nicht mehr so.
      Aber vielleicht kann ich es ja diesmal etwas mehr in den Alltag rüber retten...
      Ausserdem war im geschützten Rahmen der Klinik viel mehr innere Arbeit möglich als das
      zu Hause je ginge -. Konfrontation verträgt sich halt oft nicht mit Alltag und Arbeit.
      Spannend wird für uns der Wechsel im therapeutischen Team: Frau Buzdugan ist in eine Praxis
      gewechselt, und nun hat ein männlicher Therapeut die Leitung - da gruselt es uns aufgrund
      unserer Vita und verschiedener schlechter Erfahrungen etwas vor.
      Aber unsere Super-Netzwerker-ambulante Therapeutin kennt natürlich auch diesen Herrn und
      hat ihn auf einem Kongress angesprochen, sich ein Bild von ihm gemacht, uns Mut zugesprochen
      dass er kompetent mit DIS umgehen kann und ihm schon mal seinen neuen Patienten angekündigt.
      Beste Voraussetzungen also - wir werden berichten :)
      ...einsam lernst du das zu lieben was du nie berühren wirst...
      Gut zweieinhalb Wochen wieder zu Hause und höchste Zeit für das versprochene Update...
      So mies wie zur Zeit gings uns seit mehr als 15 Jahren nicht mehr, und ich begreife das als Chance.
      Wie bitte?
      Ja, das erfordert wohl eine Erklärung... here we go...

      Zunächst, es war dann doch eine Frau als Bezugstherapeutin (und gleichzeitig Ärztin) für uns zuständig.
      Wahnsinnig gut vorbereitet, warmherzig, aufmerksam.
      Schon für in den ersten Gesprächen Erwerbsminderungsrente angeboten.
      Zitat: "Sie sind unverschuldet nicht mehr in der Lage sind, Vollzeit zu arbeiten. Sie müssen nicht dafür bezahlen.
      Das kann die DRV übernehmen". Wow.
      Hatte so viel auf dem Schirm, was frühere Aufenthalte betrifft, hat erst mal einen Notfallplan Dis und eine Art
      "Bedienungsanleitung" für das Personal mit uns abgestimmt und vorne auf die Akte geklebt.
      Viele Einzeltermine ermöglich, in der Regel sind es einmal pro Woche 25 Minuten, wir haben uns teils vier mal
      in der Woche gesehen und bis zu 120min Zeit bekommen... Wahnsinn.
      Und in etwa drei Wochen das riesen Thema mit einem Innenkind, Robin, 11 Jahre alt und vor der Reha extrem
      durchgeschüttelt (unter anderem haben wir wochenlang im Keller vor der Waschmaschine geschlafen, weil
      Bett = Tatort und unerträglich), beruhigt. Nur eskalierte es zum Ende der Reha extrem, und trotz aller Bemühungen
      die Themen irgendwie zur Entlassung einzupacken, ist das nicht gelungen.
      Ich hatte meinem Chef versprochen: maximal sechs Wochen, dann Resturlaub und rechtzeitig zu Weihnachten wieder am Start.
      Im Rückblick eine ungeheure Schnapsidee...
      In der Reha schon diverse Verletzungen des Vertrags mit der Therapeutin, zB kein Alkohol, kein SVV, melden beim Personal
      wenn der Druck zu groß wird...
      Sie hat nicht geschimpft, nein, sie war traurig und hat es bedauert - und diese Reaktion war auf ihre Weise noch schlimmer als
      Schimpf und Schande - das immerhin kennen wir ja und können irgendwie auch besser damit umgehen.
      In der Klinik und zu Hause mehrere suizidale Krisen, alles vorbereitet, aufgeräumt, Briefe geschrieben, Rechnungen bezahlt...
      Mehrere Noteinzel bei der ambulanten Thera, inzwischen ambulant psychiatrische Anbindung, aber gar kein Vertrauen zu dem Laden.
      Krank geschrieben bis auf weiteres durch meine extrem liebe Hausärztin, mit kleinsten Alltagsanforderungen überfordert, verzweifelt
      auf der Suche nach einem Kriseninterventionsplatz, die Feiertage vor der Brust, kosmische Einsamkeit und Verzweiflung innen.
      Übermüdet und schlaflos, wach bis 4 Uhr, raus um 7... weiß nicht mehr ein noch aus.
      Jeden Abend Nachricht mit Katzenbild an die Hausärztin, sonst kommt das Rollkommando.
      Notfallcode mit Bekannter ausgemacht die das Rollkommando schickt wenn wir es nicht mehr können.
      Schlimmster Gedanke: meine erste und einzige Aufgabe ist es, die Kinder vor erneutem Schmerz zu schützen.
      In der Klinik schlagartig die Filter verloren die vor mir verbargen wie wenig Erfolg ich damit hatte.
      Wie schlimm sich mein Vermeidungsverhalten, meine Ablenkung nach Innen ausgewirkt hat.
      Wie oft ich die Kinder, wenn sie Schutz und Trost suchten, damit weggestoßen habe.
      Und der Gedanke, was wenn ich das Leid nur auf eine Weise sicher beenden kann?
      Und ich werd den Gedanken nicht mehr los.
      Ja, ich bin weit gekommen.
      Immer im Kreis herum, und wo ich heute bin, war ich 2005 schon einmal.
      Damals gab es große Umwälzungen im inneren System, und ich habe die Front quasi geerbt.
      Und jetzt beginnt alles wieder von vorne?
      Unvorstellbar, diesen Weg noch einmal zu gehen.
      Denn: wozu? Wenn wir immer wieder am Anfang stehen und die Dunklen, die Täter, immer gewinnen?

      Und warum begreife ich das als Chance?
      Zum ersten mal seit all den Jahren habe ich das Gefühl, es geht nicht mit geschlossenen Augen mit
      200km/h geradeaus. Ich bin mit Highspeed an die Wand geknallt.
      Jetzt kann ich eine Richtung wähle.
      Nach links zu den Menschen oder nach rechts zu den Sternen.
      Noch liege ich benommen am Boden, und es tut nur weh.
      Aber zum ersten mal in meinem Leben habe ich eine Wahl.
      Ich hoffe, ich wähle richtig...
      ragnar
      ...einsam lernst du das zu lieben was du nie berühren wirst...
      Hallo LiquidPeace,

      es tut mir sehr leid, dass die Erfahrung so heftig war. ("heftig" ist vermutlich noch die Untertreibung des Jahres)
      Ein Gedanke, der mir kam: Es muss sich nicht alles wiederholen; vielleicht kann es dieses Mal mit neuen Erkenntnissen auch besser laufen. Mit dem Ziel, dass es Euch eines Tages besser gehen wird (und die Dunklen nicht gewinnen).

      Ich wünsche Dir/Euch sehr, dass Du/Ihr richtig wählt. Von Herzen alles Gute für Euch!

      Alles Liebe
      Kasmo
      ~ Memories that touch our hearts will never fade away ~
      Hey Kasmo,

      danke für die lieben Worte.
      Ich versuch den Laden so gut es geht am laufen zu halten.
      Was für Tage, und die Nächte... ich versuch so lange wie möglich wach zu bleiben bis der Körper so müde ist
      dass zwischen hinlegen und einschlafen keine Zeit vergeht. Damit die vulnerable Phase in der ich die Kontrolle
      verliere nicht zum Absturz für die Kleinen wird.
      Es ist immer das gleiche: ich liege im Dunkeln auf dem Rücken und das Kind ist schlagartig wach und in Panik.
      Hände kommen, Stimmen flüstern und schmeicheln.
      Versuche ich mich auf die Seite zu legen ist sofort die Körpererinnerung da, der Druck am Po, die Hand um die Brust...
      Verbringe die Tage damit, wie ein Stroboskop hin und her zu wechseln.
      Von Depri Gothic Musik, zu Rock, zu Serien, zu Kinderpuzzle für 4jährige, zu Lego Technik für 12jährige, zu Wicca für
      das Mädchen, zu Training für den Sportfreak ... ein ein eizges Chaos und spät in der Nacht ist Freund Wilkinson auch
      noch zu Gast... ich hoffe so sehr dass sich morgen irgendwelche Infos finden bezüglich Krisenintervention.
      Ich will verdammt sein wenn ich die Kinder nicht retten kann! Dafür kämpfe ich einfach weiter und weiter...
      ragnar
      ...einsam lernst du das zu lieben was du nie berühren wirst...
      Kleines Update:
      meine ambulante Thera hat aus dem Urlaub heraus(!) in der Klinik angerufen und das Leitungsteam dort bespricht
      nächste Woche ob und wenn ja wann Krisenintervention möglich ist.
      Parallel dazu heute den Antrag auf Wiederaufnahme ausgefüllt und abgeschickt.
      Krux: ein dringender OP-Termin mit höchstem Triggerpotential, den der (mit mir befreundete) Chirurg unbedingt
      vorher durchführen möchte: "das Ding muss raus und ich will wissen was das ist bevor du für sechs Wochen nicht
      da bist. Das müssen wir vorher erledigen".
      Okay, kein Problem, nach der Voruntersuchung waren wir wochenlang arbeitsunfähig, was denn, kein Problem ^^
      Und die Tatsache dass wir eigentlich im Umfeld von Narkosen keine Flashbacks haben dürfte angesichts der Lokalisation
      der OP und den erwartbaren größeren Schmerzen und der erforderlichen Wundversorgung gelinde gesagt spannend werden.
      Es ist also unumgänglich, das Anästhesiepersonal und die Pflege auf der Station (2-3 Tage stationär) vorab zu informieren.
      Juhu. Nicht.
      ragnar
      ...einsam lernst du das zu lieben was du nie berühren wirst...
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