imoutochan

      Sonntag 29.3.09

      Klingenliebe – eine Kurzgeschichte

      Keuchend saß ich in meinem kleinen dunklen Zimmer auf dem Boden.
      Die Stimme hämmerte in meinem Kopf: "Wertlos...! Wertlos...!"
      Schon den ganzen Tag versuchte ich sie so gut wie möglich zu ignorieren, aber es fiel mir immer schwerer.
      „Ich bin wertlos.“, dachte ich. „Nutzlos…Wertlos…“ Ich hob den Kopf.
      Da war ein Mädchen mit braunen langen Haaren und einem schmalen Gesicht.
      Ihre grünen Augen starrten direkt in die meinen. Eine Träne lief über ihre Wange. Sie war sehr bleich, es ging ihr nicht gut.
      Ich wollte sie trösten, und streckte meine Hand aus.
      Ich stieß gegen den Spiegel.
      In diesem Moment sah ich hinter mir etwas aufblitzen und drehte mich um. Da lag sie, die Klinge, die ich schon vor ein paar Wochen ausgebaut hatte, weil ich wusste, ich würde sie irgendwann brauchen. Ich dachte nur noch an eines: Schmerz.
      Ich musste mich bestrafen für meine Taten, für die Freundschaften, die ich zerstört hatte, das Vertrauen, dass ich nicht geben konnte, die Lügen, die ich erzählt hatte, das falsche Lächeln, dass ich aufgesetzt hatte.
      Langsam, ganz langsam ging ich zum Tisch, und nahm sie in die Hand, drehte sie beinahe zärtlich in den Fingern.
      Sie lachte mich an. Sie flüstere. Ich hörte nicht hin.
      Ich nahm sie und hielt sie sachte an meinen Arm.
      Gedanken rasten durch meinen Kopf: „Ich habe eine Freundschaft zwischen zwei Menschen zerstört, von denen ich einen nicht einmal kannte. Ich bin ein schlechter Mensch. Ich darf nicht schlecht sein... Darf nicht… Ich muss… Ich will…“ Ich zog die Klinge durch.
      Ein scharfer Schmerz durchzuckte meinen ganzen Körper, mein Gehirn schrie.
      Doch Sekunden später war der Schmerz weg, verschwunden.
      Fasziniert beobachtete ich, wie ein einzelner roter Bluttropfen meinen Arm hinunterkroch, fast wie ein Wanderer der kein Ziel vor Augen hatte und in der Gegend umherirrte. Dann tropfte er auf mein nacktes Bein und versickerte schließlich im Teppich.
      Es war das Blut, das mich am Leben hielt.Verächtlich wischte ich es weg.
      Ich wollte den Schmerz fühlen, fühlen wie sich mein Herz auftat.
      Aber je mehr ich mich schnitt, desto weniger fühlte ich es, das ersehnte Leid.
      Ich wurde zornig auf mich selbst. Alles wurde verschwommen, ich nahm nicht mehr wahr was ich tat.
      Ich fiel.
      Schwärze.
      Benommen richtete ich mich auf. Der Boden um mich herum war rot vom eingetrockneten Blut.
      Ich schob das Bett über die Stelle. Ich würde mich dann später darum kümmern.
      Erst jetzt merkte ich, dass die Schnittstellen an meinen Armen bissen wie verrückt. Ich zog mir einen Pulli über, aber dadurch wurde es nur schlimmer.
      Seufzend band ich meine Haare zusammen. Ich musste los.
      Ich warf einen letzten prüfenden Blick zurück in den Spiegel, in die starrenden grünen Augen.
      Dann ging ich.


      written by imoutochan
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