Hoch runter hoch. Oder einfach Resonanz gesucht?

      Hoch runter hoch. Oder einfach Resonanz gesucht?

      Hallo zusammen.

      Ich war früher hier viel aktiv, vor einigen Jahren. Viel hat sich verändert, zum Positiven, aber ich habe auch gemerkt, dass ich für die Themen hier anfällig bin und Distanz brauche. Ich glaube auch nicht, dass ich lange hier sein werde. Das ist nicht so nett, aber ich hoffe ihr könnt es verstehen.

      Vor ein paar Tagen habe ich mir den Account erstellt, weil es wieder deutlich bergab ging die letzten Wochen. Eigentlich seit Jahresbeginn oder seit den Feiertagen. Es ist nichts passiert bzw im Gegenteil: Viele Projekte laufen besser als erhofft und ich hatte auch beruflich endlich eine Chance, das heißt auch die drückenden Geldsorgen werden weniger.
      Aber irgendwie habe ich gemerkt, dass es mir sehr schnell sehr schlecht ging. Rückblickend war es wohl eine Sache von 6-8 Wochen. Zum Beispiel hatte ich oft in den letzten Monaten den Gedanken "eigentlich könnte ich jetzt weinen". Aber ich war zu sehr in meiner Alltagsroutine um dem nachzugeben. In Kliniken habe ich immer wieder gelernt, wie wichtig auch Routine ist und dass sich ablenken ja auch gut ist. Und wer lange krank war weiß ja wie toll es sich anfühlt, wenn man endlich auch Leistung bringen und Erfolge erzielen kann, die eben dem entsprechen, was unsere Gesellschaft darunter versteht. Naja.
      Also, es hat sich wohl langsam reingeschlichen, aber angefühlt hat es sich, als hätte mir jemand den Stecker gezogen: Plötzlich keine Energie mehr, keine Freude, keine Motivation. Stattdessen abwechselnd Angst und Traurigkeit und Aggression. Und eben ganz viele dunkle Gedanken und nächtliche Google-Suchen nach Selbstverletzung ohne Spuren und sich selbst triggern und ganz viel so Richtung Spirale abwärts (Essen, impulsive Gedanken absichtlich wertvolle Dinge kaputt zu machen die mich Jahre der Arbeit gekostet haben und auf die ich beruflich angewiesen bin usw)
      Ich war dann immerhin die letzten Tage so schlau zu meiner wirklich guten Psychiaterin zu gehen. Die hat dann auch direkt Bl*ttestangeordnet (Ergebnis steht noch aus). Aber sie betreut mich schon lang und denkt es ist eben wieder eine depressive Phase. Wir haben die Antidepressiva hochgesetzt, das gehtzum Glück bei meinen gut und schnell. Ich war gestern und heute und noch morgen auch krankgeschrieben und bin letzte Woche immer früh heim. Dadurch geht es mir schon etwas besser, wobei jetzt wieder die Schuldgefühle kommen und die Frage, ob es nicht auch von allein und ohne Drama (dem Partner sagen, um Arzt gehen, Kolleginnen sagen, krank melden) gegangen wäre. Ob es wirklich so schlimm war.

      Paradoxerweise will ich mich gleichzeitig in die Depression reinstürzen und einfach los lassen. Meine Therapeutin von früher würde vermutlich sagen: Kontrolle aufgeben wollen. Aber es ist nicht so, als wäre ich sehr kontrolliert gewesen letztes Jahr. Ich habe zum Beispiel ziemlich zugenommen und auch Konflikte gehabt weil ich mich emotional nicht in Griff hatte.

      Ich wollte eigentlich einen klaren Beitrag verfassen, aber ich merke, dass mir die Kraft fehlt und ich selber nicht weiß, was eigentlich los ist und wohin ich will. Mein Umfeld - Partner, engste Freundin, Freunde - wissen, dass es grade etwas schlechter geht, weil ich Sachen absagen musste und ja auch beim Arzt und krankgeschrieben war. Aber ich kann niemandem die dunklen Sachen sagen. Wie etwa: Ich möchte mich verl*tz*n oder ich möchte meine Projektarbeit der letzten drei Jahre löschen um mir zu schaden oder mein Konto überziehen um mir zu schaden. Das schockiert Leute und ich will nicht, dass sie sich mehr Sorgen machen als sie es eh schon tun. Weil es ja auch grade wieder besser wird. Ich kann das, ich kann wieder aufstehen, ich habe das die letzten Jahre immer wieder getan. Und ich bin total privilegiert und habe Unterstützung.

      Ich weiß auch nicht. Ich wünsche mir jemandem, dem ich das sagen kann ohne dass sich die Person Sorgen macht. Ich glaube ich habe einfach auch Angst vor der Zukunft und zu viele Dinge gleichzeitig um die ich mich kümmern muss. Ich möchte mich einrollen, gar nichts tun und mich mit Essen vollstopfen und wieder erbr*ch*n. Aber das habe ich so halb in Griff. Gewicht zu hoch, aber okay, nicht arg schlimm, ich kann es aushalten, es ist ärztlich noch im Rahmen auch wenn ein bisschen weniger besser wäre. Ärztin sagt aber es ist nicht der Zeitpunkt weil Risiko zu hoch jetzt wieder in eine Esssache zu rutschen wenn ich versuche abzunehmen.

      Vielleicht ist es jetzt, wo vieles in den letzten Jahren besser lief als früher, auch die Scham, die Erkenntnis wie sehr ich mir kaputt gemacht hab und anderen geschadet hab durch mein Verhalten. Aber auch, was ich mir verbaut habe, allein finanziell wenn ich da an meine Altersvorsorge denke - Partner und ich sind jetzt mitte dreißig und er ist viel besser aufgestellt, obwohl er weniger Unterstützung hatte, weil er gearbeitet hat statt Schuljahre zu wiederholen und ewig keinen Job zu haben usw. Ich muss jetzt auch irgendwo erfolgreich sein, damit ich nicht von ihm abhängig bin und damit ich ihn zur Abwechslung mal finanziell unterstützen könnte (was nicht nötig ist, aber falls es mal so wäre könnte ich es jetzt nicht, er tut es aber für mich schon immer).

      Ich belasse das jetzt hierbei. Danke dir, der immer es liest, für deine Zeit. Gibt es einen Gedanken dazu? Eine Draufsicht, einen Kommentar, eine Assoziation? Darüber würde ich mich freuen. Eine konkrete Frage fällt mir nämlich gar nicht ein, ich glaube - so pathetisch es klingt - ich möchte grade einfach nur gehört werden. Dabei nehme ich ja immer schon so viel Raum ein.

      _Zedernholz
      Hey,

      Eventuell etwas wirr, weil aktuell schwierig Dinge klar zu formulieren, aber hoffentlich trotzdem irgendwie sinnvoll.

      Mir sind spontan ein paar Dinge ein-/aufgefallen, weil ich die selber von mir kenne.

      Dieses irgendwie unspezifische "schlecht gehen", obwohl eigentlich drumrum alles okay läuft hat bei mir oftmals zwei Komponenten. Auf der einen Seite, resultierend aus dem jahrelangen eben nicht funktionieren können, nicht viel auf die Reihe kriegen, die Angst, dass es crasht. Es läuft so gut, da muss ein Haken sein, das kann ich nicht lange durchhalten. Also flüchte ich oftmals in das bekanntere, katastrophisieren, nichts mehr tun wollen, weil es ja eh keinen Sinn macht, aufgeben, weil es ja eh nicht lange gut geht. Eine wirkliche Lösung dafür habe ich noch nicht gefunden und vielleicht passt es für dich auch gar nicht. Meistens hilft eine Mischung aus dem Wissen darum, aus der Kenntnis der Angst, dass es eh nicht funktionieren wird und dem entgegengesetzt Handeln und einfach dem Vertrauen in meine Fähigkeiten und die Entwicklung die ich gemacht habe (auch mit Bestätigung aus dem Außen).

      Auf der anderen Seite ist dieses in Routinen stecken, Funktionieren. Hat man ja lange genug nicht hin bekommen, muss ja irgendwann mal klappen. Mir helfen kleinere Auszeiten, kleinere Momente von "Kontrolle abgeben". Auch vielleicht einfach routinemäßig einplanen, einen Abend in der Woche, einen Tag alle 2 Wochen, ein Wochenende jeden Monat. Wie es passt. Und da einfach nicht die völlige Eskalation proben, sondern einfach mal nicht funktionieren. Egal was drumherum gerade furchtbar wichtig erscheint. Die Wäsche ist auch morgen noch da. Das Geschirr läuft auch nicht weg. Der Arbeit hilft es nicht, wenn ich jetzt noch dieses oder jenes erledige, wenn ich dann dafür in ein paar Wochen einfach mehrere Tage ausfalle, weil ich nicht mehr kann.
      Ein Tag im Bett. Mit 'ner Serie, 'nem Buch. Mal vor irgendwelchen Spielen an Konsole/PC versacken. 'Ne Stunde in der Badewanne liegen und heulen. Kleine Momente, in denen man aufgeben kann, ohne dass es sich ansammelt und es irgendwann in Selbstschädigung endet. Und wenn es gut tut und hilft und nicht langfristig schadet, halt eben auch ungesund mit 'ner Tüte Gummibärchen oder whatever.

      Ein Gedanke noch: Du sagst, du warst nicht sonderlich kontrolliert das letzte Jahr. Hilft eine objektivere Sicht darauf? Was funktioniert hat (Arbeit, Finanzen, Partnerschaft, Haushalt usw.) im Gegensatz zu zugenommen und Konflikte gehabt? Sich selbst kleiner machen als man ist und eher die negativen Dinge zu sehen ist ja immerhin auch irgendwie eine Art der Selbstschädigung. ;)

      Vielleicht hilft ja etwas davon.
      Dragonfly.
      Von verrückten Leuten kann man eine Menge lernen.
      (Die Mitte der Welt - Andreas Steinhöfel)
      einzig wahres Zitrönchen
      & Chefin des Chi-Kreiselwurm-Verschwörungskommandos


      Hallo Dragonfly.

      Vielen Dank für deine Antwort. Ich denke du hast den Nagel auf den Punkt getroffen. Die Kontrolle verlieren - oder einfach mal loslassen - aber nicht destruktiv. Ich musste daran viel denken seit ich deine Antwort gelesen habe. Ähnlich hatte es vor Jahren ein Therapeut formuliert. Es war gut, dieses Wochenende zum Beispiel nicht zu planen und spontan alles nach Lust zu machen. Am Ende war es sehr lange mit Leuten treffen, Skypen und schlechte alte Serien schauen. Keine Hausarbeit, kein Aufräumen.

      Ein objektiver Blick fällt mir schwer. Ich sehe, dass ich in vielen Dingen weit voran gekommen bin. Andere loben das, ich glaube ich muss auch mal lernen Freunden zu vertrauen wenn die das als sehr viel einschätzen (Freunde im ähnlichen Berufsfeld) und sagen ich darf auch mal langsam machen. Ich selbst habe oft das Gefühl, nie genug zu tun, daher: ja, wenn ich es mit der Wahrnehmung enger Freunde vergleiche, dann habe ich es auch ganz gut gemacht in vielen Bereichen.

      Was deine Worte noch in meinem Kopf ausgelöst haben: Wenn ich sowieso auf manches mit totaler Eskalation reagieren will, dann kann ich ja erst recht mit ein bisschen weniger reagieren. Uff, wie erkläre ich das? Also wenn ich sowieso denke, ich will zB ein Projekt hinschmeißen und alles kaputt machen, dann kann ich ja auch mal ne Stunde weniger dran arbeiten, denn ich will es ja eh eskalieren. Und dann stellt sich raus: ne Stunde weniger dran arbeiten und es mal ruhen lassen und sich ausruhen und ich will schon gar nicht mehr eskalieren. Das heißt ich muss nur lernen, statt Eskalation mir auch mal einfach "ein bisschen weniger" zu erlauben. Macht das Sinn? Also für mich ja, aber ich kann es nicht so gut erklären.

      Mittlerweile sind auch die Bl*twerte da. Ich habe auch einen Mangel, den wir aber einfach ausgleichen können. Das erklärt zusätzlich noch ein wenig woher diese intensive Erschöpfung kam. Ich bin auch froh, dass es nichts Schlimmes ist.

      Es sortiert sich als wieder etwas besser. Danke für deine Reaktion und die hilfreichen Denkanstöße.

      Zedernholz.
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