Lhea

      Ein sanfter Frühlingswind säuselte durch die Birken, die den kleinen Platz am Rande des Dorfes eingrenzten. Zart blau wölbte sich der Himmel mit den vielen kleinen, weißen Wolken über den flachen Hügeln und den roten Dächern. In der Ferne war ein leises, aber aufgeregtes Bellen eines Hundes zu hören- wahrscheinlich der Wachhund des Hofes vor der Wegbiegung zur Stadt.

      Durch die Gassen des Dorfes drängte sich eine aufgeregte Menschenmenge Richtung Tor. Die Wächter hatten die schmalen und krampfhaft stadttorähnlichen Türen so weit es ging aufgeschoben, und ein Troß Menschen quetschte sich hindurch. Es war Frühlingsmarkt.

      Über die weite Wiese inmitten der sanften Birken waren bunte Jahrmarktsbuden gesät, und leise, fast klimperige Musik dudelte unentwegt aus dem von Blumenbildern verzierten Leierkasten des alten Mannes, der am Eingang saß und dessen kleines Äffchen den Besuchern die Eintrittsgelder abnahm. Auch von dem Kettenkarussel, dass sich so rasend schnell drehte und von dem hübschen Karussel mit den weißen Pferdchen drauf, tönte die fröhliche Musik.

      Ein kleines Mädchen mit blonden Locken trieb mit einem Stöckchen einen Reifen vor sich her, der über die Grasbuckel auf dem Marktgelände holperte. Mit fliegenden Zöpfen flitzte sie durch die bunte Menschenmenge. Plötzlich blieb sie stehen- der Reifen kullerte ins Leere, zwischen den Beinen eines wohlbeleibten Herren hindurch, prallte schließlich gegen den Hering eines Zeltes und fiel um.
      Das Mädchen hatte dies nicht mehr gesehen. Sie starrte auf zwei große, schwarzpolierte Schuhe vor sich- in denen magere Beine steckten. Eine schwarz-rot geringelte Hose umschloß eng die Waden und verlor sich in einer schwarzen Pumphose, die am Bauch von einem roten, übergroßen Jacket abgelöst wurde, in dessen Revers eine schwarze Blume steckte.

      Ein Clown!!

      Er sah das Mädchen aus schwarzen Augen an. Dann löste er einen der vielen Luftballons aus dem Strauß, den er trug und beugte sich zu dem Mädchen herunter.

      „Hier, meine Kleine. Der ist für dich... laß ihn nicht wegfliegen. Er ist ein Geschenk von mir. Siehst du das schöne Bild, das auf dem Ballon ist? Das ist ein großer Baum... an dem hängt ein Mann. Er wurde dort aufgeknüpft. Siehst du, die bunten Flecken an seinem Hals? Siehst du, wie der Strick in seine Haut schneidet... wie seine leeren Augen weitaufgerissen und glasig in die Ferne glotzen? Siehst du, wie dumm er ausschaut?“

      Das Mädchen starrte den Clown an. Die dünne Schnur des Ballons glitt aus ihren Kinderhänden... und der Ballon flog fort. Ein Windstoß erfasste ihn und trieb ihn in den nächsten Baum, wo er lautlos zerplatzte.

      Der Clown lächelte. Er sah sich um. Ah... da waren sie ja. Seine Schmetterlinge... ein Schwarm schwarzer Falter tanzte lustig über den Köpfen der Menge im Sonnenlicht. Ihre Flügel waren schwarz mit rotem Muster- die Farben, die auch der Clown gern trug.
      Er streckte eine Hand in die Luft, und ein Falter ließ sich sacht flatternd darauf nieder. Seine Flügel breitete er aus und bettete sich auf den samtenen Handrücken des Clowns. Versonnen betrachtete der Spaßmacher die Anordnung der Punkte und Linien auf den Flügeln. Sie sahen aus wie ein schreiendes Gesicht- eine vor Schmerz und Pein verzerrte Haßfrazte.
      Dann flog der Falter wieder fort. Der Clown wandte sich ab und ging zu einem der anderen Kinder, blutige Fußabdrücke hinterlassend.

      Ein Karussel drehte sich in rasanter Geschwindigkeit. Die weißen Pferde und die kleinen Wägelchen, in denen man darauf Platz nehmen konnte, blitzten sorgfältig lackiert in der Sonne. Die Wagen waren mit Blumenranken verziert... schwarze Blüten, auf denen die Falter des Clowns saßen.

      Die Kinder auf dem Karussel waren stumm. Keines jauchzte vor Freude. Sie blickten gesichtslos in die bunte und laute Menge. Blut lief geräuschlos aus nicht vorhandenen Augenhöhlen und tropfte irgendwann in den grauen Nebel, der das Karussel umwallte.

      Auf den Schiffsschaukeln am Ausgang des Jahrmarkts saßen schwarze Krähen und beäugten das fröhliche Treiben. Der Clown reichte einem Kind einen Ballon. Ein junger Mann auf einem Einrad rollte vorbei und zerstach ihn mit einer Nadel. Er lachte dem Kind klirrend ins Gesicht.
      Ein kleines Hündchen tollte zwischen den Füßen der Leute herum. Der Clown streckte seine knochige Hand aus und hob es hoch. Er betrachtete es und setzte es vorsichtig zurück ins weiche Gras.

      Leises Geklimper vom Karussel.
      Das stetige gleichmäßige Knarren der Schiffsschaukeln.
      Das dumpfe Gebrabbel der Menge.

      Erst spät in der Nacht war der Jahrmarkt vorbei. Der Clown blickte sich lächelnd um. Er liebte diese Ruhe. Die Falter hatten sich in aller Stille auf dem schwarzen Umhang ihres Herrn niedergelassen und breiteten ihre Fratzenflügel aus. Ein schmales Lächeln umspielte die tiefiroten Lippen des Spaßmachers. Das kleine Mädchen trat neben ihn.

      „Bekomme ich noch so einen Ballon?“
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      hey, du schreibst total schön!
      am besten gefällt mir "manchmal einfach die flügel ausbreiten..."

      mach weiter so!!!
      lieben gruß
      you don't want to kill urself, just feel free
      so u cut, pretending it might help
      forgetting all the problems u may see

      but as the blade cuts deep into your flesh
      and thick blood runs down ur skin
      your soul's scars will be refreshed
      ...not healed
      Ein Klirren... die Scherben splittern-
      und alles zerbricht um mich herum...

      Wie Eisregen- sage ich immer... wie Eisregen.

      Stumm- und hilflos... dastehen und zuschauen- wie alles
      zu einem Meer wird- haltlos... auf mich einstürzt.
      Die Tränen... sind nicht mehr zu stoppen... sie rinnen... und stürzen wie ein Wasserfall
      nicht aus meinen Augen...

      Das letzte Lachen verklingt... es ist still im Raum.
      Das Lied ist gespielt...
      Der Traum wird zum Traum.
      Der letzte Blick wird trüb... die Augen schließen.
      Es ist Zeit.
      Keine Tränen vergießen.
      Unendlichkeit.

      Verstanden wie Märchen... das Leben zu groß.
      Verworrene Welten.
      Wohin? Einfach los.
      Es zieht mich... nicht mehr...
      Es ist Zeit.
      Das Leben erkennen.
      Vergangenheit.

      Wie ein Bett aus Blumen... im Frühlingswald.
      Es wird Winter.
      Eiskristalle... das Spiel wird zu alt.
      Erinnerungen frieren... zu sehr.
      Es ist Zeit.
      Nie wieder tanzen.
      Kein Sommerkleid.

      Vergangenes leben... mittlerweile erkannt.
      Stille umschließt mich.
      Herzen zu Asche verbrannt.
      Die Blätter wiegen sich sacht... im eisigen Wind.
      Es ist Zeit.
      Sie fallen zur Erde.
      Meine Ewigkeit.

      Balancierende Kinder... und sanfter Wind.
      Schmerzen.
      Das uralte Wunder verrinnt.
      Die Stimmen dringen entfernt... an mein Ohr.
      Es ist Zeit.
      Leises Weinen.
      Die Augen verschlossen vorm Leid.

      Es ist Zeit... es ist Zeit... wofür fragst du mich?
      Zum Öffnen der Augen- ich sehe dich.
      Versunkene Träume... verlassener Wald.
      Dein Platz war leer.
      Unendlich kalt...

      Einige Zeit... in Schweigen gehüllt...
      Einige Stunden durch Schmerzen erfüllt...
      Einige Monde mit Weinen verbracht-
      Nicht mein Zauber war es in dieser Nacht.

      Gewagt? Du wagst es-
      Neige dein Haupt... auch wenn nicht erfahren-
      was ich geglaubt.
      Genug gewusst... zum Weinen zuviel.
      Des unwirklichen Lebens dauerndes Spiel.

      Zum Leben zu wenig... und immer noch mehr.
      Steig ein-
      ins Boot...
      zur Fahrt ohne Wiederkehr.
      Ich stand am Ufer und sah dir zu-
      Seenot? Ich bette dich zur ewigen Ruh.

      Ich halte dich fest an meiner Hand...
      lass dich nicht los- bis ich alles erkannt.
      Dann lass ich dich sinken- in die Tiefen hinab.
      Was auch immer du warst- dies ist dein Grab.

      Ich halte dich fest an meiner Hand...
      Lass dich nicht los- bis alles erkannt.
      Ich lass dich nicht sinken- niemals... allein.
      Du warst es- alles andere ist geheim.

      Ich halte dich fest...
      Lass dich nicht los...
      Ich halte dich fest- und zauber dich groß.
      Ich weine und lache und ohne dich-
      du bist nun du- und ich nur ich.

      Ich halte dich...
      Ich halt dich fest.
      Auch wenn du mich eigentlich nicht mehr lässt.
      Der Zauber- nicht mein... nicht dein...
      Zu groß...
      Ich lass dich nicht fallen- ich lass dich nicht los.

      Der Dolch am Herzen- stoß zu.

      Was dann?

      Blut- oder Tinte... alles erkannt.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Und manchmal tut es plötzlich weh...

      ... als würde ein glühender Stab durch mein Herz gebohrt werden... und ich höre dein Lachen, das ich mir nur ausgedacht habe.
      Ganz leise klingt es an meine Ohren... ganz leise, so wie der Wind manchmal nur zu wehen glaubt.

      Ich wollte das nie... ich habe nie darum gebeten... und man beginnt, damit zu leben, weil man es ja muß. Und dann- ganz plötzlich- tut es wieder weh...

      ... und wie durch einen Nebelschleier seh ich das, was ich glaubte, immer gesehen zu haben.

      Und du lächelst.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Ich wünsch mir wieder Schnee... und ich wünsch mir dampfende Schornsteine und Eiszapfen an den Häuserdächern... und ich wünsche mir, daß mein Atem weiß ist in der Luft, wenn ich spazierengeh- und das meine Fußabdrücke im Schnee zu sehen sind und gefrieren bis zum nächsten Tag...

      Und dann will ich einen Schneeball machen und spüren, wie kalt meine Hände werden... und ich will sicher sein, daß ich nicht schwitze- schwitzen ist eklig und dreckig- und das will ich nicht sein.

      Sonne tut meinen Augen weh... und Wärme meinem Herzen... und diese bunten Farben von der Sonne und vom Himmel machen mir Angst- als wollten sie mit Gewalt in meine Schatten eindringen- aber das darf niemand. Und es ist so anstrengend...

      Und was war so schön an dem Geruch von Blumen- habt ihr schon einmal richtig tief eingeatmet, wenn der Raureif die Landschaft überzieht... und habt ihr euch schon einmal hingestellt und gewartet, bis ein eisiger Windstoß durch euer Haar fährt...? Blumen sind so süß... so weich- harte, klare Linien... steriler Frost-

      Trägheit macht sich breit bei Wärme... man darf nicht träge sein- man muß sich schnell bewegen können- man muß schnell denken können und fortlaufen können- und keine kurzen Röcke tragen...

      Die Leute werden so lustig... alle... auf einmal... wie eine Seuche... es macht mir Angst- ich will nicht das, was alle wollen- sie wollte mich nie- nun will ich sie nicht mehr...

      So wie bei "Drei Nüsse für Aschenbrödel"... Schnee... und warme Felle... und Pferdeschlitten... ich friere dann- und man muß mich wärmen... ich erfriere so leicht...
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Ein leises Knirschen ertönte- ein Knarren... Eiskristalle segelten durch die Luft zu Boden, als die Schaukel langsam begann, vor und zurück zu wiegen. Kleine Hände umklammerten die gefrorenen Ketten, die von Raureif überzogen waren und stumm klang das Lachen des Mädchens durch die eisige Luft, während ihr weißes Kleidchen im Wind flatterte.

      Die schwarzen Äste der Bäume ragten wie verbrannte Knochen in den unwirklichen Himmel und streckten ihre Skelettfinger nach den Sternen aus, die nicht mehr die Kraft zum Scheinen besaßen.
      Der kreischende Schrei eines Vogels, der seine Kreise am Himmel zog, klagte durch die gespenstische Stille des Gartens vor dem großen Schloß. Ein Sonnenstrahl zerriß den federleichten Nebel, der über der endlosen Schneelandschaft tanzte und entfachte ein Farbenspiel aus Feuer, dass sich in den Kristallen brach.
      Das Mädchen betrachtete mit großen Augen die Blumenbeete... ohne Blumen... nur ein Meer aus Frost.

      Ihr Atem wurde zu weißem Dampf- wie der, den die großen Schiffe unten an den Docks in der Stadt immer ausstießen. Er tanzte durch die Luft, und eine Schneeflocke versank in ihm, tauchte wieder auf und verlor sich im Weiß am Boden.
      Das Mädchen schloß die Augen- ganz sacht- und eine Flocke landete auf ihren zarten Wimpern, wo sie langsam schmolz und wie eine Träne ihre Wange hinab floß.

      Bald... bald würde wieder Frühling sein- und überall hier würden Blumen blühen... Rosen und Margeriten... Eine weitere Flocke landete auf ihren Wimpern, eine auf ihrer Wange, auf ihren Lippen- tausende und abertausende Flocken schwebten aus dem weiten Nichts hinab und legten sich auf den gefrorenen Schnee wie eine neue weiße Decke.

      Der Sonnenstrahl schien den Boden nach Leben abzusuchen... der Vogel am Himmel warf einen kreisenden Schatten hinab auf die Erde... der eisige Wind hatte aufgehört zu wehen, und die Schaukel schwang vor und zurück...

      Vor und zurück...

      ... und das Mädchen begann leise zu singen.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Der Mann dort am Fenster- er sitzt dort nur... seine Gestalt ist dunkel- vielleicht eine andere Farbe. Etwas grau... oder ein mattes Grün-

      Sitzt dort nur... am Fenster- als wollte er rein- oder raus- sie erschreckt sich... als sie ins Zimmer kommt? War sie schon im Zimmer...?

      Und dann steht sie dort. Starrt zum Fenster. Es ist grau im Zimmer... trostlos grau. Der Himmel ist grau, den sie sieht- die dunkle Gestalt sitzt dort- wie ein Fels, der all das Licht im Zimmer nimmt...

      Er sitzt dort. Und Stille. Mama? Kommt sie? Mama...?
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Man würde doch schreien- ganz laut.
      Man würde doch schreien... so, dass es alle hören.
      Ganz laut.
      Mit voller Kraft.
      Man würde doch fortlaufen- ganz schnell.
      Und sich verstecken.
      Das einen niemand findet.
      Finden kann.
      Das man sicher ist. In Sicherheit.
      Unsichtbar.
      Ganz weg.

      Ich würde doch schreien. Jetzt. Ganz laut. Und fortlaufen. Ich würde doch schreien!!!!!!!

      Das muß man doch hören.
      Im Kopf.
      Den Schrei.
      Wieso hör ich ihn denn nicht?
      Ich hab doch geschrien? Oder?
      Bestimmt hab ich geschrien.
      Man würde doch schreien.

      Oder fortlaufen.

      Angst hat man auch. Jeder hätte Angst.
      Ich hab auch Angst.
      Aber wovor...
      Keine Fragen... wenn doch alles gut ist. Wozu Fragen?

      Aber schreien würde man- manchmal bleibt aber auch die Stimme weg... manchmal.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Vielleicht ein Wort... auch ein ganz leises...?
      Wissen...
      Genau. Ganz genau. Im Schlaf fällt mir doch alles ein.
      Ich möchte aber nicht mehr schlafen. Wenn man die Augen zu macht,
      ist es nämlich dunkel.
      Im Dunkeln mögen die Elfen nicht singen.
      Die- die dort auf der Rose sitzen.
      Und wenn sie aufhören zu singen, dann fallen die Blätter ab.
      Einfach so.
      Und sie segeln auch nicht schön- weil kein Wind weht.
      Und dann ist alles ruhig. Ganz ruhig.
      Elfen- Elfen müssen singen. Du darfst ihnen das nicht verbieten- oder ihnen die Flügel brechen, damit sie nicht mehr fliegen können. Das darfst du nicht!
      Dann sterben sie.
      Ja. Auch Elfen können sterben. Wenn man ihnen die Flügel bricht.
      Dann schon.

      Schlafen, sagte ich... das ich nicht schlafen mag.
      Weil es dann dunkel ist.
      Mama muß bei mir schlafen.
      Und aufpassen.
      Alle Kinder haben Angst im Dunkeln. Alle Kinder.
      Alle Kinder.
      Mama muß bei mir schlafen.
      Wenn es wieder so weh tut.
      Da-
      Dann muß sie bei mir schlafen. Und Geschichten erzählen.
      Oder was von früher. Oder sie singt.
      Aber es tut trotzdem weh- nächste Nacht.
      Ja.
      Und dann sterben Elfen.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Ein wildes Treiben- wüst- wirbelt um mich herum...
      und wartet- wissend- wehenden Windes.
      Einem Sturme gleich... Masten knickend, Felder räumend-
      verwehe windlos und stürme fort.
      Gen See- und weiter- Horizont- und das kleine Café im Hofe von dem alten Backsteinhaus an der Ecke.
      Endlos wogt der Worte Wald um mein zerwirrtes Haupt.
      Zerwirrt, zerweht... es fliegt und wütet
      wandelnd im Zenit.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Manchmal sagt man mehr...
      Viel mehr.
      Manchmal sagt man Dinge, die geheim sind.
      Ganz geheim.
      Nur weil man unterm Sternenzelt steht.

      Manchmal schon.

      Das mit den Sternen ist nämlich so eine Sache.
      Die scheinen einfach immer.
      Irgendwann hören sie alles Voraussicht nach auf damit.
      Aber noch scheinen sie.
      Ganz hell. Und klar. Und glitzernd.
      Weiß.

      Dann sagt man Dinge, die man doch nie sagen wollte.
      Weil sie zu schön sind.
      Zu romantisch.
      Entrückt.
      Aber das ist ja auch der Sternenhimmel.

      Nur diesmal lag kein Schnee. Leider. Ich mag Schnee so gern.
      Aber diesmal lag keiner.
      Aber ich erinnere mich... ganz genau. Und sogar im Sommer sieht man dann den weißen Atem in der Luft, wenn ich seufze.

      Ganz kalt war es... kalt und klar. Kein Wind... nicht einmal ein Geräusch.
      Der Schnee schien alles Leben zu verschlucken.
      Eine Totenstille. Aber dafür schienen die Sterne zu hell. Viel zu hell.
      Und wenn ich dann meinen Kopf in den Nacken gelegt habe, wunderte ich mich immer, warum sie nicht weint. Ich hab doch geweint.

      Geschneit hat es nie. Aber es lag immer Schnee... meist schon gefroren- und ein Eispanzer schmiegte sich auf das Weiß und machte jeden Schritt knisternd hörbar.
      Und dann hab ich mich gefragt, warum sie denn traurig ist.

      Und ich hab an ihn gedacht... wie er da steht- und lächelt.
      Auch im Schnee übrigens.
      Und dann war alles gut.

      Manchmal sagt man mehr...
      als man eigentlich wollte.
      Nur weil man unterm Sternenzelt steht.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Ich weine noch immer.
      Und wann ich aufhöre, weiß ich nicht.
      Vielleicht nie.

      Vielleicht auch schon bald.
      Aber ich glaube es nicht.

      Weil es noch immer lebt.
      Es lebt weiter- der Schnee kommt jedes Jahr wieder... jedes Jahr leuchten dieselben Sterne...- das Haus steht da noch.

      Es riecht immer so- kalt.
      So, als wäre es einfach nur Winter.

      Jetzt ist einfach nur Winter.
      Und einfach nur Schnee.
      Und dann weine ich wieder.
      Wie ich immer weine, wenn ich eh schon einmal weine.
      Wenn ich schon mal dabei bin.

      Dann schluchze ich irgendwann los.
      Ganz laut- und ganz unangemessen.

      Und dann stell ich mir vor- wie ich einfach ans Bett tret und ihn umarm.
      Wär doch nichts dabei gewesen.
      Aber dann hätte ich ja geweint.
      Das war verboten.
      Hab ich beschlossen.

      Es war zu magisch.
      Es gibt schließlich auch schwarze Magie.

      Es war zu magisch.
      So, daß man das Echte nicht mehr sehen konnte.
      Wahrhscheinlich war es doch nur Wahnsinn und keine Magie.

      Und dann weine ich wieder, wenn ich daran denk.
      Und wann ich aufhöre, weiß ich nicht.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.
      Geheimnis.

      Mund halten.

      Nur Metaphern, damit es niemand versteht.

      Malen. Fahnen. Wehende fahnen. Das Seil in meiner Hand. Rauh. Klamm vom Morgentau. Dann loslassen. Die Fahne steigt hoch.

      Kalter Wind.

      Wiegende Bäume. Geschrei. Gebrüllte Befehle. Schwere Stiefel. Laufen. Verbissene Gesichter. Angst.

      Spiegel. Blitze. Weite Felder. Unerkannt. Wiedergefunden.

      Schaukeln... auf einem Kriegsspielplatz.

      Krieg spielen... bunte Bilder an die Fenster malen, damit es nicht so auffällt.

      Krieg spielen. Dumm. Verblendet. Weiterspielen.

      Fort wollen. Weit fort wollen. Stahltor.

      Schreckliche Angst.

      Einsamkeit.

      Weglaufen. Stacheldraht.

      Panik.

      Hohe Zäune. Stacheldraht. Stahltore.
      Gefangen im Wahnsinn.
      Trommelschläge. Dumpf und monoton. Schwere Stiefel auf Asphalt.

      Tränen. Nur noch weinen.

      MAN WEINT NICHT!!!!!!

      Verstummen. Keine Fantasie mehr. Wieder Trommelschläge.
      Schritte.
      Das Stahltor fällt ins Schloß.

      Schuld.
      ... und das Meer von Funken sprüht... und den Himmel kühlt.