"du bist so kompliziert"

      "du bist so kompliziert"

      "Du bist so kompliziert."

      "Ich weiß nicht weiter, es ist so schwierig mit dir."

      "Ich will dich nicht verlieren, aber es ist so furchtbar anstrengend mit dir."


      Solche Sätze stehen im Raum, schwängern die Luft mit Verlassensangst und Schuldgefühlen. Und einer seltsamen Mischung aus Hoffnungslosigkeit, dass es nie genug und nie gut genug sein wird, aus Verzweiflung und auch aus Wut, auf alles, auf mich, die Krankheit, die nicht weggeht, die Vergangenheit.

      "... meine Borderlinerin."

      Halb ironisch, halb mit einem schmerzhaften Unterton.
      Was ist da aber Krankheit, was Persönlichkeit?

      Ich _will _gesund werden.
      Ich arbeite daran, reiß mich am Riemen.
      Den ewigen Satz meiner Thera, "ich finde, du machst große Fortschritte", kann ich bald nicht mehr hören. Er kommt mir zu den Ohren raus - ja, ich mache Fortschritte, olé, aber wann wird es endlich mal _genug sein und _gut _genug?

      Keine Drogen. Seit... drei Monaten oder so.
      Alkohol nicht, wenn ich alleine bin, nur wenn wir weggehen, und auch da nur soviel, dass ich mich nicht abschieße.
      Das Essen bleibt drin und ich esse normal... zwar unregelmäßig, aber ausgewogen und auch mal Fastfood & Co., ich bin aus dem UG raus und halte mein Gewicht, es ist _okay so. Die ES wird wieder weniger stark.
      SVV? Na gut, war schon mal besser.
      Ich gehe unter Menschen, regelmäßig & oft, Konzerte mit 3000 Leuten und ich komm damit klar, etwas, was ich mir früher nie erträumt hätte.
      Es _wird doch alles besser.

      Ja, ich bin manchmal launisch. Ich will oft nicht *da* angefasst werden. Rege mich über nicht funktionierenden Code auf und schließ mich im Bad ein, bin stur und quengelig, wenn ich etwas partout will, haue nachts ab und schreie ihn an... blah.
      Ist das jetzt die BPS oder einfach *ich*? ...

      Ist alles, was nicht funktioniert, gleich die Krankheit?

      Die Angst, zu anstrengend zu sein. Er bringt mir so verdammt viel Verständnis entgegen, nimmt mich in den Arm wenn ich denke, dass ich gerade über sämtliche Grenzen hinausgeschossen bin und er Schluss machen wird, fragt nach, ist geduldig, ... eine Seele von Mensch. Und ich, ich habe Angst, zuviel für ihn zu sein, ihn runterzuziehen, kaputtzumachen. Dabei will ich doch nur mit ihm glücklich sein-

      Keine Ahnung, was man darauf antworten kann. :rolleyes:

      Ist eventuell im falschen Unterforum gelandet, war mir da gerade nicht so sicher.


      A.

      Hei Du,

      ich bin zwar kein Bordi, aber hab genug seltsames, Panikattacken, SSV in Essform und bin etwas unfæhig, den gewøhnlichen Alltag zu bewæltigen, bin nicht die gefuehlvollste, hatte ein Trauma bzw eine Verdrængung, die viele Jahre anhielt. Und habe einen Mann seit 8 Jahren, der viel moserte an mir, aber trotzdem nicht ging, auch wenn ich meine Rausschmeiss-Phasen hatte, wenn er mir mal was nicht nettes sagte. Letztendlich hab ich erkannt, das er einfach viel Liebe brauchte, die ich ihm nicht so gut geben kann, mich jetzt aber mehr bemuehe. Die Liebe sieht er nicht in Liebesschwueren, sondern in diversen alltæglichen Lebenslagen, mit denen ich zu kæmpfen habe

      Ich denke auch, das viele deiner Reaktionen einfach nur Dein Ich sind, aber er kann es wohl nicht mehr unterscheiden, weil er einfach nicht den Blick dazu hat. Mænner sind praktisch, uebersehen gerne Fortschritte oder vergessen sie in einem Moment, in dem sie genervt sind... Ich finde Du hast wirklich super Arbeit an Dir geleistet - vielleicht kannst Du ihm das auch mal bei Gelegenheit aufzæhlen, das Vorher-Nachher.

      Und der Rest braucht halt Geduld, hab Geduld mit Dir und spreche mit ihm ueber Deine Ængste, sag ihm das, was Du hier schriebst, wie sehr Du ihn liebst und wie Angst Du hast, das Du ihn mit Deiner Art eines Tages vergraulst. Da er Dich sichtbar ,aus Deinen Beschreibungen her, liebt, wird ihm das bestimmt neue Kraft geben
      Original von Frozen
      Ich denke auch, das viele deiner Reaktionen einfach nur Dein Ich sind, aber er kann es wohl nicht mehr unterscheiden, weil er einfach nicht den Blick dazu hat.

      Ich glaube es geht nicht darum, ob er es nicht unterscheiden kann. Vielmehr geht es darum, dass _man selbst_ (als Betroffener) das nicht mehr unterscheiden kann.




      Hallo A.

      Das Problem ist glaube ich schon die Frage an sich - "Bin ich ich, oder bin ich die Krankheit?" ... Ist das nicht genau diese verschrobene Identitätssuche? Warum muss man sich immer sicher sein was "Ich" ist? (Kontrolle?) ... Vielleicht ginge es viel besser, wenn man sich diese Frage eben nicht stellen muss. Vielleicht macht das den wichtigsten Schritt aus.
      Diese Frage ist manchmal einfach ein Genickbruch. Man bleibt stecken und zwar an genau der Stelle - es gibt darauf keine Antwort, keine, die einem je als absolut erscheint.
      Die Persönlichkeit ist veränderbar - sie kann sich entwickeln. Aber jedesmal, wenn sie etwas tut, muss man sich sofort fragen - war das Ich? Bin das überhaupt noch ich?

      Naja, stopp an der Stelle... ich weiche ab, glaube ich.


      Manchmal ist es wichtiger solche Fragen zur Seite zu legen, als sie zu beantworten. Manchmal ist es vielleicht besser einzusehen, dass so etwas nie beantwortet werden wird. In erster Linie sind wir alle Menschen.
      Mir wurde gesagt "Du bis weniger manipulativ als vor deinem Klinikaufenthalt." - Ich wusste bis dahin nicht mehr, dass ich das je war. Und überhaupt... weniger heißt doch, dass ich es noch bin. Bin ich manipulativ? An der Stelle kann ich mir auch die Frage stellen: Macht das die Krankheit, oder bin ich das wirklich?
      Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass Charaktereigenschaften durch die BPS "intensiviert" werden. Vielleicht war ich früher "krankhaft manipulativ" und bin nun eben... immer noch so, aber lange nicht in dem Ausmaß.

      Strebst du nach dir selbst oder einem Idealbild?
      (Nach sich selbst streben klingt, als wisse man, wo man am Ende steht... aber es gibt ja gar kein Ende und mit Wissen hat das wenig zu tun. Aber man würde so gerne wissen... .)


      Ok, jetzt aber wirklich stopp, ich glaube ich werde abstrakt und ehe es mir ganz furchtbar peinlich wird: ein schöner Gruß, i.
      Guten Morgen,

      und danke euch beiden für eure Antworten. :)

      Oh, ja, die berühmte Identitätssuche... ich denke, damit hat es sicherlich Einiges zu tun. Vor allem mit der Überlegung, ob diese ganzen Eigenschaften und Verhaltensweisen denn nun etwas sind, was zu der Krankheit gehört und somit "bekämpft" werden muss, oder ob es tatsächlich zum gesunden Anteil gehört, eine Daseinsberechtigung hat-
      Soviel ich da auch an mir arbeitete, aber ich werde niemals ein geläutertes Engelchen ohne jedweden Fehler sein ;) - und das _will ich auch gar nicht. Jeder Mensch hat seine Ecken und Kanten, Punkt.

      ... nein, eben nicht Punkt. Sonst wäre es ja zu einfach.
      Ich will ja, dass man mit mir klarkommt, ich nicht zur Last falle.
      All das, was ich in meiner vorherigen Beziehung - zu einem Borderliner - als belastend empfunden habe, was mich da fertig gemacht hat - das erlebt mein Freund nun umgekehrt. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich durch die vorherige Beziehung ein Stück weit die andere Perspektive kennegelernt habe, eben wie es ist, mit jemandem mit BPS zu leben.
      Damals habe ich mir oft gedacht, Herrgott, es sind doch solche _Kleinigkeiten teilweise. Und bei mir selber bermerke ich es meistens gar nicht, wenn solche "Kleinigkeiten" passieren. Hmm.

      Deinen Gedanken mit dem Intensivieren finde ich tröstlich @ klirr. Dass man sich nicht komplett umkrempeln muss, um die Krankheit wegzubekommen, sondern die Eigenschaften nur *weniger krass* werden müssen. Mhmm...


      ... ich geh erstmal Kaffee kochen, bin grade erst aufgestanden und noch nicht so ganz hellwach ;)


      Lieben Gruß
      A,

      Stimmt Klirr - ich hab den letzten Monat auf Teufel komm raus an mir analysiert,
      vieles ist klarer geworden, doch jetzt hænge ich und hab mir gedacht, ich høre
      damit auf, sonst werd ich noch ganz wirr im Kopf, zumal ich echt zum Teil nicht
      weiss, ob auch bei mir manches Verhalten krankheitsbedingt ist oder eher eine
      Charaktereigenschaft
      deshalb denke ich, das Dein Ratschlag generell gut passt

      Wenn es nicht immer wieder Menschen geben wuerde, die einen an seine Macken
      erinnern. Selbst fænde man die Probleme ja gar nicht so schimm, wenn die
      Lebenspartner nicht immer wieder aufmaulen wuerden.

      Morschen Neontrauma ;) trink mal einen fuer mich mit ;)
      Es könnte helfen, weniger an das Ich in der Beziehung zu denken, sondern gemeinsam was zu machen. Gedanken wie "ich falle ihm zur Last", "ich bin anstrengend", "wie hält er mich nur aus" rücken den Fokus weg von zweismkeiten und lenken ihn nur auf Dich, was zu Unausgewogenheiten führt.
      tick tock, tick tock, what's reality compared to me? (Timekiller/ Project Pitchfork)
      ich habe keine ahnung von bps, aber frage mich, ob es nicht möglich ist, in situationen des überreagierens einen moment inne zu halten und zu reflektieren, was man da gerade für nen mist macht.

      Rege mich über nicht funktionierenden Code auf und schließ mich im Bad ein, bin stur und quengelig, wenn ich etwas partout will, haue nachts ab und schreie ihn an... blah.


      ich kann mir vorstellen, dass man da als partner auch an eigene grenzen stößt. liebe hin oder her, das ist de facto anstrengend - zumindest dann, wenn man keine chance hat, das zu verstehen. und da setzt ein, was kanonenfleisch sagt: hin zur zweisamkeit und zum reden und zum "wir".
      "Und so habe ich Marla Singer kennen gelernt. Ihre Lebensphilosophie war, dass sie jeden Augenblick sterben konnte. Sie sagte, die Tragödie war nur, dass es nicht geschah." Fight Club
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